Die zehn Gebote Gottes


Das erste Gebot

Du sollst nicht andere Götter haben


Das ist: du sollst mich allein für deinen Gott halten. Was ist das gesagt, und wie versteht mans? Was heißt, einen Gott haben, oder was ist Gott? Antwort: ein Gott heißt das, dazu man sich versehen soll alles Guten und Zuflucht haben in allen Nöten; also dass einen Gott haben nichts anders ist, denn ihm von Herzen trauen und glauben; wie ich oft gesagt habe, dass allein das Trauen und Glauben des Herzens beide macht, Gott und Abgott. Ist der Glaube und Vertrauen recht, so ist auch dein Gott recht; und wiederum, wo das Vertrauen falsch und unrecht ist, da ist auch der rechte Gott nicht. Denn die zwei gehören zu Haufe, Glaube und Gott. Worauf du nun (sage ich) dein Herz hängst und verlässest, das ist eigentlich dein Gott. Darum ist nun die Meinung dieses Gebots, dass es fordert rechten Glauben und Zuversicht des Herzens, welche den rechten einigen Gott treffe und an ihm allein hange. Und will so viel gesagt haben: siehe zu und lasse mich allein deinen Gott sein und suche ja keinen andern; das ist was dir mangelt an Gutem, des versieh dich zu mir und suche es bei mir, und wo du Unglück und Not leidest, kriech und halte dich zu mir. Ich, ich will dir genug geben und aus aller Not helfen, lass nur dein Herz an keinem andern hangen noch ruhen. Das muss ich ein wenig grob ausstreichen, dass mans verstehe und merke an gemeinen Exempeln des Widerspiels. Es ist mancher, der meint, er habe Gott und alles genug, wenn er Geld und Gut hat, verlässt und brüstet sich darauf so steif und sicher, dass er auf niemand etwas gibt. Siehe, dieser hat auch einen Gott, der heißt Mammon, das ist Geld und Gut, darauf er all sein Herz setzt, welches auch der allergewöhnlichste Abgott ist auf Erden. Wer Geld und Gut hat, der weiß sich sicher, ist fröhlich und unerschrocken, als sitze er mitten im Paradies; und wiederum, wer keins hat, der verzweifelt und verzagt, als wisse er von keinem Gott. Denn man wird ihrer gar wenig finden, die guten Mutes sind, nicht trauern noch klagen, wenn sie den Mammon nicht haben; es klebt und hängt der Natur an bis in die Grube. Also auch, wer darauf traut und trotzt, dass er große Kunst, Klugheit, Gewalt, Gunst, Freundschaft und Ehre hat, der hat auch einen Gott, aber nicht diesen rechten, einigen Gott. Das siehst du abermal dabei, wie vermessen, sicher und stolz man ist auf solche Güter, und wie verzagt, wenn sie nicht vorhanden oder entzogen werden. Darum sage ich abermal, dass die rechte Auslegung dieses Stückes sei, dass einen Gott haben heißt: etwas haben, darauf das Herz gänzlich traut. Item, siehe, was wir bisher getrieben und getan haben in der Blindheit unter dem Papsttum: wenn jemand ein Zahn weh tat, der fastete und feierte S. Apollonia; fürchtete er sich vor Feuersnot, so machte er S. Lorenz zum Nothelfer; fürchtete er sich vor Pestilenz, so gelobte er sich zu S. Sebastian oder Rochius, und des Greuels unzählig viel mehr, da ein jeglicher seinen Heiligen wählt, anbetet und anruft in Nöten zu helfen. Hierher gehören auch, die es gar zu grob treiben und mit dem Teufel einen Bund machen, dass er ihnen Geld genug gebe oder zur Buhlschaft helfe, ihr Vieh bewahre, verlorenes Gut wiederschaffe usw., wie die Zauberer und Schwarzkünstler. Denn diese alle setzen ihr Herz und Vertrauen anderswo denn auf den wahrhaftigen Gott, versehen sich kein Gutes von ihm, suchens auch nicht bei ihm. Also verstehst du nun leichtlich, was und wie viel dies Gebot fordert, nämlich das ganze Herz des Menschen und alle Zuversicht auf Gott allein und niemand anders. Denn Gott zu haben kannst du wohl abnehmen, dass man ihn nicht mit Fingern ergreifen und fassen noch in Beutel stecken oder in Kasten schließen kann. Das heißt ihn aber gefasst, wenn ihn das Herz ergreift und an ihm hängt. Mit dem Herzen aber an ihm hängen ist nichts anders, denn sich gänzlich auf ihn verlassen. Darum will er uns von allem andern abwenden, das außer ihm ist, und zu sich ziehen, weil er das einzige ewige Gut ist. Als sollte er sagen: Was du zuvor bei den Heiligen gesucht oder auf den Mammon und sonst vertraut hast, des versiehe dich alles zu mir und halte mich für den, der dir helfen und mit allem Guten reichlich überschütten will. Siehe, da hast du nun, was die rechte Ehre und Gottesdienst ist, so Gott gefällt, welchen er auch gebeut bei ewigem Zorn, nämlich dass das Herz keinen andern Trost noch Zuversicht wisse denn zu ihm, lasse sich auch nicht davon reißen, sondern darüber wage und hintenansetze alles, was auf Erden ist. Dagegen wirst du leichtlich sehen und urteilen, wie die Welt eitel falschen Gottesdienst und Abgötterei treibt. Denn es ist nie ein Volk so ruchlos gewesen, das nicht einen Gottesdienst aufgerichtet und gehalten habe; da hat jedermann zum sonderlichen Gott aufgeworfen, dazu er sich Gutes, Hilfe und Trost versehen hat. Als nämlich: die Heiden, so ihr Datum auf Gewalt und Herrschaft stellten, warfen ihren Jupiter zum höchsten Gott auf; die andern, so nach Reichtum, Glück oder nach Lust und guten Tagen standen, Herkules, Mercurius, Venus oder andere, die schwangeren Frauen Diana oder Lucina, und so fort. Es machte sich jedermann das zum Gott, dazu ihn sein Herz trug. Also dass eigentlich auch nach aller Heiden Meinung einen Gott haben heißt: trauen und glauben. Aber daran fehlt es, dass ihr Trauen falsch und unrecht ist, denn es ist nicht auf den einigen Gott gestellt, außer welchem wahrhaftig kein Gott ist im Himmel noch auf Erden. Darum die Heiden eigentlich ihren eigenen erdichteten Dünkel und Traum von Gott zum Abgott machen und sich auf eitel nichts verlassen. Also ist es um alle Abgötterei getan, denn sie steht nicht allein darin, dass man ein Bild aufrichtet oder anbetet, sondern vornehmlich im Herzen, welches anderswohin gafft, Hilfe und Trost sucht bei den Kreaturen, Heiligen oder Teufeln und sich Gottes nicht annimmt, noch so viel Gutes zu ihm versieht, dass er wolle helfen, glaubt auch nicht, dass von Gott komme, was ihm Gutes widerfährt. Darüber ist auch ein falscher Gottesdienst und die höchste Abgötterei, so wir bisher getrieben haben und noch in der Welt regiert, darauf auch alle geistlichen Stände gegründet sind, welche allein das Gewissen betrifft, das da Hilfe, Trost und Seligkeit sucht in eignen Werken, vermißt sich, Gott den Himmel abzuzwingen, und rechnet, wieviel es gestiftet, gefastet, Messe gehalten hat usw. Verlässt sich und pocht darauf, als wolle es nichts von ihm geschenkt nehmen, sondern selbst erwerben oder überflüssig verdienen, gerade als müßte er uns zu Dienst stehen und unser Schuldner, wir aber seine Lehnsherrn sein. Was ist das anders, denn aus Gott einen Götzen, ja einen Apfelgott gemacht und sich selbst für Gott gehalten und aufgeworfen? Aber das ist ein wenig zu scharf, gehört nicht vor die jungen Schüler. Das sei aber den Einfältigen gesagt, dass sie den Verstand dieses Gebotes wohl merken und behalten, dass man Gott allein trauen und sich eitel Gutes zu ihm versehen und von ihm gewarten soll, als der uns gibt Leib, Leben, Essen, Trinken, Nahrung, Gesundheit, Schutz, Friede und alle Notdurft zeitlicher und ewiger Güter, dazu bewahrt vor Unglück und, so etwas widerfährt, rettet und aushilft; also dass Gott (wie genug gesagt) allein der ist, von dem man alles Gute empfängt und alles Unglücks los wird. Daher auch, achte ich, nennen wir Deutschen Gott eben mit dem Namen von alters her (feiner und artiger denn keine andere Sprache) nach dem Wörtlein „gut“, als der ein ewiger Quellbrunn ist, der sich mit eitel Güte übergießt und von dem alles, was gut ist und heißt, ausfließt. Denn ob uns gleich sonst viel Gutes von Menschen widerfährt, so heißt es doch alles von Gott empfangen, was man durch sein Befehl und Ordnung empfängt. Denn unsere Eltern und alle Obrigkeit, dazu ein jeglicher gegen seinen Nächsten, haben den Befehl, dass sie uns allerlei Gutes tun sollen, also dass wirs nicht von ihnen, sondern durch sie von Gott empfan-gen. Denn die Kreaturen sind nur die Hand, Röhren und Mittel, dadurch Gott alles gibt, wie er der Mutter Brüste und Milch gibt, dem Kinde zu reichen, Korn und allerlei Gewächs aus der Erde zur Nahrung; welcher Güter keine Kreatur eines selbst machen kann. Derhalben soll sich kein Mensch unterstehen, etwas zu nehmen oder zu geben, es sei denn von Gott befohlen, dass mans erkenne als seine Gabe und ihm darum danke, wie dies Gebot fordert. Darum auch solche Mittel, durch die Kreaturen Gutes zu empfangen, nicht auszuschlagen sind, noch durch Vermessenheit andere Weise und Wege zu suchen, denn Gott befohlen hat. Denn das hieße nicht von Gott empfangen, sondern von sich selbst gesucht. Darauf sehe nun ein jeglicher bei sich selbst, dass man dies Gebot vor allen Dingen groß und hoch achte und in keinen Scherz schlage. Frage und forsche dein eigenes Herz wohl, so wirst du wohl finden, ob es allein an Gott hange oder nicht. Hast du ein solches Herz, das sich eitel Gutes zu ihm versehen kann, sonderlich in Nöten und Mangel, dazu alles gehen- und fahren lassen, was nicht Gott ist, so hast du den einigen rechten Gott. Wiederum, hangt es auf etwas anderes, dazu sichs mehr Gutes und Hilfe vertröstet denn zu Gott, und nicht zu ihm läuft, sondern vor ihm flieht, wenn es ihm übel geht, so hast du einen andern Abgott. Derhalben, auf dass man sehe, dass Gott solches nicht will in Wind geschlagen haben, sondern ernstlich darüber halten, hat er bei diesem Gebot zum ersten eine schreckliche Drohung, darnach eine schöne, tröstliche Verheißung gesetzt, welche man auch wohl treiben soll und dem jungen Volk einbläuen, dass sie es zu Sinne nehmen und behalten: Denn ich bin der HERR, dein Gott, ein starker Eiferer, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied, die mich hassen. Und tue Barmherzigkeit an viel tausend, die mich lieb haben und meine Gebote halten. Wiewohl aber diese Worte auf alle Gebote gehen (wie wir hernach hören werden), so sind sie doch eben zu diesem Hauptgebot gesetzt, darum dass daran am meisten liegt, dass ein Mensch ein rechtes Haupt habe; denn wo das Haupt recht geht, da muss auch das ganze Leben recht gehen, und wiederum. So lerne nun aus diesen Worten, wie zornig Gott ist über die, so sich auf irgend etwas außer ihm verlassen; wiederum, wie gütig und gnädig er ist denen, die ihm allein von ganzem Herzen trauen und glauben. Also dass der Zorn nicht ablässt bis ins vierte Geschlecht oder Glied, dagegen die Wohltat oder Güte geht über viel tausend. Auf dass man nicht so sicher hingehe und sich in die Schanze schlage, wie die rohen Herzen denken, es liege nicht große Macht daran. Er ist ein solcher Gott, der es nicht ungerochen lässt, dass man sich von ihm wendet, und nicht aufhört zu zürnen bis ins vierte Glied, so lange, bis sie durch und durch ausgerottet werden. Darum will er gefürchtet und nicht verachtet sein. Das hat er auch bewiesen in allen Historien und Geschichten, wie uns die Schrift reichlich anzeigt und noch tägliche Erfahrung wohl lehren kann. Denn er alle Abgötterei von Anfang her gar ausgerottet hat und um ihretwillen beide, Heiden und Juden; wie er auch bei heutigem Tage allen falschen Gottesdienst stürzt, dass endlich alle, so darin bleiben, müssen untergehen. Darum, ob man gleich jetzt stolze, gewaltige und reiche Wänste findet, die auf ihren Mammon trotzen, ungeachtet Gott zürne oder lache, als die seinen Zorn wohl trauen auszustehen, so werden sie es doch nicht ausführen, sondern ehe man sichs versieht, zu scheitern gehen mit allem, darauf sie getraut haben; wie alle anderen untergegangen sind, die sich wohl sicherer und mächtiger gewusst haben. Und eben um solcher harten Köpfe willen, die da meinen, weil er zusieht und lässt sie fest sitzen, er wisse nichts darum oder nehme sichs nicht an, muss er also darein schlagen und strafen, dass ers nicht vergessen kann bis auf ihre Kindeskinder, auf dass sich jedermann daran stoße und sehe, dass ihm kein Scherz ist. Denn diese sinds auch, die er meint, da er spricht: „die mich hassen“, das ist, die auf ihrem Trotz und Stolz beharren. Was man ihnen predigt oder sagt, wollen sie nicht hören; straft man sie, dass sie sich erkennen und bessern, ehe die Strafe angeht, so werden sie toll und töricht, auf dass sie den Zorn redlich verdienen, wie wir auch jetzt an Bischöfen und Fürsten täglich erfahren. Wie schrecklich aber diese Drohworte sind, so viel mächtiger Trost ist an der Verheißung, dass, die sich allein an Gott halten, sollen gewiss sein, dass er Barmherzigkeit an ihnen erzeigen will, das ist eitel Gutes und Wohltat beweisen, nicht allein für sie, sondern auch an ihren Kindern bis ins tausendste und abermals tausendste Geschlecht. Solches sollte uns ja bewegen und treiben, unser Herz auf Gott zu erwägen mit aller Zuversicht, so wir begehrten, alles Gute zeitlich und ewig zu haben, weil sich die hohe Majestät so hoch erbietet, so herzlich reizt und so reichlich verheißt. Darum lasse es sich ein jeglicher ernstlich zu Herzen gehen, dass mans nicht achte, als habe es ein Mensch geredet. Denn es gilt dir entweder ewigen Segen, Glück und Seligkeit, oder ewigen Zorn, Unglück und Herzleid. Was willst du mehr haben oder begehren, denn dass er dir so freundlich verheißt, er wolle dein sein mit allem Guten, dich schützen und helfen in allen Nöten? Es fehlt aber leider daran, dass die Welt der keines nicht glaubt noch für Gottes Wort hält, weil sie sieht, dass, die Gott und nicht dem Mammon trauen, Kummer und Not leiden, und der Teufel sich wider sie sperrt und wehrt, dass sie kein Geld, Gunst noch Ehre, dazu kaum das Leben behalten. Wiederum, die dem Mammon dienen, haben Gewalt, Gunst, Ehre und Gut und alle Gemach vor der Welt. Derhalben muss man solche Worte fassen, eben wider solchen Schein gestellt, und wissen, dass sie nicht lügen noch trügen, sondern wahr werden müssen. Denke du selbst zurück oder frage ihm nach und sage mir: die alle ihre Sorge und Fleiß darauf gelegt haben, dass sie großes Gut und Geld zusammen scharrten, was haben sie endlich geschafft? So wirst du finden, dass sie Mühe und Arbeit verloren haben. Oder ob sie gleich große Schätze zu Haufe gebracht, es doch zerstoben und verflogen ist. Also dass sie selbst ihres Gutes nie sind froh geworden, und hernach nicht an die dritten Erben gereicht hat. Exempel wirst du genug finden in allen Historien, auch von alten erfahrenen Leuten; siehe sie nur an und habe Achtung darauf. Saul war ein großer König, von Gott erwählt, und ein frommer Mann; aber da er eingesessen war und sein Herz ließ sinken, hing sich an seine Krone und Gewalt, musste er untergehen mit allem, das er hatte, dass auch seiner Kinder keines blieb. Wiederum, David war ein armer verachteter Mann, verjagt und gescheucht, dass er seines Lebens nirgend sicher war; dennoch musste er vor dem Saul bleiben und König werden. Denn diese Worte mussten bleiben und wahr werden, weil Gott nicht lügen noch trügen kann, lasse dich nur den Teufel und Welt mit ihrem Schein, der wohl eine Zeitlang währt, aber endlich nichts ist, betrügen. Darum lasst uns das erste Gebot wohl lernen, dass wir sehen, wie Gott keine Ver-messenheit noch Vertrauen auf irgendein anderes Ding leiden will und nicht Höheres von uns fordert denn eine herzliche Zuversicht alles Guten, also dass wir richtig und stracks vor uns gehen und alle Güter, so Gott gibt, brauchen, nicht weiter denn wie ein Schuster seiner Nadel, Ahle und Draht braucht zur Arbeit und darnach hinweg legt, oder wie ein Gast der Herberge, Futter und Lager, allein zur zeitlichen Notdurft, ein jeglicher in seinem Stand nach Gottes Ordnung, und lasse nur keines seinen Herrn oder Abgott sein. Das sei genug vom ersten Gebot, welches wir mit Worten haben müssen ausstreichen, weil daran allermeist die Macht liegt, darum dass (wie zuvor gesagt), wo das Herz wohl mit Gott daran ist und dies Gebot gehalten wird, so gehen die anderen alle hernach.


