Hunnius - Buße und Wiedergeburt

 

Nikolaus Hunnius: Kurzer Inhalt Dessen,

Was ein Christ von Göttlichen unnd Geistlichen Dingen

zu wissen und zu gleuben bedürfftig (1625)

 

Nikolaus Hunnius über des Menschen Berufung, Buße, Rechtfertigung, Bekehrung, Erneuerung, Wiedergeburt und Vereinigung mit Christus:

 

Das siebenzehnte Kapitel.

 

Nachdem für die Menschen dem göttlichen Gerichte genug geschehen ist und sie mit Gott ausgesöhnt worden sind, lässt der Herr Christus ihnen dieses sein Gnadenwerk durch die Predigt des Evangelii vortragen und sie, solche Gnade zu genießen, gnädig berufen.

 

439. Also hat der Herr Christus der sündhaftigen Menschen Sache bei Gott wiederum gut gemacht und es steht nun allein daran, dass sie diese Guttat mit dankbaren Herzen erkennen und annehmen. Hierin nimmt sich abermal der Herr Christus unser getreulich an, dass er uns zu seinem versöhnten Vater wiede-rbringe. Dass wir nun diese andere Guttat recht verstehen lernen, so ist Achtung zu geben 1) auf die Handlungen des Herrn Christi, 2) auf die Mittel, so in dem-selben Werke gebraucht werden.

 

440. Der Handlungen sind sieben: 1) der Beruf, 2) die Buße, 3) die Recht-fertigung, 4) die Bekehrung, 5) die Erneuerung, 6) die Wiedergeburt, 7) die Vereinigung mit Christo.

 

( Vom Beruf zu Christi Wohltaten.) 

 

441. Die erste Handlung ist also der Beruf, dadurch wir aufgefordert werden, Christi Wohltaten zu genießen. Der ist uns hochnötig. Denn so in einem Ge-fängnis viel Gefangene liegen, die allesammt losgekauft wären, es würde aber ihnen die geschehene Erlösung nicht angemeldet noch sie gerufen, auszugehen; so wäre sie ihnen nichts nütze. Gleich also, wenn uns Christus mit seinem Blut aus der Hölle Gefängnis erlöset hat, so wäre dies große Gnadenwerk ohne Nutzen, wo uns nicht dasselbe verkündigt und wir sein zu genießen vermahnt würden.

 

(Von Christi Predigtamt.) 

 

442. Damit nun dieses geschehe, hat der Sohn Gottes neben seinem hohen-priesterlichen Amt auch das Propheten- oder Lehramt auf sich genommen und in demselben die Menschen von Gottes Gnade, so durch ihn geschehen ist, unter-richtet. Bei diesem Amt des Herrn Christi sind diese vier Punkte zu betrachten:

1) dass er dasselbe allein führe und aller Menschen Lehrmeister sei, 2) was er lehre, 3) wann er lehre, 4) zu welchem Ende und aus welcher Ursach er lehre.

 

443. Der erste: dass Christus das Lehramt allein führe und aller Menschen Lehrmeister sei. Dieses ist ein recht göttliches Amt, welches Gott der Herr ihm selber allein zuschreibt, Jes. 48,17: „ich bin der Herr dein Gott, der dich lehret, was nützlich ist, und leitet dich auf dem Wege, den du gehest“. Desselben hat sich der Sohn Gottes angenommen, wenn er Matth. 11,27. gesprochen: „niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn und wem es der Sohn will offen-baren“.

 

444. Und dass ihm solches gebühre, wird gezeigt:

1) durch der Propheten Verkündigung; 5 Mose 18,15: „einen Propheten, wie mich, wird der Herr dein Gott dir erwecken aus dir und aus deinen Brüdern, dem sollt ihr gehorchen“; Jes. 50,4: „der Herr Herr hat mir eine gelehrte Zunge ge-geben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden“; Kap. 61,1.2: „der Geist des Herrn Herrn ist über mir, darum hat mich der Herr gesalbet; er hat mich gesandt den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu predigen den Gefangenen eine Erledigung und den Gebundenen eine Öffnung, zu predigen ein gnädiges Jahr des Herrn“.

2) durch die Stimme des himmlischen Vaters, Matth. 17,5: „siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören“.

3) durch die Wunderwerke, damit er seine Predigten bekräftigte, also, dass seine Zuhörer bekennen mussten: das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll (Joh. 6,14.); es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden und Gott hat sein Volk heimgesucht (Luk. 7,16.).

 

445. Der andere Punkt: was der Herr Christus lehre? Antwort: eigentlich nichts anders, denn das Evangelium, welches ist eine gnadenreiche Predigt von dem gnädigen Willen Gottes, von Vergebung der Sünden und von der ewigen Selig-keit, welche aus Gottes Gnade und seinem (des Herrn Christi) Verdienst einig und allein herkommt.

 

446. Wiewohl aber Christus das Gesetz nicht allerdinge aufgehoben hat, als zuvor angezeigt worden ist, so ist er doch nicht ein Gesetzprediger zu nennen, sintemal er in diesem Punkt Mosi entgegengesetzt wird Joh. 1,17: „das Gesetz ist durch Mosen gegeben, die Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum worden“. Dieses geben auch seine Predigten, welche Matthäus in diese Summa gefasst hat: „tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbei kommen“, Kap. 4,17. Und er selber zeigt seinen Jüngern an, was sie predigen sollen, mit diesen Worten: „also musste Christus leiden etc., und predigen lassen in seinen Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern“, Luk. 24,46.47. Also ist die Predigt des Herrn Christi ein Beruf der Menschen zum Himmelreich, zur Buße und Vergebung der Sünden, das ist, zum Gebrauch aller der Güter, die er ihnen durch sein Blut und Tod erworben hat. Wie denn dasselbe durch Gleichnisse von Einladung zur königlichen Hochzeit, Matth. 22,3., und zu dem großen Abend-mahl, Luk. 14,17., von Christo selbst erklärt wird.

 

447. Die Apostel begreifen ihre Predigt mit solchen kurzen Worten: „ich habe euch nichts verhalten, dass ich nicht verkündigt hätte alle den Rat Gottes“, Ap. Gesch. 20. 27.; „ich hielte mich nicht dafür, dass ich etwas wüsste unter euch, ohn allein Jesum Christum den Gekreuzigten“, 1 Korinth. 2,2.; „Gott war in Christo und versöhnete die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünde nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Gottes Statt, denn Gott ermahnet durch uns. So bitten wir an Christus Statt: lasset euch versöhnen mit Gott. Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in ihm die Ge-rechtigkeit, die vor Gott gilt“, 2 Kor. 5,18. ff. Dies ist nun der ganze Inhalt dessen, was der Herr Christus in seinem Lehramt uns hat vorhalten und anzeigen sollen.

 

448. Der dritte: Wen er lehre. Darauf ist mit kurzem zu antworten: gleichwie das Amt der Versöhnung oder Erlösung alle Menschen angeht, also müssen auch alle Menschen davon gelehrt werden. Dieses wäre genug, den allgemeinen Beruf aller Menschen zur Seligkeit zu beweisen. Aber dass niemand sich mit schweren Gedanken plage, als ob Gott ihn zu seiner Gnade und ewigem Reich nicht be-rufe, so ist der allgemeine Beruf aller Menschen zum Reich Gottes auch hieraus abzunehmen:

 

449. 1) weil der Herr Christus alle Menschen zu sich ruft, Matth. 11,28: „kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“. Nun sind alle Menschen mühselig und mit Sünden beladen, darum ruft er zu sich alle Menschen.

 

450. 2) weil er alle Menschen zu berufen und zu lehren befiehlt. Matth. 28,19. tut er seinen Jüngern diesen Befehl: „gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie etc.“ Welches Marcus Kap. 16,15. also aufgeschrieben hat: „gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium allen Kreaturen“. Solches haben die Jünger getreu-lich verrichtet; v. 20: „sie gingen aus und predigten an allen Orten“; Kol. 1,6: „das Wort der Wahrheit im Evangelio ist kommen in alle Welt und ist fruchtbar“; v. 23: „das Evangelium ist geprediget unter alle Kreatur, die unter dem Himmel ist“; v. 28: „wir verkündigen und vermahnen alle Menschen mit aller Weisheit, auf dass wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu“. Ap. Gesch. 17,30. legt St. Paulus den Befehl des Herrn Christi, den Aposteln gegeben, also aus: „Gott gebeut allen Menschen an allen Enden, Buße zu tun. Demnach wird von der gnadenreichen Predigt des Evangelii kein einiger Mensch ausge-schlossen.

 

451. 3) weil diejenigen, welche sich zum Reich Christi und Gebrauch seiner erworbenen Gnade nicht finden, darum gestraft werden, dass sie solchen Beruf nicht haben anhören wollen. Wen Gott mit höllischem Feuer und ewiger Ver-dammnis eben darum straft, weil er seinem Beruf nicht ist gehorsam gewesen, der muss gewisslich von Gott sein berufen worden. Nun straft Gott mit höllischem Feuer und Verdammnis die Ungläubigen eben darum, weil sie seinem Beruf nicht sind gehorsam gewesen. Darum müssen die Ungläubigen von Gott gewisslich sein berufen worden.

 

452. Solches von der Ungläubigen Beruf mag aus vielen Schriftzeugnissen bewährt werden; Sprichw. 1,24. ff.: „weil ich denn rufe und ihr weigert euch, ich recke meine Hand aus und niemand achtet darauf, und lasset fahren allen meinen Rat und wollt meiner Strafe nicht; so will ich auch lachen in eurem Unfall und euer spotten, wenn da kommt, das ihr fürchtet“; Jes. 62,2.5: „ich recke meine Hand aus den ganzen Tag zu einem ungehorsamen Volk, das seinen Gedanken nachwandelt auf einem Wege, der nicht gut ist. Solche sollen ein Rauch werden in meinem Zorn, ein Feuer, das den ganzen Tag brenne“.

Dergleichen mehr zu lesen ist Jes. 66,4. Jer. 7,13. ff. Insonderheit geben solches die Parabeln, so der Herr Christus zu Erklärung dieses Werks gebraucht hat, besonders Luk. 14,16. von dem großen Abendmahl. Da beschließt der Haus-vater, dass keiner derer, die geladen waren, sein Abendmahl schmecken soll, v. 24; und solches darum, weil sie seinen freundlichen Beruf hatten ausgeschlagen und verworfen; denn die Verachtung bewegte ihn zum Zorn, v. 21. Ausdrücklicher aber sagts der Herr Christus Joh. 3,18: „wer an den Sohn Gottes nicht glaubet, der ist schon gerichtet, denn er glaubet nicht an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes“.

 

453. Der vierte Punkt: zu welchem Ende und aus welcher Ursach er lehre. Wenn wir das göttliche Wort ansehen, mögen wir nichts anders befinden, denn der Herr Christus lehre die Menschen um keiner andern Ursach, als:

1) dass sie Buße tun; Matth. 4,17: „tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbei kommen“; Ap. Gesch. 17,30: „nun gebeut Gott allen Menschen an allen Enden, Buße zu tun“;

2) dass sie Vergebung der Sünden erlangen, Luk. 24,47: „also musste Christus predigen lassen in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern“;

3) dass sie in Christo vollkommen werden, Kol. 1,28: „wir verkündigen und ver-mahnen alle Menschen und lehren alle Menschen mit aller Weisheit, auf dass wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu“;

4) dass er sie an der Seele erquicke, Matth. 11,28: „kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“;

5) dass sie der himmlischen Güter genießen; Jes. 55,1: „wohlan alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser, und die ihr nicht Geld habt, kommt her und kaufet und esset, kommt her und kaufet ohne Geld und umsonst, beide Wein und Milch“; Matth. 22,4: „siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet und alles bereit, kommt zur Hochzeit“; Luk. 14,17: „kommt, denn es ist alles bereit“;

6) dass er sie in seinen Schutz aufnehme, Matth. 23,37: „wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt“.

 

454. Dass aber Gott außer diesen angezogenen Ursachen eine andere habe, die Leute zu berufen, nämlich, damit dieselben dadurch in ihr Verderben sollten ge-führt oder in ihrer Unbußfertigkeit verstockt werden; solches ist dem Licht der Natur ein grausamer Abscheu und desgleichen in Gottes Wort nicht zu befinden. Auch mögen wir unserm lieben Herrn Gott nicht zutrauen, dass er mit solchem freundlichen Vorgeben jemand hintergehen und ins Verderben stürzen sollte, wie Absalon seinem Bruder Ammon (2 Sam. 13,26. ff.) und Ptolemäus seinem Schwähervater Simon und desselben Söhnen (1 Makk. 16,15.16.) böslich und verräterisch getan hat. Darum mag es verteidigen, wen gelüstet, Gottes Wahrheit Lügen zu strafen, und erwarten, wie ihn Gott dafür werde ablohnen; fromme Christen machen sich eines solchen Greuels nicht teilhaftig.

 

Das achtzehnte Kapitel. 

(Von der Buße.) 

 

Damit nun die Menschen zu der Seligkeit, zu welcher sie von Gott berufen werden, wirklich gelangen mögen, so führt sie Gott selber dazu durch ernste Buße, dadurch sie, zur Erkenntnis und Bereuung ihrer Sünden ge-bracht, ihre Zuflucht zu Christo nehmen und durch solch Vertrauen auf ihn Gnade und der Sünden Vergebung erlangen.

 

455. Dass wir bei Gott dem Herrn ewig selig werden, hat er durch die Werke, davon bisher ist gehandelt worden, eine notwendige Vorbereitung gemacht. Wiewohl aber der Herr Christus uns von Sünden erlöset, mit Gott versöhnt, den Himmel und Seligkeit geöffnet, auch Gott uns, seiner Gnade und des Herrn Christi Verdienst zu genießen, berufen hat; so genießt doch niemand das alles in der Wirklichkeit, wo ihm nicht durch göttliche Kraft sonderlich dazu verholfen wird. Das tut nun Gott, als welcher den gefallenen Menschen auch mit der Tat wieder aufrichtet und zurecht bringt.

 

456. Solches Werk aber der Wiederbringung des Menschen wird nicht völlig auf einmal verrichtet, sondern unvollkommen und nur zum Anfang in diesem Leben; da es denn nach unterschiedlicher Betrachtung auf vielerlei Weise beschrieben wird. Denn es werden hierin betrachtet 1) der Mensch, welchem soll geholfen werden, und alsdann wird desselben Wiederbringung genannt die Buße; 2) Gott der Herr, wie derselbe entweder den sündigen Menschen vor Gericht stellt und ihm die Sünde vergibt, und dann wird des Menschen Wiederbringung genannt die Rechtfertigung oder Vergebung der Sünden; oder wie der Mensch vom bösen sündlichen Leben abgeführt wird, die Sünde verlässt und sich mit allen Kräften begibt Gott zu dienen, und solches heißt die Bekehrung, die Wiedergeburt und Erneuerung; 3) Christus, wie die Menschen demselben geistlich vereinigt werden, welches ist die Einpflanzung in Christum. Die völlige Wiederbringung aber geschieht durch und nach dem zeitlichen Tod im ewigen Leben und in dem Reich der Herrlichkeit.

 

457. Unter diesen Gnadenwerken ist das erste die Buße. Von derselben ist zu behalten: 1) was sie sei, 2) wie notwendig sie sei, 3) in welchen Stücken sie be-stehe, 4) woher sie verursacht werde, 5) welche Menschen sie angehe, 6) was ihre Frucht und Wirkung sei.

 

458. Das erste Stück: was die Buße sei. Die Buße ist eine wahre Erkenntnis und ernstliche Bereuung der erkannten Sünden samt gewisser Zuversicht, Gott werde dieselben um des Verdienstes seines lieben Sohnes willen gewisslich vergeben. Diese Beschreibung wird durch die nachfolgenden Punkte zur Notdurft erklärt werden.

 

459. Das andere Stück: wie notwendig die Buße sei. Die Notwendigkeit ist teils daraus abzunehmen, dass uns Gott durch so viel und mancherlei Predigten zur Buße treibt, teils aus den Ursachen, die Gott selber in heiliger Schrift hat aus-zeichnen lassen, als: dass Vergebung der Sünden nicht erlangt wird, wo keine Buße ist, Ap. Gesch. 5,31.; Buße erledigt von des Teufels Stricken, 2 Tim. 2,25.26., und von der ewigen Verdammnis, 2 Petr. 3,9. Wer demnach nicht Buße tut, der hat keine Vergebung der Sünden, ist in des Teufels Stricken und unter ewiger Verdammnis. Und also bringt die Unbußfertigkeit Gottes Zorn über den Menschen, Röm. 2,5: „du mit deinem unbußfertigen Herzen häufest dir selbst den Zorn auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes“; sie wendet ab Gottes Gnadenwerke, Offenb. 2,5., bringet mit sich feind-liche Verfolgung des göttlichen Gerichts, v. 16., und große Trübsal, v. 21.22.

 

460. Über das ist die Buße nötig,

1) dass man die evangelische Predigt annehme. Denn es hatten der Täufer Johannes und der Herr Jesus ihre Predigt also angestimmt: „tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbei kommen“, Matth. 3,2. Kap. 4,17. Es hangt also an einander das Himmelreich, welches durch das Evangelium verheißen wird, und die Buße, dass, wo Buße nicht ist, da kann weder das Reich Gottes noch seine Verheißung Statt haben.

2) dass man Gott liebe. Niemand kann zweien Herren dienen, er muss einen hassen und den andern lieben, Matth. 6,24. Wer demnach die Sünde nicht hasst, sondern liebt sie, der ist der Sünde Knecht, Joh. 8,34. Demnach will und kann er Gott nicht dienen noch ihn lieben, sondern muss ihn hassen, als der dasjenige tut, davon er weiß, dass es Gott heftig zuwider ist. Hingegen wer zu Gott kommen will, der muss ihn lieben; wer ihn liebet, der muss die Sünde hassen. Darum, wer zu Gott kommen will, der muss die Sünde hassen.

