Gottes Unveränderlichkeit.

 

(Anm.: Diese Predigt hielt Kierkegaard am 18. Mai 1851 in der Citadellenkirche Kopenhagens: in Druck gab er sie am 5. Mai 1854)

 

Du Unveränderlicher, den nichts verändert, Du in Liebe unveränderlicher, der Du gerade zu unserm Besten Dich nicht verändern läßt: daß auch wir unser eignes Wohl suchten, durch Deine Unveränderlichkeit uns erziehen ließen, in unbe-dingtem Gehorsam Ruhe zu finden und zu ruhen in Deiner Unveränderlichkeit. Du bist nicht wie ein Mensch, der nicht viel haben darf was ihn bewegt, und sich nicht darf zu sehr bewegen lassen, wenn er nur etwas Unveränderlichkeit bewahren will. Dich bewegt und in unendlicher Liebe Alles; selbst was wir Menschen unbedeutend nennen, woran wir unbewegt vorübergehen: des Vogels Mangel bewegt Dich; was wir oft kaum beachten, ein menschlicher Seufzer bewegt Dich, unendliche Liebe: aber nichts verändert Dich, Du Unveränderlicher! Der Du in unendlicher Liebe Dich bewegen lässest, laß Dich auch unsere Bitte bewegen, daß Du sie segnest, und das Gebet uns verändere in Übereinstim-mung mit Deinem unveränderlichen Willen.

 

Jac. 1,17–21.

Alle gute und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab vom Vater des Lichts, bei welchem ist keine Veränderung nach Wechsel des Lichts und der Finsternis. Er hat uns gezeugt nach seinem Willen durch das Wort der Wahr-

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heit, auf daß wir wären Erstlinge seiner Kreaturen. Darum, lieben Brüder, ein jeglicher Mensch sei schnell zu hören, langsam aber zu reden und langsam zum Zorn. Denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist. Darum leget ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit und nehmt das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt ist, welches kann eure Seelen selig machen.

 

M. Z. Du hörtest den Text verlesen. Wie nahe liegt es nun nicht an den Gegen-satz zu denken; an die Veränderlichkeit der irdischen Dinge und der Menschen! an das Niederdrückende und Ermüdende, daß alles Vergänglichkeit ist und die Menschen veränderlich sind, Du, mein Zuhörer und ich! Traurig daß die Ver-änderung so oft zum schlimmeren ist! Armer menschlicher Trost, aber doch ein Trost, daß bei dem Veränderlichen noch eine Veränderung ist: daß es ein Ende nimmt.

Doch wenn wir so redeten, besonders in diesem Geist der Verstimmung, also nicht wie im Ernst von der Vergänglichkeit und menschlicher Unbeständigkeit gesprochen wird: da hielten wir uns nicht an den Text, sondern wir verließen, ja wir veränderten ihn. Denn der Text redet von dem Gegenteil, von Gottes Unver-änderlichkeit. Der Text ist lauter Friede und Freude; wie des Berges Gipfel, wo die Stille wohnt, so ist des Apostels Rede erhoben über alle Veränderlichkeit des Erdenlebens; er redet von Gottes Unveränderlichkeit; von dem Vater des Lichts, der droben wohnt, wohin kein Wechsel naht, auch nicht ein Schatten davon. Er redet von guten und vollkommenen Gaben, die

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von oben herab kommen, von diesem Vater, der als Vater des Lichts sich unendlich zu sichern weiß, daß wahrlich gut und vollkommen ist, was von ihm kommt, und als „Vater“ nichts lieber will, nichts andres denkt als unverändert gute und vollkommene Gaben zu senden. Und deshalb, meine lieben Brüder, sei jeder Mensch „schnell zu hören“, nämlich nicht nach losem und leerem, sondern nach oben, denn von da oben her erfährt man beständig nur gutes Neue; „langsam zu reden“ denn das schnellfertige Gerede der Menschen dient meist nur dazu die guten und vollkommenen Gaben weniger gut und vollkommen zu machen; „langsam zum Zorn“ daß wir nicht, wenn uns die Gaben nicht gut und vollkom-men scheinen, zornig werden, und bewirken, daß das Gute und Vollkommene, das zu unserm Wohl bestimmt war, durch unsre eigne Schuld uns zum Verderben wird; das kann des Menschen Zorn anrichten, und „des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist“. „Darum leget ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit“ – wie man das Haus reinigt und schmückt und selbst festlich gekleidet den Besuch erwartet, daß wir so möchten würdig die guten und vollkommenen Gaben empfangen. „Und nehmet das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt ist, welches kann eure Seelen selig machen!“ Mit Sanftmut! In Wahrheit, wenn es nicht der Apostel sagte und wenn wir nicht gleich dem Befehl nachkämen zu sein „langsam zum reden und langsam zum Zorn“, müßten wir wohl sagen: das ist eine sonderbare Rede; sind wir so töricht, daß wir müßten zur Sanftmut ermahnt werden, wo es sich um unser Wohl handelt; das ist ja als würde über uns ge-spottet, wenn so das Wort Sanftmut angebracht wird. Denn sieh, wenn