Das zweite Gebot

Du sollst Gottes Namen nicht vergeblich führen


Gleichwie das erste Gebot das Herz unterweist und den Glauben gelehrt hat, also führt uns dies Gebot heraus und richtet den Mund und die Zunge gegen Gott. Denn das erste, so aus dem Herzen bricht und sich erzeigt, sind die Worte. Wie ich nun droben gelehrt habe zu antworten, was da heiße einen Gott haben, also musst du auch den Verstand dieses und aller Gebote lernen einfältig fassen und von dir sagen. Wenn man nun fragt: Wie verstehst du das andere Gebot, oder was heißt Gottes Namen vergeblich führen oder missbrauchen? Antworte aufs kürzeste also: Das heißt Gottes Namen missbrauchen, wenn man Gott den HERRN nennt, welcherlei Weise es geschehen mag, zur Lüge oder allerlei Untugend. Darum ist so viel geboten, dass man Gottes Namen nicht fälschlich anziehe oder in den Mund nehme, da das Herz wohl anders weiß oder je anders wissen soll; wie unter denen oft geschieht, die vor Gericht schwören, und ein Teil dem anderen lügt. Denn Gottes Namen kann man nicht höher missbrauchen, denn damit zu lügen und trügen. Das lasse das Deutsch und leichtesten Verstand dieses Gebotes bleiben. Aus diesem kann nun jedermann selbst wohl ausrechnen, wann und wie mancherlei Gottes Name missbraucht wird; wiewohl alle Missbräuche zu erzählen nicht möglich ist. Doch kürzlich auszurichten, geschieht aller Missbrauch göttlichen Namens erstlich in weltlichen Händeln und Sachen, so Geld, Gut, Ehre betreffen, es sei öffentlich vor Gericht, auf dem Markt oder sonst, da man schwört und falsche Eide tut auf Gottes Namen oder die Sache auf seine Seele nimmt. Und sonderlich ist solches viel ganghaftig in Ehesachen, da ihrer zwei hingehen, einander heimlich geloben und darnach verschwören. Allermeist aber geht der Missbrauch in geistlichen Sachen, die das Gewissen belangen, wenn falsche Prediger aufstehen und ihren Lügentand für Gottes Wort dargeben. Siehe, das heißt alles unter Gottes Namen geschmeckt oder schön sein wollen und recht haben, es geschehe in groben Welthändeln oder hohen subtilen Sachen des Glaubens und der Lehre. Und unter die Lügner gehören auch die Lästermäuler, nicht allein die gar groben, jedermann wohl bekannt, die da ohne Scheu Gottes Namen schänden (welche nicht in unsere, sondern des Henkers Schule gehören), sondern auch die die Wahrheit und Gottes Wort öffentlich lästern und dem Teufel geben; davon jetzt nicht Not, weiter zu sagen. Hier lass uns nun lernen und zu Herzen fassen, wie groß an diesem Gebot gelegen ist, dass wir uns mit allem Fleiß hüten und scheuen vor allerlei Missbrauch des heiligen Namens als vor der höchsten Sünde, so äußerlich geschehen kann. Denn lügen und trügen ist an sich selbst große Sünde, wird aber viel schwerer, wenn man sie noch rechtfertigen will und sie zu bestätigen Gottes Namen anzieht und zum Schanddeckel macht, also dass aus einer Lüge eine zweifältige, ja vielfältige Lüge wird. Darum hat Gott diesem Gebote auch ein ernstliches Drohwort angehängt, das heißt also: denn der HERR wird den nicht unschuldig halten, der seinen Namen vergeblich führt; das ist, es soll keinem geschenkt werden noch ungestraft abgehen. Denn sowenig er will ungerochen lassen, dass man das Herz von ihm wende, sowenig will er leiden, dass man seinen Namen führe, die Lügen zu beschönigen. Nun ist es leider eine Gemeinde Plage in aller Welt, dass ja so wenig sind, die nicht Gottes Namen zur Lüge und aller Bosheit brauchen, so wenig als ihrer sind, die allein von Herzen auf Gott vertrauen. Denn diese schöne Tugend haben wir von Natur alle an uns, dass, wer eine Schalkheit getan hat, gern wollte seine Schande decken und schmücken, dass niemand es sähe noch wüsste; und ist keiner so verwegen,

der sich begangener Bosheit vor jedermann rühme; wollens alle meuchlings getan haben, ehe mans gewahr wird. Greift man dann einen an, so muss Gott mit seinem Namen herhalten und die Büberei fromm, die Schande zu Ehren machen. Das ist der gemeine Weltlauf, wie eine große Sintflut eingerissen in allen Landen. Darum haben wir auch zu Lohn, was wir suchen und verdienen: Pestilenz, Krieg, Teuerung, Feuer, Wasser, ungeraten Weib, Kinder, Gesinde und allerlei Unrat. Wo sollte sonst des Jammers so viel herkommen? Es ist noch große Gnade, dass uns die Erde trägt und nährt. Darum sollte man vor allen Dingen das junge Volk ernstlich dazu halten und gewöhnen, dass sie dieses andere Gebot hoch vor Augen hätten, und wo sie es übertreten, flugs mit der Rute hinter ihnen her sein und das Gebot vorhalten und immer einbläuen, auf dass sie also aufgezogen würden nicht allein mit Strafe, sondern zur Scheu und Furcht vor Gott. So verstehst du nun, was Gottes Namen missbrauchen heiße, nämlich (aufs kürzeste zu wiederholen) entweder bloß zur Lüge und etwas unter dem Namen ausgeben, das nicht ist, oder zu fluchen, schwören, zaubern, und Summa, wie man mag, Bosheit auszurichten. Daneben musst du auch wissen, wie man des Namens recht brauche. Denn neben dem Wort, das er sagt: du sollst Gottes Namen nicht vergeblich brauchen, gibt er gleichwohl zu verstehen, dass man seiner wohl brauchen solle. Denn er ist uns eben darum offenbart und gegeben, dass er im Brauch und Nutz soll stehen. Darum schließt sich nun selbst, weil hier verboten ist, den heiligen Namen zur Lüge oder Untugend zu führen, dass wiederum geboten ist, ihn zur Wahrheit und allem Guten zu brauchen, nämlich so man recht schwört, wo es Not ist und gefordert wird. Also auch wenn man recht lehrt, weiter wenn man den Namen anruft in Nöten, lobt und dankt im Guten usw. Welches alles zu Hauf gefasst und geboten ist in dem Spruch Psalm 50,15: Rufe mich an zur Zeit der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen. Denn das heißt alles ihn zur Wahrheit angezogen und seliglich gebraucht, und wird also sein Name geheiligt, wie das Vaterunser betet. Also hast du die Summa des ganzen Gebotes erklärt. Und aus diesem Verstand hat man die Frage leichtlich aufgelöst, damit sich viele Lehrer bekümmert haben, warum im Evangelio verboten ist zu schwören, so doch Christus, St. Paulus und andere Heiligen oft geschworen haben. Und ist kürzlich diese Meinung: Schwören soll man nicht zum Bösen, das ist zur Lüge, und wo es nicht not noch nütz ist, aber zum Guten und des Nächsten Besserung soll man schwören. Denn es ist ein rechtes, gutes Werk, dadurch Gott gepriesen, die Wahrheit und Recht bestätigt, die Lüge zurück geschlagen und Hader vertragen wird, denn Gott kommt selbst da ins Mittel und scheidet Recht und Unrecht, Böses und Gutes voneinander. Schwört ein Teil falsch, so hat er sein Urteil, dass er der Strafe nicht wird entlaufen. Und ob es eine Weile lang ansteht, soll ihm doch nichts gelingen, dass alles, so sie damit gewinnen, sich unter den Händen verschleiße und nimmer fröhlich genossen werde. Wie ich an vielen erfahren habe, die ihr eheliches Gelübde verschworen haben, dass sie darnach keine gute Stunde oder gesunden Tag gehabt haben und also beide, an Leib und Seele und Gut dazu, jämmerlich verdorben sind. Derhalben sage und vermahne ich, wie zuvor, dass man die Kinder beizeiten angewöhne mit Warnen und Schrecken, Wehren und Strafen, dass sie sich scheuen vor Lügen und sonderlich, Gottes Namen dazu zu führen. Denn wo man sie lässt hingehen, wird nichts Gutes daraus, wie jetzt vor Augen, dass die Welt böser ist, denn sie je gewesen, und kein Regiment, Gehorsam, Treue und Glaube, sondern eitel verwegene, unbändige Leute, an denen kein Lehren noch Strafen hilft; welches alles Gottes Zorn und Strafe ist über solche mutwillige Verachtung dieses Gebotes. Zum andern soll man sie auch wiederum treiben und reizen, Gottes Namen zu ehren und stetig im Mund zu haben in allem, was ihnen begegnen und unter Augen stoßen mag. Denn das ist die rechte Ehre des Namens, dass man sich alles Trostes zu ihm versehe und ihn darum anrufe; also dass das Herz (wie droben gehört) zuvor durch den Glauben Gott seine Ehre gebe, darnach der Mund durch das Bekenntnis. Solches ist auch eine selige, nützliche Gewohnheit und sehr kräftig wider den Teufel, der immerdar um uns ist und darauf lauert, wie er uns möchte zu Sünde und Schande, Jammer und Not bringen, aber gar ungern hört und nicht lange bleiben kann, wo man Gottes Namen von Herzen nennt und anruft, - und sollte uns mancher schrecklicher und gräulicher Fall begegnen, wo uns Gott nicht durch Anrufen seines Namens erhielte. Ich habe es selbst versucht und wohl erfahren, dass oft plötzlicher großer Unfall gleich in solchem Rufen sich gewendet hat und abgegangen ist. Dem Teufel zu Leid (sage ich) sollten wir den heiligen Namen immerdar im Munde führen, dass er nicht schaden könnte, wie er gern wollte. Dazu dient auch, dass man sich gewöhne, sich täglich Gott zu befehlen mit Seel und Leib, Weib, Kind, Gesinde, und was wir haben, für alle zufällige Not. Daher auch das Benedicite, Gratias und andere Segen abends und morgens gekommen und geblieben sind. Weiter die Kinderübung, dass man sich segne, wenn man etwas Ungeheueres und Schreckliches sieht oder hört, und spreche: HERR Gott behüte! Hilf, lieber Herr Christe! oder dergleichen. Also auch wiederum, wenn jemand etwas Gutes ungedacht widerfährt, wie gering es auch ist, dass man spreche: Gott sei gelobt und gedankt, das hat mir Gott beschert usw. Wie man vormals die Kinder gewöhnt hat, S. Niklaus und andern Heiligen zu fasten und beten. Solches wäre Gott angenehm und gefälliger denn kein Klosterleben noch Karthäuser Heiligkeit. Siehe, also möchte man die Jugend kindlicher Weise und spielens aufziehen in Gottesfurcht und Ehre, dass das erste und andere Gebot fein im Schwung und steter Übung gingen. Da könnte etwas Gutes bekleiden, aufgehen und Frucht schaffen, dass solche Leute erwüchsen, deren ein ganzes Land genießen und froh werden möchte. Das wäre auch die rechte Weise, Kinder wohl zu ziehen, weil man sie mit Gutem und Lust kann gewöhnen. Denn was man allein mit Ruten und Schlägen soll zwingen, da wird keine gute Art aus, und wenn mans weit bringt, so bleiben sie doch nicht länger fromm, denn die Rute auf dem Nacken liegt. Aber hier wurzelt es ins Herz, dass man sich mehr vor Gott denn vor Ruten und Knüttel fürchtet. Das sage ich so einfältig für die Jugend, dass es doch einmal eingehe; denn weil wir Kindern predigen, müssen wir auch mit ihnen lallen. Also haben wir den Missbrauch göttlichen Namens verhütet und den rechten Brauch gelehrt, welcher nicht allein in Worten, sondern auch in der Übung und Leben stehen soll, dass man wisse, dass solches Gott herzlich wohlgefalle und wolle es so reichlich belohnen, so gräulich als er jenen Missbrauch strafen will.


