Bullinger - Abendmahl

 

Heinrich Bullinger

Das Zweite Helvetische Bekenntnis

(Confessio Helvetica Posterior 1566)

 

Bullinger über das Abendmahl:

 

XXI. KAPITEL: DAS HEILIGE ABENDMAHL DES HERRN

 

Das Abendmahl des Herrn, das auch Tisch des Herrn oder Eucharistie, das heißt Danksagung, genannt wird, heißt deshalb allgemein Abendmahl, weil es von Christus bei jener letzten Abendmahlzeit eingesetzt wurde und diese noch jetzt darstellt, auch weil die Gläubigen dabei auf geistliche Weise gespeist und getränkt werden. Denn der Stifter des Herrenmahles ist nicht ein Engel oder irgendein Mensch, sondern Gottes Sohn selbst, unser Herr Jesus Christus, der es zuerst für seine Kirche geheiligt hat. Diese Weihe oder Segnung dauert aber bis heute an bei all denen, die kein anderes als das Mahl feiern, das der Herr eingesetzt hat, und die dabei die Einsetzungsworte des Herrn vorlesen und in allem mit wahrem Glauben einzig auf Christus schauen, aus dessen Händen sie gleichsam empfangen, was sie durch den Dienst der kirchlichen Diener bekommen. Durch diese heilige Handlung will der Herr seine dem Menschen-geschlecht erwiesene herrliche Wohltat in frischer Erinnerung halten, nämlich dass er uns durch seinen dahingegebenen Leib und sein vergossenes Blut alle unsere Sünden erlassen und uns vom ewigen Tod und von der Gewalt des Teufels erlöst hat, und dass er uns jetzt speist mit seinem Fleisch und tränkt mit seinem Blut, die uns nähren zum ewigen Leben, wenn wir sie im wahren Glauben auf geistliche Weise empfangen. Und diese große Wohltat erneuert er so oft, als das Abendmahl des Herrn gefeiert wird. Denn der Herr hat gesagt: „Das tut zu meinem Gedächtnis!“ So wird durch dieses heilige Mahl die Tatsache versiegelt, dass der Leib des Herrn wirklich für uns dahingegeben und sein Blut zur Vergebung unserer Sünden vergossen worden ist, damit unser Glaube nicht wanke. Und zwar wird mit diesem Sakrament sichtbar und äußerlich durch den Diener dargestellt und sozusagen augenscheinlich gemacht, was inwendig in der Seele durch den Heiligen Geist selbst unsichtbar verliehen wird. Äußerlich wird vom Diener Brot angeboten, und man hört die Worte des Herrn: „Nehmet, esset, das ist mein Leib; nehmet und teilt das unter euch; trinket aus diesem alle; das ist mein Blut.“ Deshalb empfangen die Gläubigen, was ihnen vom Diener des Herrn gegeben wird, essen das Brot des Herrn und trinken aus dem Kelche des Herrn; inwendig jedoch empfangen sie durch den Dienst Christi Fleisch und Blut des Herrn durch den Heiligen Geist und werden damit gespeist zum ewigen Leben. Denn Fleisch und Blut Christi sind wirklich Speise und Trank zum ewigen Leben; und Christus selber ist, da er für uns dahingegeben und unser Heiland ist, Grund und Wesen des Abendmahls, und wir lassen nichts anderes an seine Stelle setzen. Damit man aber besser und deutlicher versteht, wieso Fleisch und Blut Christi Speise und Trank der Gläubigen sei und von ihnen zum ewigen Leben empfangen werde, wollen wir einiges Wenige beifügen. Es gibt nicht nur einerlei Art zu essen. Es gibt ein leibliches Essen, wobei man die Speise in den Mund nimmt, mit den Zähnen zerbeißt und hinunterschluckt. Auf diese Art haben einst die Kapernaiten das Fleisch des Herrn gemeint essen zu müssen, werden aber von ihm selbst widerlegt in Joh. 6,63. Denn wie das Fleisch Christi nicht leiblich gegessen werden kann ohne Frevel und greuliche Rohheit, so ist es auch nicht eine Speise für den Bauch. Das müssen doch alle eingestehen. Wir missbilligen deshalb in den Dekreten der Päpste den hierher gehörigen Kanon: „Ich Beren-gar...