3) dass man von Sünden ablasse. Wer in Sünden beharrt, des Gottesdienst ist nicht angenehm; Jes. 1,15: „ob ihr schon viel betet, höre ich euch doch nicht, denn eure Hände sind voll Bluts“; Psalm 109,7: „des Gottlosen Gebet müsse Sünde sein“. Es ist ihm das Reich Gottes verschlossen und bereitet der Pfuhl, der vom Schwefel und Pech brennet“; Galat. 5,21: „die solches (des Fleisches Werke) tun, werden das Reich Gottes nicht erben“; 1 Kor. 6,9.10: „die Unge-rechten werden das Reich Gottes nicht erben“; Offenb. 21,8: „der Ungläubigen etc. Teil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennet“. Von Sünden ablassen ist eine Frucht der Buße; denn wer nicht fühlt der Sünden Last, der wird auch von der Sünde, als die ihm von Natur anmutig ist, nicht ablassen. Mehr Ursachen könnten angezogen werden, aus diesen aber ist der Buße Not-wendigkeit genugsam zu vernehmen.

 

461. Das dritte: in welchen Stücken die Buße bestehe. Sie besteht in zwei Stücken, deren eines die Bereuung der Sünden, das andere der Glaube ist.

Die Bereuung ist 1) eine Erkenntnis, dass man gesündigt habe; 2) eine Er-kenntnis, dass Gott über die Sünde heftig eifere und sie mit höllischem Feuer in Ewigkeit strafen werde; 3) eine Erkenntnis, dass der Mensch aus dieser Not ihm selber nicht helfen könne, auch von keiner Kreatur Hilfe zu gewarten habe; 4) eine herzliche Reue und Schmerzen, womit sich ein Sünder kränkt, dass er in Sünde geraten; 5) ein herzlicher Wunsch, dass man doch nicht hätte gesündigt, samt einem heftigen Hass wider die Sünde.

 

462. Solche Bereuung ist zu sehen am König David, welcher nach Anhörung göttlichen Gerichts aus betrübtem Herzen sprach: ich habe gesündigt wider den Herrn (2 Sam. 12,13.); an Petro, der seines Meisters Verleugnung schmerzlich und herzlich beweinte (Matth. 26,75.); an der Sünderin, welche über ihre Sünde dermaßen weinte, dass sie mit ihren Tränen dem Herrn Jesu die Füße netzte (Luk. 7,38.); an dem Zöllner, der aus großer Betrübnis nicht durfte seine Augen gen Himmel aufheben und bat Gott um Gnade mit betrübtem Herzen (Luk. 18,13).

 

463. Es erweist sich diese Bereitung nicht weniger an Gottlosen, welche an Gottes Gnade verzagen, wenn ihr Gewissen aufwacht, wie Cain, als ihm seine Sünde vorgehalten wurde, sprach: „meine Sünde ist größer, denn dass sie mir vergeben werden möge“, 1 Mose 4,13. Und Judam gereuete sehr, dass er un-schuldig Blut hätte verraten, geriet darob in so tiefe Traurigkeit, dass er, ihm davon abzuhelfen, sich das Leben genommen hat, Matth. 27,4.5.

 

464. Das andere Stück der christlichen Buße ist der Glaube. Der Glaube ist ein herzliches Vertrauen des sündigen und bußfertigen Menschen, dass er nicht zweifelt, Gott werde ihm laut seiner gnädigen Verheißung durch Christum Jesum alle Sünde aus Gnaden vergeben.

 

465. Dies Stück ist zur Buße hochnötig, weil

1) diese beiden Stücke, die Bereuung, (so auch bisweilen in besonderem Ver-stand Buße genannt wird,) und der Glaube zusammengesetzt werden, Mark. 1,15: „tut Buße, und glaubet an das Evangelium“. Von der Sünderin, die ihre Sünde mit vielen Tränen beweinte, Luk. 7,38., spricht der Herr Christus v. 50: „dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin in Frieden“.

2) weil der Sünden Bereuung ohne den Glauben zur Verzweiflung bringt. Solches ist klar an dem Exempel Cains und Judas, deren Buße mit Petri und Davids Buße durchaus überein kommt, nur dass jene sich in ihrer Traurigkeit nicht trösten konnten, diese aber haben sich der Gnade Gottes getröstet, dadurch ihre nieder-geschlagenen Herzen wiederum sind aufgerichtet und erfreut worden. Weil denn der Glaube den Unterschied macht zwischen derjenigen Bereuung der Sünden, dadurch man in Verzweiflung und Verdammnis kommt, und derjenigen, dadurch man zu Gottes Gnade gelangt; so folgt gewisslich, dass der Glaube das Haupt-stück sei einer wahren und seligen Buße. Und das ists, dass St. Paulus (2 Kor. 7,10.) von zweierlei Traurigkeit wegen der Sünde Meldung tut: „die göttliche Traurigkeit wirket zur Seligkeit eine Reue, die niemand gereuet“, (die nämlich den Glauben bei sich hat, als Davids und Petri Buße), „die Traurigkeit aber der Welt wirket den Tod“, (welche ohne Glauben ist, wie Cains und Judä). Also besteht die Buße in diesen zwei Stücken, dass, wer seine Sünde erkennt, bereut, beweint und sich dabei tröstet, Gott werde ihm durch Christi Verdienst seine Sünden aus Gnaden verzeihen, der hat recht, wohl und selig gebüßt.

 

466. Demnach sind zur Buße nicht zu rechnen als Stücke derselben

a. die eigene Genugtuung und Bezahlung für begangene Sünde. Denn 1. ist dieselbe nirgend als zur Buße nötig erfordert worden; 2. wenn wir für unsere Sünde genug täten, so wäre die Austilgung derselben nicht aus Gnaden, dahin uns doch Gottes Wort allein weist; 3. viele haben gebüßt und doch für die Sünde nicht genug getan. Der Zöllner tat Buße, wurde auch von Sünden losgesprochen, ohne Genugtuung für Sünden, Luk. 18,13.14. Die Sünderin büßte und wurde von Sünden absolviert ohne Genugtuung, Luc: 7,50. Petrus tat nicht genug für seine Sünde und büßte doch recht, Matth. 26,75. Der Schächer, so mit dem Herrn Christo gekreuzigt wurde, tat eine selige Buße, war aber kein Verdienst noch Genugtuung für begangene Sünden dabei, Luk. 23,41.ff. Daraus folgt, dass zu einer heilsamen Buße die eigene Genugtuung nicht erfordert werde.

 

467. b. auch gehört nicht zur Buße als ein Stück derselben das Bekenntnis der Sünden oder Beichte. Denn dieselbe wird zwar in der Kirche als nützlich und heilsam behalten, 1) dass diejenigen, so zum Sakrament gehen wollen, zur Not-durft unterrichtet werden, so sie es bedürfen; 2) dass von denselben allesamt vernommen werde, wie sie sich selber prüfen und ob sie zum heil. Nachtmahl als würdige Gäste mögen geladen werden; 3) dass der Prediger, wo es von nöten, seine Zuhörer in Sachen ihre Seligkeit betreffend, absonderlich vermahne; 4) dass, wer ein besonderes Anliegen auf seinem Herzen befindet, solches dem Diener göttlichen Worts entdecken und dessen Bericht darauf vernehmen könne; 5) dass Gottes Verheißung von der gnadenreichen Vergebung der Sünden einem jeglichen insonderheit möge zugeeignet werden.

 

468. Doch ist die Beichte nicht ein solch nötiges Stück der Buße, als könnte ohne dieselbe niemand heilsam büßen. Denn 1) haben auch, ehe dieser Kirchenge-brauch aufkommen ist, viel Menschen selig gebüßt; 2) ist an ihm selber genug-sam, wenn Gott die Sünden bekannt werden; 3) halten sich viel fromme Christen unter Heiden und Türken auf, welche wegen ihrer begangenen Sünden Buße tun und bei Gott zu Gnaden kommen, ob sie schon dieselben keinem Menschen beichten.

 

469. c. also ist der neue Gehorsam auch nicht ein Stück der Buße, sondern eine Frucht derselben, davon hernach.

 

470. Das vierte: woher die Buße verursacht werde. Die muss Gott allein wirken, kein Mensch vermag sich selber dazu zu bringen. Wir können von uns selber nichts gutes gedenken, 2 Kor. 3,5. Gott aber ists, der in uns wirket beides, das Wollen und das Tun, Phil. 2,13. Weil aber die Buße in zwei Stücken besteht, deren eines ist Traurigkeit wegen der schädlichen Wirkungen der Sünde, das andere Freude wegen gnädiger Vergebung der Sünden; so entsteht die Traurig-keit zwar aus dem Gesetz, welches die Sünde zu erkennen gibt (Röm. 3,20: „durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“), und Gottes Zorn und Fluch wider die Sünde verkündigt (5 Mos. 27,26: „verflucht sei, wer nicht alle Worte des Gesetzes erfüllet, dass er darnach tue“), daher St. Paulus schreibt: „das Gesetz richtet nur Zorn an“, Röm. 4,15.;

 

471. die Freude aber ist aus dem Evangelio, welches eine freudenreiche Botschaft ist von Gottes Gnade und Vergebung der Sünden, und verkündigt, wer an Christum glaubt, der sei gerecht, Ap. Gesch. 13,39.; der Herr Jesus sei kommen, die Sünder selig zu machen, 1 Tim. 1,15.; sein Blut reinige uns von allen Sünden, 1 Joh. 1,7.; es sei nichts verdammliches an denen, die da sind in Christo Jesu, Röm. 8,1. Diese beiden Lehren sind die notwendigen Stücke, die ein rechtschaffener Lehrer seinen Zuhörern vorzutragen soll gerüstet sein, nach des Herrn Christi Erinnerung Matth. 13,52: „ein jeglicher Schriftgelehrter, zum Himmelreich gelehrt, ist gleich einem Hausvater, der aus seinem Schatz altes und neues hervorträgt“.

 

472. Demnach muss altes und neues, Gesetz und Evangelium, nicht zusammen gemengt, sondern fleißig unterschieden werden, dass, wie das Gesetz nicht lehrt von Vergebung der Sünden, also auch niemand gedenke, das Evangelium sei eine Bußpredigt, gebe die Sünde den Menschen zu erkennen und schrecke sie. Denn aus dem, was bisher angezogen, ist genugsam zu vernehmen, wie Gesetz und Evangelium ihre unterschiedenen Ämter führen, das Gesetz schrecke, das Evangelium tröste die Gewissen, und wie das Gesetz niemand tröstet, also das Evangelium niemanden der Sünden halben schrecke.

 

473. Das fünfte Stück: welche Menschen die Buße angehe. Sie geht an ohn einigen Unterschied alle, die gesündigt haben, unangesehen, ob sie vormals die Gnade Gottes erkannt haben oder nicht, ob sie die Sünde aus Schwachheit oder Mutwillen begangen. Welches daraus bewährt wird:

 

474. 1) weil alle Sünder ohne einigen Unterschied zur Buße berufen werden; Matth. 11,28: „kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“; Luk. 24,47: „Christus musste predigen lassen in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern“; Joh. 7,37: „wen da dürstet, der komme zu mir und trinke“; Ap. Gesch. 10,43: „von diesem Jesu zeugen alle Propheten, dass in seinem Namen alle, die an ihn glauben, Ver-gebung der Sünden empfahen sollen“. In diesen evangelischen Verheißungen wird von allen Menschen geredet, ohne Unterschied derer, die zuvor Gottes Gnade erkannt haben oder nicht; darum auch uns nicht gebühren will, einen solchen Unterschied zu erdenken und Gottes Güte enger zu ziehen.

 

475. 2) weil Gott insonderheit diejenigen zur Buße beruft und mit Gnaden aufnimmt, welche zuvor Gott und seine Gnade erkannt, aber durch Sünde sich derselben wiederum verlustig gemacht hatten; nämlich das Volk Israel, Jerem. 3,1: „du hast mit vielen Buhlern gehuret, doch komm wieder zu mir, spricht der Herr“; v. 6.7: „hast du auch gesehen, was Israel, die abtrünnige, tat? Sie ging hin auf alle hohen Berge und unter alle grünen Bäume und trieb Hurerei. Und ich sprach, da sie solches alles getan hatte: bekehre dich zu mir“. David, der durch des heil. Geistes Eingebung viele herrliche Psalmen geschrieben, sich aber hernach in Sünden vertieft hatte, wurde deswegen durch Natan zur Buße gefordert, 2 Sam. 12,7. ff. Manasse, der in seiner Kindheit durch seinen Vater Hiskia zu des wahren Gottes Erkenntnis war gebracht worden, aber in große schwere Abgötterei und viele andere Sünden geriet, 2 Kön. 21,1. ff., wurde durch harte Gefängnis zur Buße gezogen. 2 Chron. 33,11.12. Petrus wurde nach Verleugnung des Herrn Christi teils durch das freundliche Ansehen des Herrn, Luk. 22,61., teils durch sein holdselig Gespräch, Joh. 21,15. ff., zur Buße gebracht. Wie nun diese, als sie nach erkannter Wahrheit gesündigt hatten, wieder durch Buße sind zu Gnaden kommen, also mögen heutiges Tages auch die, so gleicher Weise in Sünden geraten, zur Buße und Gottes Gnade gelangen.

 

476. Das sechste Stück: was der Buße Frucht und Wirkung sei. Die ist zweierlei:

1) Gottes Gnade und Barmherzigkeit, so er wieder wendet zu dem Menschen, den er zuvor gehasst hatte. Also spricht David Ps. 51,19: „die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängster Geist; ein geängstes und zerschlagen Herz wirst du Gott nicht verachten“; Ps. 34,19: „der Herr ist nahe bei denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die zerschlagen Gemüt haben“. Und Gott selber spricht Jes. 57,15: „ich wohne in der Höhe und im Heiligtum und bei denen, so zerschlagenen und demütigen Geistes sind“; Kap. 66,2: „ich sehe an den Elenden und der zerbrochenen Geistes ist und der sich fürchtet vor meinem Wort“. Dasselbe erscheint an den zuvor angeführten Exempeln Petri, des Zöllners, der Sünderin, welchen der Herr Christus sanftmütig und freundlich zugesprochen und sie zu Gnaden angenommen hat. Dies sind die Demütigen, welchen er Gnade gibt, 1 Petr. 5,5.; es sind die geistlich armen, die das Himmel-reich besitzen sollen, Matth. 5,3.

 

477. 2) ein neuer Gehorsam und Besserung des Lebens. Wo sich nicht der findet, da wird mit dem Menschen das letzte ärger, denn das erste war, und widerfährt ihm das Sprichwort: der Hund frisset wieder, was er gespeiet hatte, und die Sau wälzet sich nach der Schwemme wieder im Kot, 2 Petr. 2,20.22. Wer aber heilsame Buße tut; der lässt ab vom bösen und tut gutes, dazu uns Gott zum öftern vermahnt, Jes. 1,16. 1 Petr. 3,11. Ps. 34,15. etc. Ursach: wer die Sünde herzlich bereut, der hasst sie; wer sie hasst, hütet sich, damit er sie nicht mehr begehe, tötet also durch den Geist des Fleisches Geschäfte, Röm. 8,13.; er kreuzigt sein Fleisch samt den Lüsten und Begierden, Gal. 5,24.

 

Das neunzehnte Kapitel. 

(Von der Rechtfertigung.)

 

Gott stellet den bußfertigen Menschen vor sein Gericht und nachdem er ihn der Sünde überwiesen und der Strafe schuldig erkannt, rechtfertigt er ihn und vergibt ihm die Sünde aus Gnaden, weil er mit Glauben des Herrn Christi Verdienst hat angenommen, der für der Sünden Schuld und ver-diente Strafe der göttlichen Gerechtigkeit hat genug getan.

 

478. Nachdem der Mensch im sündigen Zustand ist betrachtet worden, wie er, (so Gott nach Gerechtigkeit mit ihm handeln wollte), vor desselben Gericht gestellet, der Sünden überwiesen und zum ewigen Tod verurteilt worden; so müssen wir auch jetzt zusehen, wie ihm denn vor göttlichem Gericht geholfen und er seiner Übertretung, wie auch der verdienten Strafe wieder los werde. Das geschieht durch die Rechtfertigung und Vergebung der Sünden. Dieselbe recht zu betrachten, müssen folgende Punkte in acht genommen werden.

 

479. Fürs erste: was da heiße rechtfertigen. Es ist der Verstand dieses Wortes aus den Gerichtshandlungen wohl bekannt, in welchen derjenige gerechtfertigt wird, so vor Gericht verklagt, seines Verbrechens überwiesen und zur Strafe verurteilt worden ist, jedoch aus Gnaden losgelassen, von seiner geübten Unge-rechtigkeit ledig gesprochen und für gerecht geachtet und erklärt wird. Gleicher Maßen werden wir Menschen allesamt vor Gottes Gericht gestellt und unserer Sünden überwiesen, aus Gnaden aber durch unsern Fürsprecher Jesum Christ der Sünden erlassen und, als ob wir niemals gesündigt hätten, für gerecht geachtet und erklärt. Dieses nun und nichts anders wird mit dem Wort „recht-fertigen“ im Artikel von der Rechtfertigung angedeutet.

 

480. Zum andern: was die Rechtfertigung sei und worin sie bestehe. Hierbei ist zweierlei zu merken, 1) worin sie bestehe, 2) worin die Rechtfertigung nicht bestehe.