Das dritte Gebot

Du sollst den Feiertag heiligen


Feiertag haben wir genannt nach dem hebräischen Wörtlein Sabbat, welches eigentlich heißt „feiern“, das ist müßig stehen von der Arbeit. Daher wir pflegen zu sagen “Feierabend machen“ oder „heiligen Abend geben.“ Nun hat Gott im Alten Testament den siebenten Tag ausgesondert und aufgesetzt zu feiern und geboten, denselbigen vor allen andern heilig zu halten. Und dieser äußerlichen Feier nach ist dies Gebot allein den Juden gestellt, dass sie sollten von groben Werken stillstehen und ruhen, auf dass sich beide, Mensch und Vieh, wieder erholten und nicht von steter Arbeit geschwächt würden. Wiewohl sie es hernach allzu eng spannten und gröblich missbrauchten, dass sie auch an Christo lästerten und nicht leiden konnten solche Werke, die sie doch selbst daran taten, - wie man im Evangelio liest. Gerade als sollte das Gebot damit erfüllt sein, dass man gar kein äußerlich Werk täte; welches doch nicht die Meinung war, sondern lediglich die, dass sie den Feier- oder Ruhetag heiligten, wie wir hören werden. Darum geht nun dies Gebot nach dem groben Verstand uns Christen nichts an, denn es ein ganz äußerliches Ding ist, wie andere Satzungen des Alten Testaments, an sonderliche Weise, Person, Zeit und Stätte gebunden, welche nun durch Christum alle frei gelassen sind. Aber einen christlichen Verstand zu fassen für die Einfältigen, was Gott in diesem Gebot von uns fordert, so merke, dass wir Feiertage halten nicht um der verständigen und gelehrten Christen willen, denn diese bedürfen nirgends zu, sondern erstlich auch um leiblicher Ursache und Notdurft willen, welche die Natur lehrt und fordert für den gemeinen Haufen, Knechte und Mägde, so die ganze Woche ihrer Arbeit und Gewerbe gewartet, dass sie sich auch einen Tag einziehen, zu ruhen und erquicken. Darnach allermeist darum, dass man an solchem Ruhetage (weil man sonst nicht dazu kommen kann) Raum und Zeit nehme, Gottesdienstes zu warten; also dass man zu Haufe komme, Gottes Wort zu hören und handeln, darnach Gott loben, singen und beten. Solches aber (sage ich) ist nicht also an Zeit gebunden wie bei den Juden, dass es müsse eben dieser oder jener Tag sein; denn es ist keiner an sich selbst besser denn der andere: sondern sollte wohl täglich geschehen, aber weil es der Haufe nicht warten kann, muss man je zum wenigsten einen Tag in der Woche dazu ausschießen. Weil aber von alters her der Sonntag dazu gestellt ist, soll mans auch dabei bleiben lassen, auf dass es in einträchtiger Ordnung gehe und niemand durch unnötige Neuerung eine Unordnung mache. Also ist das die einfältige Meinung dieses Gebotes: Weil man sonst Feiertag hält, dass man solche Feier anlege, Gottes Wort zu lernen; also dass dieses Tages eigentliches Amt sei das Predigtamt um des jungen Volkes und armen Haufens willen; doch das Feiern nicht so eng gespannt, dass darum andere zufälligen Arbeit, so man nicht umgehen kann, verboten wäre. Derhalben wenn man fragt, was da gesagt sei: Du sollst den Feiertag heiligen? so antworte: Den Feiertag heiligen heißt soviel als heilig halten. Was ist denn heilig halten? Nichts anders denn heilige Worte, Werke und Leben führen; denn der Tag bedarf für sich selbst keines Heiligens, denn er ist an sich selbst heilig geschaffen; Gott will aber haben, dass er dir heilig sei. Also wird er deinethalben heilig und unheilig, so du heiliges oder unheiliges Ding daran treibst. Wie geht nun solches Heiligen zu? Nicht also, dass man hinter dem Ofen sitze und keine grobe Arbeit tue oder einen Kranz aufsetze und seine besten Kleider anziehe, sondern (wie gesagt) dass man Gottes Wort handle und sich darin übe. Und zwar wir Christen sollen immerdar solchen Feiertag halten, eitel heiliges Ding treiben, das ist, täglich mit Gottes Wort umgehen, im Herzen und Mund umtragen. Aber weil wir (wie gesagt) nicht alle Zeit und Muße haben, müssen wir die Woche etliche Stunden für die Jugend oder zum wenigsten einen Tag für den ganzen Haufen dazu brauchen, dass man sich allein damit bekümmere und eben die zehn Gebote, den Glauben und Vaterunser treibe und also unser ganzes Leben und Wesen nach Gottes Wort richte. Welche Zeit nun das in Schwang und Übung geht, da wird ein rechter Feiertag gehalten. Wo nicht, so soll es kein Christenfeiertag heißen; denn feiern und müßig gehen können die Unchristen auch wohl, wie auch das ganze Geschwür unserer Geistlichen täglich in der Kirche steht, singt und klingt, heiligt aber keinen Feiertag, denn sie kein Gottes Wort predigen noch üben, sondern eben dawider lehren und leben. Denn das Wort Gottes ist das Heiligtum über alle Heiligtümer, ja das einige, das wir Christen wissen und haben. Denn ob wir gleich aller Heiligen Gebeine oder heilige und geweihte Kleider auf einem Haufen hätten, so wäre uns doch nichts damit geholfen; denn es ist alles totes Ding, das niemand heiligen kann. Aber Gottes Wort ist der Schatz, der alle Dinge heilig macht, dadurch sie selbst, die Heiligen alle, sind geheiligt worden. Welche Stunde man nun Gottes Wort handelt, predigt, hört, liest oder bedenkt, so wird dadurch Person, Tag und Werk geheiligt, nicht des äußerlichen Werkes halber, sondern des Wortes halber, so uns alle zu Heiligen macht. Derhalben sage ich allezeit, dass alle unser Leben und Werke in dem Wort Gottes gehen müssen, sollen sie Gott gefällig oder heilig heißen. Wo das geschieht, so geht dies Gebot in seiner Kraft und Erfüllung. Wiederum, was für Wesen und Werk außer Gottes Wort geht, das ist vor Gott unheilig, es scheine und gleiße, wie es wolle, wenn mans mit eitel Heiligtum behinge, als da sind die erdichteten geistlichen Stände, die Gottes Wort nicht wissen und in ihren Werken Heiligkeit suchen. Darum merke, dass die Kraft und Macht dieses Gebotes steht nicht im Feiern, sondern im Heiligen, also dass dieser Tag eine sonderliche heilige Übung habe. Denn andere Arbeiten und Geschäfte heißen eigentlich nicht heilige Übungen, es sei denn der Mensch zuvor heilig. Hier aber muss ein solches Werk geschehen, dadurch ein Mensch selbst heilig werde, welches allein (wie gehört) durch Gottes Wort geschieht; dazu denn gestiftet und geordnet sind Stätte, Zeit, Personen und der ganze äußerliche Gottesdienst, dass solches auch öffentlich im Schwang gehe. Weil nun so viel an Gottes Wort gelegen ist, dass ohne dasselbige kein Feiertag geheiligt wird, sollen wir wissen, dass Gott dies Gebot streng will gehalten haben und strafen alle, die sein Wort verachten, nicht hören noch lernen wollen, sonderlich in der Zeit, so dazu geordnet ist. Darum sündigen wider dies Gebot nicht allein, die den Feiertag gröblich missbrauchen und verunheiligen, als die um ihres Geizes oder Leichtfertigkeit willen Gottes Wort nachlassen zu hören, oder in Tavernen liegen, toll und voll sind wie die Säue; sondern auch der andere Haufe, so Gottes Wort hören als einen andern Tand und nur aus Gewohnheit zur Predigt und wieder herausgehen, und wenn das Jahr um ist, können sie heuer so viel als fert. Denn bisher hat man gemeint, es wäre wohl gefeiert, wenn man sonntags eine Messe oder das Evangelium hätte hören lesen; aber nach Gottes Wort hat niemand gefragt, wie es auch niemand gelehrt hat. Jetzt, weil wir Gottes Wort haben, tun wir gleichwohl den Missbrauch nicht ab, lassen uns immer predigen und vermahnen, hörens aber ohne Ernst und Sorge. Darum wisse, dass nicht allein ums Hören zu tun ist, sondern auch soll gelernt und behalten werden, und denke nicht, dass es in deiner Willkür stehe oder nicht große Macht daran liege; sondern dass Gottes Gebot ist, der es fördern wird, wie du sein Wort gehört, gelernt und geehrt habest. Desgleichen sind auch zu strafen die ekligen Geister, welche, wenn sie eine Predigt oder zwei gehört haben, sind sie es satt und überdrüssig, als die es nun selbst wohl können und keines Meisters mehr bedürfen. Denn das ist eben die Sünde, so man bisher unter die Todsünden gezählt hat und heißet Akidia, das ist Trägheit oder Überdruss, eine feindselige, schädliche Plage, damit der Teufel vieler Herzen bezaubert und betrügt, auf dass er uns übereile und das Wort Gottes wieder heimlich entziehe. Denn das lasse dir gesagt sein: Ob du es gleich aufs beste könntest und aller Dinge Meister wärest, so bist du doch täglich unter des Teufels Reich, der weder Tag noch Nacht ruhet, dich zu beschleichen, dass er in deinem Herzen Unglauben und böse Gedanken wider die vorigen und alle Gebote anzünde. Darum musst du immerdar Gottes Wort im Herzen, Mund und vor den Ohren haben. Wo aber das Herz müßig steht und das Wort nicht klingt, so bricht er ein und hat den Schaden getan, ehe mans gewahr wird. Wiederum hat es die Kraft, wo mans mit Ernst betrachtet, hört und handelt, dass es nimmer ohne Frucht abgeht, sondern allzeit neuen Verstand, Lust und Andacht erweckt, reines Herz und Gedanken macht; denn es sind nicht faule noch tote, sondern geschäftige lebendige Worte. Und ob uns gleich kein anderer Nutz und Not triebe, so sollte doch das jedermann dazu reizen, dass dadurch der Teufel gescheucht und verjagt, dazu dies Gebot erfüllt wird und Gott gefälliger ist denn alle anderen gleißenden Heuchelwerke.


Das vierte Gebot


Bisher haben wir die ersten drei Gebote gelernt, die da gegen Gott gerichtet sind. Zum ersten, dass man ihm von ganzem Herzen vertraue, fürchte und liebe in all unserm Leben. Zum andern, dass man seines heiligen Namens nicht miss-brauche zur Lüge noch irgendeinem bösen Stücke, sondern zu Gottes Lob, Nutz und Seligkeit des Nächsten und seiner selbst. Zum dritten, dass man an der Feier und Ruhe Gottes Wort mit Fleiß handle und treibe, auf dass all unser Tun und Leben darnach gehe. Folgen nun die andern sieben, gegen unsern Nächsten gestellt, unter welchen das erste und höchste ist:


