Johann Gerhard: Tröstliches Handbüchlein
(Die in C. J. Böttchers Ausgabe sehr zahlreich enthaltenen Fußnoten und Verweisstellen werden im Folgenden nicht wiedergegeben. Und auch die angehängte Sammlung der biblischen Trostsprüche fehlt hier. Die Rechtschreibung wurde der heutigen angenähert. T.G. / 2020)
ENCHIRIDION CONSOLATORIUM
ODER
TRÖSTLICHES HANDBÜCHLEIN
JOHANN GERHARD‘S
WIDER DEN TOD
UND DIE ANFECHTUNGEN BEIM TODESKAMPFE.
AUS DEM LATEINISCHEN ÜBERSETZT
VON
CARL JULIUS BÖTTCHER,
EV. LUTH. PASTOR.
LEIPZIG
VERLAG VON JUSTUS NAUMANN.
1877.
VORBERICHT.
Das vorliegende „Tröstliche Handbüchlein“ gehört zu den Kleinodien lutherischer Erbauungsliteratur. Es ist im Jahre 1611 entstanden und ursprünglich in lateinischer Sprache geschrieben. Sein Verfasser, der große lutherische Dogmatiker Johann Gerhard, war damals bei noch sehr jungen Jahren Superintendent zu Heldburg im Meiningischen. Dasjenige Werk, welches für alle Zeit seinen Ruhm begründete, die unter dem Titel „Loci theologici“ bekannte Dogmatik, wurde in seinen Heldburger Jahren begonnen. Wie er aber allenthalben die christliche Glaubenslehre für das christliche Leben zu verwerten bemüht war – auch seine Dogmatik hat eminent praktischen Wert – so erwuchs in jenen Jahren neben den umfänglichen gelehrten Locis dieses Tröstliche Handbüchlein wider den Tod. Die Loci sind, so zu sagen, wie der große Garten der Natur, darin allerlei nutzbares Kraut gedeiht; dies Handbüchlein aber möchte man einem Arzneigarten vergleichen, darein die Hand eines Heilverständigen die auserlesensten Heilkräuter zusammengepflanzt hat. Den Arzneigarten aber hat der große Theolog zunächst für sich selbst angelegt. Es war damals für ihn betrübte Zeit. Am 10. Jan. des genannten Jahres war ihm sein erster und bis dahin einziger Sohn gestorben. Noch im Mai folgte dem Kinde die junge Mutter. Und während sie dem Tode entgegensiechte, ging auch Johann Gerhard gebrochenen Leibes einher. Aber der inwendige Mensch war ihm ungebrochen. Das machten die Heilkräuter aus Gottes Wort, die er kannte. Diese hat er sich zu eigner Seelenstärkung wenige Wochen vor dem Heimgang seiner Ehegenossin in unser Arzneigärtlein zusammengepflanzt. Weil er’s für sich schrieb, so verfasste er’s in lateinischer Sprache, der Muttersprache der damaligen Gelehrten; aber wir irren wohl nicht, wenn wir annehmen, dass er der ihm so teuren scheidenden Seele bald das eine, bald das andere Kräutlein dargereicht hat, je nachdem es ihr in ihren Anfechtungen not war. So ist das Büchlein, wie wenige, vom Verfasser selbst erlebt und selbst erprobt. Dieweil aber die nämlichen Anfechtungen sich bei jeder Christenseele wiederholen können, und er auch andern dienen wollte mit der Gabe, die er empfangen hatte, ließ er das Büchlein im Druck ausgehen und widmete es mehreren lieben Amtsbrüdern. Das ist bezeichnend; denn ich wüsste niemand, dem das Büchlein brauchbarer sein könnte, als denen, die sonderlich zur Seelsorge berufen sind. Ich will dem Büchlein keinen langen Empfehlungsbrief schreiben; denn das wäre überflüssig, und überflüssiges Schreiben ist noch schlimmer als überflüssiges Reden. Aber das muss ich doch sagen, dass das Büchlein den Seelsorger im Angesichte angefochtener, trostbedürftiger Seelen nie im Stiche lassen wird, dass Kranken-Pfleger und Pflegerinnen darin köstliche Antwort finden auf all die Klagen und Zweifelsfragen, mit denen die Seele vor und in dem letzten Kampfe geängstet werden kann, und dass auch die angefochtene Seele selbst, wenn anders sie das Büchlein recht gebraucht, sich daraus das nötige Kräutlein holen kann. Zum rechten Gebrauch aber (an sich selbst und an andern gehört vornehmlich das, dass man bei bestimmter Anfechtung das dafür nutzbare Kraut sucht, also das Büchlein nicht etwa dem Kranken zum Durchlesen gibt, sondern ihm das zum Lesen vorschlägt oder selbst vorliest, was für seine Anfechtung passt. Daneben mag man immerhin in anfechtungsfreien Tagen den ganzen Garten durchwandern, um kennen zu lernen, welch reichlicher Vorrat von allerlei Kräutern darin zu finden ist, damit man zur rechten Zeit nach dem rechten greife. Nun noch ein kurzes Wort von der Übersetzung. Sehr bald nach der Ausgabe des Büchleins wurde dasselbe verdeutscht, und zwar von mehr als einem, auch von einem Schwager des Verfassers, Johann Schröter. Die mancherlei Übersetzungen aber scheinen dem Verfasser nicht genügt zu haben; daher ließ er im Jahre 1626 eine eigne Übersetzung ausgehen. Nun habe ich an den verschiedensten Orten dieser Gerhard’schen Übersetzung des Gerhard’schen Büchleins nachgeforscht, habe aber nirgends etwas davon gefunden. Das ist erklärlich. Erstlich sind dergleichen kleine Erbauungsschriften selten in größere gelehrte Bibliotheken aufgenommen worden, und zweitens sind sie da, wo sie die meiste Aufnahme fanden, in den Häusern, gemeiniglich im Laufe der Zeit abgenutzt, oder wohl gar z. B. in Pestzeiten mitsamt den Habseligkeiten des Kranken vernichtet worden. Das könnte uns nun recht leid sein. Aber im Grunde ist’s nicht so gar schmerzlich. Denn so trefflich der liebe Gerhard Latein zu schreiben verstand, so übel stand’s um sein Deutsch. Die Gelehrtensprache hing ihm so an, dass er das Deutsch zwar nicht inkorrekt, aber doch in recht schwerfälligem, schwülstigen Stil schrieb. Er unterscheidet sich darin von den andern Erbauungsschriftstellern seiner Zeit, z. B. von Joh. Arnd, die aber freilich nicht soviel lateinisch gedacht und geschrieben haben. Ich vermute, dass Gerhard’s Übersetzung, wenn sie jemand auffände, sich im Stil nicht wesentlich von der seines Schwagers Schröter unterscheiden würde, der einzigen, die ich auffinden konnte, die aber für einen Kranken unsrer Tage beinahe völlig ungenießbar ist. Ich lasse daher, weil das Büchlein der deutsch-lutherischen Kirche und ihren Seelsorgern nicht verloren gehen darf, in aller Bescheidenheit meine Übersetzung ausgehen. Ein wenig Beruf dazu schien mir in der Aufnahme zu liegen, welche die früher von mir übersetzten „Heiligen Betrachtungen“ Gerhard’s gefunden haben. Wie jene, so sucht auch diese Übersetzung dem Leser unserer Tage verständlich zu sein, ohne doch ein anderes Deutsch zu reden, als ein an der Lutherbibel erlerntes. Der Herr geleite sie mit seinem Segen! Die im Anhange (S. 190 ff.) beigegebenen „Trostsprüche und Trostgründe“ Joh. Gerhard’s, die unser Büchlein noch weiter zu einem Vademecum für Seelsorger machen können, sind der einfache, von Druckfehlern gesäuberte Abdruck eines „Traktätleins, in sich begreifend Trostsprüche und Trostgründe in allerhand Not und Anfechtung“, welches Joh. Gerhard im Jahre 1634 nebst drei anderen kleineren Schriften trefflichen Inhalts, die sich aber zur Aufnahme in unser Büchlein nicht eignen, zusammengestellt hat. Veranlasst wurde er dazu durch Herzog Wilhelm II. von Sachsen-Weimar, den Sänger des vielgebrauchten Liedes: „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend“ etc., den Bruder Bernhards des Großen und Ernsts des Frommen. Dieser ließ ihn von Jena, von wo aus Gerhard bekanntlich seine größte Wirksamkeit entfaltete, im April 1634 zu sich nach Weimar kommen und beauftragte ihn mit Abfassung der vier Traktätlein, die er zunächst für seine vier Prinzen bestimmte, und für deren Druck er selbst die Kosten übernahm. Sofort bei seiner Rückkehr nach Jena, noch im Mai desselben Jahres, führte Gerhard den Auftrag aus. Über den Gebrauch der „Trostsprüche“ etc. gilt das vom „Tröstlichen Handbüchlein“ Gesagte. Um ihren Wert kurz zu bezeichnen, könnte man sie im Gegensatz zum „Tröstlichen Handbüchlein“, welches wesentlich für die Anfechtungen beim Todeskampfe bestimmt ist, eine sachlich geordnete Konkordanz des gesamten tröstlichen Schriftworts nennen. Auch sie setze der Herr zu erneutem Segen!
Sachsenburg bei Frankenberg in Sachsen, den 1. Febr. 1877.
Carl Julius Böttcher, ev.-luth. Pastor.
INHALT.
Johann Gerhard’s tröstliches Handbüchlein.