 

481. Eigentlich ist die Rechtfertigung nichts anders, denn die Vergebung aller Sünden und Erlassung aller Strafen, dass ein sündiger Mensch als gerecht gehalten und erklärt wird, gleich ob er nie keine Sünde begangen hätte noch in Gottes Schuld geraten wäre. Damit dies richtig verstanden werde, ist hieher zu wiederholen, dass ein sündiger Mensch zweierlei Sachen halber vor Gottes Gericht zu handeln habe;

 

482. eine, dass er angehalten wird, zu bezahlen die Schuld, mit der Adam auch im Stand der Vollkommenheit Gott verhaftet gewesen, ehe er gesündigt hatte. Das war die Schuld eines völligen Gehorsams, den der Mensch Gott leisten sollte nach allen Geboten, die er ihm in die Natur geschrieben hat und ihm sonst vor-legen würde. Diese Schuld trägt kein einiger Mensch ab, nachdem alle wider Gottes Gebot mit Sünde und Ungehorsam sich vergreifen. Wenn sie demnach das göttliche Gericht von uns allen fordert, so können wir daselbst nicht eher allerdinge losgelassen und gerecht erkannt werden, wo nicht diese Schuld be-zahlt ist.

 

483. Daraus entsteht nun die erste Handlung vor Gottes Gericht, dass der Herr Christus an unserer Statt das Gesetz erfüllt hat und uns diese seine Gerechtig-keit gibt, als hätten wir dieselbe getan und den göttlichen Willen erfüllt, wie droben §. 422. 423. ist Bericht geschehen. So wird demnach der gläubige Mensch einmal also gerechtfertigt, dass er alles Anspruchs jetzt gemeldeter Schuld gänzlich erlassen und, weil der Herr Christus für ihn die Schuld des völligen Gehorsams abgetragen, nicht anders geachtet wird, als hätte er selber das Gesetz erfüllt und Gott die Schuld des Gehorsams bezahlt.

 

484. Die andere Sache, so ein Mensch vor Gottes Gericht zu handeln hat, betrifft die Sünde, deren er ist schuldig worden. Dieselbe abzutragen und Gott dafür genug zu tun, ist unmöglich, als zum Teil aus vorigem Bericht klar genug, zum Teil hernach weiter wird ausgeführt werden. Deswegen muss der Herr Christus hier abermal das beste tun und weil er durch sein Leiden und Tod unsere Sünde getragen und dafür gebüßt hat, so werden sie uns weiter nicht zugerechnet, sondern also erlassen, gleich als hätten wir sie niemals begangen. Davon haben wir oben die Schriftzeugnisse gehört; 1 Joh. 2,1.2: „ob jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, der gerecht ist, und derselbige ist die Versöhnung für unsere Sünde, nicht allein aber für die unsere, sondern auch für der ganzen Welt Sünde“; 2 Kor. 5,21: „Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt“.

 

485. So geschieht demnach in unserer Rechtfertigung zweierlei. 1) wird dem Menschen zugerechnet die Gerechtigkeit Christi und Erfüllung des Gesetzes, als ob er es getan hätte; 2) werden ihm seine Sünden, die er getan hat, nicht zuge-rechnet, gleich als hätte er sie nicht getan. Durch die erste Handlung wird er los der Schuld, die er nicht bezahlen kann, durch die andere wird er los der Sünden, welche er nicht abtragen noch die damit verdiente Strafe ausstehen oder ertra-gen kann. Durch beide wird er absolviert von Gottes Gericht, dass er sich weder um Schuld noch Übertretung weiter einiger Anforderung noch bösen Urteils zu befahren hat.

 

486. Damit dieses, was jetzt gemeldet, fest bestehe, sind diese zwei Punkte zu beweisen. Der erste: dass die Rechtfertigung geschehe durch Zurechnen der Gerechtigkeit und des Verdienstes Christi. Solches wird klärlich genug gelehrt,

 

487. 1) weil es die heilige Schrift klärlich ausspricht; 1 Mose 15,6: „Abraham glaubte dem Herrn und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit“; Röm. 4,5: „dem, der nicht mit Werken umgehet, glaubet aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit“.

 

488. 2) weil wir durch Christi Gerechtigkeit gerechtfertigt werden, deren wir anders, denn durch Zurechnen, nicht können teilhaftig werden, Röm. 5,18.19: „durch eines Gerechtigkeit ist die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen kommen. Denn gleichwie durch eines Menschen Ungehorsam viel Sünder worden sind, also auch durch eines Gehorsam werden viel Gerechte“. Hier bedenke man, ob auch möglich oder in Gottes Wort zu finden sei, dass wir auf andere Weise durch Christi Gerechtigkeit können gerecht werden, denn allein durch die Zurechnung, nämlich: gleichwie ein Schuldner aller Anforderung er-lassen wird, wenn ein anderer für ihn bezahlt, darum, weil dem Schuldner die Zahlung zugerechnet wird, als hätte er sie selber getan; dass gleich also uns Gott der Sünden Strafe erlasse, nachdem Christus dafür an unserer Statt genug getan, weil uns dieselbige Genugtuung also zugemessen wird, als ob wir selber der Sünden Strafe ausgestanden hätten.

 

489. 3) weil Christus ungerecht worden allein durch Zurechnung unserer Unge-rechtigkeit. Denn also werden wir hingegen gerecht durch Zurechnung seiner Gerechtigkeit. Christus ist für sich ohne alle Sünde; da er aber ohne alle Unge-rechtigkeit war, hat ihn Gott zur Sünde gemacht, 2 Korinth. 5,21., indem er unser aller Sünde auf ihn geworfen, Jes. 53,7., Christus auch alle Sünde auf sich genommen und an seinem Leib getragen hat, Joh. 1,29., 1 Petr. 2,24. Wie ist solches anders zugangen, denn dass unsere Sünden ihm sind zugerechnet worden, als ob es seine Sünden wären, darum sie auch an ihm wie eigene Sünden sind gestraft worden. Wie nun Christus, da er gerecht war, durch Zu-rechnung fremder Sünde ungerecht ward; also sind wir, da wir ungerecht waren, durch Zurechnung fremder Gerechtigkeit gerecht worden. Und das ists, was zuvor ist angezogen, dass die Gerechtigkeit uns werde zugerechnet, damit durch eines Gerechtigkeit viele gerecht werden.

 

490. Der andere Punkt, so zu beweisen, ist dieser: Die Rechtfertigung geschieht durch Erlassung oder Vergebung der Sünden. Solches ist daher genugsam bekannt, weil die Rechtfertigung und Vergebung der Sünden in heiliger Schrift für eines gebraucht und gehalten werden. Als: wenn Sct. Paulus von der Recht-fertigung handelt und spricht: „die Seligkeit ist allein des Menschen, welchem Gott zurechnet die Gerechtigkeit ohne Zutun der Werke, da er spricht: selig sind die, welchen ihre Ungerechtigkeit vergeben sind und welchen ihre Sünden bedeckt sind; selig ist der Mann, welchem Gott keine Sünde zurechnet“, Röm. 4,6.8. Da ist offenbar: was David im Psalm von Vergebung der Sünden redet, das versteht Sct. Paulus von der Rechtfertigung. Dergleichen Rede führt der Apostel Gesch. 13,38.39: „so sei es nun euch kund, dass euch verkündiget wird Verge-bung der Sünden durch diesen, und von dem allen, durch welches ihr nicht konntet im Gesetz Mosis gerecht werden; wer aber an diesen glaubet, der ist gerecht“. Hier ist Vergebung der Sünden anders nichts, denn Rechtfertigung von Sünden. Was Röm. 5,9. gemeldet wird: „wir sind durch Christi Blut gerecht worden“; das redet Sct. Johannes 1 Epist. 1,7. also aus: „das Blut Jesu Christi des Sohnes Gottes macht uns rein von allen Sünden“. Röm. 8,3.4. wird auch Gerechtigkeit und Vergebung der Sünden für eines gebraucht: „das dem Gesetz unmöglich war, das tat Gott und sandte seinen Sohn in der Gestalt des sünd-lichen Fleisches und verdammte die Sünde im Fleisch durch die Sünde, auf dass die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in uns erfüllet würde“; Röm. 3,25: „Gott bietet dar die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, in dem, dass er Sünde vergibt“. Hieraus vernimmt ein jeder, dass die Rechtfertigung vor Gott in Erlassung der Sünden bestehe.

 

491. Wie solches auch vor weltlichem Gericht zugeht: wer der Sünden halben verklagt und überzeugt wird, und derselben Vergebung erlangt, dass er für gerecht gehalten wird, als ob er keine Sünde getan habe; der ist damit gerecht-fertigt und bedarf, die Gerechtigkeit zu erlangen, weiter durchaus nichts.

 

492. Demnach folgt erstlich, dass die Gerechtigkeit des Sünders vor Gottes Gericht nicht sei die inwohnende göttliche Gerechtigkeit, weil

1) solches nicht kann aus heil. Schrift dargetan und erwiesen werden.

2) weil von der Gerechtigkeit, dadurch wir vor Gott gerecht sind, dasjenige gesagt wird, welches von Gottes wesentlicher Gerechtigkeit nicht mag ausgesprochen werden. Solches ist daher zu schließen: die Gerechtigkeit wird uns zugerechnet, Gottes wesentliche Gerechtigkeit aber, sofern sie in dem Menschen wohnen soll, kann niemand zugerechnet werden; desgleichen ist die Gerechtigkeit der Unge-rechtigkeit oder Sünden Vergebung, die göttliche wesentliche Gerechtigkeit aber ist nicht der Sünden Vergebung. Darum folgt unfehlbar, dass die Gerechtigkeit, dadurch wir vor Gottes Gericht gerecht werden, nicht sei die Einwohnung der wesentlichen Gerechtigkeit Gottes.

 

493. Zum andern folgt, dass die Gerechtigkeit des Sünders vor Gott nicht sei eine solche Reinigkeit und Heiligkeit der Natur, so ihr in der Rechtfertigung gleichsam eingegossen werde, dadurch er vor Gottes Gericht also rein und unsträflich erscheint, gleichwie die heiligen Engel unsträflich und gerecht sind. Denn:

1) ist die Gerechtigkeit eine Zurechnung und allein eine Vergebung der Sünden, so ist sie nicht eine Reinigkeit und Heiligkeit der Natur etc. Denn wie ein Misse-täter vor Gericht losgesprochen und gerechtfertiget wird, und doch auf ihm bleibt, dass er das Böse getan habe, wiewohl es ihm vergeben ist; gleich also wer vor göttlichem Gericht wird losgesprochen, der ist damit gerechtfertigt, und doch bleibt auf ihm, dass er die Missetat begangen, wiewohl sie ihm zur Strafe nicht wird zugerechnet.

2) wird die Sünde nicht so rein aus der Natur gebracht, dass nicht bei allen Heiligen die Klagen bleiben, welche Sankt Paulus geführt Röm. 7,18.19: „wollen hab ich wohl, aber vollbringen das gute, finde ich nicht. Denn das gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das böse, das ich nicht will, das tue ich“; v. 23: „ich sehe ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte und nimmt mich gefangen in der Sünden Gesetz“; Gal. 5,17: „das Fleisch gelüstet wider den Geist und den Geist wider das Fleisch, dieselben sind wider einander, dass ihr nicht tut, was ihr wollet“.

Wäre aber die Gerechtigkeit der Menschen eine solche Reinigkeit der Natur, wie in den heiligen Engeln, so müsste die jetzt angezogene Klage aufhören und der wiedergeborne Mensch wäre mit Sünden durchaus nicht befleckt, er hätte auch nicht von nöten, um Vergebung derselben Gott zu bitten, welches David allen Heiligen nötig achtet, Psalm 32,6.

 

494. Fürs dritte: was der Rechtfertigung eigentliche Ursach sei. Die ist dreierlei: 1) principalis efficiens, die da rechtfertigt, 2) meritoria, um deren Verdienst sie rechtfertigt, 3) organica, dadurch sie rechtfertigt.

 

495. Die erste Ursach als vornehmste, so den Sünder rechtfertigt, ist Gott, sofern er in seinem Gericht mit den Sündern handelt nicht nach seiner strengen Ge-rechtigkeit, sondern nach seiner großen Barmherzigkeit. Davon zeuget die heil. Schrift vielfältig; Röm. 3,30: „er ist ein einiger Gott, der da gerecht macht“; Röm. 4,5: „der da glaubet an den, der die Gottlosen gerecht machet“; Kap. 8,33: „Gott ist hie, der gerecht macht“.

 

496. Die andere Ursach als die meritoria, um deren Verdienst Gott die Sünder rechtfertigt, ist der Herr Christus mit seinem Verdienst und erworbenen Ge-rechtigkeit; dabei diese zwei Punkte zu behalten sind:

a. dass wir um Christi Verdienst bei Gott gerecht werden. Solches zeigen genug-sam folgende Schriftzeugnisse an; Röm. 3,24.25: „wir werden ohne Verdienst gerecht aus Gottes Gnade durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist, welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut, damit er die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, darbiete in dem, dass er Sünde vergibt“; Jes. 53,12: „durch sein Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, viel gerecht machen, denn er träget ihre Sünde“; Jer. 23,6: „dies wird sein Name sein, dass man ihn nennen wird: Herr, der unsere Ge-rechtigkeit ist“; 1 Kor. 1,30: „Christus ist uns gemacht zur Gerechtigkeit“; 2 Kor. 5,19: „Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünde nicht zu“; v. 21: „Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt“; Röm. 5,18.19: „durch eines Menschen Gerechtigkeit ist die Recht-fertigung des Lebens über alle Menschen kommen. Denn, gleichwie durch eines Menschen Ungehorsam viel Sünder worden sind, also auch durch eines Ge-horsam werden viel Gerechte“.

 

497. b. dass uns außer Christo kein Verdienst zur Gerechtigkeit verhelfe. Das können weder eigene noch fremde Verdienste ausrichten. Nicht eigene Ver-dienste, sintemal solches geschehen müsste entweder durch gebotene oder durch selbst erwählte Werke. Die gebotenen mögen nichts verdienen, weil sie allbereits zuvor lauter Schuldigkeit sind und von Gott uns mit großem Bedrohen abgefordert werden, dass, wo wir nicht tun werden alles, was er uns befohlen, so sei er ein eifriger Gott, der die Sünde der Väter auch an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied heimsuche, 2 Mose 20,5.; der uns zur Hölle verfluchen wolle, 5 Mose 27,26: „verflucht sei, wer nicht alle Wort dieses Gesetzes erfüllet, dass er darnach tue“.

Wenn aber ein Leibeigener tut, was ihm mit Bedrohung der Schläge und des Todes ist auferlegt, so hat er seinem Herrn damit nichts abverdient. Also können wir vor Gott mit allen uns gebotenen Werken nichts verdienen, denn es ist lauter Schuld. Solches führt uns der Herr Christus zu Gemüte, wenn er Luk. 17,7.ff. also von dieser Sache redet: „welcher ist unter euch, der einen Knecht hat, der ihm pflüget oder das Vieh weidet, wenn er heim kommt vom Felde, dass er ihm sagen gehe bald hin und setze dich zu Tische. Ists nicht also, dass er zu ihm saget: richte zu, dass ich zu Abend esse, schürze dich und diene mir, bis ich esse und trinke, darnach sollt du auch essen und trinken. Danket er auch dem-selbigen Knechte, dass er getan hat, was ihm befohlen war? Ich meine es nicht. Also auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: wir sind unnütze Knechte, wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“. Dazu kommt, dass auch die allerköstlichsten und besten Werke, die ein Mensch tun kann, mit Sünden besudelt sind; darum Gott, so er nach Gerechtigkeit handeln wollte, mehr sie zu strafen als mit Gaben zu belohnen schuldig wäre Jes. 64,6: „wir sind alle wie die unreinen und alle unsere Gerechtigkeit ist wie ein unflätig Kleid“.

 

498. Desgleichen geben die selbsterwählten Werke kein Verdienst, Gott die Gerechtigkeit und ewiges Leben abzuverdienen, sintemal Gott ihm gar hoch missfallen lässt, wenn jemand in seinem Dienst etwas nach eigenem Sinn und Gutdünken vornimmt; darum er solches ernstlich verboten und gestraft hat. 5 Mose 4,2: „ihr sollt nichts dazu tun, das ich euch gebiete, und sollt auch nichts davon tun“. Dass Jerobeam zu Dan und Bethel einen Gottesdienst anrichtete, 1 Kön. 12,28.ff., hat dem Herrn zum höchsten missfallen, wie er auch solch Vor-nehmen durch einen Propheten gestraft hat, Kap. 13,1.ff. Da Nadab und Abihu, Aarons Söhne, sich unterstunden, die Opfer anders zu verrichten, als Gott befohlen hatte, wurden sie vom Feuer getötet, 3 Mose 10,1.2. Als zu Zeiten des Propheten Jesaias der Gottesdienst mit menschlichen Zusätzen befleckt ward, wurde Israel darum gestraft mit diesen Worten: „wenn ihr herein kommt, zu erscheinen vor mir, wer fordert solches von euren Händen, dass ihr auf meinen Vorhof tretet?“ Jes. 1,11. Der Herr Christus urteilt von solchem Handel also: „vergeblich dienen sie mir, weil sie lehren solche Lehre, die nichts denn Men-schengebot sind“, Matth. 15,9. Sct. Paulus straft Kol. 2,18.23. die selbsterwählte Geistlichkeit und eigene Wahl, dadurch uns das Ziel der Seligkeit kann verrücket werden. Hieraus folgt: welche Werke Gott missfallen, von ihm verworfen und gestraft werden, dieselben können weder die Gerechtigkeit noch die Seligkeit Gott abverdienen. Alle selbsterwählten Werke missfallen Gott, werden von ihm verworfen und gestraft: darum können alle selbsterwählten Werke weder Ge-rechtigkeit noch Seligkeit Gott abverdienen.

 

499. Fremde Verdienste mögen auch zur Gerechtigkeit nicht verhelfen: denn es sei schon ein Heiliger so groß, als er werden kann, so ist er doch mit Sünden behaftet; er kann ihm selber die Gerechtigkeit nicht erlangen, sondern muss Gott um seiner Sünden Vergebung anrufen, Ps 32,6. Wenn er auch gute Werke tut, so sind sie alle nur Schuldigkeit; er kann ihm selbst nichts damit verdienen, viel-weniger andern. Von diesem Handel berichtet David Psalm 49,8.9: „kann doch ein Bruder niemand erlösen noch Gotte jemand versöhnen, denn es kostet zu viel, ihre Seele zu erlösen, dass ers muss lassen anstehen ewiglich“.