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einer mich mit Unrecht schlagen will und da steht ein Anderer dabei, der mahnend sagt: finde Dich mit Sanftmut darein, das ist verständliche Rede. Aber wenn die Liebe selbst kommt mit einer Gabe, die gut und vollkommen ist, wie sie selbst, und mir sie schenken will – da steht ein Anderer dabei und sagt mahnend: finde Dich mit Sanftmut darein! Und doch steht es mit uns Menschen so. Ein Heide, auch nur ein Mensch, der einfältige Weise im Altertum, klagt, er habe es oft erfahren, wenn er dem einen und dem andern Menschen eine Torheit nehmen wollte um ihm besseres Wissen zu geben, also ihm wohl tun wollte, daß da der Andere so zornig werden konnte, daß er, wie der einfältige Weise in scherzen-dem Ernst sagt, ihn beißen wollte. Ach, und was hat nicht Gott erfahren müssen in diesen 6000 Jahren, was erfährt er nicht jeden Tag vom Morgen bis zum Abend mit jedem Einzelnen dieser Millionen Menschen; wir werden zuweilen am meisten aufgebracht, wenn er uns am meisten wohltun will. Ja, wenn wir Menschen in Wahrheit unser eigen Wohl kannten, und im tiefsten und wahrsten Sinn unser eignes Wohl wollten, dann bedürfte es keiner Ermahnung zur Sanftmut in dieser Hinsicht. Aber wir Menschen (wer hat das nicht in eigner Erfahrung vernommen) wir sind doch in Beziehung zu Gott wie Kinder. Und deshalb ist bei dem Empfangen des Guten und Vollkommenen die Ermahnung zur Sanftmut nötig – in dem Grade ist der Apostel überzeugt, daß nur gute und vollkommene Gaben von ihm, dem ewig Unveränderlichen, herabkommen.

Verschiedene Gesichtspunkte! Bloß menschlich redet man (wie ja das Heidentum zeigt) geringer von Gott und

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ist überwiegend geneigt nur wehmütig von der Veränderlichkeit der menschlichen Dinge zu reden; der Apostel will einzig und allein von der Unveränderlichkeit Gottes reden. Für den Apostel ist der Gedanke an Gottes Unveränderlichkeit lauter Trost, Friede, Freude, Seligkeit. Und das ist ja auch so. Aber laß uns nicht vergessen: daß es für den Apostel so ist, liegt daran, daß er eben der Apostel ist, daß er sich bereits längst in unbedingtem Gehorsam in Gottes Unveränderlichkeit hingegeben hatte, daß er nicht am Anfang sondern eher am Ende des Weges stand, des engen aber auch des guten Weges, den er Alles verlassend gewählt hatte, und dem er unverändert ohne zurückzusehen folgte mit immer stärkeren Schritten der Ewigkeit entgegeneilend. Bei uns dagegen, die wir Anfänger sind, in der Erziehung, muß sich Gottes Unveränderlichkeit auch von einer andern Seite zeigen, und vergessen wir diese so laufen wir Gefahr die Erhobenheit des Apostels eitel zu nehmen. So wollen wir denn reden womöglich in Furcht und zur Beruhigung von Dir, Du Unveränderlicher oder von Deiner Unveränderlichkeit.