“ im Abschnitt 2 über „Die Weihen“. Denn weder die Frommen der alten Kirche noch wir glauben, dass der Leib Christi mit dem leiblichen Munde körperlich oder wirklich gegessen werde. Es gibt aber ein geistliches Essen des Leibes Christi, nicht so allerdings, dass wir annähmen, die Speise selber ver-wandle sich in Geist, sondern so, dass Leib und Blut des Herrn ihr Wesen und ihre Eigenart behalten und dass sie uns geistlich mitgeteilt werden, nämlich nicht auf leibliche, sondern auf geistliche Weise durch den Heiligen Geist, der uns eben das, was durch das für uns in den Tod dahin gegebene Fleisch und Blut des Herrn erworben wurde, nämlich die Vergebung der Sünden, die Erlösung und das ewige Leben, verschafft und zu eigen macht, so dass Christus in uns lebt und wir in ihm leben. Er bewirkt auch, dass wir ihn so selbst als unsere geistliche Speise und unseren geistlichen Trank, das heißt als unser Leben, im wahren Glauben empfangen. So wie nämlich die leibliche Speise und der leibliche Trank unseren Leib nicht bloß erquickt und stärkt, sondern ihn auch am Leben erhält, so erquickt und stärkt das für uns dahingegebene Fleisch und das für uns vergossene Blut Christi unsere Seele nicht bloß, sondern erhält sie auch am Leben, allerdings nicht, weil Brot und Wein leiblich gegessen und getrunken werden, sondern darum, weil sie uns auf geistliche Weise vom Geiste Gottes mitgeteilt werden. Denn der Herr spricht: „Das Brot, das ich geben werde, ist zugleich mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt“ (Joh. 6,51). Ebenso: „Das Fleisch natürlich leiblich genossen hilft nichts, der Geist ist es, der lebendig macht.“ Und: „Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben“ (Joh. 6,63). Und wie wir die Speise durch das Essen in uns selbst aufnehmen müssen, damit sie in uns wirke und ihre Kraft entfalte, da es uns nichts nützt, wenn sie neben uns liegt, so ist es auch notwendig, dass wir Christus im Glauben aufnehmen, damit er unser werde, in uns lebe und wir in ihm. Denn er sagt: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten.“ Ebenso: „Wer mich isst, wird leben, weil ich lebe“, und: „...der bleibt in mir und ich in ihm.“ Aus alledem geht klar hervor, dass wir unter geistlicher Speise keineswegs weiß was für eine Scheinspeise verstehen, sondern den Leib des Herrn selbst, der für uns dahingegeben wurde, der aber immerhin von den Gläubigen nicht leiblich, sondern geistlich durch den Glauben genossen wird. Darin folgen wir durchaus der Lehre Christi, unseres Herrn und Heilandes selbst, nach Johannes im 6. Kapitel. Und dieses Essen des Fleisches und Trinken des Blutes des Herrn ist so nötig zum Heil, dass ohne dieses Essen und Trinken niemand selig werden kann. Dieses geistliche Essen und Trinken aber vollzieht sich auch außerhalb des Abendmahls, so oft und wo immer ein Mensch an Christus glaubt. Darauf bezieht sich vielleicht das Wort Augustinus „Was rüstest du Zahn und Bauch? Glaube, so hast du gegessen!“ Außer dem höheren geistlichen Genießen gibt es aber auch ein sakramentales Essen des Leibes des Herrn, durch das der Gläubige nicht bloß geistlich und innerlich teil hat am wahren Leib und Blut des Herrn, sondern er empfängt, wenn er zum Tische des Herrn tritt, auch äußerlich sichtbar das Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn. So hat der Gläubige zwar schon vorher, so lange er geglaubt hat, die lebenspendende Speise empfangen und genießt sie bis jetzt, empfängt aber doch etwas, wenn er nun noch das Sakra-ment nimmt. Denn durch die ständige Gemeinschaft des Leibes und Blutes des Herrn macht er Fortschritte, und sein Glaube wird so mehr und mehr entzündet, wächst und wird stark von dieser geistlichen Nahrung. Denn so lange wir leben, wächst der Glaube beständig. Und wer im wahren Glauben das Sakrament äußerlich empfängt, der empfängt nicht nur das Zeichen, sondern genießt, wie gesagt, die Sache selbst. Außerdem gehorcht er der Anordnung und dem Befehl des Herrn, dankt mit fröhlichem Herzen für seine und der ganzen Menschheit Erlösung, begeht das gläubige Gedächtnis vom Tode des Herrn und bezeugt vor der Gemeinde, welches Leibes Glied er sei. So wird denen, die das Sakrament empfangen, die Tatsache versiegelt, dass der Leib des Herrn dahingegeben und sein Blut vergossen worden sei nicht bloß im allgemeinen für die Menschen, sondern dass sie im besonderen Speise und Trank zum ewigen Leben seien für jeden einzelnen Gläubigen, der das Abendmahl genießt. Wer aber ohne Glauben zum heiligen Tisch des Herrn tritt, der genießt das Sakrament nur äußerlich, empfängt aber nicht das Wesentliche des Sakramentes, woraus das Leben und das Heil kommt. Solche Menschen essen unwürdig am