 

500. Die dritte Ursach als causa organica, durch welche Gott rechtfertigt, ist zweierlei. Denn die Gerechtigkeit muss 1) von Gott dem Menschen dargeboten, 2) vom Menschen angenommen und empfangen werden. So bietet Gott die Gerechtigkeit dem Menschen dar durch das Wort der evangelischen Ver-heißungen, und durch die heil. Sakramente, von welchen hernach wird zu handeln sein. Denn hieraus entsteht der Glaube, dadurch die Rechtfertigung angenommen wird, wie jetzt weiter zu vernehmen. Wenn dem Menschen die Gerechtigkeit wird angeboten, so empfähet er sie durch den Glauben, welcher gleichsam die geistliche Hand ist, damit Gottes Gnade, Christi Verdienst, die Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, Leben und Seligkeit angenommen und ergriffen wird.

 

(Vom Glauben.)

 

501. Weil denn an unserm Teil hoch daran gelegen ist, dass wir mit dem Glauben recht und wohl gefasst seien, so ist nötig und nützlich, eigentlicher zu betrachten, was von diesem Punkt zu wissen sei. Solches mag hierin begriffen werden: 1) was der Glaube sei, 2) woher er entspringe, 3) wem er gegeben werde, 4) wie er den Menschen rechtfertige.

 

502. Das erste: was der Glaube sei? Drei Stücke gehören darzu,

a. eine Wissenschaft desjenigen, was uns Gott, als zu unser Seligkeit nötig, ge-offenbart hat. Davon schreibt Sct. Paulus Röm. 10,14: „wie sollen sie glauben, von dem sie nicht gehöret haben?“

b. eine solche Beistimmung zu dem, das Gott offenbart, dass man nicht zweifelt, dasselbe sei die himmlische göttliche Wahrheit. Wer da hört und vernimmt, was Gott lehrt, und hält es für eine Fabel oder widerspricht ihm in seinem Herzen, der hat den Glauben nicht; denn er ist Gott ungläubig, er widerstrebt dem heil. Geist, stößt das Wort Gottes von sich und achtet sich selber unwürdig des ewigen Lebens, wie Paulus und Barnabas bezeugen. Ap. Gesch. 13,46.

c. ein rechtschaffenes Vertrauen zu Gott, dass ein Mensch insonderheit sich zu Gott unzweiflig versieht, alles dasjenige, dessen er sich gegen die Menschen gutes erklärt hat, werde auch ihm sowohl, als sonst einigem Menschen zur Selig-keit gereichen.

 

503. Dieses nun eigentlicher zu erklären, so muss ein Mensch vor allen Dingen eine Wissenschaft haben desjenigen, was Gott, als zu unser Seligkeit nötig, uns geoffenbart hat. Dasselbe ist eigentlich die evangelische Verheißung von seinem gnädigen Willen gegen alle sündhaftigen Menschen und die Verkündigung des Verdienstes Christi, so allen Menschen zum Besten geschehen ist; davon er bezeugt, wie er alle Menschen liebe und wolle, dass sie alle selig werden, wie er auch seinen eingebornen Sohn allen Menschen zu gut gesendet, der für sie alle den Tod geschmeckt habe und die Versühnung worden sei für der ganzen Welt Sünde; wie dieses an seinem Ort genugsam ist ausgeführt worden. Alles nun, was von nöten ist zu wissen, damit man besagte Verheißung und Erklärung recht verstehe und fasst, das gehört zu der Wissenschaft, darauf der Glaube soll erbaut werden.

 

504. Wenn nun jemand solches hört, versteht und glaubt, dass es wahr sei, alsdann entsteht eine solche Gewissheit und Glauben in des Menschen Herzen, dass er unfehlbar gewiss achtet, Gott wolle sich auch seiner erbarmen, ihm gnädig sein, die Sünde erlassen und ihn zu einem Erben des ewigen Lebens aufnehmen; Christus der Herr sei um seinetwillen in diese Welt kommen, ihn von Sünden zu erlösen, mit dem himmlischen Vater zu versöhnen und den Weg zum ewigen Leben zu bereiten, habe für ihn gelitten, sein Blut vergossen, sei um seiner Sünde willen dahin gegeben und um seiner Gerechtigkeit willen aufer-wecket.

 

505. Dieser Glaube entspringt aus der Schrift, wenn ein Mensch bei sich also schließt: Gottes Wille ist, dass alle Menschen selig werden, er liebt alle Men-schen und begehrt herzlich, dass sie alle selig und keiner unter ihnen allen verloren werde; Christus ist allen Menschen zum Heiland geschenkt, er ist für alle Menschen gestorben, er hat alle Menschen mit Gott versühnt; nun bin ich ein Mensch, darum ist Gottes Wille, dass ich selig werde, Christus ist mir zum Heiland geschenkt, er ist für mich gestorben, und hat mich mit Gott versühnt. Wer dieses in seinem Herzen versichert ist, der zweifelt auch nicht, dass er bei Gott in Gnaden stehe, Vergebung seiner Sünden erlangt habe, in einem seligen Stand lebe und ein Erbe sein werde des Reichs der ewigen Herrlichkeit. Solches Vertrauen und Zuversicht, so man zu Gott trägt, ist der rechtschaffene Glaube, durch welchen wir die allgemeine Gnade Gottes und das allgemeine Verdienst des Herrn Christi uns zu eigen machen. Und wie Gott spricht, er wolle aller Menschen Seligkeit, Christus sei für alle Menschen worden das Lösegeld; also spricht ein gläubiger Mensch: Gott will meine Seligkeit, Christus ist für mich worden das Lösegeld.

 

506. Und also haben die Heiligen ihren Glauben mit solcher Zueignung zu ver-stehen gegeben. St. Paulus Gal. 2,20: „Gottes Sohn hat mich geliebet und sich selber für mich dahin gegeben“ Die Jungfrau Maria Luk. 1,47: „mein Geist freuet sich Gottes meines Heilandes“. Jesaias Kap. 53,5: „er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen etc.“ Und abermal eignet Paulus ihm und den Gläubigen zu Korinth des Herrn Christi Verdienst zu: „Christus ist uns gemacht von Gott zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung“, 1 Kor. 1,30. Wer solcher Gestalt ihm die göttliche Gnade und Christi Wohltaten zu-eignet, der hat eben damit den Glauben, welcher gerecht macht.

 

507. Das andere: woher dieser Glaube entspringe? Hiervon ist zuvor Anzeige geschehen, der Glaube entstehe aus dem göttlichen Wort und heil. Sakra-menten; aus dem Wort, denn der Glaube kömmt aus der Predigt, das Predigen durch das Wort Gottes, Röm. 10,17.; aus den Sakramenten, denn die Taufe ist das Bad der Wiedergeburt, Tit. 3,5. Die Wiedergeburt aber ist nicht ohne Glau-ben, darum kommt auch der Glaube von der Taufe her. Das heil. Abendmahl des Herrn eignet Christi Verdienst den Kommunikanten also zu, dass darin der Herr Christus ihnen bezeugt, sein Leib sei für sie gegeben, sein Blut sei für sie vergossen; welches ferner ein jeder Mensch auf sich ziehen solle, als spreche Christus zu einem jeden insonderheit: das ist mein Leib, der für dich gegeben wird zur Vergebung der Sünden; das ist mein Blut, das für dich vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Demnach ist dieses auch ein Glaubenswerk, da-durch unser Glaube kräftiglich gestärkt wird.

 

508. Nun wird nicht unbillig gefragt, wenn der Glaube aus dem Wort herkommt, welches denn eigentlich dasselbige Wort sei? ob alles, was in der Bibel zu finden? oder alle Artikel des christlichen Glaubens, wie derselbe in den drei Hauptartikeln begriffen ist? oder was eigentlich für ein Wort gemeint sei? Der Bescheid ist aber aus dem, was oben angezeigt, leichtlich zu nehmen, dass nämlich das Wort, aus welchem der Glaube unmittelbar entspringt, die Lehre sei von der allgemeinen Gnade Gottes und dem allgemeinen Verdienst des Herrn Christi. Und diese Lehre ist eigentlich das Fundament und der Grund des Glaubens. Damit werden aber doch andere Glaubensartikel keineswegs hievon ausgeschlossen, sondern alle diejenigen eingeschlossen, welche jetzt gemeldte Lehre von Gottes Gnade und Christi Verdienst recht zu verstehen und zu erhalten nötig sind, als ohne welche der Glaube ins Menschen Herz nicht zur Genüge hat können gegründet werden.

 

509. Das dritte: wem der Glaube gegeben werde. Es wird der Glaube von Gott dargeboten und gereicht ohne Unterschied allen Menschen, denn er lässt predigen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern, Luk. 24,47.; er gebeut allen Menschen an allen Enden Buße zu tun, Ap. Gesch. 17,30. Aus dieser Predigt kommt der Glaube, Röm. 10,17. Darum gibt er zu diesem Ende allen sein Wort, dass sie daraus den Glauben schöpfen; denn es ist eine Kraft Gottes, selig zu machen alle, so daran glauben, Röm. 1,16. So viel nun an Gott steht und er dabei zu schaffen hat, bietet er durch sein Wort den Glauben dar allen Menschen und tut wie ein gutherziger Mann, der allen vor seiner Tür ver-sammelten Armen eine Gabe darreicht und dieselbe, so viel an ihm ist, allen gibt, wiewohl sie nicht von allen wird angenommen.

 

510. Wenn aber die Frage dahin geht, wer des Glaubens in der Tat teilhaftig werde, oder nicht, so wird hernach weitläufiger Bericht geschehen, wenn wir von des Menschen Bekehrung handeln werden. Allhie ist genug so viel angedeutet, dass zweierlei Menschen sind, die mit dem Glauben sollen begnadet werden; entweder junge Kinder, die durch die Taufe wiedergeboren werden, oder alte, die zu ihren Jahren kommen und ihres Verstandes gebrauchen, dass sie durch das Wort können zum Glauben unterrichtet und gebracht werden.

 

511. Die Kinder, welche getauft werden, sind des Glaubens teilhaftig, auch ehe sie zum völligen natürlichen Gebrauch ihres Verstandes gelangen, denn 1) be-zeugt von ihnen der Herr Christus ausdrücklich, dass sie an ihn glauben. Matth. 18,6.

 

512. 2) das Himmelreich ist der Kinder; Mark. 10,14: „lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes“. Ins Reich Gottes aber kommen keine Ungläubigen, wie der Herr spricht Mark. 16,16: „wer nicht glaubet, der wird verdammt werden“; und Joh. 3,3.5: „es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen“; v. 18: „wer nicht glaubet, der ist schon gerichtet, denn er glaubet nicht an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes“.

 

513. 3) wer ungläubig ist, der bleibt im Fluch, und so er im Unglauben beharrt, ist ihm sein Teil bereit im Pfuhl, der brennt vom Schwefel und Pech, Offenb. 21,8. Joh. 3,36: „wer dem Sohn nicht glaubet, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibet über ihm“. Die kleinen Kinder aber erlangen den Segen, Mark. 10,16. Denn der Herr Jesus herzete sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.

 

514. 4) die kleinen Kinder sind auch Kinder Gottes, als der sie, wenn sie in der Kindheit von der Welt abscheiden, zu seinen Erben und Christi Miterben auf-nimmt. Die Kindschaft aber wird durch den Glauben erlangt; Gal. 3,26: „ihr seid alle Gottes Kinder durch den Glauben an Christo Jesu“; Joh. 1,12: „wie viel ihn aber aufnahmen, den gab er Macht Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben“.

 

515. 5) so sind auch Exempel vorhanden solcher Kinder, die in ihrer Kindheit mit dem rechten christlichen Glauben sind begnadet worden. Als: die am achten Tag beschnitten wurden, denen ward gegeben das Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, denn also nennt Sct. Paulus die Beschneidung Röm. 4,11. Darum müssen sie die Gerechtigkeit und den Glauben gehabt haben, sonst hätten sie ihnen nicht können versiegelt werden. Desgleichen Johannes der Täufer, der in seiner Mutter Leib vor Freuden gehüpft hat, als der Herr Jesus, in seiner Mutter Leibe empfangen, gegenwärtig war, Luk. 1,41.44.; was sollte dies für eine Freude gewesen sein, denn dass er sich erfreute seines Heilandes, der ins Fleisch kommen war und ihn (wie auch alle Menschen) von Sünden erlösen sollte. Welche Exempel anzeigen: 1) dass Gott auch in den kleinen Kindern könne den Glauben erwecken, ungeachtet dass sie ihren natürlichen Verstand noch nicht gebrauchen können; 2) dass, wie Gott vor Zeiten durch die Beschneidung in den Kindern den Glauben gewirkt hat, da sie nur acht Tage alt waren, also wirkt er denselben noch heut zu Tag in den kleinen Kindern durch die heilige Taufe und vermöchte es auch ohne Mittel zu tun, wie er an Johanne erwiesen hat.

 

516. Die alten Leute, das ist, welche durchs Wort zum Glauben können unter-richtet und gebracht werden, empfangen den Glauben, jedoch nicht alle. Was die Ursach solches Unterschieds sei, so ist wohl zu merken, sie bestehe nicht in Gott, als welcher will, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, 1 Tim. 2,4., und welcher sie beruft, alle Mühseligen und Beladenen sollen zu ihm kommen und sich erquicken lassen, Matth. 11,28.; sondern in den Menschen, weil etliche dem göttlichen Beruf und dem Wort (das eine göttliche Kraft ist, selig zu machen alle, die daran glauben, Röm. 1,16.) widerstreben, dass also der hl. Geist sein Geschäft und Werk in solchen halsstarrigen und widerspenstigen Leuten nicht haben kann. Das hält Stephanus den Juden vor, Ap. Gesch. 7,51: „ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herzen und Ohren, ihr widerstrebet allezeit dem hl. Geist, wie eure Väter, also auch ihr“. Und Sct. Paulus bezeugt den Juden zu Antiochia, die ihm und Barnabä feindlich widersprochen: „euch musste zuerst das Reich Gottes gesagt werden, nun ihr es aber von euch stoßet und achtet euch selbst nicht wert des ewigen Lebens, siehe, so wenden wir uns zu den Heiden“, Ap. Gesch. 13,46. Ja der Herr Christus selbst gibt dies zur Ursach, warum die Juden nicht zu dem christlichen Glauben gelangt sind, dass sie nämlich seine angebotene Gnade von sich gestoßen, Matth. 23,37: „wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt“. Aber hiervon ist droben auch Meldung geschehen.

 

517. So bleibts dabei, der Glaube werde allen denen gegeben, welche sich das Wort Gottes leiten und führen lassen und demselben nicht feindselig widerstre-ben.

 

518. Das vierte: wie der Glaube rechtfertige. Der Glaube macht nicht gerecht als ein Verdienst, denn er wird in dem Werk der Rechtfertigung und unserer Seligkeit dem Verdienst entgegengesetzt; Röm. 3,24.25: „wir werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, so durch Christum Jesum ge-schehen ist, welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut“; Kap. 11,6: „ists aus Gnaden, so ists nicht aus Verdienst der Werke, sonst würde Gnade nicht Gnade sein. Ists aber aus Verdienst der Werke, so ist die Gnade nichts, sonst wäre Verdienst nicht Verdienst“; Röm. 4,4.5: „dem, der mit Werken umgehet, wird der Lohn nicht aus Gnaden zuge-rechnet, sondern aus Pflicht; dem aber, der nicht mit Werken umgehet, glaubet aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube zuge-rechnet zur Gerechtigkeit“. Weil denn alles Verdienst von unserer Gerechtigkeit wird ausgeschlossen und die Werke um ihres gesuchten Verdienstes willen nicht können die Gerechtigkeit bringen, so folgt, dass auch der Glaube nicht könne als ein Verdienst die Rechtfertigung verursachen oder befördern.

 

519. Wie aber der Glaube rechtfertige, ist zu vernehmen teils aus dem, was von der Rechtfertigung durch Zurechnen des Glaubens gemeldet ist, und mag teils besser verstanden werden, wenn man auf diese zwei Dinge Achtung gibt:

a. dass der Glaube sei eine Zuversicht und Vertrauen. Ein gutes Vertrauen, so ein bedrängter und betrübter Mensch trägt gegen den, der ihm aus seiner Not zu helfen versprochen hat, verbindet den Bedrängten mit seinem Nothelfer, dass derselbe mit seiner Hoffnung und Zuversicht ganz und gar an ihm hängt. Wenn demnach der Beängstigte vor Gericht gestellt wird, der Nothelfer aber nimmt sich des Armen getreulich an und kauft ihn vor Gericht los; und wenn der Arme es mit großem Dank annimmt, auch ganz nicht zweifelt, dass ihm also geholfen werde, und mit solchem starken Vertrauen auf seinen Erlöser so lang beharrt, bis er gänzlich auf freien Fuß gestellt ist; so wird ihm losgeholfen. Er hat aber mit seinem Vertrauen nichts verdient, sondern allein die unverdiente Guttat ange-nommen. Gleich also wenn wir sündigen Menschen vor Gottes Gericht stehen und mit festem Vertrauen dem Herrn Christo als unserm Nothelfer und Erlöser anhangen, ungezweifelt, dass, wie er uns mit seinem Blut von der Sünde und Verdammnis losgekauft, also werde er uns aus unserm Elend gänzlich aus-führen, und wenn wir auch hierin beharren bis an unser Ende; so werden wir durch ihn errettet und haben doch mit unserm Glauben nichts anders getan, denn allein, dass wir des Herrn Christi Gnade angenommen und mit festem Vertrauen uns zugeeignet haben.