1. Des Todes Vorboten
2. Des Todes dreifacher Stachel
3. Die Sündenangst
4. Die Erinnerung an die wirklichen Sünden
5. Zweifel an der Aneignung der Heilstaten Christi
6. Die falsche Glaubenszuversicht
7. Zu wenig Bußschmerz
8. Die schwere Last des Bußschmerzes
9. Versuchung zur Verzweiflung
10. Versuchung zur Lästerung
11. Die Verheißung nur für etliche
12. Der unbedingte Ratschluss Gottes, etliche zu verwerfen
13. Zweifel an der Zueignung des Verdienstes Christi
14. Das Absolutionswort will nicht haften
15. Ich bin aus dem Taufbunde gefallen
16. Es ist nicht gewiss,
ob ich in den Taufbund wieder aufgenommen werde
17. Ich bin ein unwürdiger Abendmahlsgast
18. Mein Glaube ist schwach
19. Ich habe kein Gefühl von meinem Glauben
20. Ich bin unfähig zum Glauben
21. Die Zahl meiner guten Werke ist so gering
22. Es fehlt mir alles Verdienst
23. Das Gesetz verklagt mich
24. Das Gewissen verklagt mich
25. Meine Buße kommt zu spät
26. Zweifel, ob Gott auch gnädig sei
27. Die rechte Zubereitung fehlt mir
28. Zweifel an der Einwohnung des Heiligen Geistes
29. Zweifel an der Beharrlichkeit
30. Des Teufels List und Macht
31. Der Abfall vieler
32. Zweifel, ob man auch in‘s Buch des Lebens
eingeschrieben sei
33. Die Furcht vor dem Tode
34. Der Stachel des Todes
35. Die Schmerzen des Todes
36. Frühzeitiges Sterben
37. Das fernerne Dienen im Reiche Gottes
38. Selbstverschuldete Lebenskürze
39. Liebe zum Leben
40. Die Trennung vom Ehegemahl,
von Kindern und Verwandten
41. Das Taubwerden der Ohren im Tode
42. Die scheinbare Fruchtlosigkeit der Erlösung
43. Das Entsetzen vor dem Staube
44. Die Auferstehung ist wider die Vernunft
45. Die Flamme des Fegfeuers
46. Die Strenge des jüngsten Gerichts
Gebet in Krankheit
1. DES TODES VORBOTEN.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Da hat mich nun eine Krankheit befallen, wie sie des Todes Vorläufer und Vorbote zu sein pflegt. Ich habe mir bei mir selber „beschlossen, dass ich sterben muss“ und sehe, dass ich dieses Leben werde lassen müssen, das doch so süß ist, und diese Welt, die doch so schön ist, und diese Wohnstätte meines Leibes, die ich doch so über alles lieb habe.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Du bist doch aber nicht für dieses armselige Leben, das nur einen Augenblick währet, sondern für‘s ewige, selige Leben von Gott erschaffen; denn Gott hat ja den Vater des Menschengeschlechts zum ewigen Leben geschaffen. Und bist auch nicht um dieses nichtigen und trübseligen Lebens, sondern um jenes ewigen, allerseligsten Lebens willen von Christo erlöst, das im Himmel deiner noch wartet. Denn das ist je gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Christus Jesus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen. Ja, du bist auch nicht dazu vom Heiligen Geiste durchs Wort in Christi Reich berufen, dass du eine kleine Weile bei diesem Erdenlichte fröhlich sein solltest, sondern dazu, dass du dereinst aus dem Reich der Gnaden in’s Reich der Ehren, aus der streitenden Kirche in die triumphierende, „aus dem Tränenfeld in das Land der süßen Wonne“ hinüberkämst. Denn hoffen wir allein in diesem Leben auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Darum, wenn du jetzt siehst, dass du durch die Pforte des Todes in jenes Leben eingeführt werden sollst, um deß willen dich der Vater erschaffen und der Sohn erlöst und der Heilige Geist geheiligt hat, so verachte nur nicht den gnädigen Rat Gottes wider dich selbst, sondern, wenn dich Gott ruft, so folge und gehorche ihm mit allen Freuden!
2. DES TODES DREIFACHER STACHEL.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ach, es erschreckt mich der Gedanke an den Tod, und der schreckliche Anblick dieses Feindes macht mir ganz angst und bange. Er zeigt mir seinen Stachel, die Sünde; der droht mir mit furchtbarer dreifacher Spitze. Denn Gottes Zorn und des Gesetzes Verklagen und die Abscheulichkeit meiner Sünden stellt er mir vor Herz und Augen. Der Tod ist ja der Sünden Sold, und durch die Sünde ist der Tod auch zu mir gekommen, wie über alle Menschen.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Lass dich aber dabei von mir an eines erinnern! Wenn du über deine begangenen Sünden ernstlich und im inwendigsten Herzen zerknirscht bist, musst du auch auf den blicken, der auf dem Altar des Kreuzes für dich gestorben ist, auf dass du nicht des ewigen Todes sterben müsstest. Wende nur deine Augen weg und siehe dir nicht mehr die auswendige Gestalt des Todes an, sondern wende sie auf Christum, der durch den Tod die Macht genommen hat dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel, und erlöste die, so durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein mussten. Er ist für unsern Tod ein tödlich Gift und für die Hölle, die wir verdient hatten, eine Pestilenz worden. Er ist die Auferstehung und das Leben. Wer an ihn glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe, und wer da lebt und glaubt an ihn, der wird nimmermehr sterben. Gleich wie wir in Adam, d. i. um der Sünde willen, die von Adam auf uns gekommen ist, und um der Tatsünde willen, die wir noch hinzugetan haben, alle dem Tode verfallen sind und zuletzt sterben müssen; also werden wir in Christo, dem Herzoge des Lebens und dem Überwinder des Todes, alle lebendig gemacht, wie uns solches der Herzog des Lebens mit einem ernstlichen und kräftigen Eidschwur selber bestätigt, da er spricht: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen. Und abermals spricht er: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich. Darum glaube nur Christo; denn er ist die Wahrheit, glaube ihm, denn er hat’s verheißen; glaube ihm, denn er hat’s geschworen: Himmel und Erde werden vergehen, aber Christi Worte vergehen nicht.
3. DIE SÜNDENANGST.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ach, es kommt mir die Erinnerung an meine Sünden in den Sinn; denn ich bin nicht bloß in Sünden erzeugt, empfangen und geboren, sondern ich habe überdies mein ganzes Leben lang diese große ererbte Schuld durch vielerlei und mancherlei schwere Schuld und Sünde noch vergrößert, und wie kann ich nun hoffen, Gott werde mir gnädig sein, da ich ihn zu so vielen Malen beleidigt habe? Wie werde ich denn im Tode einen Trost haben können, da der Tod ja der Sold ist, der mir für meine Sünden gebührt und da er für alle, die sich nicht mit Gott versöhnen lassen, der Anfang des andern und ewigen Todes ist?
DER TRÖSTER ANTWORTET:
So siehe doch auf Christum, wie er am Kreuze hängt als auf einem Altare und der Kaufpreis für deine Erlösung ist, damit, dass er sein teures Blut für deine Sünden vergießt. Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht dich rein von aller Sünde. Derselbige ist die Versöhnung für deine und der ganzen Welt Sünden. Denn er ist nicht dazu in die Welt gekommen, dass er ihm dienen lasse, sondern dass er selber andern diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele. Und dass darüber in deinem Herzen kein Zweifel entstehen oder sich festsetzen sollte, hat der Engel, d. i. ein Geist, der in der Wahrheit bestanden ist, vom Himmel, d. i. vom Throne der Wahrheit hernieder den süßen und tröstlichen Namen JESUS gebracht und ihn unserm Mittler gegeben, ehe denn er im Mutterleibe empfangen ward. Was heißt aber Jesus anders als: Seligmacher? Denn deshalb ist Christo dieser Name gegeben worden, weil er sein Volk selig macht von ihren Sünden. Er ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Er ist Jesus Christus, der dazu gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen. Er ist der Hohepriester des Neuen Testamentes, der sich selbst für uns hat dargegeben zur Gabe und Opfer, Gott zu einem süßen Geruch. Christus ist es, der sein eigen Blut vergossen hat für viele zur Vergebung der Sünden, welcher unsere Sünden selbst geopfert hat an seinem Leibe auf dem Holz, welcher um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen ist. Der Herr hat auf ihn alle unsere Sünde geworfen und sie bei Haufen auf ihn fallen lassen. Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, d. h. er hat ihm unsere Sünden zugerechnet und die Strafen unserer Sünden auf ihn gelegt, er hat ihn selbst gemacht zum Opferlamm für unsere Sünden. Und solchem Willen und Ratschluss seines himmlischen Vaters hat Christus nicht widerstanden, sondern hat des Vaters Willen gar gerne getan und hat sich selbst für unsere Sünden gegeben. Er hat uns geliebt und sich selbst für uns dargegeben. Ich muss mich taufen lassen mit einer Taufe, spricht er, und wie ist mir so bange, bis sie vollendet werde. Das war die Taufe des Kreuzes und der Trübsal, in welche unser gnadenreicher Heiland ganz hineingetaucht wurde – und das aus lauter unermesslicher, unaussprechlicher Liebe gegen uns. Die Liebe ist’s, die ihn gezwungen und getrieben hat, und so groß auch bei seinem Leiden der äußerliche Schmerz war, so war doch allezeit noch größer und glühender seine inwendige Liebe gegen uns. Mit dieser Liebe wäre er bereit gewesen noch mehr für unsere Sünden zu erdulden, wenn der Kaufpreis, den er zu unserer Erlösung bezahlte, nicht genug gewesen wäre. Aber wir brauchen ja nicht daran zu zweifeln, dass sein Lösegeld genugsam war; denn bei ihm ist ganz reichliche Erlösung; denn nicht ein Tropfen allein, ein ganzer Strom von Blut ist sattsam aus den fünf Wunden seines Leibes herausgeflossen. Dass alles am Kreuze und durch’s Kreuz vollbracht sei, hat er noch zuletzt laut gerufen und hat also gemacht eine völlige und gänzliche Reinigung unserer Sünden durch sich selbst. Mit einem Opfer hat er in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden und hat uns gewaschen von den Sünden mit seinem Blut. So glaube doch nun solch klaren, verständlichen und deutlichen Worten des Heiligen Geistes und werde dessen fest und gewiss, dass durch Christi Leiden und Sterben eine ausreichende Genugtuung auch für deine Sünden geschehen ist.