Du sollst deinen Vater und Mutter ehren


Diesem Vater- und Mutterstand hat Gott sonderlich den Preis gegeben vor allen Ständen, die unter ihm sind, dass er nicht schlechthin gebietet, die Eltern lieb zu haben, sondern zu ehren. Denn gegen Brüder, Schwestern und den Nächsten insgemein befiehlt er nichts Höheres, denn sie zu lieben; also dass er Vater und Mutter scheidet und auszeichnet vor allen anderen Personen auf Erden und neben sich setzt. Denn es ist ein viel höheres Ding ehren denn lieben, da es nicht allein die Liebe begreift, sondern auch eine Zucht, Demut und Scheu, als gegen eine Majestät, allda verborgen. Auch nicht allein fordert, dass man sie freundlich und mit Ehrerbietung anspreche, sondern allermeist, dass man sich beide, von Herzen und mit dem Leib, also stelle und erzeige, dass man viel von ihnen halte und - nach Gott - für die Obersten ansehe. Denn welchen man von Herzen ehren soll, den muss man wahrlich für hoch und groß achten. Also dass man dem jungen Volk einpräge, ihre Eltern an Gottes statt vor Augen zu halten und also zu denken, ob sie gleich gering, arm, gebrechlich und seltsam seien, dass sie dennoch Vater und Mutter sind, von Gott gegeben. Des Wandels oder Fehls halber sind sie der Ehren nicht beraubt. Darum ist nicht anzusehen die Person, wie sie sind, sondern Gottes Willen, der es also schafft und ordnet. Sonst sind wir zwar vor Gottes Augen alle gleich; aber unter uns kann es ohne solche Un-gleichheit und ordentlichen Unterschied nicht sein. Darum sie auch von Gott geboten ist, zu halten, dass du mir als deinem Vater gehorsam seiest und ich die Oberhand habe. So lerne nun zum ersten, was die Ehre gegen die Eltern heiße, in diesem Gebot gefordert, nämlich dass man sie vor allen Dingen herrlich und wert halte als den höchsten Schatz auf Erden. Darnach auch mit Worten sich züchtig gegen sie stelle, nicht übel anfahre, poche noch poltere; sondern lasse sie recht haben und schweige, ob sie gleich zu viel tun. Zum dritten auch mit Werken, das ist mit Leib und Gut, solche Ehre beweise, dass man ihnen diene, helfe und versorge, wenn sie alt, krank, gebrechlich oder arm sind, und solches alles nicht allein gern, sondern mit Demut und Ehrerbietung, als vor Gott getan. Denn wer das weiß, wie er sie im Herzen halten soll, wird sie nicht lassen Not noch Hunger leiden, sondern über und neben sich setzen und mitteilen, was er hat und vermag. Zum andern siehe und merke, wie großes Gut und heiliges Werk allhier den Kindern vorgelegt ist, welches man leider gar verachtet und in Wind schlägt, und niemand wahrnimmt, dass es Gott geboten habe oder dass es ein heiliges, göttliches Wort und Lehre sei. Denn wenn mans dafür gehalten hätte, hätte ein jeglicher daraus können nehmen, dass auch heilige Leute sein müssten, die nach diesen Worten lebten; so hätte man kein Klosterleben noch geistliche Stände dürfen aufwerfen, wäre ein jegliches Kind bei diesem Gebot geblieben und hätte sein Gewissen können richten gegen Gott und sprechen: Soll ich gute und heilige Werke tun, so weiß ich je kein besseres denn meinen Eltern alle Ehre und Gehorsam zu leisten, weil es Gott selbst geheißen hat. Denn was Gott gebietet, muss viel und weit edler sein denn alles, was wir selbst mögen erdenken, und weil kein höherer noch besserer Meister zu finden ist denn Gott, wird freilich auch keine bessere Lehre sein, denn er von sich gibt. Nun lehrt er ja reichlich, was man tun soll, wenn man rechtschaffene, gute Werk üben will; und in dem, dass ers gebietet, bezeugt er, dass sie ihm wohlgefallen. Ist es denn Gott, der solches gebietet und kein Besseres weiß zu stellen, so werde ichs ja nicht besser machen. Siehe, also hätte man ein frommes Kind recht gelehrt, seliglich erzogen und daheim behalten im Gehorsam und Dienst der Eltern, dass man Gutes und Freude daran gesehen hätte. Aber also hat man Gottes Gebot nicht müssen aufmutzen, sondern liegen lassen oder überhin rauschen, dass ein Kind es nicht bedenken konnte und dieweil das Maul aufsperren nach dem, das wir aufgeworfene haben, und Gott keinmal darum begrüßt. Darum lasst uns einmal lernen um Gottes willen, dass das junge Volk - alle andern Dinge aus den Augen gesetzt - erstlich auf dies Gebot sehe: wenn sie Gott mit rechten guten Werken dienen wollen, dass sie tun, was Vater und Mutter, oder denen sie an ihrer statt untertan sind, lieb ist. Denn welches Kind das weiß und tut, hat zum ersten den großen Trost im Herzen, dass es fröhlich sagen und rühmen kann (zu trotz und wider alle, die mit eigenen erwählten Werken umgehen): Siehe, das Werk gefällt meinem Gott im Himmel wohl, das weiß ich fürwahr. Lasse sie mit ihren vielen, großen, sauern, schweren Werken alle auf einen Haufen hertreten und rühmen; lass sehen, ob sie irgendeines hervorbringen könnten, das größer und edler sei denn Vater und Mutter Gehorsam, so Gott nächst seiner Majestät Gehorsam gesetzt und befohlen hat; dass, wenn Gottes Wort und Willen geht und ausgerichtet wird, soll keines mehr gelten denn der Eltern Willen und Wort, also dass er dennoch auch unter Gottes Gehorsam bleibe und nicht wider die vorigen Gebote gehe. Derhalben sollst du von Herzen froh sein und Gott danken, dass er dich dazu erwählt und würdig gemacht hat, ihm solch köstliches, angenehmes Werk zu tun. Und halte es nur für groß und teuer, ob es gleich für das allergeringste und verachtetste angesehen wird, nicht unserer Würdigkeit halber, sondern dass es in dem Kleinod und Heiligtum, nämlich Gottes Wort und Gebot, gefasst ist und gehet. O wie teuer solltens alle Karthäuser, Mönche und Nonnen, kaufen, dass sie in all ihrem geistlichen Wesen ein einzig Werk vor Gott möchten bringen, aus seinem Gebot getan, und mit fröhlichem Herzen vor seinen Augen sprechen: Nun weiß ich, dass dir dies Werk wohlgefällt. Wo wollen sie, die armen, elenden Leute, bleiben, wenn sie vor Gott und aller Welt schamrot mit allen Schanden stehen werden vor einem jungen Kind, so in diesem Gebot gelebt hat, und bekennen, dass sie mit allem ihrem Leben nicht wert sind gewesen, ihm das Wasser zu reichen? Geschieht ihnen auch recht um der teuflischen Verkehrung willen, weil sie Gottes Gebot mit Füßen treten, dass sie sich vergeblich mit selbst erdachten Werken martern müssen, dazu Spott und Schaden zu Lohn haben. Sollte nun nicht ein Herz springen und von Freuden zerfließen, wenn es zur Arbeit ginge und täte, was ihm befohlen wäre, dass es könnte sagen: Siehe, das ist besser denn aller Karthäuser Heiligkeit, ob sie sich gleich zu Tode fasten und ohne Unterlass auf den Knien beten? Denn hier hast du ein gewissen Text und göttliches Zeugnis, dass er dies geheißen hat, aber von jenem kein Wort befohlen. Aber das ist der Jammer und eine leidige Blindheit der Welt, dass solches niemand glaubt; so hat uns der Teufel bezaubert mit falscher Heiligkeit und Schein eigener Werke. Derhalben wollte ich ja gern (sage ich abermal), dass man Augen und Ohren auftäte und solches zu Herzen nehme auf dass wir nicht dermaleins wieder von dem reinen Gotteswort auf des Teufels Lügentand verleitet würden. So würde es auch wohl stehen, dass die Eltern desto mehr Freude, Liebe, Freundschaft und Eintracht in Häusern hätten, so könnten die Kinder den Eltern alle ihr Herz nehmen. Wiederum, wo sie störrig sind und nicht eher tun, was sie sollen, man lege ihnen denn einen Knüttel auf den Rücken, so erzürnen sie beide, Gott und Eltern, damit sie sich selbst solchen Schatz und Freude des Gewissens entziehen und eitel Unglück sammeln. Darum gehts auch jetzt in der Welt also, wie jedermann klagt, dass beide, jung und alt, gar wild und unbändig sind, keine Scheu noch Ehre haben, nichts tun denn mit Schlägen getrieben und hinter eines andern Rücken ausrichten und abziehen, was sie können, darum auch Gott straft, dass sie in allen Unrat und Jammer kommen. So können die Eltern gemeiniglich selbst nichts, es erzieht ein Tor den andern. Wie sie gelebt haben, so leben die Kinder hinnach. Das soll nun (sage ich) das Erste und Größte sein, das uns zu diesem Gebot soll treiben; um welches willen, wenn wir keinen Vater und Mutter hätten, sollten wir wünschen, dass uns Gott Holz und Stein vorstellte, die wir Vater und Mutter möchten heißen. Wie viel mehr, weil er uns lebendige Eltern gegeben hat, sollen wir froh werden, dass wir ihnen mögen Ehre und Gehorsam erzeigen, weil wir wissen, dass es der hohen Majestät und allen Engeln so wohlgefällt und alle Teufel verdrießt, dazu das höchste Werk ist, so man tun kann, nach dem hohen Gottesdienst in den vorigen Geboten gefasst; also dass Almosengeben und alle anderen Werke gegen den Nächsten diesem noch nicht gleich sind. Denn Gott hat diesen Stand oben angesetzt, ja an seine Statt auf Erden gestellt. Solcher Wille Gottes und Gefallen soll uns Ursache und Reizung genug sein, dass wir mit Willen und Lust täten, was wir könnten. Dazu sind wirs ja auch schuldig vor der Welt, dass wir der Wohltat und allem Guten, so wir von den Eltern haben, dankbar seien. Aber da regiert abermal der Teufel in der Welt, dass die Kinder der Eltern vergessen, wie wir alle Gottes vergessen, und niemand denkt, wie uns Gott also nährt, hütet und schützt und so viel Gutes gibt an Leib und Seele. Sonderlich wenn einmal eine böse Stunde kommt, da zürnen und murren wir mit Ungeduld und ist alles dahin, was wir unser Leben lang Gutes empfangen haben. Eben also tun wir den Eltern auch, und ist kein Kind, das solches erkenne und bedenke, der heilige Geist gebe es denn. Solche Unart der Welt kennt Gott wohl; darum erinnert und treibt er sie mit Geboten, dass ein jeglicher denke, was ihm die Eltern getan haben. So findet er, dass er Leib und Leben von ihnen habe, dazu auch ernährt und aufgezogen sei, da er sonst hundertmal in seinem Unflat erstickt wäre. Darum ist recht und wohl gesagt von alten weisen Leuten: Deo, parentibus et magistris non potest satis gratiae rependi; das ist: Gott, den Eltern und Schulmeistern kann man nimmer genügsam danken noch vergelten. Wer das ansieht und nachdenkt, der wird wohl ungetrieben seinen Eltern alle Ehre tun und sie auf den Händen tragen, als durch die ihm Gott alles Gute getan hat. Über das alles soll das auch ein große Ursache sein, uns desto mehr zu reizen, dass Gott an dieses Gebot eine liebliche Verheißung heftet und spricht: auf dass du langes Leben habest im Lande, da du wohnst. Da siehe selbst, wie großer Ernst es Gott sei über diesem Gebote, weil er nicht allein ausdrückt, dass ihm angenehm sei, Freude und Lust darin habe, sondern solle auch uns wohl geraten und zum besten gedeihen, dass wir ein sanftes, süßes Leben mögen haben mit allem Guten. Darum auch St. Paulus Eph 6,2.3 solches hoch anzieht und rühmt, als er spricht: Das ist das erste Gebot, das eine Verheißung hat: „auf dass dirs wohl gehe und lange lebest auf Erden.“ Denn wiewohl die andern auch ihre Verheißung eingeschlossen haben, ists doch zu keinem so deutlich und ausge-drückt gesetzt. Da hast du nun die Frucht und den Lohn, dass, wer es hält, soll gute Tage, Glück und Wohlfahrt haben, wiederum auch die Strafe, dass, wer ungehorsam ist, desto eher umkommen und des Lebens nicht froh werden soll. Denn langes Leben haben heißt die Schrift nicht allein wohl betaget werden, sondern alles haben, so zu langem Leben gehört, als nämlich: Gesundheit, Weib und Kind, Nahrung, Friede, gut Regiment usw., ohne welche dies Leben nicht fröhlich genossen werden noch die Länge bestehen kann. Willst du nun nicht Vater und Mutter gehorchen und dich lassen ziehen, so gehorche dem Henker. Gehorchst du dem nicht, so gehorche dem Streckebein, das ist der Tod. Denn das will Gott kurzum haben: entweder, so du ihm gehorchst, Liebe und Dienst tust, dass er dirs überschwenglich vergelte mit allem Guten, oder, wo du ihn erzürnst, dass er über dich schicke beide, Tod und Henker. Wo kommen so viel Schälke her, die man täglich hängen, köpfen und radbrechen muss, denn aus dem Ungehorsam, weil sie sich nicht mit Güte ziehen lassen, dass sie es durch Gottes Strafe so ausrichtend dass man Unglück und Herzleid an ihnen sieht. Denn gar selten geschieht, dass solche verruchte Leute eines rechten oder zeitigen Todes sterben. Die Frommen aber und Gehorsamen haben den Segen, dass sie lange in guter Ruhe leben und ihr Kindeskind sehen (wie oben gesagt) ins dritte und vierte Glied. Wie man auch erfährt, dass, wo feine alte Ge-schlechter sind, die da wohl stehen und viel Kinder haben, freilich daher kommen, dass ihrer etliche wohlgezogen und ihre Eltern vor Augen gehabt haben. Wiederum steht geschrieben von den Gottlosen, Ps. 109,13: Seine Nachkommen müssen ausgerottet werden, und ihr Name müsse im andern Glied untergehen. Derhalben lasse dirs gesagt sein, wie großes Ding es ist bei Gott um den Gehorsam, weil er ihn so hoch setzt, ihm selbst so wohl gefallen lässt und reichlich belohnt, dazu so streng darüber hält zu strafen, die dawider tun. Das rede ich alles, dass mans dem jungen Volk wohl einbläue; denn niemand glaubt, wie dies Gebot so nötig ist, doch bisher unter dem Papsttum nicht geachtet noch gelehrt. Es sind schlichte und leichte Worte, meint jedermann, er könnte es von vornherein wohl. Darum fährt man über hin und gafft nach andern Dingen, sieht und glaubt nicht, dass man Gott so hoch erzürnt, wenn man dies lässt anstehen, noch so köstlich angenehme Werke tut, so man dabei bleibt. In dieses Gebot gehört auch weiter zu sagen von allerlei Gehorsam gegen Oberpersonen, die zu gebieten und zu regieren haben. Denn aus der Eltern Obrigkeit fließt und breitet sich aus alle andere. Denn wo ein Vater nicht allein vermag sein Kind aufziehen, nimmt er einen Schulmeister dazu, der es lehre; ist er zu schwach, so nimmt er seine Freunde oder Nachbarn zu Hilfe; geht er ab, so befiehlt er und übergibt das Regiment und Oberhand andern, die man dazu ordnet; item so muss er auch Gesinde, Knechte und Mägde zum Hausregiment unter sich haben, also dass alle, die man Herrn heißt, an der Eltern Statt sind und von ihnen Kraft und Macht zu regieren nehmen müssen. Daher sie auch nach der Schrift alle Väter heißen, als die in ihrem Regiment das Vateramt treiben und väterliches Herz gegen die Ihren tragen sollen; wie auch von alters her die Römer und andere Sprachen Herren und Frauen im Haus Patres et Matres familias, das ist Hausväter und Hausmütter, genannt haben. Also auch ihre Landesfürsten und Oberherrn haben sie Patres patriae, das ist Väter des ganzen Landes, geheißen, uns, die wir Christen sein wollen, zu großen Schanden, dass wir sie nicht auch also heißen oder zum wenigsten dafür halten und ehren. Was nun ein Kind Vater und Mutter schuldig ist, sind auch schuldig alle, die ins Hausregiment gefasst sind. Darum sollen Knechte und Mägde zusehen, dass sie ihren Herren und Frauen nicht allein gehorsam sein, sondern auch in Ehren halten als ihre eigenen Väter und Mütter und tun alles, was sie wissen, das man von ihnen haben will; nicht aus Zwang und Widerwillen, sondern mit Lust und Freuden eben um voriger Ursache willen, dass es Gottes Gebot ist und ihm vor allen andern Werken wohlgefällt, um welches willen sie noch Lohn sollten zugeben, und froh werden dass sie Herrn und Frauen möchten überkommen, soll fröhlich Gewissen haben und wissen, wie sie rechte goldene Werke tun sollten; welche bisher verblichen und verachtet, und dafür jedermann ins Teufels Namen in Klöster, zu Wallfahrten und Ablass gelaufen ist, mit Schaden und bösem Gewissen. Wenn man nun solches könnte dem armen Volke einprägen, so würde ein Mägdlein in eitel Sprüngen gehen Gott loben und danken und mit säuberlicher Arbeit, dafür sie sonst Nahrung und Lohn nimmt, solchen Schatz kriegen, den alle, die man für die Heiligsten achtet, nicht haben. Ists nicht ein trefflicher Ruhm, das zu wissen und sagen: wenn du deine tägliche Hausarbeit tust, dass es besser ist denn aller Mönche Heiligkeit und strenges Leben? Und hast dazu die Zusagung, dass es dir zu allem Guten gedeihen soll und wohl gehen; wie willst du seliger sein oder heiliger leben, soviel die Werke betrifft? Denn vor Gott eigentlich der Glaube heilig macht und allein ihm dient, die Werke aber den Leuten. Da hast du alles Gut, Schutz und Schirm unter dem Herrn, ein fröhliches Gewissen und gnädigen Gott dazu, der dirs hundertfältig vergelten will, und bist gar ein Junker, wenn du nur fromm und gehorsam bist. Wo aber nicht, hast du erstlich eitel Zorn und Ungnade von Gott, keinen Frieden im Herzen, darnach alle Plage und Unglück. Welchen nun solches nicht bewegen will und fromm machen, den befehlen wir dem Henker und Streckebein. Darum bedenke ein jeglicher, der sich will sagen lassen, dass es Gott kein Scherz ist, und wisse, dass Gott mir dir redet und Gehorsam fordert. Gehorchst du ihm, so bist du das liebe Kind; verachtest du es aber, so habe auch Schande, Jammer und Herzeleid zu Lohn. Desgleichen ist auch zu reden von Gehorsam weltlicher Obrigkeit, welche (wie gesagt) alle in den Vaterstand gehört und am allerweitesten um sich greift. Denn hier ist nicht ein einzelner Vater, sondern so vielmal Vater, soviel er Landsassen, Bürger oder Untertanen hat. Denn Gott gibt und erhält uns durch sie - als durch unsere Eltern - Nahrung, Haus und Hof, Schutz und Sicherheit. Darum weil sie solchen Namen und Titel als ihren höchsten Preis mit allen Ehren führen, sind wir auch schuldig, dass wir sie ehren und groß achten für den teuersten Schatz und köstlichste Kleinod auf Erden. Wer nun hier gehorsam, willig und dienstbar ist und gern tut alles, was die Ehre belangt, der weiß, dass er Gott gefallen tut, Freude und Glück zu Lohn kriegt. Will ers nicht mit Liebe tun, sondern verachten und sich sperren oder rumoren, so wisse er auch wiederum, dass er keine Gnade noch Segen habe, und wo er einen Gulden damit meint zu erlaufen, anderswo zehnmal mehr dagegen verliere, oder dem Henker zuteil werde, durch Krieg, Pestilenz und Teurung umkomme, oder an seinen Kindern kein Gutes erlebe, von Gesinde, Nachbarn oder Fremden und Tyrannen Schaden, Unrecht und Gewalt leiden müsse, auf dass uns bezahlt werde und heimkomme was wir suchen und verdienen. Wenn uns nur einmal zu sagen wäre, dass solche Werke Gott so angenehm sind und so reichliche Belohnung haben, würden wir in eitel über-schwänglichen Gütern sitzen und haben, was unser Herz begehrt. Weil man aber Gottes Wort und Gebote so gar verächtlich hält, als hätte es irgendein Holhipler geredet, so lass auch sehen, ob du der Mann seiest, der ihm entsitzen könnte. Wie schwer wirds ihm wohl werden, dass er dich wieder bezahle. Darum lebtest du gewisslich so mehr mit Gottes Hulde, Friede und Glück als mit Ungnade und Unglück. Warum anders, meinst du, dass jetzt die Welt so voll Untreu, Schande, Jammer und Mord ist, denn dass jedermann sein eigener Herr und kaiserfrei will sein, auf niemand etwas geben und alles tun, was ihn gelüstet? Darum straft Gott einen Buben mit dem andern, dass, wo du deinen Herrn betrügst oder ver-achtest, ein anderer komme, der dir wieder also mitfahre, ja dass du in deinem Haus von Weib, Kind oder Gesinde zehnmal mehr leiden müssest. Wir fühlen unser Unglück wohl, murren und klagen über Untreu, Gewalt und Unrecht, wollen aber nicht sehen, dass wir selbst Buben sind, die Strafe redlich verdient haben und nichts davon besser werden; wir wollen keine Gnade und Glück haben, darum haben wir billig eitel Unglück, ohne alle Barmherzigkeit. Es müssen noch etwa fromme Leute auf Erden sein, dass uns Gott noch so viel Gutes lässt; unserthalb sollten wir keinen Heller im Haus, keinen Strohhalm auf dem Felde behalten. Das alles habe ich müssen mit so viel Worten treiben, ob es einmal jemand wollte zu Herzen nehmen, dass wir der Blindheit und Jammers, darin wir so tief gelegen sind, möchten los werden, Gottes Wort und Willen recht erkennen und mit Ernst annehmen. Denn daraus würden wir lernen, wie wir könnten Freude, Glück und Heil zeitlich und ewig genug haben. Also haben wir dreierlei Väter in diesem Gebote vorgestellt: des Geblüts, im Hause und im Lande. Darüber sind auch noch geistliche Väter, nicht wie im Papsttum, die sich wohl also haben lassen nennen, aber kein väterliches Amt geführt. Denn das heißen allein geistliche Väter, die uns durch Gottes Wort regieren und vorstehen, wie sich St. Paulus ein Vater rühmt, 1. Kor. 4,15 da er spricht: Ich habe euch gezeugt in Christo Jesu durch das Evangelium. Weil sie nun Väter sind, gebührt ihnen auch die Ehre, auch wohl vor allen andern; aber da geht sie am wenigsten; denn die Welt muss sie so ehren, dass man sie aus dem Lande jage und nicht ein Stück Brotes gönne, und Summa, sie müssen (wie Paulus sagt) der Welt Kehricht und jedermanns Schabab sein. Doch ist not, solches auch in den Pöbel zu treiben, dass die da Christen heißen wollen, vor Gott schuldig sind, die, so ihrer Seele warten, zwiefacher Ehre wertzuhalten, wohltun und versorgen; da will dir Gott auch genug zugeben und keinen Mangel lassen. Aber da sperrt und wehrt sich jedermann, haben alle Sorge, dass der Bauch verschmachte und können jetzt nicht einen rechtschaffenen Prediger nähren, da wir zuvor zehn Mastbäuche gefüllt haben. Damit wir auch verdienen, dass uns Gott seines Worts und Segens beraube und wiederum Lügenprediger aufstehen lasse, die uns zum Teufel führen, dazu unser Schweiß und Blut aussaugen. Welche aber Gottes Willen und Gebot vor Augen halten, haben die Verheißung, dass ihnen reichlich soll vergolten werden, was sie beide, an leibliche und geistliche Väter, wenden und zu Ehren tun; nicht dass sie ein Jahr oder zwei Brot, Kleider und Geld haben sollen, sondern langes Leben, Nahrung und Friede, und sollen ewig reich und selig sein. Darum tue nur, was du schuldig bist, und lasse Gott dafür sorgen, wie er dich nähre und genug schaffe. Hat ers verheißen und noch nie gelogen, so wird er dir auch nicht lügen. Solches sollte uns je reizen und ein Herz machen, das zerschmelzen möchte vor Lust und Liebe gegen die, so wir Ehre schuldig sind, dass wir die Hände aufhüben und fröhlich Gott dankten, der uns solche Verheißung gegeben hat, darnach wir bis an der Welt Ende laufen sollten. Denn obgleich alle Welt zusammen täte, vermöchte sie uns nicht ein Stündlein zum Leben zu legen oder ein Körnlein aus der Erde zu geben. Gott aber kann und will dir alles überschwänglich nach deines Herzen Lust geben. Wer nun solches verachtet und in Wind schlägt, der ist je nicht wert, dass er ein Gotteswort höre. Das ist nun zum Überfluss gesagt allen, so unter dies Gebot gehören. Daneben wäre auch wohl zu predigen den Eltern und was ihr Amt führt, wie sie sich halten sollen gegen die, so ihnen befohlen sind zu regieren. Welches, wiewohl es in den zehn Geboten nicht ausgedruckt steht, ist es doch sonst an vielen Orten der Schrift reichlich geboten. Auch will es Gott eben in diesem Gebote mit einge-bunden haben, wenn er Vater und Mutter nennt; denn er will nicht Buben und Tyrannen zu diesem Amt und Regiment haben, gibt ihnen auch nicht darum die Ehre, das ist Macht und Recht zu regieren, dass sie sich anbeten lassen, sondern denken, dass sie unter Gottes Gehorsam sind, und vor allen Dingen sich ihres Amtes herzlich und treulich annehmen, ihre Kinder, Gesinde, Untertanen usw. nicht allein zu nähren und leiblich zu versorgen, sondern allermeist zu Gottes Lob und Ehre aufzuziehen. Darum denke nicht, dass solches zu deinem Gefallen und eigener Willkür stehe, sondern dass Gott streng geboten und aufgelegt hat, welchem du auch dafür wirst müssen antworten. Da ist nun abermal die leidige Plage, dass niemand solches wahrnimmt noch achtet, gehen hin, als gäbe uns Gott Kinder, unser Lust und Kurzweil daran zu haben, das Gesinde wie eine Kuh oder Esel allein zur Arbeit zu gebrauchen oder mit den Untertanen unsers Mutwillens zu leben, lassen sie gehen, als gings uns nichts an, was sie lernen oder wie sie leben, und will niemand sehen, dass der hohen Majestät Befehl ist, die solches ernstlich wird fordern und rächen, noch dass so große Not tut, dass man sich der Jugend mit Ernst annehme. Denn wollen wir feine, geschickte Leute haben, - beide, zu weltlichem und geistlichem Regiment, so müssen wir wahrlich keinen Fleiß, Mühe noch Kosten an unsern Kindern sparen, zu lehren und erziehen, dass sie Gott und der Welt dienen mögen, und nicht allein denken, wie wir ihnen Geld und Gut sammeln. Denn Gott kann sie wohl ohne uns nähren und reich machen, wie er auch täglich tut. Darum aber hat er uns Kinder gegeben und befohlen, dass wir sie nach seinem Willen aufziehen und regieren, sonst bedurfte er Vater und Mutter nirgend zu. Darum wisse ein jeglicher, dass er schuldig ist, bei Verlust göttlicher Gnade, dass er seine Kinder vor allen Dingen zu Gottes Furcht und Erkenntnis ziehe, und wo sie geschickt sind, auch lernen und studieren lasse, dass man sie, wozu es not ist, brauchen könnte. Wenn man nun solches täte, würde uns Gott auch reichlich segnen und Gnade geben, dass man solche Leute erzöge, da Land und Leute gebessert möchten werden; dazu feine gezogene Bürger, züchtige und häusliche Frauen, die darnach fortan fromme Kinder und Gesinde ziehen möchten. Da denke nun selbst, wie mordlichen Schaden du tust, wo du darin versäumlich bist und es an dir lässt fehlen, dass dein Kind nützlich und seliglich erzogen werde; dazu alle Sünde und Zorn auf dich bringst und also gleich die Hölle an deinen eigenen Kindern verdienst, ob du gleich sonst fromm und heilig wärst. Derhalben auch Gott, weil man solches verachtet, die Welt so greulich straft, dass man keine Zucht, Regiment noch Friede hat; welches wir auch alle beklagen, sehen es aber nicht, dass es unsere Schuld ist. Denn wie wir sie ziehen, so haben wir unge-ratene und ungehorsame Kinder und Untertanen. Das sei genug zur Ver-mahnung; denn solches in die Länge zu treiben gehört auf eine andere Zeit.