 

520. Das ist nun, was von der guten Zuversicht unsers Glaubens in heil. Schrift gemeldet wird; Joh16,33: „in der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“; Hebr 4,16: „lasset uns hinzutreten mit Freudigkeit zu dem Gnadenstuhl (welcher ist Christus, Röm. 3,25.), auf dass wir Barmherzigkeit empfahen und Gnade finden auf die Zeit, wenn uns Hilfe not sein wird“; Hebr. 10,22: „lasset uns hinzugehen mit wahrhaftigem Herzen in völligem Glauben, besprenget in unsern Herzen etc.“; Eph. 3,12: „durch Christum haben wir Freu-digkeit und Zugang in aller Zuversicht durch den Glauben an ihn“.

 

521. b. dass der Unglaube die Rechtfertigung hindere. Der Unglaube hindert die Gerechtigkeit also, dass der Mensch dadurch die Gnade Gottes, die Gerechtig-keit und das ewige Leben von sich stößt. In der Apostelgeschichte Kap. 13,46. bezeugen Paulus und Barnabas den ungläubigen und halsstarrigen Juden zu Antiochia: „euch musste zuerst das Wort Gottes gesagt werden; nun ihrs aber von euch stoßet und achtet euch selbst nicht wert des ewigen Lebens, siehe, so wenden wir uns zu den Heiden“. Daraus ist zu schließen: so der Unglaube die Gerechtigkeit verhindert allein damit, dass er sie samt Gottes Gnade von sich stößt, so folgt, der Glaube verursache die Gerechtigkeit nicht anders, denn dass er die Gnade Gottes, welche ihm verkündigt wird, nicht hinweg stoße, sondern gehorsamlich annehme.

 

522. Dieses ist aus folgendem Gleichnis zu vernehmen. Gesetzt zwei Leutbe-trüger würden in einen Schuldturm gestoßen, da sie wohl ihre ganze Lebenszeit zubringen müssten, wo sich nicht jemand ihrer sonderlich annehme; ein reicher Mann aber trüge aus mitleidendem Herzen alle Schuld ab, so diese beiden gemacht, und stellte die Gläubiger zufrieden, ließe daneben beiden Gefangenen solche Guttat ankündigen, eröffnete das Gefängnis und befehle ihnen heraus zu gehen. Der eine Gefangene glaubte nun, es sei wahr, was ihm verkündigt worden, deswegen ginge er aus dem Gefängnis und würde auf freien Fuß ge-stellt. Der andere aber wollte nicht glauben, dass jemand für ihn bezahlt; oder wäre also vermessen, dass er keiner Schuld geständig sein wollte; oder ver-meinte sich selber aus den Schulden los zu wirken, wollte keinen Zahler wissen noch erkennen; oder verließe sich auf seine guten Freunde und Bekannten, die würden ihm loshelfen, setzte also zu diesem Erlöser, der für ihn bezahlt, ganz kein Vertrauen; der stieße damit die erworbene Gnade von sich, würde ihrer nunmehr verlustig und müsste in seinem Gefängnis verderben.

 

523. Nicht anders tun die Ungläubigen, welche die Gnade, so durch Christum uns worden ist und ihnen verkündigt wird, für ein Gedicht halten, oder setzen doch ihr Vertrauen nicht auf Christum, sondern vielmehr auf anderer Menschen Heiligkeit oder ihre eigenen Werke, und vermessen sich selbst, dass sie fromm und ohne Sünde sein etc. Die bleiben in ihren Sünden und verderben darin ewiglich; während andere, welche so fröhliche Botschaft von Vergebung der Sünden für wahr achten und ihr Vertrauen zu Christo dem Sündenbüßer setzen, alles ihres Jammers überhaben werden und zu der versprochenen Seligkeit gelangen.

 

524. Aus dem, was bisher erwiesen worden, ist folgendes zu vernehmen, dass die Rechtfertigung nicht möge einer andern Tugend der Menschen zuge-schrieben werden, sondern sei allein des Glaubens Werk; Röm. 3,28: „wir halten, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werk (allein) durch den Glauben“; Gal. 2,16: „wir wissen, dass der Mensch durch des Gesetzes Werk nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesum Christ“; Röm. 4,5: „dem, der nicht mit Werken umgehet, glaubet aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit“. Hieraus wird geschlossen: weil allein der Glaube und die Werke gegen einander gesetzt werden, so sei da kein drittes zu finden, das die Gerechtigkeit mit sich bringe; weil aber die Werke ausdrücklich ausgeschlossen werden, so bleibt, die Ge-rechtigkeit komme einig und allein aus dem Glauben. Und bisher ist von den Ursachen der Rechtfertigung gehandelt.

 

525. Zum vierten: die Früchte, so aus der Rechtfertigung herkommen, sind zweierlei:

1) der Friede des Gewissens, dass der gerechtfertigte sich nicht kann etwas böses zu Gott versehen, und wie er in seinem Gewissen wegen der Sünde lautern Unfried hatte, also hat er jetzt, nachdem die Sünde vergeben, guten Fried und Ruhe; Röm. 5,1: „nachdem wir denn sind gerecht worden durch den Glau-ben, so haben wir Friede mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christ“; Röm. 8,16: „der h. Geist gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind“.

 

526. 2) ein neuer Gehorsam, gottseliges Leben und gute Werke; Röm. 6,11: ,,haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid, und lebet Gott in Christo Jesu unserm Herrn“; v. 13: „begebet euch selbst Gotte, als die aus den Toten lebendig sind, und eure Glieder Gott zu Waffen der Gerechtigkeit“; v. 18: „nun ihr frei worden seid von der Sünde, seid ihr Knechte worden der Gerechtigkeit“, v. 20.ff.: „da ihr der Sünden Knechte waret, da waret ihr frei von der Gerechtigkeit. Was hattet ihr nun zu der Zeit für Frucht? Welcher ihr euch jetzt schämet; denn das Ende derselbigen ist der Tod. Nun ihr aber seid von der Sünde frei und Gottes Knechte worden, habt ihr eure Frucht, dass ihr heilig werdet, das Ende aber das ewige Leben“. Und vom Glauben schreibet der Apostel: „der Glaube ist durch die Liebe tätig“, Gal. 5,6.

 

(Von guten Werken.)

 

527. Diese Frucht des Glaubens und der Gerechtigkeit, nämlich die guten Werke, sind ausführlicher zu betrachten, und ist davon in acht zu nehmen: 1) welches die rechten guten Werke seien, 2) ob sie vollkommen seien, 3) ob sie notwendig seien, 4) ob sie eine Belohnung haben, und welche die sei?

a. welches die rechten guten Werke seien? Gute Werke sind, die aus einem gehorsamen und gläubigen Herzen nach Gottes Willen und Befehl getan werden. Denn gleichwie oftmals Knechte oder Mägde etwas guter Meinung verrichten, dadurch sie gedenken ihrer Herren Gunst zu erlangen; weil aber solche Werke nicht nach dem Willen des Hausherrn oder der Hausfrau getan sind, wird damit ihr Zorn erweckt, dass sie anstatt der Belohnung Strafe ausgeben. Gleich also dienen wir Gott vergeblich mit solchen Werken, die nichts sind, denn Menschen-gebot, wie §. 498. weitläufiger gehandelt ist.

 

529. b. ob die guten Werke vollkommen seien? Die guten Werke der Gerechtig-keit sind unvollkommen, erstlich, weil an allen guten Werken die Sünde klebt, mit welcher sie verunreinigt werden. Denn „alle unsere Gerechtigkeit ist wie ein unflätig Kleid“, Jes. 64,6. Röm. 7,18: „wollen habe ich wohl, aber vollbringen das gute finde ich nicht. Denn das gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das böse, das ich nicht will, das tue ich“; v. 21: „so finde ich mir nun ein Gesetz, der ich will das gute tun, dass mir das böse anhanget“; Gal. 5,17: „das Fleisch ge-lüstet wider den Geist und den Geist wider das Fleisch; dieselbigen sind wider einander, dass ihr nicht tut, was ihr wollet“.

 

529. Darnach, weil neben den guten Werken die bösen immer mit einlaufen, sintemal niemand sagen kann: „ich bin rein in meinem Herzen und lauter von Sünden“, Sprüchw. 20,9. „Wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den wir an Gott haben sollen“, Röm. 3,23. Alle Heiligen müssen um Vergebung der Sünden bitten, Ps. 32,6. Ob nun schon jemand dem ganzen Gesetz gehor-sam wäre und fehlete an einem, der müsste des ganzen Gesetzes schuldig sein, Jak. 2,10., dessen Gehorsam wäre verloren, seine guten Werke unvollkommen und ungiltig; denn es will Gott einen völligen Gehorsam haben, so dass er auch alle verflucht, so nicht alle Worte des Gesetzes erfüllen, 5 Mose 27,26. Gal. 3,10.

 

530. c. ob gute Werke notwendig seien. Die guten Werke sind notwendig, nicht dass sie die Gerechtigkeit mit sich bringen und wirken, wie zuvor bewiesen ist, sondern dass man Gottes Willen, der gute Werke von uns fordert, so viel möglich Gehorsam leiste. Gott hat aber geboten (Kol. 1,10.): „wandelt würdiglich dem Herrn zu allem Gefallen und seid fruchtbar in allen guten Werken“; 1 Petr. 2,24: „Christus hat unsere Sünde geopfert an seinem Leibe auf dem Holz, auf dass wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben“; Tit. 3,8: „solches will ich, dass du fest lehrest, auf dass die, so an Gott gläubig sind, in einem Stand guter Werke gefunden werden“.

 

531. dass, nachdem wir von Gott zu seinem Volk sind angenommen worden, durch unsere guten Werke sein Name unter andern Völkern gepreiset und andere zu der Gottseligkeit bewegt werden, Matth. 5,16: „lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen und Gott preisen“.

 

532. dass wir uns nicht von neuem mit Werken der Ungerechtigkeit besudeln, den Zorn Gottes und ewige Verdammnis auf uns laden, laut der klaren Schrift-zeugnisse, 2 Petr. 2,20.22: „das letzte ist ärger worden denn das erste. Es ist ihnen widerfahren das wahre Sprüchwort: der Hund frisset wieder, was er gespeiet hat, und die Sau wälzet sich nach der Schwemme wieder im Kot“; Röm. 8,13: „wo ihr nach dem Fleisch lebet, werdet ihr sterben müssen; wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben“; 1 Kor. 6,9: „wisset ihr nicht, dass die Ungerechten werden das Reich Gottes nicht ererben? Weder die Hurer noch Abgöttischen etc. werden das Reich Gottes ererben“.

 

533. dass man den versprochenen Lohn guter Werke erlange. Die guten Werke haben ihre Belohnung, beides in dieser Zeit und in dem zukünftigen ewigen Leben; Jes. 3,10: „prediget von den Gerechten, dass sie es gut haben, denn sie werden die Frucht ihrer Werke essen“; 1 Tim. 4,8: „die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens“.

Auf dieses Leben ist große Verheißung der Gottseligkeit gesetzt; Jes. 1,19: „wollt ihr mir gehorchen, so sollt ihr des Landes Gut genießen“; Pred. 2,26: „dem Menschen, der ihm gefällt, gibt er Weisheit, Vernunft und Freude“. Gott hat 5 Mose 28,1.ff. den Stämmen Israel den Segen gesprochen: „wenn du des Herrn Stimme gehorchen wirst, so werden über dich kommen alle diese Segen und werden dich treffen. Gesegnet wirst du sein in der Stadt, gesegnet auf dem Acker; gesegnet wird sein die Frucht deines Leibes, die Frucht deines Landes, die Frucht deines Viehes und die Früchte deiner Ochsen und die Früchte deiner Schafe; gesegnet wird sein dein Korb und dein übriges; gesegnet wirst du sein, wenn du eingehest; gesegnet, wenn du ausgehest“.

 

534. In das zukünftige Leben gehören diese Verheißungen: Jes. 57,1: „die Ge-rechten werden weggerafft vor dem Unglück und die richtig vor sich gewandelt haben, kommen zum Frieden und ruhen in ihren Kammern“; Sprüchw. 10,7: „das Gedächtnis der Gerechten bleibet im Segen“; 1 Korinth. 3,8: „ein jeglicher wird seinen Lohn empfahen nach seiner Arbeit“; 2 Kor. 5,10: „wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein jeglicher empfahe, nachdem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse“; 1 Kor. 4,5: „der Herr wird ans Licht bringen, was im finstern verborgen ist, und den Rat der Herzen offen-baren; alsdann wird einem jeglichen von Gott Lob widerfahren“; Matth. 19,29: „wer verlässet Häuser oder Brüder oder Schwester oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen, der wirds hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben“.

 

535. Aber diese Belohnung muss nicht also verstanden werden, gleich als gebe Gott einen Lohn aus, und zwar nach Verdienst der guten Werke, so er vermöge seiner Gerechtigkeit zu geben schuldig wäre. Denn es ist und bleibt eine unver-diente Belohnung, so aus Güte und Gnade herkommt. Gleichwie ein Vater seinen Sohn, der ihm alle seine Befehle auszurichten schuldig ist, aus väterlicher Zu-neigung den Gehorsam mit einer besondern Gabe belohnt, da er solches wohl hätte einstellen können; also belohnt Gott der Gottseligen Frömmigkeit aus väterlicher Zuneigung ohne alle Schuldigkeit. Solches ist daraus zu verstehen, einmal, dass kein Heiliger lebt, welcher unserm lieben Gott das tägliche Brot könnte mit Recht abfordern, als ob ers ihm abverdient hätte, sondern er muss ihn darum bitten und beten: Vater unser, unser täglich Brot gib uns heute; hernach, dass keiner lebt, der nicht mit Jakob müsste bekennen: „ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knecht getan hast“, 1 Mose 32,10., und mit St. Paulo: „wer hat Gott etwas zuvor gegeben, das ihm werde wieder vergolten?“ Röm. 11,35.

 

536. Dass aber die hl. Schrift die Gerechten vertröstet, ihre guten Werke sollen ihnen belohnt werden, so ist zu wissen, dass auch eine unverdiente Belohnung gleichwohl genannt werde eine Belohnung; wie Gott zu Abraham spricht: „ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn“, 1 Mose 15,1., da doch Abraham einen solchen Lohn, der Gott ist, nimmermehr hätte verdienen können. Psalm 127,4: „Kinder sind eine Gabe Gottes des Herrn und Leibesfrucht ist ein Geschenk;“ da heißets in der Propheten Sprach eine Belohnung, und der Psalm nennt eben das eine Gabe Gottes, welches er einen Lohn genannt hat.

 

Das zwanzigste Kapitel. 

(Von der Bekehrung zu Gott.) 

 

Gott bekehrt den bußfertigen Sünder, dass sein Verstand zur Erkenntnis Gottes und seines gnädigen Willens erleuchtet, der Wille und alle Kräfte von der Sünde zu Gottes Liebe, Gehorsam und Gerechtigkeit gewendet werden, und er, so viel möglich, nach göttlichem Wohlgefallen alle sein

Tun und Leben anstelle.

 

537. In des Menschen Bekehrung zu Gott ist Achtung zu geben, 1) auf die Be-kehrung selber, was sie sei, 2) auf Gott, der die Bekehrung wirkt, 3) auf den Menschen, welcher bekehrt wird, 4) auf die Frucht der Bekehrung.

 

538. Das erste: was die Bekehrung sei. Die Bekehrung wird beschrieben, dass sie geschehe, wenn den Menschen das göttliche Wort durchs Herz geht, Apost. Gesch. 2,37.; das Herz ihnen schlägt, 2 Sam. 24,10.; das Herz ihnen eröffnet wird, dass sie die Sünde erkennen und des Herrn Wort hören, Ap. Gesch. 16,14.; das steinerne Herz aus ihrem Leib genommen, hingegen ein neues und reines Herz, ein neuer gewisser Geist gegeben wird, dass sie Gottes Volk werden und in seinen Wegen wandeln, Hesek. 11,19. Kap. 36,26. Psalm 51,12.

 

539. Demnach besteht die Bekehrung darin, dass, wie ein Mensch von Natur Gott nicht kennt, sein Verstand verfinstert und er entfremdet ist von dem Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, so in ihm ist, durch die Blindheit seines Herzens, Eph. 4,18.; wie er durch Widerwillen, Feindschaft, Ungehorsam und Widerspenstigkeit von Gott abgewendet ist; also wird er von Christo, als dem großen Licht der Welt (Joh. 1,9.) erleuchtet, Ephes. 5,14., dass er, da er zuvor war Finsternis, nun ein Licht ist in dem Herrn, v. 8.; er wandelt im Licht, Joh. 12,35.36.; er tut die Werke des Lichts, Joh. 3,21.; er legt ab die Werke der Finsternis und legt an die Waffen des Lichts, dass er ehrbarlich wandelt als am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern ziehet an den Herrn Jesum Christ, Röm. 13,12.13. Und wie er vor der Bekehrung von Gott abgewendet war, also wird er durch demüti-gen Gehorsam, Untertänigkeit, Zuversicht und Liebe zu Gott gewendet. Wie er zuvor trachtete nach dem irdischen, also trachtet er forthin nach dem himmli-schen. Wie er zuvor liebte böses zu tun, also hasst und flieht er nunmehr die Sünde, liebt aber dagegen die erkannte Wahrheit, freut sich darüber in Gott, hangt ihr an und folgt ihr so viel möglich nach.

 

540. Das andere: wenn man auf Gott sieht, der die Bekehrung wirkt, so befinden sich zwei Punkte:

erstlich: was Gott bei des Menschen Bekehrung tue, solches ist aus dem kund, dass Gott alles guten ein Anfänger ist, Jak. 1,17. Wir sind von uns selber un-tüchtig, auch etwas gutes zu denken, und dass wir tüchtig sind, ist von Gott, 2 Kor. 3,5. So ist er in unserer Bekehrung der Anfang und das Ende und also die einige Ursach, wie die Schrift vielfältig bezeugt; Jer. 31,18: „bekehre du mich, so werde ich bekehret“; Joh. 6,44: „es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, dass ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat“; v. 29: „das ist Gottes Werk, dass ihr an den glaubet, den er gesandt hat“; Phil. 2,12: „Gott ists, der in euch wirket beide das Wollen und das Tun nach seinem Wohlgefallen“; Ap. Gesch. 15,9: „Gott reiniget die Herzen durch den Glauben“; 2 Thess. 3,5: „der Herr richte eure Herzen zu der Liebe Gottes und zu der Geduld Christi“. Also fängt Gott das gute Werk an und vollendet es, Phil. 1,6., er ist der Anfänger und Vollender unsers Glaubens, Hebr. 12,2. Und (wie beim ersten Punkt angezeigt ist) rührt Gott die Herzen, er öffnet sie, er nimmt hinweg das steinerne Herz und gibt ein fleischern Herz, er schafft ein rein Herz und gibt einen neuen Geist.