Gott ist unveränderlich. Allmächtig schuf er diese sichtbare Welt – und machte sich unsichtbar; er hüllte sich in die sichtbare Welt wie in ein Gewand; er ver-ändert sie wie man ein Kleid ändert – selbst unverändert. So in der sichtbaren Welt. In der Welt der Begebenheiten ist er überall zur Stelle in jedem Augenblick; in wahrerem Sinn als die wachsamste menschliche Gerechtigkeit, von der es heißt, sie sei überall zugegen, ist er, niemals von einem Sterblichen gesehen allgegenwärtig bei dem Geringsten und

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bei dem Größesten, bei dem, was nur uneigentlich eine Begebenheit heißen kann, und bei dem, was die einzige Begebenheit ist, wenn ein Sperling stirbt und wenn der Retter des Menschengeschlechts geboren wird. Er hält in jedem Augenblick alles Wirkliche als Möglichkeit in seiner allmächtigen Hand, hat in jedem Augenblick alles in Bereitschaft, verändert in einem Nu alles, der Men-schen Meinungen und Urteile, menschliche Hoheit sowohl als Niedrigkeit, er verändert alles – selbst unverändert. Wenn alles anscheinend unverändert ist (denn es ist nur Schein, wenn das Äußerliche zu einer Zeit unverändert ist, es verändert sich immer) wie in der allgemeinen Umwälzung bleibt er gleich unverändert; kein Wechsel berührt ihn, auch nicht der Schatten eines Wechsels; in unveränderter Klarheit ist er der Vater des Lichts ewig unverändert In unver-änderter Klarheit – ja gerade deshalb ist er unverändert, weil er lauter Klarheit ist, eine Klarheit in der keine Dunkelheit ist und der keine Dunkelheit nahe kommen kann. Mit uns Menschen ist es nicht so; wir sind nicht so Klarheit, und gerade deshalb sind wir veränderlich: bald wird etwas lichter in uns, bald verdunkelt sich etwas und wir werden verändert; jetzt wechselt es außen um uns her und der Schatten des Wechsels gleitet verändernd über uns, jetzt wieder fällt von der Außenwelt eine verändernde Beleuchtung auf uns, während wir unter all dem wieder in uns selbst verändert werden. Aber Gott ist unveränderlich.

Dieser Gedanke ist erschreckend, lauter Furcht und Zittern. Im Allgemeinen wird das vielleicht weniger hervorgehoben; man klagt über die Veränderlichkeit der Menschen und alles Zeitlichen, aber Gott ist 

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unveränderlich, das ist der Trost, lauter Trost, sagt sogar der Leichtsinn. Ja gewiß, Gott ist unveränderlich.

Aber zuerst und zuvörderst, bist Du auch im Einverständnis mit Gott, bedenkst Du recht ernstlich, strebst Du aufrichtig zu verstehen – und das ist Gottes ewig unveränderlicher Wille mit Dir wie mit jedem Menschen – strebst Du aufrichtig zu verstehen, was Gottes Wille mit Dir sein kann? Oder lebst Du so hin und ist Dir das nicht eingefallen? Schrecklich, daß er dann der ewig Unveränderliche ist, denn mit diesem unveränderlichen Willen mußt Du doch einmal früher oder später zusammenstoßen, mit diesem unveränderlichen Willen, der wollte, daß Du es bedenken solltest, weil er Dein Wohl will. Dieser unveränderliche Wille, welcher dann Dich zermalmen muß, wenn Du in andrer Weise mit ihm zu-sammenstößt. Und Du, der Du in Einverständnis mit Gott bist, bist Du mit ihm auch in gutem Einverständnis, ist Dein Wille sein Wille, unbedingt sein Wille, sind Deine Wünsche und jeder deiner Wünsche sein Gebot, Deine Gedanken der erste und der letzte seine Gedanken; wenn nicht, dann ist es fürchterlich daß Gott unveränderlich, ewig, ewig unveränderlich ist! Schon mit einem Menschen uneins sein! Doch vielleicht bist Du der Stärkere und sagst von dem andern: er verändert sich schon noch; oder wenn er auch der Stärkere ist, meinst Du vielleicht doch länger aushalten zu können. Aber wenn es die ganze Zeit ist! – Doch vielleicht denkst Du: 70 Jahr sind keine Ewigkeit. Aber der ewig Unver-änderliche – wenn Du mit ihm uneins wärest, das ist ja eine Ewigkeit, und ist fürchterlich!