Das fünfte Gebot

Du sollst nicht töten


Wir haben nun ausgerichtet beide, geistliches und weltliches Regiment, das ist göttliche und väterliche Obrigkeit und Gehorsam. Hier aber gehen wir nun aus unserm Haus unter die Nachbarn, zu lernen, wie wir untereinander leben sollen, ein jeglicher für sich selbst, gegen seinen Nächsten. Darum ist in diesem Gebote nicht eingezogen Gott und die Obrigkeit, noch die Macht genommen, so sie haben zu töten. Denn Gott sein Recht, Übeltäter zu strafen, der Obrigkeit an der Eltern Statt befohlen hat, welche vorzeiten (als man in Mose liest) ihre Kinder selbst mussten vor Gericht stellen und zum Tode urteilen. Derhalben, was hier verboten ist, ist einem gegen den andern verboten und nicht der Obrigkeit. Dies Gebot ist nun leicht genug und oft behandelt, weil mans jährlich im Evangelio hört, Mt 5,21, da es Christus selbst auslegt und in eine Summa fasst, nämlich dass man nicht töten soll weder mit Hand, Herzen, Mund, Zeichen, Geberden noch Hilfe und Rat. Darum ist darin jedermann verboten zu zürnen, ausge-nommen (wie gesagt) die an Gottes Statt sitzen, das ist, Eltern und Obrigkeit. Denn Gott und was in göttlichem Stand ist gebührt zu zürnen, schelten und strafen, eben um derer willen, so dies und andere Gebote übertreten. Ursache aber und Not dieses Gebotes ist, dass Gott wohl weiß, wie die Welt böse ist und dies Leben viel Unglück hat. Darum hat er dies und andere Gebote zwischen Gut und Böse gestellt. Wie nun mancherlei Anfechtung ist wider alle Gebote, also gehts hier auch, dass wir unter viel Leuten leben müssen, die uns Leid tun, dass wir Ursache kriegen, ihnen feind zu sein. Zum Beispiel wenn dein Nachbar sieht, dass du besser Haus und Hof, mehr Gutes und Glückes von Gott hast denn er, so verdrießts ihn, neidet dich und redet nichts Gutes von dir. Also kriegst du viel Feinde durch des Teufels Anreizung, die dir kein Gutes, weder leiblich noch geistlich, gönnen; wenn man denn solche sieht, so will unser Herz wiederum wüten und bluten und sich rächen. Da erhebt sich denn wieder Fluchen und Schlagen, daraus endlich Jammer und Mord folgt. Da kommt nun Gott zuvor wie ein freundlicher Vater, legt sich ins Mittel und will den geschieden haben, dass kein Unglück daraus entstehe noch einer den andern verderbe; und Summa will er hiermit einen jeglichen beschirmt, befreit und befriedet haben vor jedermanns Frevel und Gewalt und dies Gebot zur Ringmauer, Feste und Freiheit gestellt haben um den Nächsten, dass man ihm kein Leid noch Schaden am Leib tue. So steht nun dies Gebot darauf, dass man niemand ein Leid tue um irgendeines bösen Stückes willen, ob ers gleich höchlich verdient. Denn wo Totschlag verboten ist, da ist auch alle Ursache verboten, daher Totschlag entspringen mag. Denn mancher, ob er nicht tötet, so flucht er doch und wünscht, dass, wer es sollte am Hals haben, würde nicht weit laufen. Weil nun solches jedermann von Natur anhängt und im Gemeinden Brauch ist, dass keiner vom andern leiden will, so will Gott die Wurzel und Ursprung wegräumen, durch welche das Herz wider den Nächsten erbittert wird, und uns gewöhnen, dass wir allezeit dies Gebot vor Augen haben und uns darin spiegeln, Gottes Willen ansehen und ihm das Unrecht, so wir leiden, befehlen mit herzlichem Vertrauen und Anrufen seines Namens und also jene feindlich scharren und zürnen lassen, dass sie tun, was sie könnten. Also dass ein Mensch lerne den Zorn stillen und ein geduldiges, sanftes Herz tragen, sonderlich gegen die, die ihm Ursache zu zürnen geben, das ist gegen die Feinde. Darum ist die ganze Summa davon (den Einfältigen aufs deutlichste einzuprägen, was da heiße nicht töten): zum ersten, dass man niemand Leid tue erstlich mit der Hand oder Tat, darnach die Zunge nicht brauchen lasse, dazu zu reden oder raten; über das keinerlei Mittel oder Weise brauche noch bewillige, dadurch jemand möchte beleidigt werden, und endlich, dass das Herz niemand feind sei noch aus Zorn und Hass Böses gönne; also dass Leib und Seele unschuldig sei an jedermann, eigentlich aber an dem, der dir Böses wünscht oder zufügt. Denn dem, der dir Gutes gönnt und tut, Böses tun, ist nicht menschlich, sondern teuflisch. Zum andern ist auch dieses Gebots schuldig nicht allein, der da Böses tut, sondern auch wer dem Nächsten Gutes tun, zuvorkommend wehren, schützen und retten kann, dass ihm kein Leid noch Schaden am Leibe widerfahre, und tut es nicht. Wenn du nun einen Nackten lässt gehen und könntest ihn kleiden, so hast du ihn erfrieren lassen. Siehst du jemand Hunger leiden und speisest ihn nicht, so lässt du ihn Hungers sterben. Also siehst du jemand zum Tode verurteilt oder in gleicher Not, und rettest nicht, so du Mittel und Wege dazu wüsstest, so hast du ihn getötet. Und wird nicht helfen, dass du verwendest, du habest keine Hilfe, Rat noch Tat dazu gegeben; denn du hast ihm die Liebe entzogen und der Wohltat beraubt, dadurch er bei dem Leben geblieben wäre. Darum heißt auch Gott billig die alle Mörder, so in Nöten und Gefahr Leibes und Lebens nicht raten noch helfen, und wird gar ein schreckliches Urteil über sie gehen lassen am jüngsten Tag, wie Christus selbst verkündigt, und sprechen: Ich bin hungrig und durstig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeist noch getränkt; ich bin ein Gast gewesen und ihr habt mich nicht beherbergt; ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich nicht bekleidet; ich bin krank und gefangen gewesen, und ihr habt mich nicht besucht. Das ist: Ihr hättet mich und die Meinen wohl lassen Hungers, Durstes und Frostes sterben, die wilden Tiere zerreißen, im Gefängnis verfaulen und in Nöten verderben lassen. Was heißt das anders denn Mörder und Bluthunde gescholten? Denn ob du solches nicht mit der Tat begangen hast, so hast du ihn doch im Unglück stecken und umkommen lassen, soviel an dir gelegen ist. Und ist ebensoviel, als ob ich jemand sähe auf tiefem Wasser fahren und arbeiten oder in ein Feuer gefallen und könnte ihm die Hand reichen, herausreißen und retten, und täte es doch nicht, wie würde ich anders auch vor aller Welt bestehen denn ein Mörder und Bösewicht? Darum ist die endliche Meinung Gottes, dass wir keinem Menschen Leid widerfahren lassen, sondern alles Gute und Liebe beweisen, und ist (wie gesagt) eigentlich gegen die gerichtet, so unsere Feinde sind. Denn dass wir Freunden Gutes tun, ist noch eine schlechte, heidnische Tugend, wie Christus Mt 5,46 sagt. Da haben wir nun abermal Gottes Wort, damit er uns reizen und treiben will zu rechten, edlen, hohen Werken, - als Sanftmut, Geduld, und Summa, Liebe und Wohltat gegen unsere Feinde, und will uns immerdar er-innern, dass wir zurückdenken des ersten Gebotes, dass er unser Gott sei, das ist uns helfen, beistehen und schützen wolle, auf dass er die Lust, uns zu rächen, dämpfe. Solches sollte man nun treiben und bläuen, so würden wir gute Werke alle Hände voll zu tun haben. Aber das wäre nicht für die Mönche gepredigt, dem geistlichen Stand zu viel abgebrochen, der Karthäuser Heiligkeit zu nahe und sollte wohl eben gute Werke verboten und Klöster geräumet heißen. Denn mit der Weise würde der Gemeinde Christenstand gleich soviel, ja weit und viel mehr gelten, und jedermann sehen, wie sie die Welt mit falschem, heuchlischem Schein der Heiligkeit äffen und verführen, weil sie dies und andere Gebote in Wind geschlagen und für unnötig gehalten, als wärens nicht Gebote, sondern Räte, und daneben unverschämt ihren Heuchelstand und Werke für das vollkommenste Leben gerühmt und ausgeschrieen, auf dass sie ja ein gutes, sanftes Leben führten ohne Kreuz und Geduld. Darum sie auch in die Klöster gelaufen sind, dass sie von niemand etwas leiden noch jemand Gutes tun dürften. Du aber wisse, dass dies die rechten, heiligen und göttlichen Werke sind, welcher er sich mit allen Engeln freut, dagegen alle menschliche Heiligkeit Stank und Unflat ist, dazu nichts anderes denn Zorn und Verdammnis verdient.


Das sechste Gebot

Du sollst nicht ehebrechen


Diese Gebote sind nun an sich selbst leicht zu verstehen aus dem nächsten, denn sie gehen alle dahin, dass man sich hüte vor allerlei Schaden des Nächsten; sind aber fein ordentlich gestellt. Zum ersten auf seine eigene Person; danach fortgefahren auf die nächste Person oder das nächste Gut nach seinem Leibe, nämlich sein eheliches Gemahl, welches mit ihm ein Fleisch und Blut ist, also dass man ihm an keinem Gut höheren Schaden tun kann. Darum auch deutlich hier ausgedrückt wird, dass man ihm keine Schande zufügen soll an seinem Eheweibe. Und lautet eigentlich auf den Ehebruch, darum dass im jüdischen Volk so geordnet und geboten war, dass jedermann musste ehelich erfunden werden, darum auch die Jugend aufs zeitlichste beraten ward, also dass Jungfrauenstand nichts galt, auch kein öffentliches Huren- und Bubenleben (wie jetzt) gestattet ward. Darum ist der Ehebruch die gemeinste Unkeuschheit bei ihm gewesen. Weil aber bei uns ein solches schändliches Gemenge und Grundsuppe aller Untugend und Büberei ist, ist dies Gebot auch wider alle Unkeuschheit gestellt, wie man sie nennen mag, und nicht allein äußerlich die Tat verboten, sondern auch allerlei Ursache, Reizung und Mittel; also dass Herz, Mund und der ganze Leib keusch sei, keinen Raum, Hilfe noch Rat zur Un-keuschheit gebe, und nicht allein das, sondern auch wehre, schütze und rette, wo die Gefahr und Not ist, und wiederum helfe und rate, dass sein Nächster bei Ehren bleibe. Denn wo du solches nachlässt, so du könntest dafür sein, oder durch die Finger siehst, als ging dichs nicht an, bist du eben sowohl schuldig als der Täter selbst. Also ist, aufs kurze zu fassen, so viel gefordert, dass ein jeglicher beide für sich selbst keusch lebe und dem Nächsten auch dazu helfe; also dass Gott durch dies Gebot eines jeglichen ehelich Gemahl will umschränkt und bewahrt haben, dass sich niemand daran vergreife. Dieweil aber dies Gebot so eben auf den Ehestand gerichtet ist und Ursache gibt davon zu reden, sollst du wohl fassen und merken: zum ersten, wie Gott diesen Stand so herrlich ehrt und preist, damit er ihn durch sein Gebot beide bestätigt und bewahrt. Bestätigt hat er ihn droben im vierten Gebot: du sollst Vater und Mutter ehren; hier aber hat er ihn (wie gesagt) verwahrt und beschützt. Darum will er ihn auch von uns geehrt, gehalten und geführt haben als einen göttlichen Stand, weil er ihn erstlich vor allen andern eingesetzt hat und darum unterschiedlich Mann und Weib geschaffen (wie vor Augen), nicht zur Büberei, sondern dass sie sich zusammen halten, fruchtbar seien, Kinder zeugen, nähren und aufziehen zu Gottes Ehren. Darum ihn auch Gott vor allen Ständen aufs reichlichste gesegnet hat, dazu alles, was in der Welt ist, darauf gewandt und ihm eingetan, dass dieser Stand je wohl und reichlich versorgt würde; also dass kein Scherz noch Fürwitz, sondern treffliches Ding und göttlicher Ernst es ist um das eheliche Leben. Denn es liegt ihm alle Macht daran, dass man Leute ziehe, die der Welt dienen und helfen zu Gottes Erkenntnis, seligem Leben und allen Tugenden, wider die Bosheit und den Teufel zu streiten. Darum habe ich immerdar gelehrt, dass man diesen Stand nicht verachte noch schimpflich halte, wie die blinde Welt und unsere falschen Geistlichen tun, sondern nach Gottes Wort ansehe, damit er geschmeckt und geheiligt ist, also dass er nicht allein andern Ständen gleichgesetzt ist, sondern vor und über sie alle geht, es seien Kaiser, Fürsten, Bischöfe und wer sie wollen. Denn was beide, geistliche und weltliche Stände sind, müssen sich demütigen und alle in diesem Stand finden lassen, wie wir hören werden. Darum ist es nicht ein sonderlicher, sondern der gemeinste, edelste Stand, so durch den ganzen Christenstand, ja durch alle Welt geht und reicht. Zum andern sollst du auch wissen, dass es nicht allein ein ehrlicher, sondern auch ein nötiger Stand ist und ernstlich von Gott geboten, dass sich insgemein hindurch alle Stände, Mann- und Weibsbilder, so dazu geschaffen sind, darin finden lassen; doch etliche (wiewohl wenig) ausgenommen, welche Gott sonderlich ausgezogen, dass sie zum ehelichen Stand nicht tüchtig sind, oder durch hohe, übernatürliche Gabe befreit hat, dass sie außer dem Stande Keuschheit halten können. Denn wo die Natur geht, wie sie von Gott eingepflanzt ist, ist es nicht möglich, außer der Ehe keusch zu bleiben; denn Fleisch und Blut bleibt Fleisch und Blut, und geht die natürliche Neigung und Reizung ungewehrt und unverhindert, wie jedermann sieht und fühlt. Derhalben, auf dass desto leichter wäre Unkeuschheit etlichermaßen zu meiden, hat auch Gott den Ehestand befohlen, dass ein jeglicher sein be-scheiden Teil habe und ihm daran genügen lasse; wiewohl noch Gottes Gnade dazu gehört, dass das Herz auch keusch sei. Daraus siehst du, wie unser päpstischer Haufe, Pfaffen, Mönche, Nonnen, wider Gottes Ordnung und Gebot streben, so den Ehestand verachten und verbieten und sich ewige Keuschheit zu halten vermessen und geloben, dazu die Einfältigen mit lügenhaftigen Worten und Schein betrügen. Denn niemand so wenig Liebe und Lust zur Keuschheit hat, als eben die den Ehestand vor großer Heiligkeit meiden und entweder öffentlich und unverschämt in Hurerei liegen oder heimlich noch ärger treiben, dass mans nicht sagen darf, wie man leider allzuviel erfahren hat. Und kürzlich, ob sie gleich des Werkes sich enthalten, so stecken sie doch im Herzen voll unkeuscher Gedanken und böser Lust, dass da ein ewiges Brennen und heimliches Leiden ist, welches man im ehelichen Leben umgehen kann. Darum ist durch dies Gebot aller unehelichen Keuschheit Gelübde verdammt und Urlaub gegeben, ja auch geboten allen armen gefangenen Gewissen, so durch ihre Klöstergelübde betrogen sind, dass sie aus dem unkeuschen Stand ins eheliche Leben treten, angesehen dass, ob sonst gleich das Klosterleben göttlich wäre, doch nicht in ihrer Kraft steht, Keuschheit zu halten, und wo sie darin bleiben, nur mehr und weiter wider dies Gebot sündigen müssen. Solches rede ich nun darum, dass man das junge Volk dazu halte, dass sie Lust zum Ehestand gewinnen und wissen, dass es ein seliger Stand und Gott gefällig ist. Denn damit könnte mans mit der Zeit wiederum dahin bringen, dass er wieder zu seinen Ehren käme und des untätigen, wüsten, unordentlichen Wesens weniger würde, so jetzt allenthalben in der Welt zu Zoten geht mit öffentlicher Hurerei und andern schändlichen Lastern, so aus Verachtung des ehelichen Lebens gefolgt sind. Darum sind hier die Eltern und Obrigkeit auch schuldig, auf die Jugend zu sehen, dass man sie zur Zucht und Ehrbarkeit aufziehe, und wenn sie erwachsen, mit Gott und Ehren berate. Dazu würde er seinen Segen und Gnade geben, dass man Lust und Freude davon hätte. Aus dem allen sei nun zu beschließen gesagt, dass dies Gebot nicht allein fordert, dass jedermann mit Werken, Worten und Gedanken keusch lebe in seinem, das ist allermeist im ehelichen Stande, sondern auch sein Gemahl, von Gott gegeben, lieb und wert halte. Denn wo eheliche Keuschheit soll gehalten werden, da müssen Mann und Weib vor allen Dingen in Liebe und Eintracht beieinander wohnen, dass eines das andere von Herzen und mit ganzer Treue meine. Denn das ist der vornehmsten Stücke eines, das Liebe und Lust zur Keuschheit macht, welches, wo es geht, wird auch Keuschheit wohl von selbst folgen ohne alles Gebieten; deshalb auch St. Paulus so fleißig die Eheleute ermahnt, dass eines das andere liebe und ehre. Da hast du nun abermals ein köstliches, ja viel und große gute Werke, welche du fröhlich rühmen kannst wider alle geistliche Stände, ohne Gottes Wort und Gebot er-wählt.