 

541. Zum andern: was Gott zu des Menschen Bekehrung bewege. Dass Gott die Menschen zu sich zeucht und bekehrt, ist ein Werk seiner Güte und Barmherzig-keit, wie denn auch das ganze Werk unserer Seligkeit allein von göttlicher Gnade herrührt. Wenn nun gefragt wird, was Gott bewege, dass er den Menschen zu sich bekehre, so ist zu antworten, dessen habe Gott keine höhere Ursach, denn allein seine Güte und Barmherzigkeit, wie denn dieselbe in dem ganzen Werk unserer Seligkeit der Anfang und das Ende wohl zu nennen ist. Und weil Gottes Gnade und der Menschen eigene Verdienste nicht mögen bei einander stehen, so wird geschlossen, dass Gott nicht ansehe im Menschen vor der Bekehrung einige Tugend, Würde, noch Verdienst, die ihn bewegte, in demselbigen Men-schen die Bekehrung zu wirken. Denn wie der Hirte das verirrte Schäflein zum Schafstall bringt, da es nichts um ihn verdient hatte, Luk. 15,4.5.; wie das Weib den verlornen Groschen wieder sucht ohne vorhergehendes Verdienst des-selben, v. 8.; wie der König zu seines Sohnes Hochzeit und der Hausvater zu seinem Abendmahl einladet die Fremdlinge, Krüppel, Lahme und Blinde, die auf den Straßen saßen und eine solche Guttätigkeit nicht verdient hatten, Matth. 22,9. Luk. 14,21.: also ruft, führt und kehrt Gott uns zu sich, dass wir seiner Güte und Gnade genießen, da wir doch unserm Herrn Gott nichts anders denn ewiges Verderben abverdienen können, nach des Apostels Ausspruch Ephes. 2,4: „Gott, der da reich ist von Barmherzigkeit, durch seine große Liebe, damit er uns ge-liebet hat, da wir tot waren in Sünden, hat er uns lebendig gemacht“.

 

542. Das dritte betrifft den Menschen, welcher bekehrt wird. Allhie sind drei Punkte zu merken 1) was sie bei ihrer Bekehrung zu tun vermögen, 2) was sie bei ihrer Bekehrung nicht vermögen. 3) was an ihnen erfordert werde, dass sie zur Bekehrung tüchtig seien.

1) was der Mensch bei seiner Bekehrung zu tun vermöge. Diejenigen Werke, so bei der Bekehrung vorlaufen, sind zweierlei. Etliche sind solche Handlungen, die vor der Bekehrung hergehen, und sind äußerlich; andere gehören wesentlich zur Bekehrung und sind innerlich.

 

543. Die äußerlichen Handlungen sind: das Wort Gottes hören; auch wohl das-selbe mit Fleiß und mit dem Vorsatz hören, dass man etwas daraus lernen, zum wenigsten, dass man vernehmen wolle, was dieses für eine Rede und Lehre sei. Solches beides ist mit Schriftzeugnissen und Exempeln zu erweisen.

Mit Zeugnissen, als: wenn St. Paulus von verführischen Lehrern schreibt: „sie lernen immerdar und können nimmer zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“, 2 Tim. 3,7.; von den Israeliten Röm. 9,31: „Israel hat dem Gesetz der Gerechtigkeit nachgestanden und hat das Gesetz der Gerechtigkeit nicht überkommen, denn sie haben sich gestoßen an den Stein des Anstoßens“. Von den Juden in der babylonischen Gefängnis spricht Gott Amos 8,11.12: „siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich einen Hunger ins Land schicken werde, nicht einen Hunger nach Brot oder Durst nach Wasser, sondern nach dem Wort des Herrn zu hören, dass sie hin und her von einem Meer zum andern, von Mitternacht gegen Morgen laufen und des Herrn Wort suchen und doch nicht finden werden“.

 

544. Exempel sind zu sehen am Herodes, der Johannem den Täufer gern hörte und ihm in vielen Sachen gehorchte, Mark. 6,20.; an Sergius dem römischen Landvogt, der Paulum und Barnabam zu sich berief und begehrte das Wort Gottes zu hören, Apost. Gesch. 13,7. Gleicher Maßen geschieht noch heut zu Tag, dass viele Leute das Wort hören und lesen mit dem Vorsatz, etwas daraus zu lernen und zu vernehmen, was darin gelehrt werde, denen aber das gehörte Wort wird ein Geruch des Todes zum Tod, 2 Kor. 2,16., weil der Gott dieser Welt der Ungläubigen Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangelii, 2 Kor. 4,4.

 

545. 2) was der Mensch bei seiner Bekehrung nicht vermöge. Dies weiset uns auf die innerlichen und zur Bekehrung wesentlich gehörende Handlungen, als da sind, den Verstand erleuchten, das Herz vom bösen abkehren und zum guten wenden, dass es Gott und Gottseligkeit liebe, den Sünden feind werde und ab-sage. Hier vermag kein Mensch weder den Anfang zu machen, noch auch diese hohen Werke zu vollführen. Denn

 

546. a. wir können viel geringere Dinge nicht einmal tun. Niemand vermag ein einiges Haar weiß oder schwarz zu machen, Matth. 5,36.; keiner kann sein Herz, Gehirn, Leber, Lungen etc. ändern, so sie mangelhaft und gebrechlich sind; und wer ist, der seiner Länge eine Elle zusetzen möge, ob er gleich darum sorgt? Matth. 6,27. Wer nun dieses geringe nicht vermag, wie will derselbe seine Seele, seinen Willen und Verstand ändern und sie abwenden von dem, das ihnen natür-lich und angeboren ist?

 

547. b. es benimmt die hl. Schrift den Menschen alle Verrichtung guter geistlicher Werke, insonderheit die zur Bekehrung und Seligkeit dienen, indem sie bezeugt,

dass wir nichts gutes können tun; Joh. 15,5. spricht der Herr Christus: „ohne mich könnet ihr nichts tun“. So vermag ja ein fauler Baum nicht gute Früchte zu brin-gen“ Matth. 7,18. Wir sind aber von Natur alle miteinander faule Bäume, denn unser Dichten und Trachten ist böse immerdar und von Jugend auf, 1 Mose 6,5. Kap. 8,21.

dass wir nichts gutes können reden; Matth. 12,34: „wir könnt ihr gutes reden, dieweil ihr böse seid? Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über“; 1 Corinth 12,3: „niemand kann Jesum einen Herrn heißen, ohne durch den heil. Geist“.

dass wir nichts guts können gedenken; 2 Kor. 3,5: „wir sind nicht tüchtig von uns selber, etwas zu denken, als von uns selber“. Daraus wird geschlossen: wer aus eigenen Kräften nicht kann gutes tun, gutes reden noch gedenken, der vermag auch bei seiner Bekehrung durchaus nichts zu verrichten, als welches gute Ge-danken und gute Werke sein müssten.

 

548. 3) was an dem Menschen erfordert werde, dass er zur Bekehrung tüchtig sei. Dass etliche Menschen zur Bekehrung nicht kommen, dessen sind sie selber Schuld. Denn wie ein frommer fleißiger Präzeptor und Lehrmeister alle seine Schüler von der Unwissenheit zur Geschicklichkeit, von Lastern zur Tugend gern bekehrte, darum ers an keinem dazu dienlichen Mittel mangeln und fehlen lässt, so werden sie gleichwohl nicht alle gelehrt. Nicht als wäre der Lehrmeister Schuld daran, sondern dass die Schüler den Präzeptor nicht wollen hören, seine Vermahnungen auslachen und sich verständiger achten als ihn, andern bösen Buben folgen, durch ihre Exempel sich verderben lassen, oder durch dergleichen Ursachen des Präzeptors guter Lehre nicht folgen und also in Unwissenheit und Lastern stecken bleiben. Gleich also tut Gott das seine, damit er allen Menschen helfe und er an keines Menschen Untergang nicht in der geringsten Schuld er-funden werde, dass er vielmehr zu allen Menschen sagen könne, was er zu den Juden gesprochen: „nun richtet ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Juda zwischen mir und meinem Weinberge. Was sollt man doch mehr tun an meinem Weinberge, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn Herlinge ge-bracht, da ich wartet, dass er Trauben brächte?“ Jes. 5,3.4.

 

549. Dass nun der Mensch zur Bekehrung tüchtig werde, ist nicht von nöten,

a. dass er ihm vornehme, Gottes Wort zu dem Ende zu hören, damit er dadurch bekehrt werde; denn das Wort ist ihm noch eine Torheit und er kann nicht ver-nehmen, wie ihm dieselbe Predigt zu Gott helfen solle, 1 Kor. 2,14. Fleischlich gesinnet sein ist eine Feindschaft wider Gott, Röm. 8,7. Und wenn der Mensch einen solchen Vorsatz haben könnte, so vermöchte er auch von sich selber etwas gutes zu denken, welches ihm doch unmöglich, 2 Kor. 3,5. Er hätte von ihm selber das Wollen zum guten, das doch allein Gott wirkt, Phil. 2,13.

 

550. b. vielweniger ist nötig, dass ein Mensch sich zu göttlicher Wirkung selber bequeme. Denn solches ist aus angezeigten Ursachen allen Menschen unmög-lich und also würde kein einiger bekehrt werden. Zudem geschieht die Bekehrung also, wie ein Fisch mit dem Hamen gefangen und aus dem Wasser gezogen wird, dazu er sich selber nicht bequemen darf, Matth. 4,19. Kap. 13,47.48. Auch haben dergleichen nicht getan der Schächer, so mit dem Herrn Christo ge-kreuzigt ward, Luk. 23,42.; nicht der Hauptmann, welcher bei des Herrn Christi Kreuz stund, Matth. 27,54.; nicht der Kerkermeister, so Paulum und Silam ver-wahren musste, Ap. Gesch. 16,29.ff. Derhalben ist von den Leuten vor ihrer Bekehrung dergleichen nichts zu fordern.

 

551. Aber dies einige wird vom Menschen erfordert, dass, wenn er das Wort hört, er der göttlichen Wirkung keine mutwilligen Hindernisse stelle. Zwar von Natur sind wir alle der göttlichen Wirkung zuwider, denn es ist uns allen das Wort eine Torheit, 1 Kor. 2,14. Aber diese natürliche Widerspenstigkeit mag niemanden hindern, weil sonst kein einiger bekehrt würde. Mutwillige Hindernisse aber, die ein jeder selber der göttlichen Wirkung entgegen stellt, sind teils äußerliche, welche die notwendige Vorbereitung verhindern; als: dass einer in Sicherheit dahin geht, bekümmert sich um seine Nahrung, lebt in Wollüsten und achtet des göttlichen Wortes nicht. Der kann zur Bekehrung nicht kommen, denn er erstickt das göttliche Wort, dass es nicht Früchte bringt, Luk. 8,14. Kap. 14,18.ff. Dazu gehört auch die große Nachlässigkeit, dass die Leute, da sie des Herrn Wort nicht haben, aber von weitem etwas davon hören, dennoch nicht darnach trach-ten, wie sie es überkommen möchten, ob sie schon zeitliche Güter zu erlangen keine Mühe, Sorge und Gefahr sparen. Teils sind es innerliche Hindernisse, so die zur Bekehrung eigentlich und wesentlich gehörigen Werke verhindern, als da sind:

 

552. a. Atheismus, Gottlosigkeit, wenn der Gottlose in seinem Herzen sagt: es ist kein Gott, Ps. 14,1. Denn wer also in dem gottlosen Leben ersoffen ist, dass er auf Gott nicht achtet, der hat sich in des Teufels Strick ergeben, von dem er sehr hart gebunden ist, dass er schwerlich kann zur Buße gebracht werden, 2 Tim. 2,26.

 

553. b. eine alte eingewurzelte Meinung, von der man sich nicht will abtreiben lassen, wie die Juden ihre Gedanken auf einen Messias gesetzt haben, der ein weltlicher Potentat sein solle; und weil sie sich davon nicht abtreiben lassen, so können sie auch zu dem Jesu von Nazareth, dessen Reich nicht ist von dieser Welt, keineswegs gebracht werden.

 

554. c. das äußerliche Ansehen vornehmer und hoher Leute, nach denen man sich richtet. Hiemit hielten die Pharisäer ihre Diener zurück, dass sie dem Herrn Jesu nicht anhängig würden, Joh. 7,47: „da antworteten ihnen die Pharisäer: seid ihr auch verführet? glaubet auch irgend ein Oberster oder Pharisäer an ihn? sondern das Volk, das nichts vom Gesetz weiß“. Und dies verhindert viele im Papsttum, dass, ob sie schon das Licht der Wahrheit sehen, gleichwohl sich dazu nicht bekennen, weil der Papst, Kardinäle, Bischöfe, auch Könige und große Potentaten, so alle zusammenstehen, vor der Welt in großem Ansehen sind, da sich hingegen bei der lutherischen Kirche dergleichen Hoheit und Ansehen nicht befindet.

 

555. d. die allzugroße Liebe der zeitlichen Nahrung, Wollust und hohes Ansehen in der Welt. Die verhinderte den reichen Mann, dass er nicht bekehrt wurde, Luk. 16,19. Sie hinderte den reichen Jüngling, welchen der Herr Jesus alles hieß ver-kaufen und den Armen geben; denn er ging betrübt davon, weil er viel Güter hatte, Matth. 19,21.22. Dies verursachte, dass Demas Christum verließ, weil er die Welt hatte lieb gewonnen, 2 Tim. 4,10. Und wie viel sind heutiges Tages im Papsttum, welche ihre Hoheit und Ansehen, ihre fetten Pfründen und Küchen von der evangelischen Lehre abhalten, dass sie sich von der erkannten Verführung nicht abwenden.

 

556. e. die Klügelung unserer eigenen Vernunft. Wollen wir Christo folgen, so müssen wir die Vernunft unter den Gehorsam Christi gefangen nehmen, 2 Kor. 10,5. Wer sie aber klügeln lässt, der kann nicht bekehrt werden, bis er davon abstehe; wie Thomas die Predigt von der Auferstehung Christi von sich stieß und so lang im Unglauben blieb, bis die Vernunft in Christi Gehorsam gefangen ge-legt wurde, Joh. 20,25.27.28.

 

557. f. das Ausschlagen der göttlichen Wirkung; wenn der heil. Geist anfängt im Menschen zu wirken, dass er ihm das Herz gerührt hat, und er entschlägt sich der guten Gedanken, will davon weiter nichts hören noch wissen, stößt also die Wahrheit von sich, die er zu erkennen hat angefangen, so folgt die Bekehrung nicht. Dessen ist ein Exempel zu sehen an dem König Agrippa; als der Paulum gehört hatte, bekannte er ihm: es fehlet nicht viel, du überredest mich, dass ich ein Christ würde. Als aber Paulus weiter an ihn setzte, ob er möchte bekehrt werden, stund Agrippa auf, ging davon und dämpfte also das Fünklein, welches der heil. Geist in seinem Herzen angezündet hatte. Apost. Gesch. 26,28.ff.

 

558. g. Die mutwillige Verleugnung und Verfolgung der erkannten Wahrheit. Wenn es mit dem Menschen so weit gebracht ist, dass er in seinem Herzen überzeugt ist, dies, was er gehört, sei die himmlische, ewige Wahrheit; gleich-wohl will er um obgemeldter Verhinderung willen sich nicht gern dazu bekennen, widerspricht also und verfolgt die Lehre, welche er als göttlich erkannt hatte; an demselben ist fast alle Hoffnung der Bekehrung verloren. Solche Leute waren die Pharisäer, welche sahen und bekannten, der Herr Jesus wäre ein Lehrer von Gott kommen, er lehre den Weg Gottes recht, so könnte niemand die Zeichen tun, die er tat, es wäre denn Gott mit ihm, Joh. 3,2. Matth. 22,16. Gleichwohl verfolgten sie ihn feindlich, lästerten ihn, sein Wort und Werke, hörten auch nicht auf, bis sie ihn an das Kreuz gebracht hatten. Damit verstockten sie ihre Herzen und lästerten den heil. Geist, welches der Herr Christus ihnen vorhält Matth. 12,31.32. Und Stephanus führte ihnen zu Gemüt Ap. Gesch. 7,51: „ihr Hals-starrigen und Unbeschnittenen an Herzen und Ohren, ihr widerstrebet allezeit dem heil. Geist, wie eure Väter, also auch ihr“.

Was nun bisher gemeldet worden, muss ein Mensch von sich stellen, dass er sich hingebend halte und allein leide, dass ihn Gottes Geist lehre und unterrichte. Wenn er überzeugt wird und sich nicht lässt etwas in der ganzen Welt davon abhalten, sondern folgt dem heil. Geist, wohin er ihn zeucht, so ist er zur Be-kehrung geschickt genug.