Denk Dir einen Wanderer; er wird zum Stillstand ge-

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-bracht am Fuß eines ungeheuren, eines unübersteiglichen Berges. Darüber soll er – nein, er soll nicht, aber er will hinüber, denn sein Wünschen, sein Sehnen, sein Begehren, seine Seele – die hat eine leichtere Art Beförderung – ist bereits drüben auf der andern Seite, und es fehlt nur noch, daß er ihr nachfolgt. Denk Dir er würde 70 Jahr alt; aber der Berg steht unverändert, unübersteiglich. Laß ihn noch einmal 70 Jahr alt werden; aber der Berg steht ihm unverändert im Wege, unverändert, unübersteiglich. So verändert er sich vielleicht unter alledem, er stirbt ab seinem Sehnen, seinem Wünschen und Begehren, er kennt kaum noch sich selbst; so trifft ihn nun ein ferneres Geschlecht verändert sitzend am Fuß des Berges, der unverändert unübersteiglich dasteht. Laß 1000 Jahr vergangen sein; er der Veränderte ist längst tot, nur eine Sage erzählt von ihm, sie ist das einzige, was übrig blieb – ja und dann der Berg, der steht unverändert, unüber-steiglich. Und nun der ewig Unveränderte, vor dem 1000 Jahr sind wie ein Tag, ach und selbst dies ist zu viel gesagt, sie sind vor ihm wie ein Nu, ja eigentlich sind sie vor ihm als wären sie nicht vor ihm – wenn du nur in fernster Weise einen andern Weg willst als wo er Dich haben will, fürchterlich!

Wahr genug, wenn Dein und mein und dieser vielen Tausenden Wille auch nicht so ganz in Übereinstimmung mit Gott ist: es geht ja so gut es gehen mag in der Geschäftigkeit der sogenannten wirklichen Welt; Gott läßt eigentlich nichts von sich merken; eher ist es wohl so, daß wenn da ein Gerechter wäre – wenn es einen solchen gäbe – der diese Welt betrachtete, eine Welt von der die Schrift sagt, daß sie im Argen liegt, er müßte wohl miß-

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mutig darüber werden, daß Gott nichts von sich merken läßt. Aber glaubst Du deshalb, daß Gott sich verändert hat, oder ist es weniger fürchterlich, daß er nichts von sich merken läßt, wenn es doch gewiß ist, daß er ewig unveränderlich ist? Mir scheint es nicht so. Bedenk es doch und sage dann, welches ist das fürchterlichste: dies, daß der unendlich Stärkere müde davon sich spotten zu lassen, sich in seiner Macht zeigt und die Widerstrebenden zermalmt – das ist fürchterlich, und so wird es auch dargestellt, wenn davon gesprochen wird, daß Gott sich nicht spotten läßt, und auf die Zeiten hingewiesen wird, wo sein Gericht über das ganze Menschengeschlecht vernichtend einherschritt. Aber ist das doch das fürchterlichste? ist es nicht noch fürchterlicher, wenn der unendlich Stärkere – ewig unveränderlich! – ganz stille sitzt und zusieht ohne Veränderung einer Miene fast als wäre er nicht da, während doch, so müßte wohl der Gerechte klagen, die Unwahrheit Fortgang und Macht hat, Gewalt und Unrecht siegt und zwar in dem Maße, daß selbst ein Besserer kann versucht werden zu meinen, er müßte in etwas dieselben Mittel benutzen, wenn er hoffen will etwas für das Gute auszurichten, und es ist als wäre er ganz zu Spott geworden, er der unendlich Mächtige, der ewig Unveränderliche, der sich weder spotten noch verändern läßt – ist nicht dies das Fürchterlichste? Denn weshalb glaubst Du wohl ist er so stille? Weil er bei sich selbst weiß, daß er ewig unveränderlich ist. Einer der nicht so seiner selbst ewig sicher ist, der könnte sich nicht so stille halten, der erhöbe sich in seiner Macht; nur der ewig Unveränderliche kann so stille sitzen. Er gibt Zeit, das kann er auch, er hat die Ewigkeit und ewig bleibt er unverändert;