Das siebente Gebot

Du sollst nicht stehlen


Nach deiner Person und ehelichem Gemahl ist zeitlich Gut das nächste; das will Gott auch verwahrt haben und geboten, dass niemand dem Nächsten das Seine abbreche noch verkürze. Denn stehlen heißt nicht anders denn eines andern Gut mit Unrecht zu sich bringen, damit kürzlich begriffen ist allerlei Vorteil mit des Nächsten Nachteil in allerlei Händeln. Das ist nun gar ein weitläufiges, gemein Laster, aber so wenig geachtet und wahrgenommen, dass es über die Maßen ist, also dass, wo man sie alle an Galgen hängen sollte, was Diebe sind und doch nicht heißen wollen, sollte die Welt bald wüst werden und beide, an Henkern und Galgen, gebrechen. Denn es soll (wie jetzt gesagt) nicht allein gestohlen heißen, dass man Kasten und Taschen räumt, sondern um sich greifen auf dem Markt, in allen Krämen, Scheren, Wein- und Bierkellern, Werkstätten und kürzlich, wo man hantiert, Geld um Ware oder Arbeit nimmt und gibt. Zum Beispiel nämlich, dass wirs für den gemeinen Haufen ein wenig grob ausstreichen, dass man doch sehe, wie fromm wir sind; wenn ein Knecht oder Magd im Haus nicht treulich dient und Schaden tut oder geschehen lässt, den sie wohl abwehren könnte, oder sonst ihr Gut verwahrlost und versäumt aus Faulheit, Unfleiß oder Bosheit, zu Trotz und Verdruss Herrn und Frauen, und wie solches mutwillig geschehen kann (denn ich rede nicht von dem, das versehen und ungern getan ist): da kannst du ein Jahr dreißig oder vierzig Gulden und mehr entwenden, welches, so ein anderer heimlich genommen oder enttragen hätte, müsste er am Strick erwürgen, aber hier darfst du noch trotzen und pochen, und darf dich niemand einen Dieb heißen. Desgleichen rede ich auch von Handwerksleuten, Arbeitern, Tagelöhnern, die ihren Mutwillen brauchen und nicht wissen, wie sie die Leute übersetzen sollen, und doch lässig und untreu in der Arbeit sind. Diese alle sind weit über die heimlichen Diebe, vor denen man Schloß und Riegel legen kann, oder wo man sie begreift, also mitfährt, dass sie es nicht mehr tun. Vor diesen aber kann sich niemand hüten, darf sie auch niemand sauer ansehen oder eines Diebstahls zeihen, dass einer zehnmal lieber aus dem Beutel verlieren sollte. Denn da sind meine Nachbarn, gute Freunde, mein eigenes Gesinde, dazu ich mich Gutes versehe, die mich am allerersten berücken. Also auch fort auf dem Markt und gemeinen Händeln geht es mit voller Macht und Gewalt, da einer den anderen öffentlich mit falscher Ware, Maß, Gewicht, Münze betrügt und mit Behendigkeit und seltsamen Finanzen oder geschwinden Fündlein übervorteilt, weiter mit dem Kauf übersetzt und nach seinem Mutwillen beschwert, schindet und plagt. Und wer kann solches alles erzählen oder erdenken? Summa, das ist das gemeinste Handwerk und die größte Zunft auf Erden. Und wenn man die Welt jetzt durch alle Stände ansieht, so ist sie nichts anders denn ein großer, weiter Stall voll großer Diebe. Darum heißen sie auch Stuhlräuber, Land- und Straßendiebe, nicht Kastenräuber noch Meucheldiebe, die aus der Barschaft zwacken, sondern die auf dem Stuhl sitzen und heißen große Junker und ehrsame, fromme Bürger, und mit gutem Schein rauben und stehlen. ja hier wäre noch zu schweigen von geringen einzelnen Dieben, wenn man die großen, gewaltigen Erzdiebe sollte angreifen, die nicht eine Stadt oder zwei, sondern ganz Deutschland täglich ausstehlen. Ja wo bliebe das Haupt und oberster Schutzherr aller Diebe, der heilige Stuhl zu Rom, mit all seiner Zugehör, welcher aller Welt Güter mit Dieberei zu sich gebracht und bis auf diesen Tag innehat? Kürzlich, so gehts in der Welt, dass, wer öffentlich stehlen und rauben kann, geht sicher und frei dahin, von jedermann ungestraft, und will dazu geehrt sein; dieweil müssen die kleinen heimlichen Diebe, so sich einmal vergriffen haben, die Schande und Strafe tragen, jene fromm und zu Ehren machen. Doch sollen sie wissen, dass sie vor Gott die größten Diebe sind, der sie auch, wie sie wert sind und verdienen, strafen wird. Weil nun dies Gebot so weit um sich greift, wie jetzt angezeigt, ists Not, dem Pöbel wohl vorzuhalten und auszustreichen, dass man sie nicht so frei und sicher hingehen lasse, sondern immer Gottes Zorn vor Augen stelle und einbläue. Denn wir müssen solches nicht Christen, sondern allermeist Buben und Schälken predigen, welchen wohl billiger Richter, Stock-meister oder Meister Hans predigen sollte. Darum wisse ein jeglicher, dass er schuldig ist bei Gottes Ungnaden, nicht allein seinem Nächsten keinen Schaden zu tun noch seinen Vorteil zu entwenden noch im Kaufe oder irgendeinem Handel irgendwelche Untreue oder Tücke zu beweisen, sondern auch sein Gut treulich zu verwahren, seinen Nutzen zu verschaffen und fordern, sonderlich so er Geld, Lohn und Nahrung dafür nimmt. Wer nun solches mutwillig verachtet, mag wohl hingehen und dem Henker entlaufen, wird aber Gottes Zorn und Strafe nicht entgehen, und wenn er seinen Trotz und Stolz lang treibt, doch ein Landläufer und Bettler bleiben, alle Plage und Unglück dazu haben. Jetzt gehst du hin, da du solltest deines Herrn oder Frau Gut bewahren, dafür du deinen Kropf und Bauch füllst, nimmst deinen Lohn als ein Dieb, lässt dich dazu feiern als ein Junker, wie ihrer viele sind, die Herrn und Frauen noch trotzen und ungern zu Lieb und Dienst täten, einen Schaden abzuwehren. Siehe aber zu, was du daran gewinnst, dass, wo du dein Eigenes überkommst und zu Haus sitzt, dazu Gott mit allem Unglück helfen wird, soll sichs wieder finden und heimkommen, dass, wo du einen Heller abgebrochen oder Schaden getan hast, dreißigfältig bezahlen müssest. Desgleichen soll es Handwerksleuten und Taglöhnern gehen, von welchen man jetzt unleidlichen Mutwillen hören und leiden muss, als wären sie Junker in fremdem Gut, und jedermann müsse ihnen wohl geben, wie viel sie wollen. Solche lasse nur getrost schinden, solange sie können; aber Gott wird seines Gebotes nicht vergessen und ihnen auch lohnen. wie sie gedient haben, und hängen, nicht an einen grünen, sondern dürren Galgen, dass sie ihr Leben lang nicht gedeihen noch etwas vor sich bringen. Und zwar wenn ein recht geordnetes Regiment in Landen wäre, könnte man solchen Mutwillen bald steuern und wehren, wie vorzeiten bei den Römern gewesen ist, da man solchen flugs auf die Hauben griff, dass sich andere daran stoßen mussten. Also soll es allen andern gelingen, so aus dem offenen freien Markt nichts denn ein Schindleich und Raubhaus machen, da man täglich die Armen übersetzt, neue Beschwerung und Teuerung macht und jeglicher des Marktes braucht nach seinem Mutwillen, trotzt und stolzt dazu, als habe er gut Fug und Recht, das Seine so teuer zu geben als ihn gelüstet, und soll ihm niemand dreinreden. Denen wollen wir wartend zusehen, schinden, zwacken und geizen lassen, aber Gott vertrauen, der es doch ohne das tun wird, dass er, wenn du lange geschunden und geschreppelt hast, einen Segen darüber spreche, dass dir dein Korn auf dem Boden, dein Bier im Keller, dein Vieh im Stall verderbe; ja wo du jemand um einen Gulden täuschest und vervorteilst, soll dirs den ganzen Haufen wegrosten und fressen, dass du seiner nimmer froh werdest. Solches sehen und erfahren wir zwar vor Augen täglich erfüllt werden, dass kein ge-stohlenes und fälschlich gewonnenes Gut gedeiht. Wieviel sind ihrer, so Tag und Nacht scharren und kratzen und doch keines Hellers reicher werden? Und ob sie viel sammeln, doch so viel Plage und Unglück müssen haben, dass sie es nicht mit Freuden genießen noch auf ihre Kinder erben können. Aber weil sich niemand daran kehrt und hingehen, als gings uns nichts an, muss er uns anders heimsuchen und Mores lehren, dass er eine Landschätzung über die andere über uns schicke oder einen Haufe Landsknechte zu Gast lade, die uns auf eine Stunde Kasten und Beutel räumen und nicht aufhören, solange wir einen Heller behalten, dazu zu Dank Haus und Hof verbrennen und verheeren, Weib und Kinder schänden und umbringen. Und Summa: Stiehlst du viel, so versiehe dich gewisslich, dass dir noch so viel gestohlen werde, und wer mit Gewalt und Unrecht raubt und gewinnt, einen andern leide, der ihm auch also mitspiele. Denn die Kunst kann Gott meisterlich, weil jedermann den andern beraubt und stiehlt, dass er einen Dieb mit dem andern straft; wo wollte man sonst Galgen und Stricke genug nehmen? Wer sich nun will sagen lassen, der wisse, dass es Gottes Gebot ist und für keinen Scherz will gehalten sein. Denn ob du uns verachtest, betrügst, stiehlst und raubst, wollen wirs zwar noch zukommen und deinen Hochmut ausstehen, leiden und, dem Vaterunser nach, vergeben und erbarmen, denn die Frommen doch genug haben müssen, und du dir selbst mehr denn einem andern Schaden tust; aber da hüte dich vor, wenn die liebe Armut (welche jetzt viel ist) kommt, so um den täglichen Pfennig kaufen und zehren muss, und du zufährst, als müsste jedermann deiner Gnaden leben, schindest und schabst bis auf den Grat, dazu mit Stolz und Übermut abweist, dem du solltest geben und schenken. So geht es dahin, elend und betrübt, und weil es niemand klagen kann, schreit und ruft es gen Himmel. Da hüte dich (sage ich abermal) als vor dem Teufel selbst; denn solches Seufzen und Rufen wird nicht scherzen, sondern einen Nachdruck haben, der dir und aller Welt zu schwer werden wird. Denn es wird den treffen, der sich der armen, betrübten Herzen annimmt und nicht will ungerächt lassen. Verachtest du es aber und trotzest, so siehe, wen du auf dich geladen hast; wird dirs gelingen und wohlgehen, sollst du Gott und mich vor aller Welt Lügner schelten. Wir haben genug vermahnt, gewarnt und gewehrt; wer es nicht achten noch glauben will, den lassen wir gehen, bis ers erfahre. Doch muss man dem jungen Volk solches einbilden, dass sie sich hüten und dem alten unbändigen Haufen nicht nachfolgen, sondern Gottes Gebot vor Augen halten, dass nicht Gottes Zorn und Strafe auch über sie gehe. Uns gebührt nicht weiter denn zu sagen und strafen mit Gottes Wort. Aber dass man solchem öffentlichen Mutwillen steuere, da gehören Fürsten und Obrigkeit zu, die selbst Augen und den Mut hätten, Ordnung zu stellen und halten in allerlei Händel und Kauf, auf dass die Armut nicht beschwert und unterdrückt würde, noch sie sich mit fremden Sünden beladen dürften. Das sei genug davon gesagt, was stehlen heiße, dass mans nicht so enge spanne, sondern gehen lasse so weit, als wir mit dem Nächsten zu tun haben. Und kurz in eine Summa, wie in der vorigen, zu fassen, ist dadurch verboten: erstlich dem Nächsten Schaden und Unrecht zu tun (wie mancherlei Weise zu erdenken sind), Habe und Gut abzubrechen, verhindern und vorzuenthalten, auch solches nicht bewilligen noch gestatten, sondern wehren, zuvorkommend und wiederum geboten, sein Gut fördern, bessern und, wo er Not leidet, helfen, mitteilen, vorstrecken beiden, Freunden und Feinden. Wer nun gute Werke sucht und begehrt, wird hier übrig genug finden, die Gott von Herzen angenehm und gefällig sind, dazu mit trefflichem Segen begnadet und überschüttet, dass es reichlich soll vergolten werden, was wir unserm Nächsten zu Nutz und Freund-schaft tun; wie auch der König Salomo lehrt Sprichw. 19,17: Wer sich des Armen erbarmt, der leiht dem HERRN, der wird ihm wiedervergelten seinen Lohn. Da hast du einen reichen Herrn, der dir gewiß genug ist und nichts wird gebrechen noch mangeln lassen, so kannst du mit fröhlichem Gewissen hundertmal mehr genießen, denn du mit Untreu und Unrecht erschreppelst. Wer nun des Segens nicht mag, der wird Zorn und Unglück genug finden.