4. DIE ERINNERUNG AN DIE WIRKLICHEN SÜNDEN.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Aber vielleicht hat Christus bloß die Erbsünde auf sich genommen, also dass ich für meine wirklichen Sünden entweder selber genugtun oder in der Hölle brennen müsste. Und ob ich nun schon gewisslich weiß, dass mir durch Christum aller angeerbte Unflat abgewaschen ist, so ängsten und drücken mich doch meine wirklichen Sünden, die ich mein ganzes Leben begangen, die so gar viel sind, die gar schwer auf mir lasten und die nach Fug und Recht verdammt werden müssen. Dem Adam wird nach der Schrift Christus entgegengestellt, darum wird wohl die Gnadentat Christi nur so weit reichen, als die Sünde von Adam her auf uns fortgeerbt ist. Fremde Schuld wird durch fremde Genugtuung geheilt werden können; aber für eigne Schuld wird es eigne Genugtuung brauchen.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Aber das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht dich doch rein von allen Sünden, von allen insgemein, nicht bloß von der, die du von Adam ererbt, sondern auch von denen, die du selbst noch hinzugetan hast. Gott hat Christum vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut. An ihn können wir im rechten Glauben herantreten, können Sündenvergebung erlangen und mit Gott versöhnt werden, so oft uns die gewaltige Last unserer Sünden daniederdrückt. Wir können hinzutreten mit Freudigkeit zu dem Gnadenstuhl, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden auf die Zeit, wenn uns Hilfe not sein wird. Und was für eine Erlösung und Versöhnung wäre das auch, wenn Christus nur für die eine Art unserer Sünden genuggetan hätte und wir dabei noch zur Genugtuung für alle anderen, für weit schwerere und zahlreichere Sünden gezwungen und verpflichtet wären? Nein, Christi Erlösung ist nichts so Zerstücktes, Unvollkommenes und Halbes, sondern, da er hat ein Opfer für die Sünde geopfert, hat er mit diesem einen Opfer in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden und eine solche Vergebung der Sünden zuwege gebracht, dass kein anderes Opfer für die Sünden mehr not ist. Ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, der gerecht ist. Und derselbige ist die Versöhnung für unsere Sünden; nicht allein aber für die unsere, sondern auch für der ganzen Welt. Darum wenn wir aus Schwachheit unseres Fleisches in Sünden gefallen sind und von ernstlicher Buße getrieben werden, so haben wir eine Zuflucht in Christi Fürsprache. Und solche Fürsprache hat ihren Grund gewiss und wahrhaftig in Christi Verdienst und Genugtuung; denn darum und deshalb ist Christi Fürsprache so wirksam für uns, weil von ihm eine völlige und vollgültige Genugtuung für unsere Sünden geleistet worden ist. Darum und deshalb erhebt sich nicht über uns, wie wir’s wohl verdienten, der kräftige Arm der Gerechtigkeit Gottes und seines gestrengen Gerichts, weil Christus unsere Erlösung ausgewirkt und verdient und das Lösegeld für uns bezahlt hat und mit dem Deckmantel seiner Barmherzigkeit unsere Sünden zudeckt. Darum soll’s allzeit festiglich dabei bleiben, dass Christus durch seinen Tod ein einiges wahrhaftiges Opfer für uns geopfert und dass er all die Schuld abgetan, vernichtet und ausgelöscht hat, um deren willen uns die Fürsten und Gewaltigen in Furcht der gerechten Strafe festhielten. Darum so haben wir in ihm und durch ihn Vergebung der Sünden und nicht bloß der Erbsünde, sondern auch all der andern, die wir hinzugetan haben. Denn er – das halte fest im innersten Herzen – hat sich selbst für uns gegeben, auf dass er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit. Unendlich ist der, der für uns genuggetan hat; wie sollte da nicht auch sein Leiden unendliches Verdienst haben? Und welche Todsünde ist denn so groß, die nicht durch den Tod des Sohnes Gottes geheilt werden könnte, der doch das Leben selber ist? Was ist so blutig und befleckt, das nicht durch das teure Blut des Sohnes Gottes rein gewaschen werden könnte?
5. ZWEIFEL AN DER ANEIGNUNG DER HEILSTATEN CHRISTI.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Aber wie mag ich doch dieses allerteuersten Schatzes teilhaftig werden? Christus ist freilich für alle gestorben; aber die Frucht seines Todes kommt doch nicht allen zu Gute. Wie kann ich denn da gewiss werden, dass auch mich die Gnadentaten Christi etwas angehen? Wie kann ich denn dessen versichert werden, dass auch ich gewiss und wahrhaftig an alledem teilhabe, was Christus durch sein Leiden und Sterben uns erworben hat?
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Gott gibt dir das Wort seines Evangelii und darinnen die ganze Gnade seines Sohnes. Er reckt seine Hände aus den ganzen Tag zu allen, er beruft sie alle, er ladet sie alle ein; darum beruft und lockt er ganz gewisslich auch dich. Und was dir nun Gott mit der Hand seiner Barmherzigkeit anbeut, das ergreife du doch mit der Hand einer festen Glaubenszuversicht. Soweit du in den Gnadengütern des Herrn den Fuß deines gläubigen Vertrauens vorwärts setzest, so weit sind sie dein. Das Öl seiner Barmherzigkeit gießt Gott nur in das Gefäß der Glaubenszuversicht, und so viel du in diesem Gefäße fassen magst, so viel wird von den Gütern des Herrn dein eigen werden. Denn der Glaube ergreift Christum, in Christo aber Gottes Gnade, Vergebung der Sünden und das ewige Leben. Höre doch, was hievon das Wort der ewigen, unwandelbaren Wahrheit sagt: Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet, sondern hat das ewige Leben. Denn er selbst hat ja allen, wie viele ihn aufnahmen, Macht gegeben, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben. Solche Kindschaft aber begreift alles in sich, was uns zur ewigen Seligkeit not ist. Denn sind wir Gottes Kinder, so sind wir gewisslich auch aus Gott geboren, dieweil uns nicht die Geburt nach dem Fleische, sondern die Wiedergeburt nach dem Geiste zu Gottes Kindern macht. Sind wir aber Kinder Gottes, so haben wir gewisslich auch einen gnädigen Gott – sollte sich denn nicht ein Vater über seine Kinder erbarmen? Und sind wir Gottes Kinder, so hat er uns gewisslich auch seinen Geist gegeben; denn also spricht der Apostel: Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder; denn ihr habt nicht einen knechtlichen Geist empfangen, dass ihr euch abermal fürchten müsstet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater! Und abermals schreibt er: Weil ihr denn Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreit: Abba, lieber Vater! Und endlich heißt es: Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi; denn wer ein rechter Sohn ist, der ist auch Erbe. Und all diese köstlichen und überreichen und mannigfaltigen Gnadengüter werden uns in Christo und durch Christum zu teil, der in unserm Herzen Wohnung macht und geistlicherweise durch den Glauben in uns geboren wird. Darum predigt und preist uns so oftmals die Schrift diesen Glauben. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, spricht Christus, wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in’s Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe, und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Wer an mich glaubt, von deß Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen. Das sagt er aber von dem Geist, welchen empfangen sollen, die an ihn glauben. Wer an mich glaubt, der bleibt nicht in Finsternis, nämlich in Finsternis der Unwissenheit, in Finsternis der Sünde und in Finsternis des ewigen Todes; sondern durch das Licht des Glaubens wird er zu dem Lichte einer seligmachenden Erkenntnis, zu dem Lichte der wahren Gerechtigkeit und zu dem Lichte des ewigen Lebens gebracht. Ja, der Apostel bezeugt es ganz deutlich, dass alles, was in den heiligen Evangelien von Christi Worten, Werken und Leiden aufgezeichnet steht, darum geschrieben sei, dass wir durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen. Gott hat uns ja das ewige Leben gegeben, und solches Leben ist in seinem Sohne. Wer den Sohn hat, der hat das Leben. Wir wissen aber, dass wir das ewige Leben haben, dieweil wir glauben an den Namen des Sohnes Gottes. Aber nicht bloß die Apostel und Evangelisten, sondern auch alle Propheten haben von Christo gezeugt, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen. Was also einstmals Paulus und Silas dem Kerkermeister zu Philippi sagten, das sage ich jetzt auch dir: Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst du selig.
6. DIE FALSCHE GLAUBENSZUVERSICHT.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Aber ich habe schon oftmals gehört, dass gar viele Leute in nichtiger Glaubenszuversicht befangen sind und sich fälschlich des Glaubens rühmen, womit sie sich selbst betrügen. Wie? wenn ich nun auch zu diesen Leuten gehörte? Wie mag ich denn gewiss werden, dass mein Glaube der rechte und seligmachende Glaube ist und nicht bloß ein leeres und totes Trugbild?
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Versuche dich doch selbst, ob du im Glauben seiest, prüfe dich selbst. Oder erkennest du dich selbst nicht, dass Jesus Christus in dir ist? Es gibt zuverlässige und untrügliche Anzeichen genug, nach welchen der rechte und seligmachende Glaube geprüft, durchschaut und von eitler Glaubensprahlerei unterschieden werden kann. Denn zuerst gehört das zum Wesen des rechten Glaubens, dass er das Herz reinigt und nach solcher Reinigung des Herzens vom Unflat der Sünden Verlangen trägt. Dieweil nämlich der Glaube ängstiglich nach Vergebung der Sünden trachtet und verlangt, so wird auch natürlich der wahrhaft Gläubige einen ernstlichen Schmerz über die begangenen Sünden empfinden. Das Evangelium wird ja den Armen gepredigt, d. h. denen, die da geistlich arm sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, die Gott einen geängsteten Geist und ein zerschlagenes Herz zum Opfer bringen. Drum besieh dich nur im Spiegel des Gesetzes, da wirst du sehen, wie hässlich du aussiehst mit deinen Missetaten. Siehe Mose in sein leuchtendes Antlitz, da wirst du erkennen, dass du um der Werke der Finsternis willen, in denen du gewandelt, nicht bestehen magst vor dem Glanze jenes Lichtes. Siehe dich nur selbst an, und wie schwer du mit Krankheit geschlagen bist. Die Krankheit ist ja die gerechte Strafe für die Sünden, eine Geißel in der Hand des strafenden Gottes und der gebührende Lohn für ein Leben, das in Missetaten verbracht ist. Wer vor seinem Schöpfer sündigt, der muss dem Arzt in die Hände kommen. Unsere Gesundheit haben wir verloren um deß willen, dass wir unserm Schöpfer wehe getan haben. Die dem Fleische nachlaufen, die werden am Fleische gezüchtigt. Eben damit, womit sie gesündigt haben, müssen sie seufzen. Gerade an dem, was Schuld war an ihrer Sünde, haben sie Strafe zu leiden. Mit wie viel Gedanken, mit wie viel Worten, mit wie viel Werken hast du Gott Herzeleid angetan! Wie bist du in der Furcht und Liebe Gottes so über alles träge gewesen! wie säumig im Gebet und den andern Übungen der Gottseligkeit! Wie unfruchtbar in guten Werken! Wie oft hast du gefolgt, wenn Satanas dich beschwatzte, oder das Fleisch dich verführte, oder die Welt dich berückte! Siehe, die Glieder, die du gar so oft zu Waffen der Sünde und Ungerechtigkeit begeben hast, werden jetzt nach Gottes gerechtem Gerichte von Schmerz und Schwachheit gepeinigt. Das erkenne du nur und trage Leid darüber; denn wenn du in deinem Herzen rechtschaffene und ernstliche Erkenntnis der Sünde hast, dann folgt auch gleich hinterdrein die Gewissensangst und Abscheu vor der Sünde. Wenn Gott über deine Sünden zürnt, so meint er’s ernstlich; ernstlich musst du darum auch im Gefühl des göttlichen Zorns deine Sünde beweinen. Gott straft die Sünden strenge, drum strafe auch du an dir mit rechtschaffenem Schmerze die Sünden wider Gott, die du an dir wahrnimmst. Erkenne, dass Gottes Gericht gerecht ist und demütige dich unter seine gewaltige Hand. Siehe dir aber nicht bloß die auswendigen Sünden an, sondern erkenne, dass das ansteckende Gift der Erbsünde die Quelle alles Elends ist. Die Erbsünde ist zwar ein verborgenes Gift, aber Gott stellt sie in das Licht vor seinem Angesicht. Durch sie sind alle Kräfte der Seele und des Leibes geschwächt, also dass du von dir selbst und durch dich selbst nichts Gutes anfangen, geschweige denn vollenden kannst; durch sie bist du dem Tode verfallen und der ganzen schrecklichen Heeresmacht von Trübsal, Elend und Krankheit, die dem Tode vorangeht.