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er gibt Zeit, daß tut er mit wohlberatenem Sinn, dann kommt eine Rechenschaft der Ewigkeit, wo nichts vergessen ist, nicht ein einziges von den unziemlichen Worten die gesprochen wurden, und ewig ist er unveränderlich. Doch es kann auch Barmherzigkeit sein, daß er so Zeit gibt, Zeit zur Umkehr und Besserung, aber fürchterlich, wenn diese Zeit nicht so benützt wird, denn dann müßte die Torheit und der Leichtsinn in uns lieber wünschen, daß er mit der Strafe gleich bei der Hand wäre, als daß er so Zeit gibt, daß er wie gar nicht da ist und doch ewig unveränderlich ist. Frage einen Erzieher – und wir sind doch alle im Verhältnis zu Gott mehr oder weniger Kinder! – frag den der mit unverständigen Menschen zu tun hat, und jeder von uns ist doch mindestens einmal unverstän-dig gewesen, und ist es in längerer oder kürzerer Zeit mit größerem oder geringerem Zwischenraum noch – und Du sollst hören, er wird meinen, daß es eine große Hilfe für den Leichtsinn ist, oder richtiger zur Verhinderung des Leichtsinns – und wer dürfte sich ganz von Leichtsinn freisprechen! – daß die Strafe womöglich im Nu auf die Übertretung folgt, damit das Gedächtnis des Leichtsinnigen gewöhnt wird an die Strafe zugleich mit der Schuld zu denken. Ja wäre es so, wäre Verfehlung und Strafe so miteinander verbunden, daß im selben Nu wo man die verbotene Lust ergreift oder die Pflicht verfehlt, im selben Nu die Strafe folgte: ich glaube der Leichtsinn würde sich hüten. Aber je längere Zeit zwischen der Schuld und der Strafe ist (die aber recht verstanden gerade das Maß für den Ernst der Sache ist), um so mehr fühlt sich der Leichtsinn versucht, als könnte vielleicht das Ganze vergessen werden, oder vielleicht die

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Gerechtigkeit selbst sich verändern und zu der Zeit ganz andere Begriffe haben, oder als würde es wenigstens zu lange her sein, als daß die Sache unverändert dargestellt werden könnte. So verändert sich der Leichtsinn, aber nicht zum Bessern; er wird sicher, und wenn er sicher geworden ist, so erdreistet er sich mehr, und dann geht Jahr um Jahr hin – die Strafe bleibt aus und Vergessen tritt ein und wieder bleibt die Strafe aus, aber neue Verfehlung bleibt nicht aus, und die alte ist bösartiger geworden; und dann ist es vorbei, dann schließt der Tod ab – und zu alle dem (es war nur Leichtsinn!) war ein ewig Unveränderlicher Zeuge: war es dann auch Leichtsinn? ein ewig Unveränderlicher und das ist der, dem Du mußt Rechenschaft ablegen. In dem Augenblick, da der Zeiger der Zeit, der Minutenzeiger, 70 Jahr zeigte und der Mensch starb, in der Zeit hatte der Zeiger der Ewigkeit sich kaum gerührt: in dem Grade ist alles gegenwärtig für die Ewig-keit und für ihn den Unveränderlichen.

Und deshalb, wer Du auch bist, denke daran, was ich zu mir selbst sage, daß vor Gott nichts Bedeutendes und nichts Unbedeutendes ist, daß in einem Sinn das Bedeutende für ihn unbedeutend ist, in anderem Sinn selbst das Unbedeutendste für ihn unendlich bedeutend ist. Ist Dein Wille nicht in Übereinstimmung mit dem seinen, bedenk es, Du entgehst ihm niemals, danke ihm, wenn er durch Milde oder durch Strenge Dich lehrt Deinen Willen in Übereinstimmung mit dem seinen zu bringen – fürchterlich, wenn er nichts von sich merken läßt, fürchterlich, wenn es mit einem Menschen so weit kommen könnte, daß er fast darauf trotzt, daß Gott entweder nicht da ist, oder daß er sich ver-

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ändert hat, oder auch nur zu groß ist um Acht zu geben auf das, was wir Kleinig-keiten nennen; denn er ist da, und ist ewig unveränderlich, und seine unendliche Größe ist grade die, daß er auch das Mindeste sieht, ja und wenn Du nicht willst wie er, so gedenkt er daran unverändert eine Ewigkeit!