 

559. Dieser Bericht mag die Frage zur Genüge erklären, wie es komme, dass nur etliche bekehrt werden. Denn ob der Mensch nichts tun kann, was ihn zur Be-kehrung fördert, so kann er doch viel tun, das ihn daran hindert. Keineswegs mag er verschaffen, dass er bekehrt werde, aber gar wohl mag er hindern, dass er nicht bekehrt werde. Als wie ein Kranker ihm selber zur Gesundheit nicht helfen kann, aber leichtlich kann er verhindern, dass er nicht zur Gesundheit komme, wenn er den Arzt von sich stößt, seinem Rat nicht folgt, die Arznei wegwirft, hingegen dasjenige tut und vornimmt, das die Krankheit stärkt. Und wie einer, der in eine tiefe Grube gefallen ist, wenn ihm ein Seil hinunter gelassen wird, daran man ihn wiederum herauf ziehen will, er weigert sich aber, dies Mittel zu ge-brauchen und stößt das Seil von sich, der kann leichtlich und wohl verhindern, dass er aus der Grube nicht kommt, wiewohl er ihm selbst nicht zum wenigsten heraus helfen kann. Wie nun an einem Kranken, da er soll genesen, genug ist, dass er sich des Arztes Verordnung unterwerfe und derselben nicht widerstrebe; und wie es dem, so in der Grube steckt, genug ist, dass er sich heraufziehen lasse, da doch ihr keiner etwas bei der Sache tut und sich allein hingebend verhält; gleich also ists einem Menschen genug, dass er dem heiligen Geist nicht widerstrebe und denselben in ihm wirken lasse; so wird er bekehrt werden, ob er schon zu seiner Bekehrung nicht das geringste tun kann.

 

560. Fürs vierte: die Früchte der Bekehrung. Solche sind teils eben diejenigen, davon zuvor angezeigt ist, dass sie aus der Buße und Rechtfertigung folgen, als Gottes Gnade und Barmherzigkeit, Friede des Gewissens, Besserung des Lebens, neuer Gehorsam und gute Werke. Denn ein Bekehrter liebt Gott, darum liebt er auch den Nächsten und begehrt Gott zu erweisen schuldigen Gehorsam und mögliche Dienste; dem Nächsten aber alles das, was er selber wünscht, das ihm geschehen möchte, Matth. 7,12.

 

561. Andernteils ist der Bekehrung Frucht die Freiheit des Willens, dass der Mensch, wie er vor seiner Bekehrung nicht frei war, das Gute zu tun, also nach der Bekehrung durch den heil. Geist vermag das Gute zu verrichten. Von dieser Freiheit wird gelehrt: Röm. 6,12.13: „lasset die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in ihren Lüsten, sondern begebet euch selbst Gott, als die aus den Toten lebendig sind, und eure Glieder Gott zu Waffen der Gerechtigkeit“; Ephes. 2,10: „wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken“; Röm. 8,13.14: „wo ihr durch den Glauben des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben; denn welche der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder“.

 

562. Weil aber in dieser Zeit alles unvollkommen ist, so ist diese Freiheit des bekehrten Menschen auch unvollkommen und nicht ohne Streit, dadurch manches Gute verhindert und das Böse befördert wird, wie der Apostel heftig darüber klagt, Röm. 7,14.ff. Gal. 5,17.

 

Das einundzwanzigste Kapitel. 

(Von der Erneuerung des Menschen.) 

 

Die bekehrten Menschen verneuert Gott, dass sie aus dem alten sündlichen Zustand wiederum gesetzt werden in den ersten Stand der angeschaffenen Unschuld, Gerechtigkeit und Heiligkeit.

 

563. Die Verneuerung und Wiedergeburt sind keine besondern Handlungen, von der Bekehrung unterschieden, sondern es wird eben dieselbe erklärt durch das Gleichnis, genommen von der Wiederbringung des alten sündhaften Menschen in den Stand, darin er anfänglich gestanden, als er neu war. Ebenso wird die Bekehrung auch erklärt durch das andere Gleichnis von der natürlichen Geburt. Und weil die heilige Schrift dieselben Gleichnisse oft gebraucht, sie auch diesen Handel fürzubilden sehr dienlich sind, so haben sie nicht sollen dieses Orts über-gangen werden.

 

564. Und zwar so viel die Erneuerung betrifft, wird mit demselben Wort auf drei unterschiedliche Stände des Menschen gesehen. Wie nämlich die Verneuerung eines alten Hauses dreierlei mit sich bringet, 1) dass dies Haus neu gewesen sei, 2) dass es sei alt und baufällig worden, 3) dass es aus dem alten Übelstand in das vorige Ansehen sollte gesetzt werden, welches es gehabt, da es neu war; gleich also wird durch des Menschen Erneuerung angedeutet, 1) der Stand der Vollkommenheit, in dem er erstlich erschaffen worden, von dem er abgetreten und nach welchem er soll verneuert werden, 2) der Stand der Sünden, in den er gefallen und daraus er wieder soll gebracht werden, 3) der Stand der Bekehrung, in welchen er durch die Erneuerung soll gesetzt werden.

 

565. Also weiset uns die Schrift bei der Erneuerung

1) auf unsern ersten Zustand, in welchen wir zu Gottes Ebenbild geschaffen sind worden; Kol. 3,10: „ziehet den neuen Menschen an, der erneuert wird zu der Erkenntnis nach dem Ebenbild des, der ihn geschaffen hat“; Eph. 4,23.24: „erneuert euch im Geist eures Gemüts und ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit“.

2) auf den Stand der Sünden, aus dem wir treten müssen; Röm. 6,6: „wir wissen, dass unser alter Mensch samt Christo gekreuzigt ist, auf dass der sündliche Leib aufhöre, dass wir hinfort der Sünde nicht dienen“; 1 Kor. 5,7.8: „feget den alten Sauerteig aus, auf dass ihr ein neuer Teig seid. Lasset uns Ostern halten, nicht im alten Sauerteig der Schalkheit und der Bosheit, sondern im süßen Teig der Lauterkeit und der Wahrheit“; Ephes. 4,22: „leget von euch ab, nach dem vorigen Wandel, den alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verderbet“; Kol. 3,9: „ziehet den alten Menschen mit seinen Werken aus“.

3) auf den Stand der Bekehrung; Gal. 6,15: „in Christo Jesu gilt weder Be-schneidung noch Vorhaut, sondern eine neue Kreatur“; 2 Kor. 5,17: „ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur; das alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu worden“; Röm. 6,4: „wie Christus ist auferwecket von den Toten, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln“.

 

566. So ist demnach die Erneuerung des Menschen eine Herausführung von dem sündlichen Stand und Wiederbringung zu dem Stand, darin er geschaffen ist, dass man Gott erkenne, die Sünde aus dem Gemüt und Gliedern ablege, lebe und Gott diene in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit.

 

Das zweiundzwanzigste Kapitel.

(Von der Wiedergeburt.) 

 

Die bekehrten Menschen gebiert Gott von neuem nicht durch wesentliche Veränderung ihrer Natur, sondern durch Ertötung der sündlichen Art und ihrer bösen Werke, auch durch Erweckung aller menschlichen Kräfte zu heiligen Werken und einem neuen Leben.

 

567. Die Wiedergeburt wird mit der natürlichen Geburt verglichen, dass, wie ein Mensch von Vater und Mutter zu diesem natürlichen Leben geboren wird, also wird er von Gott zum geistlichen Leben gleichsam von neuem und zum andern Mal geboren, darum diese Handlung nicht schlechthin eine Geburt, sondern eine Wiedergeburt genannt wird. Davon sind diese drei Punkte zu merken: 1) dass dieselbe nicht sei eine wesentliche Veränderung dessen, der wiedergeboren wird, 2) was die Wiedergeburt sei und worin sie eigentlich bestehe, 3) dass die Wiedergebornen von ihrem guten und glückseligen Stand wiederum zur Sünde fallen und in derselben verderben können.

 

568. Das erste: dass die Wiedergeburt nicht sei eine wesentliche Veränderung dessen, der wiedergeboren wird. Obwohl die natürliche Geburt dem Menschen sein Wesen gibt und von der Wiedergeburt gesagt wird, es entstehe dadurch ein neuer Mensch und eine neue Kreatur, so ist sie doch nicht eine neue wesentliche Verwandlung der Menschen, als hätte er nach der geistlichen Geburt nicht mehr einen irdischen Leib aus Adam, hingegen einen andern geistlichen Leib aus Christo. Denn

 

569. 1) wird von dem Wiedergebornen gemeldet, dass er verneuert werde. Wie aber ein neues Gebäude, so an die Stätte des alten und abgerissenen gesetzt wird, nicht heißt verneuert; aber wie das verneuert ist, dessen Wesen für sich bleibt, aber ausgebessert wird und ein anders und neues Ansehen gewinnt; also werden die Menschen in der Wiedergeburt verneuert nicht durch wesentliche Veränderung ihrer Substanz, sondern dass dieselbe zwar bleibt, aber vor Gottes Augen verbessert wird und eine neue und ihm wohlgefällige Gestalt empfäht.

 

570. 2) befindet sich in den wiedergebornen Menschen noch etwas, das vom alten Sündenstand übrig geblieben ist. Denn kein Mensch lebt so rein und heilig, der nicht hätte die Sünde ankleben, so lang er in diesem Leben ist. Niemand kann sagen: ich bin rein in meinem Herzen und lauter von Sünden, Sprüchw. 20,9. Sie sind allesamt wie die Unreinen und alle ihre Gerechtigkeit ist wie ein unflätig Kleid, Jes. 64,6. Wenn nun die Wiedergeburt das ganze Wesen des Menschen veränderte und himmlisch machte, so könnten ja diese bösen Lüste und andere Sünden in demselben himmlischen Wesen nicht gefunden werden.

 

571. 3) in den Wiedergebornen hat das Fleisch und der Geist stätig zu streiten; Gal. 5,17: „das Fleisch gelüstet wider den Geist und den Geist wider das Fleisch, dieselben sind wider einander, dass ihr nicht tut, was ihr wollet“. Wo ein Streit ist, da sind zwei Feinde. Weil denn im wiedergebornen Menschen ein Streit ist zwi-schen dem Geist Gottes und dem sündigen Fleisch, so folgt gewisslich, dass in dem wiedergebornen Menschen nicht allein der Geist Gottes oder das geistliche zu finden sei, sondern auch das sündhafte Fleisch.

 

572. 4) so zeugen die wiedergebornen Menschen nicht solche Kinder, die von Natur heilig sind, sondern die sowohl als anderer Leute Kinder in Sünden em-pfangen und geboren werden, deren Dichten und Trachten immerdar und von Jugend auf nur zum bösen geneigt ist. Wenn nun der Wiedergebornen ganzes Wesen also verändert würde, dass nichts irdisches, sondern alles lauter himmlisch wäre; wie könnte ihre reine und himmelische Natur irdische, unreine und sündhafte Kinder zeugen?

 

573. 5) wird dasjenige von den Wiedergebornen gesagt, das allein von denen kann ausgesprochen werden, die aus Adam Fleisch und Blut haben. Als: wenn der wiedergeborne David spricht: „ich bin aus sündlichem Samen gezeugt und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen“ (Ps. 51,7.), so muss er ja dasselbe Fleisch noch an sich haben, nach welchem er von seinen Eltern sündhaft ist geboren worden. Wenn der wiedergeborne Paulus von ihm selber schreibt, er habe die Gemeine Gottes verfolgt (Gal. 1,13.), so muss Paulus, welcher dieses schreibt, seinem Wesen nach eben derselbe noch sein, welcher er zuvor war, als er Gottes Gemeine verfolgte; darum ist Pauli Natur wesentlich nicht verwandelt.

 

574. Der andere Punkt ist: was die Wiedergeburt sei und worin sie eigentlich be-stehe? Deren Stück sind zwei:

eines, die Ertötung der sündlichen Natur, davon bei Betrachtung der Erneuerung Meldung geschehen ist. Solche Ertötung aber geschieht nicht, dass die leiblichen Gliedmaßen sollten natürlicher Weise ertötet werden, sondern, dass man sie gefangen nehme unter den Gehorsam Christi, 2 Kor. 10,5.; dass man die Sünde nicht herrschen lässt in den Gliedmaßen, sondern sie begiebet Gott zu Waffen der Gerechtigkeit, Röm. 6,12.13.; dass die, so Christo angehören, ihr Fleisch kreuzigen samt den Lüsten und Begierden, Gal. 5,24.; dass man der Sünde nicht ihren Willen lässt, sondern über sie herrscht, 1 Mose 4,7.; dass man sich enthalte der fleischlichen Lüste, welche wider die Seele streiten, 1 Petr. 2,11. Dadurch werden die menschlichen, zur Sünde geneigten Kräfte gehemmt, geschwächt, gebunden, ja gleichsam getötet, abgehauen und hinweggeworfen, wie der Herr Christus davon redet Matth. 5,29.30. Kap. 18,8.9. Denn es wird ihnen die bösen Werke zu vollbringen hiermit also verboten, als ob sie gänzlich wären getötet worden. In solchem Verstand schreibt St. Paulus von ihm selber, die Welt sei ihm gekreuziget und er der Welt, Gal. 6,14.; weil er der Welt böse Lust und vergäng-liche Herrlichkeit so wenig achtete, als ein Toter und Gekreuzigter. Dies ist das eine, so zu der Wiedergeburt gehört, dass nämlich geistlicher Weise ertötet werde, was uns als sündlich von unsern Eltern ist angeerbt worden.

 

575. Das ander Stück ist die Erweckung der Seele und aller ihrer Kräfte zu einer Gott wohlgefälligen Wirkung. Wer nichts tut noch verrichtet, ist einem Toten gleich. Weil denn wir Menschen von Natur untüchtig sind zu allem guten, so nennt uns darum der heilige Geist „Tote“, Eph. 2,1. Kol. 2,13: „da ihr tot waret durch Übertretung und Sünden“. Wenn nun Gott unsern Kräften das Vermögen gibt, geistliche und gute Werke zu vollbringen, so macht er uns lebendig, indem wir als die Lebendigen das gute verrichten.

 

576. Der Verstand wird lebendig, wenn er von seiner natürlichen Blindheit und Unwissenheit zu der Erkenntnis Gottes erneuert wird, Kol. 3,10.; wenn er an-fängt, alle geistlichen Dinge zu verstehen und zu richten, 1 Kor. 2,15.; wenn er Gott in seinem Wort erkennt und ihn gleichsam sieht, obwohl in dieser Zeit allein durch einen Spiegel und im dunkeln Wort, 1 Kor. 13,12.

 

577. Der Wille wird lebendig, wenn ihm Gott anstatt des steinernen ein fleischern Herz gibt, auf dass er nach seinen Rechten tue, Hesek. 11,19.20.; wenn Gott in ihm schafft ein rein Herz und gibt ihm einen neuen gewissen Geist, Ps. 51,12.; wenn das Gemüt erneuert wird, zu wandeln in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit, Eph. 4,23.24.; wenn das Gemüt bekehrt wird, zu dienen dem leben-digen Gott und zu warten seines Sohnes vom Himmel, 1 Thess. 1,9.10.

 

578. Alle innern und äußern Kräfte werden lebendig, wenn wir unsere Leiber begeben zum Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei, Röm. 12,1.; wenn wir in einem neuen Leben wandeln, Röm. 6,4.; wenn wir Ostern halten im Süßteig der Lauterkeit und Wahrheit, 1 Kor. 5,8.

 

579. In solchem geistlichen Leben ist der hl. Geist, gleichwie die Seele in dem natürlichen Leben, denn also werden wir geistlich wiedergeboren aus dem heil. Geist, Joh. 3,5. Wo die Seele sich geschäftig erzeigt, da ist das Leben; also, wo der Geist Gottes ist, da ist auch Leben und Seligkeit, als geschrieben steht Röm. 8,14: „die der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder“. Wenn nun das ganze Gemüte samt allen Kräften des Leibes und der Seele also verändert ist, dass, der zuvor zum guten tot war, jetzt zu demselben lebendig und darin geschäftig ist; dass, der zuvor zum bösen lebendig und darin geschäftig war, jetzt demselben abgestorben ist; so ist ein solcher, als ob er neu geboren und ein anderer Mensch worden wäre. Wie die Schrift vom Saul redet: „der Geist des Herrn wird über dich geraten, dass du mit den Propheten weissagest, da wirst du ein ander Mann werden“,1 Sam. 10,6. Nicht dass seine Substanz, sondern seine Gedan-ken, Leben und Vorhaben sollen geändert werden.

 

(Von der Wiedergebornen Beständigkeit.) 

 

580. Der dritte Punkt handelt von der Beständigkeit und Verharren in der Wieder-geburt. In heiliger Schrift befinden sich stattliche Verheißungen, die Gott den Gläubigen gegeben hat, dass sie von ihm nicht sollen verworfen werden, als Ps. 37,24: „fället er (der Gerechte), so wird er nicht weggeworfen, denn der Herr erhält ihn bei der Hand“; Joh. 10,28: „ich gebe meinen Schafen das ewige Leben und sie werden nimmermehr umkommen und niemand wird sie aus meiner Hand reißen“. Solche Verheißungen, wie auch dergleichen andere, verursachen diesen Gedanken, als ob die, so einmal geistlich wiedergeboren sind, sich nicht wieder von der göttlichen Gnade abkehren, in Unglauben fallen und also ewig um-kommen möchten. Demnach hat solcher Punkt allhier nicht sollen vorüber ge-lassen werden. Und es ist davon also zu halten.

 

581. So viel Gott betrifft, tut er das seine, dass der Gerechte in seinem Glauben beständig verharre; denn er ruft, lehrt, vermahnt, warnt, bedräuet, damit ja das angefangene Werk nicht umgestoßen werde. Welches alles aus dem klar ist, was zuvor ausgeführt worden, dass nämlich an Gott keineswegs der Mangel sei, dass nicht alle Menschen selig werden.

 

582. Weil denn die Ursache, dass der Gläubige nicht beständig bleibt, allein an dem Menschen zu finden, so ist als gewiss zu achten: so lang der gerechte an Gott hält und sich von ihm nicht absondert, so lang mag er von seiner Gerechtig-keit nicht abgetrieben werden. Und davon reden die angezogenen Verheißungen: der Herr erhält den Gerechten bei der Hand; niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Denn so viel an Gott ist, wo nur sie von Gott nicht abfallen, kann sie keine Gewalt von ihm abreißen.