7. ZU WENIG BUSS-SCHMERZ.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ja, ich erkenne es und fühle es, dass ich nicht allein in Sünden geboren und empfangen bin, sondern auch mit meinen mancherlei vielfältigen und großen Sünden Gott arg beleidigt habe. Das fühle ich, und es ist mir auch ernstlich leid; aber mein Schmerz reicht doch vielleicht nicht aus, weil er im Vergleich mit meiner Schuld zu gering und keine vollgültige Bezahlung für meine Sünden ist.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Ganz recht. Aber der Schmerz, der aus der Sündenerkenntnis kommt, und deine Gewissensangst wird nun und nimmer der Schwere und Abscheulichkeit deiner Sünden entsprechen können; denn Gott, den du beleidigt hast, ist das unendliche Gut; die Sünde, die du begangen hast, ist ein unendliches Übel und die Höllenstrafe, die den Sündern bereitet ist, ist eine unendliche Strafe. Wie würdest du mit deiner Zerknirschung der unendlichen Gerechtigkeit Gottes genugtun und seinen unendlichen Zorn versöhnen können? Christus hat das geleistet, was du von dir selber und mit deinen Kräften nicht leisten konntest. Er hat ein unendliches und vollwichtiges Lösegeld für deine Sünden bezahlt. Wenn du von dir selber Gott genugtun und mit deiner Zerknirschung und deinem Schmerze die Sünden tilgen könntest, wozu wär’s doch da not gewesen, dass Christus vom Himmel niederkam und so lange unter der Last des Kreuzes sich mühte? Ihm hast du Arbeit gemacht in deinen Sünden und hast ihm Mühe gemacht in deinen Missetaten. Er hat die Kelter alleine getreten, und ist niemand unter den Völkern mit ihm gewesen. Darum hüte dich vor dem Gedanken, als könnte oder müsste dein Bußschmerz so groß sein, dass er der Schwere und Abscheulichkeit deiner Sünden entspräche. Gott verlangt aber zu dem Ende eine rechtschaffene Sündenerkenntnis und ernstliche Herzensbuße, dass dir aus Gnaden die Sündenvergebung zu gute kommen kann; denn die wird dir zu teil, wenn du Christum im Glauben ergreifst. Christus predigt, aber den Elenden, d. h. denen, die demütigen Geistes sind; er heilt, aber die zerstoßenen Herzen. Denn die Starken bedürfen des Arztes nicht, d. h. die, welche sich für wahrhaft stark halten. Er predigt eine Erledigung, aber den Gefangenen, d. h. denen, die da einsehen, dass sie im geistlichen Gefängnis der Sünde sitzen; denn wer da behauptet, er sei ganz und gar frei, der sehnt sich nicht aus der Knechtschaft heraus. Er predigt das Gesicht, aber den Blinden, d. h. denen, welche die geistliche Blindheit ihres Herzens beweinen; denn die da sprechen: Wir sind sehend, deren Sünde bleibt. Die da sprechen: Wir sind reich und haben gar satt und dürfen nichts, die wissen nicht, dass sie sind elend und jämmerlich, arm, blind und bloß. Er predigt, dass sie frei und ledig sein sollen, aber den zerschlagenen und zerbrochenen Herzen. Der Herr tötet und macht lebendig, führt in die Hölle und wieder heraus. Er tötet durch die Buße, auf dass er lebendig mache durch seinen Trost. Er führt in die Hölle durch den Hammer des Gesetzes, auf dass er wieder herausführe durch den Trost des Evangelii.
8. DIE SCHWERE LAST DES BUSS-SCHMERZES.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Von Angst bin ich umgeben, mein Herz ist zerschlagen und bestürzt, meine Sünden stehn mir unablässig vor der Seele, sie quälen heftiglich mein Gewissen und wollen mich hinunterdrücken bis in die Hölle; es ist kein Frieden in meinen Gebeinen aus Schrecken vor dem Herrn, meine Seele will sich nicht trösten lassen, ich bin betrübt, mein Herz ist in Ängsten, und nirgends hab’ ich eine Stätte, dahin ich fliehen und eine Arznei suchen kann für meine Sünden.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Wenn du wohin fliehen willst, so fliehe zu Christo! Der ladet gar freundlich alle ein, die da mühselig sind unter der Last ihrer Sünden und die unter dem Joch ihrer Missetat, der bösen Herrin, seufzen. Verbirg dich in seine Wunden, und das Unwetter des Zornes Gottes wird vorübergehen. Christus ist der Gnadenstuhl, zu dem du im wahren Glauben fliehen musst, und unter dem Schatten seiner Flügel kannst du ausruhen. Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so soll deine von der Hitze der Sünden und des göttlichen Zornes erschöpfte Seele nach Christo dürsten, der da ist die Quelle des lebendigen Wassers, das in das ewige Leben quillt. Wenn du zu ihm kommst, wird er dich nicht verachten, noch hinausstoßen; denn also lauten seine Verheißungen: Wen dürstet, der komme, und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst. Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken! In mir und durch mich werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen. Das sind Christi Worte, und seine Worte sind Worte der ewigen und unwandelbaren Wahrheit; die ergreife mit gläubigem Herzen. Dein Herz halte ihm diese seine Verheißungen vor und suche das Antlitz des Herrn. Stelle Christum gleichsam in die Mitte zwischen dich, den Sünder, und den zürnenden Gott; berufe dich von dem Throne der strengen Gerechtigkeit Gottes auf den Thron der Barmherzigkeit, der dir in Christo und durch Christum bereitet ist. Ängstet und verfolgt der höllische Habicht deine Seele, so fliehe sie in die Wunden Christi, wie die furchtsame und gescheuchte Taube in die Felslöcher flieht. Moses verklagt dich, darum seufze, dass Christus für dich spreche! Dein Gewissen wird hin und her getrieben; aber von der Hoffnung und vom Vertrauen soll es sich nicht wegtreiben lassen, vielmehr an Christi Wunden gedenken. In den Wunden Christi sollst du gewissen Grund für all dein Vertrauen haben; denn sie fließen über von Strömen der Erbarmung, und auch an Öffnungen, durch welche sie auf uns fließen, fehlt es nimmer. Das Leiden unsers Heilandes Jesu Christi sei deine letzte Zuflucht und die einzige Arznei für deine Sünden! Wenn deine Weisheit zu Schanden wird, wenn deine Gerechtigkeit nicht ausreicht, wenn das Verdienst deines heiligen Lebens gar zu Boden liegt, dann wird dies Leiden dir zu Hilfe kommen können. Und das ist die andere und zwar eine wesentliche Eigenschaft des rechten Glaubens, dass man nämlich mit den Augen des Herzens Christum anschaut, wie er am Kreuze hangt, dass man aus seinen Wunden Arznei für die eignen Wunden erwartet und schöpft, dass man mit rechter Zuversicht des Herzens auf ihn sich niederlässt und sich gleichsam einhüllt in sein allerheiligstes Verdienst. Denn also spricht der rechte Glaube:
Ach, sieh mich an, Herr Jesu Christ,
der du für mich gekreuzigt bist,
und lässest in der Seiten dein
mein Schuld und Fehl verborgen sein.
Zu dir mein’ arme Seele dürst,
bis dass du ihr vergeben wirst;
denn durch mein Sünden sterb ich hin,
und durch dein Blut ich lebend bin.
Wenn du daher um deiner Sünden willen schwer betrübt bist und hungerst und dürstest nach der Gerechtigkeit, so glaube an ihn; er rechtfertigt den Gottlosen. Und bist du denn gerecht worden durch den Glauben allein, so wirst du Frieden haben mit Gott. Bekenne, dass du nichts wert bist und dass du nicht aus eignem Verdienst das Himmelreich erlangen kannst; darauf aber setze deine Zuversicht, dass Christus aus zweierlei Grund dies Reich inne hat, einmal als Erbe seines Vaters, dann aber aus Verdienst seiner Werke. Mit dem ersten begnügt er sich selbst, das andere schenkt er dir zu eigen. Solch Geschenk eigne dir zu, so wirst du nicht zu Schanden werden.