Es ist also für uns leichtsinnige und unbeständige Menschen lauter Furcht und Zittern in diesem Gedanken an Gottes Unveränderlichkeit. O bedenk es wohl! ob er sich merken läßt oder nicht, er ist ewig unveränderlich: bedenk es wohl, wenn Du, wie man sagt, Außenstände mit ihm hast, er ist unveränderlich. Vielleicht hast Du ihm etwas gelobt, durch heiliges Gelübde Dich verpflichtet . . . aber im Lauf der Zeit hast Du Dich verändert, denkst nun seltener an Gott (hast vielleicht in späteren Jahren wichtigere Dinge zu bedenken?) oder Du denkst vielleicht anders von Gott, daß er sich nicht um die Kleinigkeiten Deines Lebens kümmere, daß solcher Glaube Kinderei sei, in jedem Falle hast Du dann vergessen, was Du ihm gelobtest, und danach vergessen, daß Du es ihm gelobtest, und zuletzt vergessen – ja vergessen, daß er nichts vergißt, er der ewig Unveränderliche, daß es grade das verkehrte kindische Wesen der spätern Jahre ist zu meinen, daß etwas für Gott unbedeutend sei, und daß Gott etwas vergesse, er der ewig Unveränderliche!

Bei dem Verhältnis der Menschen unter einander wird oft über Veränderlichkeit geklagt, der eine klagt über den andern, daß er sich verändert habe, aber selbst unter Menschen kann zuweilen die Unverändertheit des Einen wie zur Plage sein. Vielleicht hat einer zu dem andern von sich selbst gesprochen; vielleicht war es eine etwas kindliche, ver-

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zeihliche Rede, die er führte. Aber vielleicht war die Sache auch ernstlicher; das törichte, eitle Herz fühlte sich versucht in hohen Tönen von seiner Begeisterung, von der Beständigkeit seiner Gefühle, von seinem Wollen in dieser Welt zu reden. Der Andere hörte ruhig darauf, er lächelte nicht einmal noch hinderte er ihn im Reden; er ließ ihn reden, er hörte, er schwieg; nur gelobte er, wie das verlangt wurde, daß Gesagte nicht zu vergessen. So ging die Zeit hin und der erste hatte längst das alles vergessen; der andere dagegen hatte es nicht vergessen. Ja laß uns das noch sonderbarere denken, er hatte sich von den Gedanken bewegen lassen, welche der erste in augenblicklicher Stimmung des Augenblicks ausgesprochen hatte ach und sich gleichsam weggesprochen hatte; er hatte in redlichem Streben sein Leben danach gestaltet: welche Plage dieses unveränderte Gedenken, da er nur zu deutlich zeigt, daß er nicht das Mindeste von dem vergaß, was in jenem Augenblick gesagt wurde!

Und nun der ewig Unveränderliche – und dieses menschliche Herz! O mensch-lich Herz, was birgst du doch nicht in deinem geheimnisvollen Verschluß unbekannt für Andere – das wäre nicht das Schlimmste – aber zuweilen fast unbekannt für den Betreffenden selbst! Fast ist es ja, sobald nur ein Mensch etwas zu Jahren gekommen ist, fast ist es ja wie ein Gräberfeld dieses mensch-liche Herz. Da liegen sie begraben, begraben in Vergessenheit, die Gelübde, Vorsätze, Beschlüsse, Pläne und Bruchstücke von Plänen, und Gott weiß was – ja so reden wir Menschen, denn wir Menschen bedenken selten was wir sagen, wir sagen: da liegt Gott weiß was. Und das sagen wir so halb leichtsinnig, halb müde vom Leben – und nun ist es so fürch-

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terlich wahr, daß Gott weiß bis zum mindesten, was Du vergessen hast; was sich für Dein Gedächtnis verändert hat, das weiß er unverändert; er erinnert sich nicht, als wäre es etwas vergangen, nein, er weiß es als wäre es heute, er weiß es, als wäre zu ihm von diesen Wünschen und Vorsätzen und Beschlüssen gesprochen – und er ist ewig unverändert und ewig unveränderlich. O kann einem das Gedächtnis eines andern Menschen zur Last fallen – nun es ist doch wohl niemals ganz zuverlässig, und in jedem Fall kann es nicht eine Ewigkeit währen, ich werde doch frei von diesem Menschen und seinem Gedächtnis; aber ein Allwissender und ein ewig unveränderliches Gedächtnis, dem Du nicht entgehst, am wenigsten in der Ewigkeit: fürchterlich! Für Ihn ist alles ewig gegenwärtig, ewig gleich gegenwärtig, kein verändernder Schatten des Morgens oder des Abends, der Jugend oder des Alters, des Vergessens oder der Ent-schuldigung verändert ihn; nein, bei ihm ist kein Schatten; sind wir, wie man sagt, Schatten, er ist ewig Klarheit in seiner ewigen Unveränderlichkeit; sind wir Schatten, die hineilen – meine Seele, sieh dich doch vor, denn ob du willst oder nicht, du eilst hin zur Ewigkeit, zu ihm, und er ist ewig Klarheit! Deshalb hält er nicht bloß Rechenschaft, sondern er ist die Rechenschaft; wir Menschen sollen Rechenschaft ablegen – das klingt, als wäre dazu eine lange Zeit nötig und dann vielleicht eine nicht zu bewältigende Menge von Weitläufigkeiten um die Rechen-schaft fertig zu machen: o meine Seele, sie ist in jedem Augenblick getan; denn seiner unveränderlichen Klarheit ist die Rechenschaft bis zum mindesten voll-ständig fertig und bewahrt von ihm dem ewig Unveränderlichen, der nichts vergessen hat von dem was ich