Tische des Herrn. Die aber unwürdig vom Brote des Herrn essen und von seinem Kelche trinken, werden schuldig am Leib und Blut des Herrn und essen und trinken sich selbst zum Gericht. Denn wer nicht mit wahrem Glauben hinzutritt, der schmäht den Tod Christi, und deshalb isst und trinkt er sich selber zur Verdammnis. Wir bringen deshalb den Leib des Herrn und sein Blut mit Brot und Wein nicht so in Verbindung, dass wir sagten, das Brot sei selber der Leib Christi, außer im sakramentalen Sinn, oder: unter dem Brot sei der Leib Christi körperlich ver-borgen, so dass er in der Gestalt des Brotes angebetet werden müsse, oder: wer das Zeichen empfange, der empfange unbedingt die Sache selbst. Der Leib Christi ist im Himmel zur Rechten des Vaters. Darum muss man die Herzen emporheben und darf nicht am Brot hängen bleiben und den Herrn nicht im Brot anbeten. Und doch ist der Herr nicht abwesend, wenn seine Gemeinde das Abendmahl feiert. Die Sonne ist ja auch weit weg am Himmel und trotzdem ist sie mit ihrer Kraft bei uns. Wie viel mehr ist Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, obwohl dem Leibe nach abwesend im Himmel, doch bei uns, zwar nicht leiblich, sondern geistlich durch sein lebenspendendes Wirken, wie er selbst bei seinem letzten Mahl erklärt hat, dass er bei uns sein werde (Joh.14.15.16). Daraus folgt, dass wir nicht ohne Christus Abendmahl halten und doch ein „unblutiges und geheimnisvolles Mahl“ feiern, wie die ganze alte Kirche es nannte. Ferner werden wir durch die Feier des Herrenmahles ermahnt, daran zu denken, welches Leibes Glieder wir geworden sind und deshalb eines Sinnes mit allen Brüdern zu sein, damit wir heilig leben und uns nicht beflecken mit Lastern und fremden Religio-nen, sondern im wahren Glauben verharren bis ans Lebensende, und darnach trachten, mit einem heiligen Lebenswandel voranzuleuchten. Deshalb ziemt sich, dass wir uns vor dem Gang zum Abendmahl nach der Anweisung des Apostels selber prüfen, vor allem, mit was für einem Glauben wir ausgerüstet seien, ob wir glauben, dass Christus gekommen sei, Sünder selig zu machen und zur Buße zu rufen, und ob jeder für sich glaube, dass auch er zur Zahl derer gehöre, die durch Christus erlöst und selig gemacht werden, und ob er sich vorgenommen habe, sein verkehrtes Leben zu ändern und heilig zu leben, und unter dem Beistand des Herrn im wahren Glauben zu verharren und in Eintracht mit den Brüdern Gott für die Erlösung würdigen Dank darzubringen usw. Was die heilige Handlung, nämlich die Art und Weise oder die Form des Abendmahls betrifft, so halten wir dafür, dass die am einfachsten und besten sei, die der ersten Anordnung des Herrn und der Lehre der Apostel am nächsten kommt. Sie besteht nämlich in der Verkündigung des Wortes Gottes, in frommen Gebeten, in der Handlung des Herrn selbst und ihrer Wiederholung, im Essen des Leibes und im Trinken des Blutes des Herrn, im Gedenken an den heilbringenden Tod des Herrn, in der gläubigen Danksagung und in der heiligen Vereinigung mit allen Gliedern der christlichen Gemeinde. Wir missbilligen daher die Ansicht derer, die den Gläubi-gen die eine Gestalt des Sakramentes, nämlich den Kelch des Herrn, entzogen haben. Denn diese versündigen sich schwer gegen die Anordnung des Herrn, der sagt: „Trinket aus diesem alle!“, was er beim Brot nicht so ausdrücklich gesagt hat. Wie es mit der Messe bei den Alten gewesen ist, ob sie erlaubt war oder nicht, darüber streiten wir jetzt nicht. Nur das sagen wir frei heraus, dass die Messe, die heute in der ganzen römischen Kirche gebräuchlich ist, in unseren Kirchen aus zahlreichen und höchst triftigen Gründen abgeschafft ist, die wir jetzt der Kürze halber nicht einzeln erwähnen können. Keinesfalls konnten wir es billigen, dass aus der heilbringenden Handlung ein leeres Schauspiel und eine Verdienstquelle gemacht wurde, oder dass sie gegen Bezahlung gefeiert wird, ferner, dass man sagt, der Priester „mache“ dabei den wahren Leib Christi und opfere ihn wirklich zur Vergebung der Sünden, für Lebende und Tote, dazu etwa noch zur Ehre oder zur Feier oder zum Gedächtnis der Heiligen im Himmel und so weiter.