9. VERSUCHUNG ZUR VERZWEIFLUNG.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Der Teufel setzt mir zu und treibt mich zur Verzweiflung.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Immer verzweifle, aber an dir und deinetwegen, weil du ein sündiger Mensch bist, nicht aber an Gott, dessen Gnade viel mächtiger geworden ist als die Sünde; denn wie ein Fünklein, das in’s Meer fällt, also ist des Menschen Bosheit gegen Gottes Erbarmen. Ob das Weltmeer auch groß ist, so wird es doch in ein Maß gefasst; Gottes Erbarmen aber hat kein Maß. Verzweifle auch nicht an Christo und bei Christo; denn er ist gekommen in die Welt, die Sünder selig zu machen. Sein Blut hat weit mehr Kraft, Gott zu versöhnen, als die Sünden der ganzen Welt Kraft haben, Gott zu beleidigen. Wenn auch deine Sünden groß sind und mancherlei, und oftmals wiederholt wurden, so sind sie doch nicht zu groß und schwer, dass du nicht Verzeihung und Gnade für sie erlangen könntest; denn Gottes Güte ist größer als aller Menschen Missetat. Die Sünden sollen untergehen, die Gnade Gottes aber soll aufgehen. Sündigen, das ist Teufels- und Menschenwerk; Erbarmen, Verschonen und Vergeben, das sind Gottes Werke, und um wie viel nun Gott mächtiger ist als Teufel und Menschen, um so viel ist auch sein Erbarmen größer als unsere Bosheit. Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte. Er wird nicht immer hadern, noch ewiglich Zorn halten. Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missetat. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über die, so ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsere Übertretung von uns sein. Der Himmel ist unvergleichlich größer als die Erde, die ja wie ein winziger Punkt ist, wenn man sie mit dem Himmel vergleicht; also ist die Barmherzigkeit unsers himmlischen Vaters unvergleichlich größer als alle unsere Sünden. Darum lass es ferne, ganz ferne von dir sein, dass du sprächest: Meine Missetat ist größer als die Mildigkeit des barmherzigen Gottes. Du wirst finden, dass Gott weit gnädiger ist, als du sündig bist. Ja, das Erbarmen Gottes ist so groß, dass er dich auch dann nimmer verdammen würde, wenn du alle Sünden der Welt auf dir liegen hättest, aber darum Leid trügest, dass du mit deinen Sünden deinen lieben Herrn und Gott in Hoffart beleidigt hast, und dir festiglich vornähmest, in Zukunft nicht mehr zu sündigen. Vergisst du denn die Genugtuung, die Christus geleistet hat, so sehr, dass du deine Sünden dem Verdienste Christi, d. h. dich selbst deinem Gott vorziehen willst? Die Größe der Krankheit siehst du, und die Macht des Arztes wolltest du nicht sehen?! Groß sind deine Sünden; aber Christus, der für die Sünden genuggetan hat, ist weit größer. Mancherlei sind deine Sünden; aber Christus hat auch mancherlei für dich gelitten. Gott ist das unendliche Gut, und ihm hast du mit deinen Sünden weh getan; aber Christus ist auch ein unendliches Wesen; der hat dich mit Gott versöhnt. Darum seufze zu deinem Vater im Himmel und bete zu ihm im Namen seines Sohnes, deines Heilandes: O ewiger Gott, wenn du mich, wie’s ja billig ist, um meiner Sünde willen nicht ansehen kannst, so siehe mich doch erbarmend an um der Liebe deines lieben Sohnes willen. In deinem Sohne siehe zu, wie du deinem Knechte gnädig sein könnest. Siehe an das Geheimnis seines Fleisches und vergib mir die Schuld meines Fleisches. Erinnere dich, was dein lieber Sohn gelitten, und vergiss, was dein böser Knecht getan hat.
10. VERSUCHUNG ZUR LÄSTERUNG.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich muss bekennen, dass ich nicht nur zur Verzweiflung gereizt, sondern auch zu Zeiten vom Geiste der Lästerung versucht werde. Denn es steigen Gedanken in meinem Herzen auf, die lauter Beleidigungen gegen Gott selber, gegen meinen Schöpfer und Heiland sind. Ich wollte lieber tausendmal sterben, wenn ich nur von dieser Anfechtung befreit werden könnte.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Solche Gedanken sind nicht Tätigkeiten deines Herzens, sondern sehr heftige Leiden desselben; denn du hast ja kein Ergötzen an ihnen, sondern empfindest dabei Schmerzen, die bitterer sind als der Tod. Das sind Satans Geißeln, mit denen er dich plagt und quält; die werden dir vom Herrn nicht zur Sünde gerechnet. Und ob auch, wenn’s zum höchsten kommt, aus der Schwachheit deines Fleisches eine gewisse Ungeduld des Herzens entstünde, so kennt doch der Herr dein Klagen und Seufzen. Auch dem Hiob und Jeremias hat die Last der Anfechtung harte Reden ausgepresst; aber der allergnädigste Gott hat sie ihnen väterlich verziehen. Du kannst hieran merken, wie du überhaupt von dir selber gar keine Kraft zum Guten hast, auf dass du lernest, dich mit der ganzen Zuversicht des Herzens allein an Gott zu hängen. Das ist der allerhöchste und äußerste Grad des Kampfes wider den Satan. Sieh dich vor, dass du gerade in diesem Stücke nicht den Mut verlierst. Der allerhöchste Kampfesrichter wird bei dir stehen und dich nicht verlassen mit seiner Hilfe. Harre nur in Geduld und Demut, bis dass du befreit werdest von diesen feurigen Pfeilen des Bösewichts. Unterdessen lass dir an der Gnade des Herrn genügen! Das Fleisch ist es, welches in solchem Falle wider den Geist gelüstet und sich willig und bereit zeigt, Satans Pfeile auf sich schießen zu lassen. Die Sünde aber, die in deinem Fleische wohnt, wird dir nicht zugerechnet werden, wenn du durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötest und solchen lästerlichen Gedanken nicht deinen Beifall gibst. Durch das Blut Christi lass jene feurigen Pfeile des Bösewichts auslöschen, halte ihnen den Schild des Glaubens entgegen, und so bald du verspürest, dass ein lästerlicher Gedanke aufkommen will, wende dich sofort zum Gebet; denn im Gebet kannst du ihn zertreten, so lange er noch ein junges Pflänzlein ist.
11. DIE VERHEISSUNG NUR FÜR ETLICHE.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich verspüre einigen Trost in meinem Herzen, ich merke einige Zuversicht in meinem Gemüt. Die lassen mich nicht in Verzweiflung geraten, wenn ich ansehe die Barmherzigkeit Gottes, die über meine Sünden reichlich waltet, und das Verdienst Christi, dessen Wert und Gültigkeit unendlich ist. Aber ich bin in Zweifel, ob solche evangelische Verheißung von Gottes Erbarmen und Christi Verdienst auch mich angeht. Denn Gott ist nicht allein barmherzig, sondern auch der allergerechteste und allerstrengste Richter über unsere Sünden. Und dass nicht alle der Wohltaten Christi teilhaftig werden, ach, das hat leider die Erfahrung bezeugt und dargetan.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Nimm dich doch ja in Acht, dass du solch verführerischen Gedanken nachgebest, als ob die evangelischen Verheißungen nur ihrer etliche angingen. Alle ladet der Herr zu sich ein, alle will er zu sich kommen lassen, allen bietet er das Wort des Evangelii und darin zugleich die Wohltaten Christi an, und zwar nicht zum Schein, sondern ernstlich, nicht heuchlerischer Weise, sondern also, dass er wirklich Lust hat, sie uns mitzuteilen. So wahr als ich lebe, spricht der Herr, ich habe keinen Gefallen am Tode des sterbenden Gottlosen, sondern dass sich der Gottlose bekehre und lebe. Da hörst du den ernstlichen Eid, den die göttliche Wahrheit schwört; da hörst du, wie Gott die Bekehrung derer erwartet und ersehnt, die aus eigner Schuld in ihren Sünden sterben; da hörst du auch, wie solch ernstliche Beschwörung zweimal wiederholt wird. Kommt her zu mir alle, also sagt der Dolmetscher und Botschafter des himmlischen Vaters, unser Heiland, kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Da hörst du’s, wie allen, die unter dem Joch der Sünde mühselig wandeln, der Weg zu Christo offen steht, und wie ihnen Erquickung und Ruhe für ihre Seelen verheißen wird. Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, also schreibt der Apostel – und der konnte dies wohl im dritten Himmel gelernt haben. Gott hat alles beschlossen unter den Unglauben, auf dass er sich aller erbarme. Da hörst du’s wiederum, dass Gott nach der Seligkeit aller trachtet und dass die Barmherzigkeit Gottes allen entgegenkommt. Da ist niemand ausgeschlossen, außer wer sich selber ausschließt. Ein Gott ist für alle; darum will er auch, dass alle, die er geschaffen hat, selig werden. Einer hat sich zum Lösegeld für alle dahingegeben; drum will er auch, dass alle an diesem Lösegeld Teil haben sollen. Gott will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass sich jedermann zur Buße kehre, also schreibt St. Petrus – und der konnte dies wohl an sich selbst gelernt haben. Da hörst du’s, dass die Langmut und Güte Gottes alle zur Buße ruft und dass Gott das Verderben keines einzigen Menschen will. Nun siehe zu, dass du dieser klaren und deutlichen Wahrheit, diesen mit sonnenklaren Strahlen geschriebenen Worten des Heiligen Geistes nicht widersprichst. Der Trost der Schrift muss bei dir mehr gelten, als die Gedanken des eignen Herzens. Denn die Schrift ist das Wort des lebendigen Gottes, das nimmermehr trügt, unser Herz aber ist ein lügenhaftes und trügerisches Ding.
12. DER UNBEDINGTE RATSCHLUSS GOTTES,
ETLICHE ZU VERWERFEN.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Es wird zwar äußerlich die Verheißung allen angeboten, aber Gott hat von Ewigkeit her einen unbedingten Ratschluss gefasst, gewisse Menschen zu verwerfen. Die weist er mit unbedingtem Hass von sich weg und gibt sie der ewigen Pein preis. Denen bietet er zwar äußerlich sein Wort an, aber er hat dabei nicht den Willen, ihnen die Heilsgüter mitzuteilen, die ihnen im Worte angeboten werden. Vielleicht gehöre auch ich zur Zahl dieser Verworfenen?