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vergaß, auch nicht, wie ich, etwas anders in der Erinnerung hat, als es wirklich war. So ist da lauter Furcht und Zittern in diesem Gedanken an Gottes Unver-änderlichkeit, fast ist es als wäre es weit, weit über Menschenkräfte mit einer solchen Unveränderlichkeit zu tun zu haben, ja als müßte dieser Gedanke in Angst und Unruh stürzen bis zur Verzweiflung.

Aber dann ist es doch auch so, daß Beruhigung und Seligkeit in diesem Gedan-ken ist; das ist wirklich so, und wenn Du ermüdet von all der menschlichen und zeitlichen und irdischen Veränderlichkeit, ermüdet von Deiner eigenen Unbe-ständigkeit eine Stätte wünschtest, wo Du Dein müdes Haupt, Deine müden Gedanken, Deinen müden Sinn ruhen könntest, um recht auszuruhen: o, in Gottes Unveränderlichkeit, da ist Ruhe! Wenn Du deshalb diese seine Unver-änderlichkeit Dir dienen läßt wie er will, zu Deinem Besten, Deinem ewigen Besten, wenn Du Dich erziehen läßt, daß Dein Eigenwille (und von dem kommt eigentlich die Veränderlichkeit, noch mehr als von außen) je eher je lieber ausstirbt, es hilft Dir ja doch nicht, Du mußt doch im Guten oder im Bösen, denk Dir das Vergebliche uneins sein zu wollen mit dem ewig Unveränderlichen, sei wie das Kind, wenn es recht tief vernimmt, daß es sich gegenüber einen Willen hat, vor dem nur Gehorsam hilft – wenn Du Dich durch seine Unveränderlichkeit erziehen läßt, daß Du der Unbeständigkeit und Veränderlichkeit, der Laune und Eigenwilligkeit entsagst: da ruhst Du stets sicherer und seliger in dieser Unver-änderlichkeit Gottes. Denn daß der Gedanke an Gottes Unveränderlichkeit selig ist, ja, wer zweifelt daran; aber achte nur darauf, daß Du

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so wirst, daß Du kannst selig in dieser Unveränderlichkeit ruhen. O, wie einer, der ein glückliches Heim hat, sagt man dann: mein Heim ist ewig gesichert: ich ruhe in Gottes Unveränderlichkeit. Die Ruhe kann keiner Dir stören, nur Du selbst; könntest Du ganz gehorsam werden in unverändertem Gehorsam, da solltest Du mit derselben Notwendigkeit wie ein schwerer Körper zur Erde fällt, oder mit derselben Notwendigkeit wie das Leichte sich zum Himmel erhebt, frei ruhen in Gott.

Laß dann nur alles wechseln, wie es geschieht. Sollst Du Deine Wirksamkeit auf größerem Schauplatz finden, wirst Du nach größerem Maßstab die Vergäng-lichkeit aller Dinge erfahren, aber auf einem geringeren Schauplatz und auf dem kleinsten wirst Du doch dasselbe erfahren, vielleicht grade so schmerzlich. Du wirst erfahren wie die Menschen sich verändern und wie Du selbst Dich ver-änderst; zuweilen wird es auch sein als ob Gott sich veränderte, was mit zur Erziehung gehört. Hierüber, über die Veränderlichkeit aller Dinge würde ein älterer Mann besser sprechen können als ich, während vielleicht was ich sagen könnte den ganz Jungen als etwas neues erscheinen möchte. Doch das wollen wir nicht weiter ausführen, sondern der Mannichfaltigkeit des Lebens überlassen es für jeden zu entfalten wie es ihm bestimmt ist, damit er erfahre, was vor ihm alle andern erfahren haben. Zuweilen wird die Veränderung so sein, daß Du des Wortes gedenkst: Abwechslung erfrischt – ja unbeschreiblich! Es werden auch Zeiten kommen, da Du selbst ein Wort erfindest, welches die Sprache verschwie-gen hat, und Du sagst: Abwechslung erfrischt nicht – wie konnte ich doch sagen sie erfrische! Wenn es so ist, wirst Du besonders