Das achte Gebot

Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten


Über unsern eigenen Leib, eheliches Gemahl und zeitliches Gut haben wir noch einen Schatz, nämlich Ehre und gutes Gerücht, welchen wir auch nicht entbehren können, denn es gilt nicht, unter den Leuten in öffentlicher Schande, von jeder-mann verachtet, zu leben. Darum will Gott des Nächsten Leumund, Glimpf und Gerechtigkeit sowenig als Geld und Gut genommen oder verkürzt haben, auf dass ein jeglicher vor seinem Weibe, Kinde, Gesinde und Nachbarn ehrlich bestehe. Und zum ersten ist der gröbste Verstand dieses Gebotes, wie die Worte lauten: „du sollst nicht falsch Zeugnis reden“, auf öffentliches Gericht gestellt, da man einen armen, unschuldigen Mann verklagt und durch falsche Zeugen unter-drückt, damit er gestraft werde an Leib, Gut oder Ehre. Das scheint nun jetzt, als gehe es uns wenig an; aber bei den Juden ist gar ein treffliches gemein Ding gewesen. Denn das Volk war in feinem, ordentlichen Regiment gefasst, und wo noch ein solches Regiment ist, da gehts ohne diese Sünde nicht ab. Ursache ist diese: denn wo Richter, Bürgermeister, Fürst oder andere Obrigkeit sitzt, da fehlt es nimmer, es geht nach der Welt Lauf, dass man niemand gern beleidigen will, heuchelt und redet nach Gunst, Geld, Hoffnung oder Freundschaft; darüber muss ein armer Mann, mit seiner Sache unterdrückt, Unrecht haben und Strafe leiden. Und ist eine gemeine Plage in der Welt, dass im Gericht selten fromme Leute sitzen. Denn es gehört vor allen Dingen ein frommer Mann zu einem Richter, und nicht allein ein frommer, sondern auch ein weiser, gescheiter, ja auch ein kühner und kecker Mann. Also auch gehört ein kecker, dazu vornehmlich ein frommer Mann zum Zeugen. Denn wer alle Sachen recht richten und mit dem Urteil hindurch reißen soll, wird oftmals gute Freunde, Schwäger, Nachbarn, Reiche und Gewaltige erzürnen, die ihm viel dienen oder schaden können; darum muss er gar blind sein, Augen und Ohren zugetan, nicht sehen noch hören denn stracks vor sich, was ihm vorkommt, und demnach schließen. Darauf ist nun erstlich dies Gebot gestellt, dass ein jeglicher seinem Nächsten helfe zu seinem Rechten und nicht hindern noch beugen lasse, sondern fordere und stracks darüber halte, Gott gebe, es sei Richter oder Zeuge, und treffe an, was es wolle. Und sonderlich ist hiermit unsern Herrn Juristen ein Ziel gesteckt, dass sie zusehen, recht und aufrichtig mit den Sachen umgehen; was recht ist, recht bleiben lassen, und wiederum nicht verdrehen noch vermänteln oder schweigen, unangesehen Geld, Gut, Ehre oder Herrschaft. Das ist ein Stück und der gröbste Verstand dieses Gebots von allem, das vor Gericht geschieht. Darnach greift es gar viel weiter, wenn mans soll ziehen ins geistliche Gericht oder Regiment; da gehts also, dass ein jeglicher wider seinen Nächsten fälschlich zeugt. Denn wo fromme Prediger und Christen sind, die haben vor der Welt das Urteil, dass sie Ketzer, Abtrünnige, ja aufrührische und verzweifelte Bösewichte heißen. Dazu muss sich Gottes Wort aufs schändlichste und giftigste verfolgen, lästern, Lügen strafen, verkehren und fälschlich ziehen und deuten lassen. Aber das gehe seinen Weg; denn es ist der blinden Welt Art, dass sie die Wahrheit und Gottes Kinder verdammt und verfolgt und doch für keine Sünde achtet. Zum dritten, so uns allzumal belangt, ist in diesem Gebot verboten alle Sünde der Zunge, dadurch man dem Nächsten mag Schaden tun oder zu nahe sein. Denn falsches Zeugnis reden ist nicht anders denn Mundwerk. Was man nun mit Mundwerk wider den Nächsten tut, das will Gott gewehrt haben, es seien falsche Prediger mit der Lehre und Lästern, falsche Richter und Zeugen mit dem Urteil oder sonst außer dem Gericht mit Lügen und Übelreden. Daher gehört sonderlich das leidige schändliche Laster Afterreden oder Verleumden, damit uns der Teufel reitet, davon viel zu reden wäre. Denn es ist eine gemeine, schädliche Plage, dass jedermann lieber Böses denn Gutes von dem Nächsten sagen hört; und wiewohl wir selbst so böse sind, dass wir nicht leiden können, dass uns jemand ein böses Stück nachsage, sondern jeglicher gern wollte, dass alle Welt Goldenes von ihm redete, doch können wir nicht hören, dass man das Beste von andern sage. Derhalben sollen wir merken, solche Untugend zu meiden, dass niemand gesetzt ist, seinen Nächsten öffentlich zu urteilen und strafen, ob er ihn gleich sieht sündigen, er habe denn Befehl zu richten und strafen. Denn es ist gar ein großer Unterschied zwischen den zweien, Sünde richten und Sünde wissen. Wissen magst du sie wohl, aber richten sollst du sie nicht. Sehen und hören kann ich wohl, dass mein Nächster sündigt, aber gegen andere nachzusagen habe ich keinen Befehl. Wenn ich nun zufahre, richte und urteile, so falle ich in eine Sünde, die größer ist denn jene. Weißt du es aber, so tue nicht anders, denn mache aus den Ohren ein Grab und scharre es zu, bis dass dir befohlen werde, Richter zu sein und von Amtes wegen zu strafen. Das heißen nun Afterreder, die es nicht bei dem Wissen bleiben lassen sondern fortfahrend und ins Gericht greifen, und wenn sie ein Stücklein von einem andern wissen, tragen sie es in alle Winkel, kitzeln und krauen sich, dass sie mögen eines andern Unlust rühren, wie die Säue, so sich im Kot wälzen und mit dem Rüssel darin wühlen. Das ist nichts anders denn Gott in sein Gericht und Amt fallen, urteilen und strafen mit dem schärfsten Urteil. Denn kein Richter kann höher strafen noch weiter fahren, denn dass er sage: dieser ist ein Dieb, Mörder, Verräter usw. Darum wer sich solches untersteht vom Nächsten zu sagen, greift ebensoweit als Kaiser und alle Obrigkeit, denn ob du das Schwert nicht führst, so brauchst du doch deiner giftigen Zunge dem Nächsten zu Schande und Schaden. Darum will Gott gewehrt haben, dass niemand dem andern übel nachrede, wenn ers gleich schuldig ist und dieser wohl weiß; viel weniger, so ers nicht weiß und allein vom Hörensagen genommen hat. Sprichst du aber: Soll ichs denn nicht sagen, wenn es die Wahrheit ist? Antwort: Warum trägst dus nicht vor ordentliche Richter? Ja, ich kanns nicht öffentlich bezeugen, so möchte man mir vielleicht übers Maul fahren und übel abweisen. Ei Lieber, riechst du den Braten? Traust du nicht vor geordneten Personen zu stehen und verantworten, so halte auch das Maul. Weißt du es aber, so wisse es für dich, nicht für einen andern. Denn wo du es weitersagst, ob es gleich wahr ist, so bestehst du doch wie ein Lügner, weil du es nicht kannst wahr machen; tust dazu wie ein Böswicht, denn man soll niemand seine Ehre und Gerücht nehmen, es sei ihm denn zuvor genommen öffentlich. Also heißt nun falsches Zeugnis alles, was man nicht, wie sichs gehört, über-weisen kann. Darum was nicht mit genügsamer Beweisung offenbar ist, soll niemand offenbar machen noch für Warheit sagen. Und Summa, was heimlich ist, soll man heimlich bleiben lassen oder je heimlich strafen, wie wir hören werden. Darum wo dir ein unnützes Maul vorkommt, das einen andern austrägt und verleumdet, so rede ihm frisch unter die Augen, dass er schamrot werde, so wird mancher das Maul halten, der sonst einen armen Menschen ins Geschrei bringt, daraus er schwerlich wieder kommen kann; denn Ehre und Glimpf ist bald genommen, aber nicht bald wieder gegeben. Also siehst du, dass kurzum verboten ist, von dem Nächsten etwas Böses zu reden; doch ausgenommen weltliche Obrigkeit, Prediger, Vater und Mutter, dass man dennoch dies Gebot so verstehe, dass das Böse nicht ungestraft bleibe. Wie man nun laut des fünften Gebotes niemand schaden soll am Leibe, doch ausgenommen Meister Hansen, der seines Amtes halber dem Nächsten kein Gutes, sondern nur Schaden und Böses tut und nicht wider Gottes Gebot sündigt, darum dass Gott solches Amt von seinetwegen geordnet hat, denn er ihm die Strafe seines Gefallens vorbehalten hat, wie er im ersten Gebote droht; also auch, wiewohl ein jeglicher für seine Person niemand richten noch verdammen soll, doch, wo es die nicht tun, denen es befohlen ist, sündigen sie ja sowohl als ders außer dem Amt von sich selbst täte, denn hier fordert die Not, von dem Übel zu reden, Klagen vorbringen, fragen und zeugen. Und geht nicht anders zu denn mit einem Arzt, der zuweilen den, den er heilen soll, an heimlichem Ort sehen und greifen muss. Also sind Obrigkeit, Vater und Mutter, ja auch Brüder und Schwestern und sonst gute Freunde untereinander schuldig, wo es not und nutz ist, Böses zu strafen. Das wäre aber die rechte Weise, wenn man die Ordnung nach dem Evangelio hielte, Mt 18,15, da Christus spricht: Sündigt dein Bruder an dir, so gehe hin und strafe ihn zwischen dir und ihm allein. Da hast du eine köstliche, feine Lehre, die Zunge wohl zu regieren, die wohl zu merken ist wider den leidigen Missbrauch. Darnach richte dich nun, dass du nicht sobald den Nächsten anderswo aus-tragest und nachredest, sondern ihn heimlich vermahnest, dass er sich bessere. Desgleichen auch, wenn dir ein anderer etwas zu Ohren trägt, was dieser oder jener getan hat, lehre ihn auch also, dass er hingehe und strafe ihn selbst, wo ers gesehen hat; wo nicht, dass er das Maul halte. Solches magst du auch lernen aus täglichem Hausregiment. Denn so tut der Herr im Haus: wenn er sieht, dass der Knecht nicht tut, was er soll, so spricht er ihm selbst zu. Wenn er aber so toll wäre, ließe den Knecht daheim sitzen und ginge heraus auf die Gasse, den Nachbar zu klagen, würde er freilich müssen hören: Du Narr, was gehts uns an, warum sagst dus ihm selbst nicht? Siehe, das wäre nun recht brüderlich ge-handelt, dass dem Übel geraten würde und dein Nächster bei Ehren bliebe. Wie auch Christus daselbst sagt: “Hört er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen.“ Da hast du ein großes, treffliches Werk getan. Denn meinst du, dass ein geringes Ding sei, einen Bruder gewinnen? Lass alle Mönche und heilige Orden mit allen ihren Werken zu Haufe geschmolzen hervortreten, ob sie den Ruhm können aufbringen, dass sie einen Bruder gewonnen haben? Weiter lehrt Christus: Will er dich aber nicht hören, so nimm noch einen oder zwei zu dir, auf dass alle Sache bestehe auf zweier oder dreier Mund. Also dass man je mit dem selbst handle, den es belangt und nicht hinter seinem Wissen nachrede. Will aber solches nicht helfen, so trage es dann öffentlich vor die Gemeinde, es sei vor weltlichem oder geistlichem Gerichte. Denn hier stehst du nicht allein, sondern hast jene Zeugen mit dir, durch welche du den Schuldigen überweisen kannst, darauf der Richter gründen, urteilen und strafen kann, so kann es ordentlich und recht dazu kommen, dass man dem Bösen wehrt oder bessert. Sonst, wenn man einen andern mit dem Maul umträgt durch alle Winkel und den Unflat rührt, wird niemand gebessert, und darnach, wenn man stehen und zeugen soll, will mans nicht gesagt haben. Darum geschähe solchen Mäulern recht, dass man ihnen den Kitzel wohl büßte, dass sich andere daran stießen. Wenn du es deinem Nächsten zu Besserung oder aus Liebe der Wahrheit tätest, würdest du nicht heimlich schleichen noch den Tag und Licht scheuen. Das alles ist nun von heimlichen Sünden gesagt. Wo aber die Sünde ganz öffentlich ist, dass Richter und jedermann wohl weiß, so kannst du ihn ohne alle Sünde meiden und fahren lassen, als der sich selbst zu schanden gemacht hat, dazu auch öffentlich von ihm zeugen. Denn was offenbar am Tag ist, da kann kein Afterreden noch falsches Richten oder Zeugen sein, als dass wir jetzt den Papst mit seiner Lehre strafen, so öffentlich in Büchern an Tag gegeben und in aller Welt ausgeschrien ist. Denn wo die Sünde öffentlich ist, soll auch billig öffentliche Strafe folgen, dass sich jedermann davor wisse zu hüten. Also haben wir nun die Summa und gemeinen Verstand von diesem Gebote, dass niemand seinem Nächsten, beide, Freund und Feind, mit der Zunge schädlich sein noch Böses von ihm reden soll, Gott gebe, es sei wahr oder erlogen, so nicht aus Befehl oder zu Besserung geschieht; sondern seine Zunge brauchen und dienen lassen, von jedermann das Beste zu reden, seine Sünde und Gebrechen zu decken, entschuldigen und mit seiner Ehre beschönigen und schmecken. Ursache soll sein allermeist diese, so Christus im Evangelio anzieht und damit alle Gebote gegen den Nächsten will gefasst haben: Alles, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch. Auch lehrt solches die Natur an unserm eigenen Leibe, wie St. Paulus 1. Kor. 12,22f. sagt: die Glieder des Leibes, so uns dünken die schwächsten zu sein, sind die nötigsten, und die uns dünken die unehrlichsten

zu sein, denselbigen legen wir am meisten Ehre an, und die uns übel anstehen, die schmückt man am meisten. Das Angesicht, Augen, Nase und Mund deckt niemand zu, denn sie bedürfens nicht als an sich selbst die ehrlichsten Glieder, so wir haben; aber die allergebrechlichsten, der wir uns schämen, deckt man mit allem Fleiß, - da muss Hände, Augen samt dem ganzen Leibe helfen, decken und verhüllen. Also sollen wir untereinander, was an unserm Nächsten unehrlich und gebrechlich ist, schmücken und mit allem, so wir vermögen, zu seinen Ehren dienen, helfen und förderlich sein und wiederum wehren, was ihm mag zu Unehren gereichen. Und ist sonderlich ein feine, edle Tugend, wer alles, das er vom Nächsten hört reden (so es nicht öffentlich böse ist), wohl auslegen und aufs beste deuten oder je zu gut halten kann wider die giftigen Mäuler, die sich befleißigen, wo sie etwas ergrübeln und erhaschen können, am Nächsten zu tadeln und aufs ärgste aushecken und verkehren, wie jetzt vornehmlich dem lieben Gotteswort und seinen Predigern geschieht. Darum sind in diesem Gebote gar mächtig viel gute Werke verfaßt, die Gott aufs höchste wohlgefallen und überflüssig Gut und Segen mit sich bringen, wenn sie nur die blinde Welt und falschen Heiligen erkennen wollten. Denn es ist nichts an und im ganzen Menschen, das mehr und weiter beide, Gutes schaffen und Schaden tun kann in geistlichen und weltlichen Sachen, denn die Zunge, so doch das kleinste und schwächste Glied ist.