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Dieser unbedingte Ratschluss Gottes, etliche zu verwerfen, ist ein Fündlein irre gegangener und irre führender Leute. Denn wenn es die Schrift durch’s Wort, Christus mit seinen Tränen und Gott mit einem Eide bezeugt, er wolle nicht, dass jemand verloren werde, er wolle nicht den Tod des Sünders, er wolle vielmehr ernstlich, dass sich jedermann zur Buße kehre, zur Erkenntnis der Wahrheit komme und selig werde; dann frage ich dich: Kann’s denn auch nur scheinbar wahr sein, wenn einer sagt, dass durch Gottes unbedingten Hass ihrer etliche von der Seligkeit und den Gnadenmitteln ausgeschlossen seien? So wie sich Gott in seinem Worte äußerlich geoffenbart hat, so ist auch, dass ich also sage, sein Herz inwendig. So wie er sich in Christo seinem Sohne uns gezeigt hat, also ist er auch gegen uns gesinnt; denn Christus ist das Ebenbild des Vaters, nicht allein seines Wesens, sondern auch seines Willens. Schon der bloße Gedanke darf nicht aufkommen, dass Gott sich uns auswendig gnädig und freundlich zeige, dabei aber inwendig die Flammen des Hasses nähre. Das sei ferne von Gott; denn er ist ja die Wahrheit selbst, und ist ihm alle Heuchelei auf’s äußerste verhasst. Man wird doch nun und nimmer sagen dürfen, dass Gott das tue, was er uns verbietet und an uns bestraft. Dass etliche selig werden, das ist allein Gottes Gabe; dass viele verloren werden, das haben diejenigen selber verdient, welche verloren werden. Denn also lautet der Gottesspruch: Israel, du bringst dich in Unglück; dein Heil aber steht allein bei mir. Die Schrift sagt überall, dass der Mensch selbst die Ursache seiner Verdammnis sei, und nirgends redet sie von solch einem unbedingten Ratschlusse Gottes. Weil Gott die Sünden der Menschen (insonderheit ihren Unglauben; denn wenn der bleibt, so bleiben auch die andern Sünden) vorhergewusst und gesehen hat, darum hat er das Urteil gefällt, dass etliche verdammt und verworfen werden sollen. Und wie wird man denn, ohne schamrot zu werden, behaupten können, dass Gott die Gnadentaten seines Sohnes im Worte des Evangelii nicht allen ernstlich und mit der Absicht anbiete, sie ihnen mitzuteilen, da doch Christus wirklich und wesentlich, nicht bloß zum Schein für alle gestorben ist und für alle Sünden genuggetan hat. Dass die Genugtuung, die Christus geleistet, für alle ohne Ausnahme gelte, das beweisen die allgemeinen Ausdrücke, die hiefür gebraucht werden. Der Herr warf unser aller Sünde auf Christum, d. h. die Sünden aller derer, die als verlorene Schafe vom rechten Steige abgewichen waren; gleichwie auf den Bock, den man in die Wüste laufen ließ, vom Hohenpriester alle Missetat des ganzen Volks gelegt wurde. Dass einer für alle gestorben ist, wiederholt der Apostel zweimal an einer und derselben Stelle. Es ist Gottes Wohlgefallen gewesen, dass alle Dinge zusammen unter ein Haupt verfasset würden in Christo, beide, das im Himmel und auch auf Erden ist. Es ist das Wohlgefallen des Vaters gewesen, dass alles durch Christum versöhnt würde zu ihm selbst, es sei auf Erden oder im Himmel, damit, dass er Friede machte durch das Blut an seinem Kreuz. Christus hat sich selbst gegeben für alle zur Erlösung, es sei auf Erden oder im Himmel. Es ist erschienen die heilsame und heilbringende Gnade Gottes allen Menschen, durch welche er den Sohn für uns gegeben hat, auf dass er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit. Christus hat von Gottes Gnaden für alle den Tod geschmeckt. Dass dieselbige Genugtuung für alle ohne Ausnahme gelte, das beweist ferner der allgemeine Ausdruck „Welt“, der in dergleichen Sprüchen gebraucht wird. Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab; denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn selig werde; drum wird er auch mit allem Recht genannt: der Welt Heiland. Er ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt, er hat sein Fleisch gegeben für das Leben der Welt, durch ihn ist die Welt mit Gott versöhnt, er ist die Versöhnung für unsere Sünde, nicht allein aber für die unsere, sondern auch für der ganzen Welt. Dass dieselbige Genugtuung für alle ohne Ausnahme gelte, das beweist ferner der Gegensatz zwischen dem ersten und dem andern Adam, d. i. Christo, der vom Apostel mit klaren Worte gelehrt wird. So an eines Sünde viele gestorben sind, so ist viel mehr Gottes Gnade und Gabe vielen reichlich widerfahren durch die Gnade des einigen Menschen Jesu Christi. Wie nun durch eines Sünde die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, also ist auch durch eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen. Denn gleich wie durch eines Menschen Ungehorsam viele Sünder geworden sind, also auch durch eines Gehorsam werden viele Gerechte. Darum wo die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade viel mächtiger geworden. Das sei also ferne, dass wir sagen, die Sünde, die von Adam auf uns vererbt ist, greife weiter, als die Gnade, die uns von Jesu Christo, unserm Heiland, erworben ist. Das sei ferne, dass wir sagen, der Ungehorsam Adams habe mehr Kraft, als der Gehorsam Christi. Und dass die von Christo geleistete Genugtuung allgemeine Geltung habe, beweist endlich auch die Art und Weise, in welcher von den Verdammten in dergleichen Sprüchen auf’s klarste geredet wird. Lieber, verderbe den nicht mit deiner Speise, um welches willen Christus gestorben ist. Wo man die christliche Freiheit zur Unzeit braucht, da wird der schwache Bruder umkommen, um welches willen doch Christus gestorben ist. Wenn ihr aber also sündigt an den Brüdern, so sündigt ihr an Christo. Falsche Lehrer, die über sich selbst führen eine schnelle Verdammnis, verleugnen den Herrn, der sie erkauft hat. Das sind evangelische Worte, apostolische Worte, göttliche Worte. Ihnen widersprechen, hieße Christum verleugnen und sich selbst um die Frucht des Verdienstes Christi bringen. Darum glaube, und zweifle nicht, dass der eingeborne Sohn Gottes vom Himmel niedergekommen ist, in den letzten Zeiten das Gefäß eines irdischen Leibes von der Jungfrau angenommen und den Aussatz, die Unreinigkeit und Fäulnis der ganzen Welt hinweggenommen und gereinigt hat; denn er hat aller Sünden getragen und durch seine Wunden sind wir alle geheilt.
13. ZWEIFEL AN DER ZUEIGNUNG DES VERDIENSTES CHRISTI.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ja, es mag das Verdienst Christi ein allgemeines sein und genannt werden; aber ich sehe noch nicht, dass Christi Wohltaten insbesondere mir einzelnem Menschen angeboten werden und zu gute kommen. Es wird gar vieles allen insgesamt angeboten, was doch nicht jeden Einzelnen angeht.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Nein; vielmehr kann man vom Ganzen einen richtigen Schluss machen auf das Einzelne, und vom Allgemeinen schließt man ganz richtig auf das Besondere. Weil nun Gott will, dass alle selig werden sollen, so kannst du ganz richtig und festiglich behaupten, dass er auch dich selig machen will. Weil es heißt, dass Christus für alle gestorben sei, so kannst du ganz richtig und festiglich behaupten, dass er auch für dich am Kreuze gestorben ist und dich mit seinem Blute von allen Sünden reinigen will. Und was im Worte des Evangelii im Allgemeinen allen insgesamt angeboten wird, das wird im Worte der Absolution dir insbesondere angeboten, geschenkt und zugeeignet. Denn wenn dir der Diener der Kirche im Namen Gottes Vergebung der Sünden verkündigt, kannst du gewiss sein, dass dies vor Gott im Himmel gültig sei. Denn also lautet Christi Ordnung: Was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein. Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen. Dies ist das segensreiche Amt, das die Versöhnung predigt, welches Gott den Dienern der Kirche vertraut hat; dies ist die segensreiche Schlüsselgewalt, die er ihnen zu treuen Händen befohlen hat; dies ist die segensreiche Arbeit der Botschafter, die sie an Christi statt tun, dass Gott durch sie vermahnt und gleichsam bittet. Und wenn nun etwas ganz insbesondere dir angeboten wird, sollst du auch nicht zweifeln, dass es dich ganz insbesondere angehe. Wenn du daher in der ernstlichen Angst deines Herzens das Wort des Dieners Gottes hörst, der dir in Christi Namen Vergebung der Sünden verkündigt, dann sollst du gewiss sein, dass du Christum selbst hörest. Was hier an Christi statt mit dir gehandelt wird, das handelt mit dir Christus selber. Christus ist es, der dir die Vergebung der Sünden verkündigt; der Diener Gottes leiht nur Christo seine Stimme. Und wenn hierüber ein Zweifel dein Herz beschleichen wollte, so merke nur auf die Worte Christi, der zu den Aposteln und ihren Nachfolgern spricht: Wer euch hört, der hört mich. Ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet. Merke auch auf die Worte Johannis des Täufers: Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste; d. h. ein anderer ist es, der durch mich predigt und ruft; das Amt ist mein, aber des Amtes Kraft und Segen steht bei einem andern. Merke endlich auch auf die Worte des Apostels. Für Christum, d. i. im Namen Christi und an seiner statt verwalten wir das Amt der Botschaft, indem Gott durch uns vermahnt. So bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott. Wer nun verachtet, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen Heiligen Geist gegeben hat in uns. Darum glaube du, dass auch heute noch Christus dasselbe zu dir sagt, was er vormals zum Gichtbrüchigen und zur großen Sünderin gesagt hat: Dir sind deine Sünden vergeben. Denn es ist kein Unterschied zwischen diesen Worten und denen, die der Diener Gottes sagt; es geht nicht also, dass die einen von einem Menschen, die andern von Christo gesagt werden. Und wenn du darum hörst, wie dir der Diener des Wortes Vergebung der Sünden verkündigt, dann glaube nicht, dass du des Dieners, sondern Christi Stimme hörest.