 

583. Weil aber Gott nicht ohne Mittel, sondern durch sein Wort die Gläubigen führt, so können sie zwar von ihrer Gerechtigkeit nicht abgedrungen werden, so lang sie sich an Gottes Wort halten; aber wo sie dasselbe verlassen, (wie sie wohl können), so fallen sie auch ab von der einmal erlangten Wiedergeburt. Gleichwie ein Vater sein Kind an einem unwegsamen Ort bei der Hand leitet, da dasselbe aus eigenem Vermögen nicht fortkommen kann, und er es tröstet: du kannst nicht fallen, denn ich halte dich bei der Hand; so ist das Kind, so lang es bei dem Vater fest hält, vor allem Fall gesichert. Wo es aber aus Mutwillen, Fürwitz, Vertrauen auf eigene Kräfte oder Zorn von des Vaters Hand abließe und sich von ihm risse, so würde es leichtlich fallen und doch des Vaters Vertröstung wahr bleiben, es könnte nicht fallen, weil er es bei der Hand führe. Wie nun dies Kind nicht fallen mag, so lang es sich den Vater führen lässt, aber doch einen gefährlichen Fall tun kann, nachdem es sich von des Vaters Hand losgerissen; gleichalso kann ein wiedergeborner Mensch von seinem seligen Zustand nicht abfallen, so lang er sich Gott mit seinem Wort, (das gleichsam Gottes Hand ist,) leiten lässt. Er kann aber fallen, sobald er sich von seinem Wort abreißt. Solches wird damit erwiesen:

 

584. 1) weil die Schrift ausdrücklich lehrt, dass etliche Wiedergeborne von ihrem Glauben abfallen, Luk. 8,13: „das auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an, eine Zeit lang glauben sie und zur Zeit der Anfechtung fallen sie ab“.

 

585. 2) weil Gott die Seligkeit verheißt denen, so bis ans Ende verharren; Matth. 10,22: „wer bis an das Ende beharret, der wird selig“; Hebr. 3,14: „wir sind Christi teilhaftig worden, so wir anders das angefangene Wesen bis an das Ende fest behalten“. Wenn nun alle Gläubigen beharreten und nicht abfallen könnten, so hätte die Beständigkeit nicht mögen als eine nötige und doch an dem Menschen zweifelhafte Bedingung angezogen werden.

 

586. 3) weil wir vermahnt werden, fleißig zuzusehen, dass wir nicht abfallen; 1 Kor. 9,24: „laufet also, dass ihrs ergreifet“; Kap. 10,12: „wer sich lässet dünken, er stehe, mag wohl zusehen, dass er nicht falle“; Offenb. 2,10: „sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben“; Kap. 3,11: „halt, was du hast, dass niemand deine Krone nehme“. Wie aber niemand vermahnen darf dasjenige zu behalten, das zu verlieren unmöglich ist, also folgt, es sei möglich, dass ein Wiedergeborner abfalle; denn er muss zu der Beständigkeit vermahnt werden.

 

587. 4) weil Gott sein Gericht offenbart über die, so von der Wiedergeburt abfallen; Hesek. 18,24: „wo sich der Gerechte kehret von seiner Gerechtigkeit und tut böses und lebet nach allen Greueln, die ein Gottloser tut, sollte der leben? Ja aller seiner Gerechtigkeit, die er getan hat, soll nicht gedacht werden, sondern in seiner Übertretung und Sünden, die er getan hat, soll er sterben“; Röm. 11,20.21: „du stehest durch den Glauben; sei nicht stolz, sondern fürchte dich. Hat Gott der natürlichen Zweige nicht verschonet, dass er vielleicht dein auch nicht verschone“; 2 Petr. 2,20.21: „so sie entflohen sind dem Unflat der Welt durch die Erkenntnis des Herrn und Heilandes Jesu Christi, werden aber wiederum in dieselbigen geflochten und überwunden, ist mit ihnen das letzte ärger worden, denn das erste. Denn es wäre ihnen besser, dass sie den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt hätten, denn dass sie ihn erkennen und sich kehren von dem heiligen Gebot, das ihnen gegeben ist“; Hebr. 6,4.ff.: „es ist unmöglich, dass die, so einmal erleuchtet sind und geschmeckt haben die himmlischen Gaben und teilhaftig worden sind des heiligen Geistes und geschmeckt haben das gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt, wo sie abfallen und wiederum ihnen selbst den Sohn Gottes kreuzigen und für Spott halten, dass sie sollten wiederum erneuert werden zur Buße“. Diese ernsten Warnungen hatte Sct. Paulus in guter Acht, dass er von sich schreibt: „ich betäube meinen Leib und zähme ihn, dass ich nicht den andern predige und selbst verwerflich werde“, 1 Kor. 9,27.

 

588. 5) weil ausdrückliche Exempel vorhanden sind derer, die von ihrer Wieder-geburt abgetreten sind. Also war Aaron wiedergeboren, fiel aber ab, da er das abgöttische Kalb aufrichtete, 2 Mose 32,4.5.21. David war wiedergeboren und fiel davon ab durch Ehebruch und Totschlag, an Uria und dessen Weib begangen, 2 Sam. 11,4.15. Kap. 12,7.9. Petrus war als ein Jünger Christi wiedergeboren und fiel davon ab durch Verleugnung seines Herrn, Matth. 26,69.ff. Hymeneus und Alexander haben Glauben und gut Gewissen von sich gestoßen und am Glauben Schiffbruch erlitten, die hatte Paulus in den Bann getan, 1 Tim. 1,19.20. Hymeneus und Philetus haben etlicher Glauben verkehrt, wenn sie lehrten, die Auferstehung sei schon geschehen, 2 Tim. 2,18. Was nun diesen widerfahren ist, das kann einem jeden Wiedergebornen auch begegnen.

 

Das dreiundzwanzigste Kapitel. 

(Von der Vereinigung mit Christo.) 

 

Wie die Bekehrten durch die Wiedergeburt Gottes Kinder werden, also werden sie in den Herrn Christum eingepfropft und gemacht zu seines geistlichen Leibes Gliedmaßen.

 

589. Der Herr Christus hat einen natürlichen menschlichen Leib, den er aus der Jungfrau Maria an sich genommen, mit welchem er gen Himmel gefahren und Stephano und andern Heiligen erschienen ist, auch mit demselben am jüngsten Tage vor allen Menschen sichtbarlich erscheinen wird, Ap. Gesch. 1,11. Es werden aber die Gläubigen und die Versammlung derselben sein Leib genannt, Röm. 12,4.5., dass gleicherweise, als ein Mensch in seinem Leib viel Glieder hat, also wir viele ein Leib sind in Christo; 1 Kor. 6,15: „wisset ihr nicht, dass eure Leiber Christi Glieder sind?“

 

Dabei ist zu betrachten. 1) dass der Herr Christus mit einem gläubigen Menschen eine nahe Vereinigung habe, 2) wie solche Verbündnis geschehe.

 

590. Das erste: dass der Herr Christus mit einem gläubigen Menschen eine nahe Vereinigung habe, das wird zum Teil mit deutlichen klaren Worten, zum Teil mit schönen Bildern und Gleichnissen angedeutet. Mit klaren Worten: Joh. 6,56: „wer mein Fleisch isset und trinkt mein Blut, der bleibet in mir und ich in ihm“; Joh. 14,20: „an demselben Tage werdet ihr erkennen, dass ihr in mir seid und ich in euch“; 1 Kor. 6,16: „wer dem Herrn anhanget, der ist ein Geist mit ihm“; Gal. 2,20: „ich lebe, aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir“; Eph. 5,30: „wir sind Glieder seines (Christi) Leibes, von seinem Fleisch und von seinem Gebein“; 1 Joh. 3,24: „wer seine Gebot hält, der bleibet in ihm und er in ihm“; Kap. 4,13: „daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns, dass er uns von seinem Geist gegeben hat“. Dazu gehört der Spruch Petri 2 Epist. 1,4: „uns ist die teure und allergrößeste Verheißung geschenkt, dass wir teilhaftig werden der göttlichen Natur“.

 

591. Hernach wird solches auch mit Gleichnissen und Bildern angedeutet, ge-nommen 1) von einem Haus, und von dem, der darin wohnt; Joh. 14,23: „wer mich liebet, der wird mein Wort halten und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen“; Ephes. 3,17: „Christus wohnet durch den Glauben in euren Herzen“.

2) von Gott und dem Tempel, darin er wohnt; 1 Korinth. 3,16: „wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnet?“ 2 Kor. 6,16: „ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie denn Gott spricht: ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln“.

3) von dem Menschen und seinem Kleid, Gal. 3,27: „wie viel euer getauft sind, die haben Christum angezogen“.

4) von dem Ehestand und nahen Verbündnis zwischen Mann und Weib; Ephes. 5,25: „ihr Männer, liebet eure Weiber, gleichwie Christus auch geliebet hat die Gemeine“; v. 31.32: „es wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen und werden zwei ein Fleisch sein. Das Geheimnis ist groß, ich sage aber von Christo und der Gemeine“. Dahin geht des Herrn Christi Gleichnis Matth. 22,2.: „das Himmelreich ist gleich einem Könige, der seinem Sohn Hoch-zeit machte“. Welches Gott gebraucht hat Hos. 2,19.20: „ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit und will mich mit dir vertrauen in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit, ja im Glauben will ich mich mit dir verloben“.

5) von dem Baum und seinen Zweigen oder Ästen; Joh. 15,5: „ich bin der Wein-stock, ihr seid die Reben; wer in mir bleibet und ich in ihm, der bringet viel Frucht, denn ohn mich könnt ihr nichts tun“; Röm. 11,17: „da du ein wilder Ölbaum warest, bist du eingepfropfet und teilhaftig worden der Wurzel und des Safts im Ölbaum“; v. 24: „so du aus dem Ölbaum, der von Natur wild war, bist ausge-hauen und wider die Natur in den guten Ölbaum gepfropfet etc.“

6) von dem Leib und seinen Gliedern; 1 Kor. 12,12: „gleichwie ein Leib ist und hat doch viel Glieder, alle Glieder aber eines Leibes, wiewohl ihrer viel sind, sind sie doch ein Leib; also auch Christus“; Eph. 5,23: „Christus ist das Haupt der Ge-meine und er ist seines Leibes Heiland“.

 

592. Das andere: wie diese Vereinigung geschehe. Nicht geschieht sie durch eine wesentliche Verwandlung des natürlichen, von Adam und den leiblichen Eltern empfangenen Leibes in den Leib des Herrn Christi, dass ein Mensch von ihm selber sagen möchte: ich bin Christus, noch von seinem Leib, er sei himmlisch und nicht aus Adam, denn

1) haben wir hiervon keine Nachricht in heiliger Schrift.

2) bezeugt die heilige Schrift, dieses sei allein ein geistliches Verbündnis; Eph. 3,17: „Christus wohnt durch den Glauben in unserm Herzen“; 1 Kor. 6,17: „wer dem Herrn anhangt, der ist ein Geist mit ihm“. Wie nun der Glaube geistlich ist, also macht er kein leibliches Verbündnis; wie die Christen, so durch einen Geist zu einem Leib getauft und zu einem Geist getränkt sind (1 Kor. 12,13.), unter einander allein geistlich, nicht aber leiblich vereinigt werden, also werden die Gläubigen auch mit Christo ein Geist, aber nicht ein Leib.

 

594. 3) werden solche Dinge von des Herrn Christi Leib gesagt, die von keines wiedergebornen und gläubigen Menschen Leib mögen gesagt werden. Als

a. Christi Leib ist von dem Sohn Gottes persönlich angenommen, dass das Wort Fleisch worden ist, Joh. 1,14.; derselbe Mensch selber ist der Herr vom Himmel, 1 Kor. 15,47.; alle Fülle der Gottheit wohnt in Christo, Kol. 2,9. Nun ist aber kein Wiedergeborner, weder Petrus noch Paulus, Maria oder Johannes, von dem Gottessohn persönlich angenommen, keiner ist der Herr vom Himmel, in keinem wohnt die Fülle der Gottheit leibhaftig etc.

b. Christi Leib ist für uns alle dahin gegeben, Luk. 22,19. Weder Petri noch Pauli Leib ist für uns gegeben.

c. Christi Leib ist unsterblich, Röm. 6,9: „denn wir wissen, dass Christus, von den Toten erwecket, hinfort nicht stirbt, der Tod wird hinfort nicht über ihn herrschen“. Aller wiedergebornen Menschen Leiber sind sterblich.

d. Christi Leib ist verklärt, Phil. 3,21.; der Wiedergebornen Leiber sind nichtig und in diesem Leben nicht verklärt.

e. Christi Leib sitzt zur rechten Hand Gottes, Mark. 16,19., der Wiedergebornen Leiber sitzen nicht zur Rechten Gottes.

f. der Heiligen Leiber werden am jüngsten Tag gleich werden dem verklärten Leib Christi, Phil. 3,21. Der Heiligen Leiber werden am jüngsten Tag nicht ihnen selber gleich werden etc. Darum sind die Leiber der Wiedergebornen nicht der wesent-liche Leib Christi noch in der Vereinigung mit ihm seiner Substanz und Wesens teilhaftig worden.

 

595. 4) so werden von den Leibern der wiedergebornen Menschen solche Dinge ausgeredet, die man von Christi Leib nicht sagen kann; als

a. der Menschen Leib ist mit Sünden behaftet, die Sünde wohnt darin, Röm. 7,17.20.23. Christi Leib ist mit keiner Sünde behaftet, sie wohnt nicht darin.

b. der Menschen Leib ist einem stetigen Streit des Geistes und des Fleisches unterworfen, dass sie nicht können tun, was sie wollen, Gal. 5,17. Christi Leib ist solchem Streit nicht unterworfen, er kann tun, was er will.

c. der Menschen Leib wird zu Staub und Erden, 1 Mose 3,19. Christi Leib kann nicht zu Staub und Erde werden, nachdem es unmöglich ist, dass er sollte vom Tod gehalten werden und die Verwesung sehen, Ps. 16,10. Ap. Gesch. 2,24.27.31.

d. des Menschen Leib wird in die Erde gelegt verweslich, in Unehre, in Schwach-heit und als ein natürlicher Leib, 1 Kor. 15,42.ff. Des Herrn Christi Leib kann, nachdem er zu seiner Herrlichkeit eingegangen, nicht in die Erde gelegt werden, viel weniger wird er befunden in Unehre, in Schwachheit und als ein natürlicher Leib. Darum sind die Leiber der Wiedergebornen nicht der wesentliche Leib Christi noch in der Vereinigung mit ihm seiner Substanz und Wesens teilhaftig worden.

 

596. Es geschieht aber diese Vereinigung durch den Glauben, Ephes. 3,17: „Gott gebe euch, Christum zu wohnen durch den Glauben in euren Herzen“. In dem natürlichen menschlichen Leib werden die Glieder durch Bein und Adern zu-sammengefügt, Hiob 10,11.; damit geschieht eine leibliche Zusammenfügung, weil Bein und Adern leiblich sind, mit welchen die Glieder einander verbunden werden. Zwei Freunde werden einander verbunden und vereinigt durch die Liebe, so sie zu einander tragen, 1 Sam. 18,1.; dadurch geschieht keine leibliche Verbindung, sintemal die Liebe als das Band nicht leiblich ist. Zwei Eheleute werden ein Fleisch, 1 Mose 2,24., Matth. 19,5., Ephes. 5,31., nicht dass sie eine Person, eine Substanz und Wesen, oder in einander verwandelt werden, sondern sie werden durch eheliche Beiwohnung, Liebe und Treue zu einem Fleisch verbunden. Gleich also werden Christus und die wiedergebornen Christen mit einander verbunden durch den Glauben. Weil nun der Glaube als das Band nicht ein leibliches, noch dem Menschen wesentlich zustehendes Ding ist, also verursacht er auch nicht eine leibliche Verbindung zwischen Christo und dem Menschen. Weil aber der Glaube ein geistliches Band ist, so in einer guten Zuversicht und Vertrauen beruht, so verbindet er auch Christum und seine geistlichen Gliedmaßen geistlicher Weise, wie er auch selber geistlich ist, dass sie zusammen vereinigt sind; gleichwie ein Gefangener an seinem Erlöser (von dem er verstanden hat, wie er ihn habe losgekauft und wolle kommen, ihn aus dem Gefängnis zu holen,) mit stetigem Verlangen, Vertrauen und Hoffnung hangt, denselben in sein Herz geschlossen hat, mit ihm gleichsam schlafen geht und wieder aufsteht. Gleich also hanget ein christlich Herz an seinem Heiland mit stetigem Verlangen, Vertrauen und Hoffnung, schleusst ihn in sich, geht mit ihm schlafen, steht mit ihm auf und nimmt zu ihm in allem widerwärtigen Zufall seine Zuflucht und verknüpft sich ihm mit allen seinen Gedanken.

 

597. Solches erklärt die heil. Schrift gar fein mit dem Gleichnis des Ehestandes (1 Mose 2,24: „sie werden sein ein Fleisch“). Dahin hat Sct. Paulus gesehen 1 Kor. 6,16.17: „wisset ihr nicht, dass wer an der Hure hanget, der ist ein Leib mit ihr? Denn sie werden, spricht er, zwei in einem Fleisch sein. Wer aber dem Herrn anhanget, der ist ein Geist mit ihm“. Also beschreibt Hoseas die Vereinigung Gottes (und demnach auch Christi) mit seinen Gläubigen Kap. 2,19.20: „ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit, ich will mich mit dir vertrauen in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit, ja im Glauben will ich mich mit dir verloben“. Damit setzt Gott dies geistliche Verbündnis auf seiner Seite auf Ge-rechtigkeit, die er den Menschen gebe, auf Gnade und Barmherzigkeit, die er ihnen erweise; auf der Menschen Seite aber allein auf den Glauben, dass sie ihm zutrauen, wie er ihr bestes suche und wolle ihnen ewige Gnade und Barmherzig-keit erzeigen. Dies alles verursacht ein geistliches Verbündnis, keineswegs aber eine leibliche Vereinigung.