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veranlaßt sein (was Du aber doch wohl auch im ersten Fall nicht vergessen wirst) ihn zu suchen, den Unveränderlichen!

Meine Zuhörer! Diese Stunde ist nun bald vorbei und die Rede auch. Wenn Du nicht selbst es anders willst, wird diese Stunde auch bald vergessen sein und die Rede auch. Und wenn Du nicht selbst es anders willst, bald wird auch der Gedanke an Gottes Unveränderlichkeit in Veränderlichkeit vergessen sein. Doch daran ist doch wohl er nicht schuld, er der Unveränderliche! Aber verschuldest Du nicht selbst es zu vergessen, da wirst Du in diesem Gedanken für Dein Leben versorgt sein, ja für eine Ewigkeit.

Denk Dir in der Wüste einen Einsamen; verbrannt fast von der Hitze, ver-schmachtend findet er eine Quelle. O liebliche Kühle! Nun bin ich, Gott sei gelobt, sagt er – und er fand doch nur eine Quelle, wie müßte nicht der reden, der Gott fand! und doch müßte er auch sagen: „Gott sei gelobt“ ich fand Gott! – nun bin ich, Gott sei gelobt, versorgt! Denn deine treufeste Kühle, o geliebte Quelle, unterliegt nicht der Veränderung. In Winters Kälte, wenn sie bis hierher reichte, wirst du nicht kälter, du bewahrst genau dieselbe Kühle, dein Wasser friert nicht! In Mittagsglut der Sommersonne bewahrst du deine Frische unverändert, dein quellendes Wasser wird nicht lau! Und da ist nichts unwahres in dem was er sagt, (er der nach meinen Gedanken keinen undankbaren Gegenstand für eine Lobrede wählte, eine Quelle, was man um so besser versteht, je besser man weiß, was Wüste und Einsamkeit bedeuten), es ist keine unwahre Übertreibung in seiner Lobrede. Indes sein Leben nahm eine andre Wendung, als er gedacht. Er

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verirrte sich einmal und wurde dann in die weite Welt hinausgerissen. Viele Jahre nachher kehrte er zurück. Sein erster Gedanke war die Quelle – sie war nicht da, sie war ausgetrocknet. Einen Augenblick stand er still in Trauer; da faßte er sich und sagte: nein, ich nehme nicht ein Wort von dem zurück, was ich zu deinem Lobe sagte; alles war doch Wahrheit. Und pries ich deine liebliche Frische während du warst, geliebte Quelle, so laß sie mich auch preisen nachdem du verschwunden bist, damit es wahr sei, daß in eines Menschen Brust Unveränder-lichkeit sein kann. Auch kann ich nicht sagen, daß du mich betrogst; nein, hätte ich dich gefunden, ich bin gewiß, deine Frische wäre unverändert gewesen, und mehr hattest du nicht gelobt.

Aber Du o Gott, Du Unveränderlicher, Du bist unverändert immer zu finden und läßt Dich unverändert immer finden; keiner reist weder im Leben noch im Tode so weit fort, daß Du nicht zu finden wärest, daß Du nicht da wärest, Du bist ja überall. Und so bleibst Du ja nicht wie die Quelle an einer Stelle, Du reisest mit; ach und keiner verirrt sich so weit fort, daß er nicht zu Dir zurück finden könnte. Du bist ja nicht wie eine Quelle, die sich finden läßt, Du bist wie eine Quelle, die selbst den Durstigen sucht, den Verirrten, was man nie von einer Quelle gehört. So bist Du unverändert immer und überall zu finden. O, und wann immer ein Mensch zu Dir kommt, in welchem Alter, zu welcher Zeit des Tages, in welchem Zustand: wenn er aufrichtig kommt, er findet immer Deine Liebe gleich warm, Du Unveränderlicher! Amen.

 

- FORTSETZUNG -