14. DAS ABSOLUTIONSWORT WILL NICHT HAFTEN.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Wohl bekenne ich’s, dass mir in den Worten der Absolution ein sonderlicher Trost zu teil wird; aber mein Glaube ist noch wankend und ergreift die Verheißung des Evangelii nicht so festiglich, dass ich frei wäre von aller Anfechtung. Denn mein Fleisch flüstert dazwischen: Was du da mit den Ohren hörst, das sind nur Worte; aber die verheißenen Gnaden liegen noch nicht also vor deinen Augen, dass du sie sehen könntest.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Ja, es sind Worte, aber Worte Gottes sind’s, der da wahrhaftig ist und in Ewigkeit lebt. Ja, es sind Worte, aber die Worte sind Geist und Leben. Ja, es sind Worte, aber fester als der Himmel über deinem Haupte und unwandelbarer als die Erde unter deinen Füßen. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht, also spricht der Mund der Wahrheit. Das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich, sagt der Prophet. Und wer sich nun in dies ewige Wort mit einschließt, wer es im wahren Glauben ergreift, auch der wird bewahrt werden in Ewigkeit. Aber Gott hat nicht allein sein Wort vor dich hingestellt, er hat auch zum Worte seine Sakramente hinzugegeben, und die sind gleichsam das sichtbare Wort, sichtbare Zeichen der unsichtbaren Gnade; sie sind Siegel der Verheißungen Gottes, also dazu eingesetzt, dass durch sie dein Glaube bestätigt und genährt werde. Durch die Taufe bist du in Gottes Gnadenbund aufgenommen, bist Gottes Kind und Erbe worden, bist durch Christi Blut rein gemacht von deinen Sünden, bist durch den Heiligen Geist wiedergeboren und verneuert und, dass ich’s in einem sage, bist teilhaftig worden aller himmlischen Gnaden. Denn von der Taufe hat Christus gesagt, dass sie das Mittel sei zur Wiedergeburt: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Wer daher in der Taufe aus Wasser und Geist von neuem geboren ist, der ist nach der Schrift ein Erbe des ewigen Lebens. Von der Taufe hat Christus gesagt, dass sie das Mittel sei zur Seligkeit: Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden. Von der Taufe sagen die Apostel, dass sie sei das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, da wir ja getauft werden zur Vergebung der Sünden. Lasse sich ein jeglicher taufen, spricht Petrus, auf den Namen Jesu Christi, zur Vergebung der Sünden; so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes. Die Taufe macht uns selig, sagt er an einem andern Orte, die nicht ist das Abtun des Unflats am Fleisch, sondern der Bund eines guten Gewissens mit Gott durch die Auferstehung Jesu Christi. Lass dich taufen und abwaschen deine Sünden, sagt Ananias. Wie viele euer getauft sind, die haben Christum angezogen, und ihr seid alle Gottes Kinder durch den Glauben an Christo Jesu, sagt St. Paulus. Denn Christus heiligt seine Gemeinde und reinigt sie durch das Wasserbad im Wort. Aus solch allem kannst du festiglich schließen, dass die Taufe ist „ein Lösegeld für Gefangene, Vergebung aller Schulden, ein Tod für die Sünde, eine neue Geburt, ein lichthelles Kleid für die Seele, ein unantastbares Siegel, ein Himmelswagen, eine Führerin in’s Himmelreich, das Gnadengeschenk der Kindschaft“. Die Erleuchtung, d. h. die Taufe ist ein Lichtglanz für die Seelen, eine Umgestaltung des Lebens, der Bund eines guten Gewissens mit Gott, eine Aufhilfe für unsere Schwachheit; die Erleuchtung ist ein Ablegen des Fleisches, eine Vereinigung mit dem Geiste, eine Mitteilung des Wortes; die Erleuchtung ist eine Wiederherstellung des Gottesbildes, eine Flut, die über die Sünde ergeht, eine Zueignung des Lichtes, eine Vernichtung der Finsternis. Die Erleuchtung ist eine Auffahrt zu Gott, eine Pilgerfahrt mit Christo, eine Stütze des Glaubens, eine Vollendung des Geistes, ein Schlüssel zum Himmelreich, eine Wandelung unseres Lebens, das Ende unserer Knechtschaft, die Auflösung unserer Fesseln, eine neue Verbindung nach einer andern Seite hin. Sie ist der Anfang des wahren Lebens und der wahren Gerechtigkeit, sie ist ein in’s Kurze gefasstes großes Bad, sie ist das Sakrament des Lebens und der ewigen Seligkeit.
Der Heil’ge Geist vom Himmelsthron
im Wasser Einkehr hält,
da wird des Himmels Gnadenstrom
mit ird’scher Flut vermählt.
Das Wasser, als die Braut, empfängt
den Herren und gebiert
aus ew’gem Samen ein Geschlecht,
das Gott geheiligt wird.
Denn was bei unserer Taufe durch Gottes Gnade auf unsichtbare Weise gewirkt wird, das ist bei Christi Taufe durch sichtbare Zeichen geoffenbart worden. Da ist das Taufwasser dadurch geheiligt worden, dass es berührt wurde vom Leibe des Herrn; denn alles, was Christus in dem Leibe seines Fleisches verdient und erworben hat, das hat er in die Taufe gleichsam niedergelegt. Er hat die Taufe auf sich genommen mit uns, den Sündern, auf dass er bezeugte, wir würden durch die Taufe seine Glieder werden. Wie der ewige Vater bei der Taufe Christi das Wort spricht: Dies ist mein lieber Sohn, also nimmt er noch heute alle, die da glauben und getauft werden, zu seinen Kindern an. Wie bei der Taufe Christi der Himmel sich auftat, also wird uns noch heute durch das Sakrament der Taufe die Tür zum himmlischen Paradiese aufgetan. Wie bei der Taufe Christi der Heilige Geist in Gestalt einer Taube auf ihn niederkam, also ist auch in unserer Taufe der Heilige Geist gegenwärtig und wirkt in derselben unsere Wiedergeburt und Verneuerung kräftiglich; so dass auf diese Weise bei der Taufe zusammen tätig sind: die Gnade des Vaters, der uns zu Kindern annimmt, das Verdienst des Sohnes, der uns rein macht, und das Wirken des Heiligen Geistes, durch den wir von neuem geboren werden. Wenn du daher getauft bist, so darfst du nun und nimmer an der Gnade Gottes, an der Vergebung der Sünden und an der Verheißung der ewigen Seligkeit zweifeln. Die Taufe ist das Bad der Wiedergeburt; wo aber Wiedergeburt ist, da ist Sündenvergebung, da ist Gottes Gnade, da ist völlige Gerechtigkeit, da ist Verneuerung, da ist die Gabe des Heiligen Geistes, da ist die Kindschaft, da ist das Erbe des ewigen Lebens.
15. ICH BIN AUS DEM TAUFBUNDE GEFALLEN.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ja, ich glaube, dass ich durch das Sakrament der Taufe in den Bund der göttlichen Gnade aufgenommen, der Sündenvergebung teilhaftig und in’s Buch des Lebens eingeschrieben worden bin; aber durch meine Sünden bin ich wieder aus der Gnade dieses Bundes herausgefallen, habe die empfangene Sündenvergebung durch Begehung neuer Sünden zu schanden gemacht und oftmals verdient, dass ich aus dem Buche des Lebens getilgt werde.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Aber das Bündnis mit Gott ist doch ein ewiges Bündnis, zu welchem dir die Rückkehr in rechter und ernstlicher Buße jederzeit offen steht. Denn wie Gott vom Sakrament der Beschneidung sagt, dass sie ein ewiger Bund sei, so sollen wir auch nicht zweifeln, dass Gott in der Taufe, die an die Stelle der Beschneidung getreten ist, gleicherweise einen ewigen Bund mit uns schließe und bestätige. Ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit, spricht der Herr durch den Propheten, ich will mich mit dir vertrauen in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit; ja, im Glauben will ich mich mit dir verloben. Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer. Darum sei es ferne, dass wir sprächen: unser Unglaube könne Gottes Glauben aufheben. Und wenn wir seinem Worte noch so sehr den Glauben verweigern oder von ihm weichen, so bleibt er treu, er bleibt, wie er ist, wahrhaftig und ohne Wandel, er kann sich selbst nicht leugnen. Darum fällst du durch Sünden, die du in deiner angebornen Schwachheit begehst, gar nicht aus dem Gnadenbunde Gottes. Durch die Sünden, die du wider die Stimme deines Gewissens tust, fällst du zwar aus Gottes Gnade und aus dem Gnadenbunde heraus; aber in rechtschaffener Buße steht dir die Rückkehr zu diesem ewigen Bund Gottes offen. Das Schifflein der Taufe entfernt sich nicht von uns, auch wenn wir aus ihm heraus in’s Meer der Sünden springen; daher steht uns, wenn wir das tun, ein Rückweg zu diesem Schiff der Taufe in der Buße offen, damit wir von demselben in den Hafen der ewigen Seligkeit getragen werden. Die Buße aber mag man in solchem Sinne gar wohl der rettenden Planke nach dem Schiffbruch vergleichen. Darum ergreife die Buße, wie der Schiffbrüchige die Planke ergreift; sie wird dich emporheben aus den Fluten der Sünde und dich forttragen bis in den Hafen der göttlichen Gnade. Petrus hatte seinen Meister verleugnet; da er sich aber bekehrte, suchte er gleichwohl in der Taufe die Verheißung seiner Seligkeit. Die Galater waren gar schwer gefallen und die Korinther gleicherweise; als sie aber in der Buße sich wiederum aufgerichtet hatten, spricht ihnen der Apostel dennoch Trost zu und verweist sie auf ihre Taufe. Er sagt, wie viele ihrer getauft seien, die hätten Christum angezogen, ja, er spricht es deutlich aus, dass sie abgewaschen und durch einen Geist alle zu einem (geistlichen) Leibe getauft seien; daher es klärlich erhellt, dass sich die Kraft des Taufbundes auch auf die Zukunft erstreckt und durch den Rückfall des Menschen nicht gänzlich entkräftet und vernichtet wird, sondern dass von Gottes Seiten dieser Bund beständiglich fest und gültig bleibt. Wenn daher Paulus sagt, dass Christus die Gemeine reinige durch das Wasserbad im Wort, so ist das also zu verstehen, dass durch dies Bad der Wiedergeburt und durch das heiligmachende Wort das gesamte Elend derer abgewaschen und geheilt wird, die da wiedergeboren werden, nämlich nicht allein die vergangenen Sünden, die alle in der Taufe erlassen werden, sondern auch die, welche nachmals in menschlicher Unwissenheit oder Schwachheit begangen werden; nicht als ob die Taufe, so oft man sündigt, jedes Mal wiederholt werde, sondern weil durch dieselbe die Sündenvergebung, die uns einmal geschenkt ist, nicht bloß für das Vorhergehende, sondern auch nachher von allen Gläubigen erlangt werden kann. Darum erkenne und beweine deine Sünden, verleugne oder vergiss aber gleichwohl nicht den Gnadenbund, der in der Taufe mit dir gemacht ist; sondern, selbst wenn du tausend Mal gefallen wärst, so wende dich doch immer wieder zurück und kehre heim. Kehre wieder, du abtrünnige Israel, spricht der Herr, so will ich mein Antlitz nicht gegen euch verstellen; denn ich bin barmherzig, spricht der Herr, und will nicht ewiglich zürnen. Dieses Wort halte dein Herz dem Herrn vor. Er wird sich deiner erbarmen und seiner Verheißung gedenken; denn er kann sich selbst und sein Wort nicht leugnen.
16. ES IST NICHT GEWISS, OB ICH IN DEN TAUFBUND
WIEDER AUFGENOMMEN WERDE.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Wie kann ich denn aber gewiss werden, dass ich bei rechter Buße von Gott wiederum in den Taufbund aufgenommen werde? Ach, wenn das doch meinem Herzen durch ein festes und gewisses Siegel bestätigt werden könnte! Wenn es doch ein Sakrament gäbe, durch welches mir jene Verheißung der Gnade versiegelt würde!