Das neunte und zehnte Gebot

Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus

Du sollst nicht begehren seines Weibes, Knecht, Magd, Vieh oder was sein ist


Diese zwei Gebote sind fast den Juden sonderlich gegeben, wiewohl sie uns dennoch auch zum Teil betreffen. Denn sie legen sie nicht aus von Unkeuschheit noch Diebstahl, weil davon droben genug verboten ist; hieltens auch dafür, sie hätten jene alle gehalten, wenn sie äußerlich die Werke getan oder nicht getan hätten. Darum hat Gott diese zwei hinzugesetzt, dass mans auch halte für Sünde und verboten, des Nächsten Weib oder Gut begehren und irgendwie darnach zu stehen; und sonderlich darum, weil in dem jüdischen Regiment Knechte und Mägde nicht, wie jetzt, frei waren, ums Lohn zu dienen, wie lange sie wollten, sondern des Herrn eigen mit Leib und was sie hatten, wie das Vieh und andere Gut; dazu auch ein jeglicher über sein Weib die Macht hatte, durch einen Scheidebrief öffentlich von sich zu lassen und eine andere zu nehmen. Da mussten sie nun untereinander in Gefahr stehen, wenn jemand eines andern Weib gern gehabt hätte, dass er irgendeine Ursache nähme, beide, sein Weib von sich zu tun und dem andern seines auch zu entfremden, dass ers mit gutem Fug zu sich brächte. Das war nun bei ihnen keine Sünde und Schande, sowenig als jetzt mit dem Gesinde, wenn ein Hausherr seinem Knecht oder Magd Urlaub gibt oder einer dem anderen sonst abdringt. Darum haben sie nun (sage ich) diese Gebote also gedeutet, wie es auch recht ist (wiewohl es auch etwas weiter und höher geht), dass niemand dem andern das Seine, als Weib, Gesinde, Haus und Hof, Acker, Wiesen, Vieh denke und vornehme an sich zu bringen, auch mit gutem Schein und Behelf, doch mit des Nächsten Schaden. Denn droben, im siebenten Gebot, ist die Untugend verboten, da man fremdes Gut zu sich reißt oder dem Nächsten vorhält, dazu man kein Recht haben kann, hier aber ist auch gewehrt, dem Nächsten nichts abzuspannen, ob man gleich mit Ehren vor der Welt dazu kommen kann, dass dich niemand zeihen noch tadeln darf, als habest dus mit Unrecht erobert. Denn die Natur so geschickt ist, dass niemand dem andern soviel als sich selbst gönnt und ein jeglicher, soviel er immer kann, zu sich bringt, ein anderer bleibe, wo er kann. Und wollen noch dazu fromme sein, können uns aufs feinste schmecken und den Schalk verbergen, suchen und dichten so behende Fündlein und geschwinde Griffe (wie man jetzt täglich aufs beste erdenkt), als aus den Rechten gezogen, dürfen uns darauf kecklich berufen und trotzen, und wollen solches nicht Schalkheit, sondern Gescheitheit und Vorsichtigkeit genannt haben. Dazu helfen auch Juristen und Rechtsprecher, so das Recht lenken und dehnen, wie es zur Sache helfen will, die Worte zwacken und zu Behelf nehmen, unangesehen Billigkeit und des Nächsten Notdurft. Und Summa, wer in solchen Sachen der geschickteste und gescheiteste ist, dem hilft das Recht am besten, wie sie auch sprechen: vigilantibus jura subveniunt. Darum ist dies letzte Gebot nicht für die bösen Buben vor der Welt, sondern eben für die Frommsten gestellt, die da wollen gelobt sein, redliche und aufrichtige Leute heißen, als die wider die vorigen Gebote nichts verschulden; wie vornehmlich die Juden sein wollten und noch viel größere Junker, Herren und Fürsten. Denn der andere Gemeinde Haufe gehört noch weit herunter in das siebente Gebot, als die nicht viel darnach fragen, wie sie das Ihre mit Ehren und Recht gewinnen. Nun begibt sich solches am meisten in den Händeln, so auf Recht gestellt werden, dadurch man vornimmt, dem Nächsten etwas abzugewinnen und abzuschöpfen. Als (dass wir Exempel geben) wenn man hadert und handelt um größeren Erbfall, liegende Güter usw., da fährt man herzu und nimmt zu Hilfe, was einen Schein des Rechten haben will, mutzt und schmückts also hervor, dass das Recht diesem zufallen muss, und behält das Gut mit solchem Titel, dass niemand eine Klage noch Anspruch dazu hat. Weiter: Wenn einer gern ein Schloss, Stadt, Grafschaft oder sonst was Großes hätte und treibt so viel Finanzerei durch Freundschaft und womit er kann, dass es einem andern ab- und ihm zuge-sprochen wird, dazu mit Briefen und Siegel bestätigt, dass es mit fürstlichem Titel und redlich gewonnen heiße. Desgleichen auch in Gemeinden Kaufhändeln, wo einer dem andern etwas behendiglich aus der Hand rückt, dass jener muss hintennach sehen, oder ihn übereilt und bedrängt, woran er seinen Vorteil und Genieß ersieht, das jener vielleicht aus Not oder Schuld nicht erhalten noch ohne Schaden losen kann, auf dass ers halb oder mehr gefunden habe; und muss gleichwohl nicht mit Unrecht genommen oder entwendet, sondern redlich gekauft sein. Da heißts: der erste der beste; und: jeglicher sehe auf seine Schanze, ein anderer habe, was er kann. Und wer wollte so klug sein, alles zu erdenken, wie viel man mit solchem hübschen Schein kann zu sich bringen, das die Welt für kein Unrecht hält und nicht sehen will, dass damit der Nächste zurückgebracht wird und lassen muss, was er nicht ohne Schaden entbehren kann; so doch niemand ist, der ihm solches wollte getan haben, daran wohl zu spüren ist, dass solcher Behelf und Schein falsch ist. Also ists nun vorzeiten auch mit den Weibern zugegangen. Da kannten sie solche Fündlein, wenn einem eine andere gefiel, dass er durch sich oder andere (wie denn mancherlei Mittel und Wege zu erdenken waren) zurichtete, dass der Mann einen Unwillen auf sie warf oder sie sich gegen ihn sperrte und so stellte, dass er sie musste von sich tun und diesem lassen. Solches hat ohne Zweifel stark regiert im Gesetz; wie man auch im Evangelio liest von dem König Herodes, dass er seines eigenen Bruders Weib noch bei seinem Leben freite, welcher doch ein ehrbarer, frommer Mann sein wollte, wie ihm auch S. Marcus Zeugnis gibt. Aber solches Exempel, hoffe ich, soll bei uns nicht statthaben, weil im Neuen Testament den Ehelichen verboten ist, sich voneinander zu scheiden, es wäre denn in solchem Fall, dass einer dem andern eine reiche Braut mit Behendigkeit entrückte. Das ist aber bei uns nicht seltsam, dass einer dem andern seinen Knecht oder Dienstmagd abspannt und entfremdet oder sonst mit guten Worten abzieht. Es geschehe nun solches alles, wie es wolle, so sollen wir wissen, dass Gott nicht haben will, dass du dem Nächsten etwas, das ihm gehört, also entziehst, dass er entbehre und du deinen Geiz füllst, ob du es gleich mit Ehren vor der Welt behalten kannst. Denn es ist eine heimliche, meuchlinge Schalkheit und, wie man spricht, unter dem Hütlein gespielt, dass mans nicht merken soll. Denn ob du gleich hingehst, als habest du niemand unrecht getan, so bist du doch deinem Nächsten zu nahe; und heißts nicht gestohlen noch betrogen, so heißt es dennoch des Nächsten Gut begehrt, das ist darnach gestanden und ihm abwendig gemacht ohne seinen Willen, und nicht wollen gönnen, das ihm Gott beschert hat. Und ob dirs der Richter und jedermann lassen muss, so wird dirs doch Gott nicht lassen, denn er sieht das Schalkherz und der Welt Tücke wohl, welche, wo man ihr einen Finger breit einräumt, nimmt sie eine Elle lang dazu, dass auch öffentliches Unrecht und Gewalt folgt. Also lassen wir diese Gebote bleiben in dem gemeinen Verstand, dass erstlich geboten sei, dass man des Nächsten Schaden nicht begehre, auch nicht dazu helfe noch Ursache gebe, sondern ihm gönne und lasse, was er hat, dazu fördere und erhalte, was ihm zu Nutz und Dienst geschehen mag, wie wir wollten uns getan haben; also dass es sonderlich wider die Abgunst und den leidigen Geiz gestellt sei, auf dass Gott die Ursache und Wurzel aus dem Wege räume, daher alles entspringt, dadurch man dem Nächsten Schaden tut. Darum ers auch deutlich mit den Worten setzt: du sollst nicht begehren usw. Denn er will vornehmlich das Herz rein haben, wiewohl wirs, so lange wir hier leben, nicht dahin bringen können, also dass dies wohl ein Gebot bleibt, wie die andern alle, das uns ohne Unterlass beschuldigt und anzeigt, wie fromm wir vor Gott sind. So haben wir nun die zehn Gebote, einen Ausbund göttlicher Lehre, was wir tun sollen, dass unser ganzes Leben Gott gefalle, und den rechten Born und Rohr, aus und in welchem quellen und gehen müssen alles, was gute Werke sein sollen; also dass außer den zehn Geboten kein Werk noch Wesen gut und Gott gefällig sein kann, es sei so groß und köstlich vor der Welt, wie es wolle. Lass nun sehen, was unsere großen Heiligen rühmen können von ihren geistlichen Orden und großen, schweren Werken, die sie erdacht und aufgeworfen haben und diese fahren lassen, gerade als wären diese viel zu gering oder allbereit längst ausgerichtet. Ich meine je, man sollte hier alle Hände voll zu schaffen haben, dass man diese hielt, Sanftmut, Geduld und Liebe gegen Feinde, Keuschheit, Wohltat usw. und was solche Stücke mit sich bringen. Aber solche Werke gelten und scheinen nicht vor der Welt Augen, denn sie sind nicht seltsam und aufgeblasen, an sonderliche eigene Zeit, Stätte, Weise und Gebärde geheftet sondern gemeine, tägliche Hauswerke, so ein Nachbar gegen den andern treiben kann, darum haben sie kein Ansehen. Jene aber sperren Augen und Ohren auf, dazu helfen sie selbst mit großem Gepränge, Kosten und herrlichem Gebäu und schmücken sie hervor, dass alles gleißen und leuchten muss. Da räuchert man, da singt und klingt man, da zündet man Kerzen und Lichte an, dass man vor diesen keine andere hören noch sehen könne. Denn dass da ein Pfaff in einer goldenen Kasel steht oder ein Laie den ganzen Tag in der Kirche auf den Knien liegt, das heißt ein köstliches Werk, das niemand genug loben kann. Aber dass ein armes Maidlein eines jungen Kindes wartet und treulich tut, was ihr befohlen ist, das muss nichts heißen. Was sollen sonst Mönche und Nonnen in ihren Klöstern suchen? Siehe aber, ist es nicht eine verfluchte Vermessenheit der verzweifelten Heiligen, so da sich unterstehen, ein höheres und besseres Leben und Stände zu finden denn die zehn Gebote lehren; geben vor, wie gesagt, es sei ein schlichtes Leben für den gemeinen Mann, ihres aber sei für die Heiligen und Vollkommenen, und sehen nicht, die elenden, blinden Leute, dass kein Mensch so weit bringen kann, dass er eines von den zehn Geboten halte, wie es zu halten ist, sondern noch beide, der Glaube und das Vaterunser, zu Hilfe kommen muss (wie wir hören werden), dadurch man solches suche und bitte und ohne Unterlass empfange. Darum ist ihr Rühmen gerade so viel, als wenn ich rühmte und sagte: Ich habe zwar nicht einen Groschen zu bezahlen, aber zehn Gulden traue ich wohl zu bezahlen. Das rede und treibe ich darum, dass man des leidigen Missbrauchs, der so tief eingewurzelt hat und noch jedermann anhängt, loswerde und sich gewöhne, in allen Ständen auf Erden allein hierher zu sehen und sich damit zu bekümmern. Denn man wird noch lange keine Lehre noch Stände aufbringen, die den zehn Geboten gleich sind, weil sie so hoch sind, dass sie niemand durch Menschenkraft erlangen kann, und wer sie erlangt, ist ein himmlischer, englischer Mensch, weit über alle Heiligkeit der Welt. Nimm sie nur vor und versuche dich wohl, lege alle Kraft und Macht daran; so wirst du wohl so viel zu schaffen gewinnen, dass du keine anderen Werke oder Heiligkeit suchen noch achten wirst. Das sei genug von dem ersten Teil, - beide, zu lehren und vermahnen; doch müssen wir zu beschließen wiederholen den Text, welchen wir auch droben im ersten Gebot gehandelt haben, auf dass man lerne, was Gott darauf will gewendet haben, dass man die zehn Gebote wohl lerne treiben und üben. „Ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der über die, so mich hassen, die Sünde der Väter heimsucht an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied. Aber denen, so mich lieben und meine Gebote halten, tue ich wohl in tausend Glied.“ Dieser Zusatz, wiewohl er (wie oben gehört) zuvörderst zum ersten Gebot angehängt ist, so ist er doch um aller Gebote willen gesetzt, als die sich sämtlich hierher ziehen und darauf gerichtet sein sollen. Darum habe ich gesagt, man solle solches auch der Jugend vorhalten und einbläuen, dass sie es lerne und behalte, auf dass man sehe, was uns dringen und zwingen soll, solche zehn Gebote zu halten, und soll es nicht anders ansehen, denn als sei dies Stück zu einem jeglichen sonderlich gesetzt, also dass es in und durch sie alle gehe. Nun ist (wie zuvor gesagt) in diesen Worten zusammengefasst beide, ein zorniges Drohwort und freundliche Verheißung, uns zu schrecken und warnen, dazu zu locken und reizen, auf dass man sein Wort als einen göttlichen Ernst annehme und groß achte, weil er selbst ausdrückt, wie groß ihm daran gelegen sei und wie hart er darüber halten wolle, nämlich dass er gräulich und schrecklich strafen will alle, die seine Gebote verachten und übertreten und wiederum wie reichlich ers belohnen will, wohl tun und alles Gute geben denen, die sie groß achten und gern darnach tun und leben. Damit will er gefordert haben, dass sie alle aus solchem Herzen gehen, das allein Gott fürchtet und vor Augen hat, und aus solcher Furcht alles lässt, was wider seinen Willen ist, auf dass es ihn nicht erzürne; und dagegen auch ihm allein vertraut und ihm zu Liebe tut, was er haben will, weil er sich so freundlich als ein Vater hören lässt und uns alle Gnade und Gutes anbietet. Das ist auch eben die Meinung und rechte Auslegung des ersten und vornehmsten Gebotes, daraus alle anderen quellen und gehen sollen; also dass dies Wort „du sollst nicht andere Götter haben“ nichts anderes aufs einfältigste will gesagt haben, denn soviel hier gefordert: Du sollst mich als deinen einigen rechten Gott fürchten, lieben und mir vertrauen. Denn wo ein solches Herz gegen Gott ist, das hat dieses und alle andere erfüllt; wiederum wer etwas andres im Himmel und auf Erden fürchtet und liebt, der wird weder dieses noch keines halten. Also hat die ganze Schrift überall dies Gebot gepredigt und getrieben, alles auf die zwei Stücke, Gottesfurcht und Vertrauen, gerichtet, und vornehmlich der Prophet David im Psalter durch und durch, als da er spricht: der HERR hat Gefallen an denen, die ihn fürchten und auf seine Güte warten, als wäre das ganze Gebot mit einem Vers ausgestrichen und ebensoviel gesagt: der HERR hat Gefallen an denen, die keine andere Götter haben. Also soll nun das erste Gebot leuchten und seinen Glanz geben in die andern alle. Darum musst du auch dies Stück lassen gehen durch alle Gebote, als die Schale oder Bügel im Kranz das Ende und Anfang zu Haufe füge und alle zusammen halte, auf dass mans immer wiederhole und nicht vergesse, als nämlich im andern Gebot, dass man Gott fürchte und seines Namens nicht missbrauche zu Fluchen, Lügen, Trügen und anderer Verführung oder Büberei, sondern recht und wohl brauche mit Anrufen, Beten, Loben und Danken, aus Liebe und Vertrauen, nach dem ersten Gebot geschöpft; desgleichen soll solche Furcht, Liebe und Vertrauen treiben und zwingen, dass man sein Wort nicht verachte, sondern lerne, gern höre, heilig halte und ehre. Darnach weiter durch die folgenden Gebote gegen den Nächsten auch also; alles aus Kraft des ersten Gebotes, dass man Vater und Mutter, Herren und alle Obrigkeit ehre, untertan und gehorsam sei, nicht um ihretwillen, sondern um Gottes willen, denn du darfst weder Vater noch Mutter ansehen noch fürchten noch ihnen zu lieb tun oder lassen. Siehe aber zu, was Gott von dir haben will und gar getrost fordern wird; lässt du es, so hast du einen zornigen Richter, oder wiederum einen gnädigen Vater. Item dass du deinem Nächsten kein Leid, Schaden noch Gewalt tust noch einerlei Weise zu nahe seiest, es treffe seinen Leib, Gemahl, Gut, Ehre oder Recht an, wie es nach-einander geboten ist, ob du gleich Raum und Ursache dazu hättest und dich kein Mensch darum strafte, sondern jedermann wohl tust, helfest und förderst, wie und wo du kannst, allein Gott zu Liebe und Gefallen, in dem Vertrauen, dass er dir alles reichlich will erstatten. Also siehst du, wie das erste Gebot das Haupt und Quellborn ist, so durch die andern alle geht, und wiederum alle sich zurückziehen und hangen in diesem, dass Ende und Anfang alles ineinander geknüpft und gebunden ist. Solches (sage ich nun) ist nütz und not dem jungen Volk immer vorzuhalten, vermahnen und erinnern, auf dass sie nicht allein, wie das Vieh, mit Schlägen und Zwang, sondern in Gottes Furcht und Ehre aufgezogen werden. Denn wo man solches bedenkt und zu Herzen nimmt, dass es nicht Menschentand, sondern der hohen Majestät Gebote sind, der mit solchem Ernst darüber hält, zürnt und straft, die sie verachten, und wiederum so überschwenglich vergilt denen, die sie halten, daselbst wird man sich selbst reizen und treiben, gern Gottes Willen zu tun. Darum ist nicht umsonst im Alten Testamente geboten, dass man soll die zehn Gebote schreiben an alle Wände und Ecken, ja an die Kleider, nicht dass mans allein lasse da geschrieben stehen und Schau trage, wie die Juden taten, sondern dass mans ohne Unterlass vor Augen und in stetem Gedächtnis habe, in alle unserm Tun und Wesen treibe und ein jeglicher es lasse seine tägliche Übung sein in allerlei Fällen, Geschäften und Händeln, als stünde es an allen Orten geschrieben, wo er hinsieht ja wo er geht oder steht; so würde man beides, für sich daheim in seinem Haus und gegen Nachbarn, Ursache genug finden, die zehn Gebote zu treiben, dass niemand weit darnach laufen dürfte. Aus dem sieht man abermals wie hoch diese zehn Gebote zu heben und preisen sind über alle Stände, Gebote und Werke, so man sonst lehrt und treibt. Denn hier können wir trotzen und sagen: Lass auftreten alle Weisen und Heiligen, ob sie könnten ein Werk hervorbringen als diese Gebote, so Gott mit solchem Ernst fordert und befiehlt bei seinem höchsten Zorn und Strafe, dazu so herrliche Verheißung dazu setzt, dass er uns mit allen Gütern und Segen überschütten will. Darum soll man sie je vor allen andern lehren, teuer und wert halten als den höchsten Schatz, von Gott gegeben.


- Fortsetzung -