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Ei, das gibt’s ja; nämlich das hochheilige Sakrament des Abendmahls deines Herrn, darinnen du den Leib empfängst, den Christus für dich in den Tod gegeben hat, und das Blut trinkst, das Christus auf dem Opferaltar des Kreuzes für deine Sünden vergossen hat. Dieweil du nun das hochheilige Sühngeld, mit welchem du erlöst bist, nämlich Leib und Blut Christi, in diesem heiligen Abendmahl empfängst, kannst du auch gewiss sein, dass du alles dessen wahrhaftiglich teilhaftig wirst, was Christus dir auf dem Opferaltar des Kreuzes durch seinen gegebenen Leib und sein vergossenes Blut verdient hat, nämlich die Gnade Gottes, Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, Leben und ewige Seligkeit. Du trinkst ja das Blut, das vergossen worden ist, damit der Bund der Gnaden geschlossen und bestätigt würde; wie kannst du da zweifeln, ob du auch wirklich in diesen Bund wieder aufgenommen werdest? Was steht denn Gott näher als sein eigner eingeborner Sohn? Er ist ja in des Vaters Schoß; er ist im Vater und der Vater in ihm; er und der Vater sind eins. Und wiederum, was steht dem Sohn Gottes näher als sein eigen Fleisch und Blut, als die menschliche Natur, die er angenommen hat? Ist er doch mit ihr in einen persönlichen und unauflöslichen Bund getreten. Wenn du daher Christi Leib issest und sein Blut trinkest, so wirst du auf’s innigste mit Gott vereinigt, und was du da issest und trinkest, hat die Wirkung, dass Christus in dir bleibt und du in ihm. Und was wird uns näher gebracht, als das, was wir essen und trinken? Denn was wir essen und trinken, das wird entweder in das Wesen unseres Fleisches verwandelt, wie die natürlichen und irdischen Speisen; oder es verwandelt uns in sich, wie es jene geistliche Speise des Leibes und Blutes Christi tut, die wir zwar essen, die wir aber nicht in unser Wesen verwandeln, sondern in deren Wesen wir verwandelt werden. So oft du daher den lebendigmachenden Leib Christi issest, empfähest du von ihm geistliches Leben, und so oft du das teure Blut Christi trinkest, trittst du hinan an die Quelle des Lebens. Christus hat von uns die menschliche Natur angenommen, in ihr hat er die Sünde getilgt, den Tod zerstört, unser Leben neu geschaffen und dasselbe mit allerlei Gnadenfülle und himmlischen Gütern erfüllt. Und diese selbige menschliche Natur, die er von uns angenommen hat, und die durch ihn verneuert, geheiligt und mit himmlischen Schätzen erfüllt worden ist, will er dir wiederum dargeben, auf dass du gewiss werdest, dass alles, was er in die reiche Schatzkammer des heiligen Abendmahls hineingelegt hat, auch dich angehe. In seinen hochheiligen und lebendigmachenden Leib pflanzt er deine arme, verderbte Natur gleichsam ein, damit du aus demselben einen Lebenssaft und ein Gegengift ziehen kannst wider das geistliche Gift, das in deinem Leibe verborgen liegt. Er ist der Weinstock, wir sind die Reben, wer in ihm bleibt und in wem er bleibt, der bringt viele Frucht. Die Unreinigkeit deiner menschlichen Natur wird überschattet und zugedeckt von dem hochheiligen Leibe Christi, den du empfängst, und von seinem allerteuersten Blute, das du trinkst, damit sie vor dem Richterstuhle und dem Angesichte Gottes nicht offenbar werden müsse. Daher werden Leib und Blut Christi von dir empfangen als „eine gottgefällige Fürsprache für deine Sünden und als ein Angeld auf’s ewige Leben zu fester Gründung und Bewahrung deines Leibes und deiner Seele, zur Vergebung der Sünden und zum ewigen Leben.“ Ja, es wird dir im heiligen Abendmahl sogar eine heilsame Wegzehrung, ein Viaticum gegeben; denn da empfängst du die Symbole oder Zeichen, die dir für die dereinstige Auferstehung not sind und durch welche dir das Recht der Verwandtschaft und der Gastfreundschaft bestätigt wird, auf das du in der himmlischen Heimat rechnen kannst. Wer mein Fleisch isst, spricht Christus, und trinkt mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken. Darum kann es nun und nimmer geschehen, ja, nun und nimmer kann es geschehen, dass dein Leib im Grabe bleibt, nachdem er genährt ist mit dem Leibe und Blute unsers Herrn, mit der Speise, die da ist „ein Kraut, welches Unsterblichkeit gibt, ein Trank, der den Tod vergiftet, aber das Leben in Gott durch Jesum Christum erzeugen kann, eine reinigende Arznei, die aller Krankheit steuert.“ Durch diese Speise wird deine Schwachheit stark werden, dass du wie Elias hinaufsteigen magst auf den Berg des Herrn. Schon die Gebeine des toten Elisa machten lebendig, wie vielmehr wird der Leib des lebendigen und lebendigmachenden Christus dich erwecken können zum ewigen Leben, wo du ihn nur empfähest im Glauben.
17. ICH BIN EIN UNWÜRDIGER ABENDMAHLSGAST.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich verstehe es gar wohl, dass die Frommen bei rechtem und gesegnetem Genusse des heiligen Abendmahls aller dieser Gnaden teilhaftig werden; aber es macht mir nicht wenig bange, dass der Apostel spricht: Welcher nun unwürdig von diesem Brot isst, oder von dem Kelch des Herrn trinkt, der ist schuldig an dem Leib und Blut des Herrn. Darum fürchte ich, dass auch ich ein unwürdiger Gast bei diesem himmlischen Mahle sein könnte.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Eben dadurch, dass du deine Unwürdigkeit erkennst und beweinst, kannst du der Schande entgehen, als ein unwürdiger Gast erfunden zu werden. Denn der Apostel nennt nicht diejenigen „unwürdig“, die noch schwach sind im Glauben, da ja das Sakrament zur Stärkung des Glaubens und den Schwachen zu Trost eingesetzt ist; sondern diejenigen, die sich selbst nicht prüfen und den Leib des Herrn nicht unterscheiden, d. h. diejenigen, die ohne rechte Buße und lebendigen Glauben, ohne Abscheu vor Sünde und ohne den ernstlichen Vorsatz ihr Leben zu bessern zum heiligen Abendmahl wie zu einer gemeinen Mahlzeit kommen, die dieses himmlische Mahl von anderer gemeiner Speise nicht unterscheiden, die seine rechte Herrlichkeit nicht erkennen und die schuldige Bereitung des Herzens nicht mitbringen. Solche unwürdige Abendmahlsgäste versündigen sich ebenso sehr am Leibe und Blute Christi durch unwürdiges Essen und Trinken, wie sich die Juden an ihm versündigten, die ihn kreuzigten. Das aber sei ferne von dir, dass du dich in deiner heiligen Scheu zu solchen Leuten rechnetest. Denn du erkennst ja den Unflat deiner Sünden, du beweinst ja die Unreinheit deiner menschlichen Natur, du seufzest ja nach Christo, dem Arzte deiner Seelen, dass er dein Herz zu einer würdigen Herberge mache, du erwägst wie groß die Dinge sind, die dir im heiligen Abendmahl gegeben und verheißen werden, du weißt die Herrlichkeit der himmlischen Gabe zu schätzen; du hungerst und dürstest ja nach der Gerechtigkeit, darum sollst du auch satt werden; die Sünden werden dir nicht schaden können, denn sie gefallen dir ja nicht mehr; du läufst ja mit Tränen zu deinem Vater im Himmel, du beweinst ja deine Sünden und verlangst, dass der Hunger deiner Seele mit dieser Himmelsspeise gestillt werde: da wird er dir auch entgegenlaufen – zweifle nur nicht! – der gnädige und barmherzige Vater, er wird dich küssen und mit Freuden dich aufnehmen, er wird dir „das beste Kleid“ der Unschuld geben und dich antun mit Kleidern des Heils, er wird dir den Fingerreif an deine Hand geben und dich versiegeln mit seinem Heiligen Geiste, er wird dir Schuhe an deine Füße geben und dich auf dem Wege des Friedens und der Gerechtigkeit leiten, er wird dich sättigen mit dem Fleische des Opfers, das auf dem Altar des Kreuzes geschlachtet und ihm selbst zu einem lieblichen Geruch dargebracht ist. Darum lass nur alle Furcht fahren, dass du das Mahl unwürdig genössest; denn wer in seinen eigenen Augen ganz unwürdig ist, der ist vor Gott angenehm; wer sich selber missfällt, der gefällt Gott; wer in sich selbst zerschlagen ist durch rechte Zerknirschung des Herzens, der wird wiederum aufgerichtet durch die barmherzige Hand Gottes.
18. MEIN GLAUBE IST SCHWACH.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Damit man das heilige Abendmahl zum Segen genieße und von den evangelischen Verheißungen eine Frucht habe, wird billigerweise der Glaube verlangt; denn wenn man teil haben will an einem Almosen, ist’s nicht genug, dass eine Hand da ist, die da gibt; es muss auch eine Hand da sein, welche empfängt. Nun ist aber mein Glaube gar schwach. Das Schifflein meines Herzens wird von mancherlei Anfechtungsstürmen hin und hergestossen, es wankt zum öfteren und bringt mich um die Festigkeit meines Glaubens.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Ein schwacher Glaube ist auch ein Glaube; und der Glaube ergreift Christum und in Christo die Gnade Gottes, die Vergebung der Sünden und das ewige Leben nicht dadurch, dass er fest ist, sondern dadurch, dass er ein Glaube ist. Ein starker Glaube ergreift Christum zwar fester, aber nichts desto weniger wird auch ein schwacher Glaube Christum nicht verwerfen, sondern ihn zum Segen ergreifen. Der treue Knecht Gottes, dein Heiland Jesus Christus, wird das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen und das glimmende Docht wird er nicht auslöschen, sondern den Schwachen im Glauben nimmt er gnädiglich auf. Der kleinste Glaubensfunke ist ein Werk des Heiligen Geistes; denn wir sind nicht tüchtig von uns selber, etwas zu denken, als von uns selber, sondern Gott wirkt beide, das Wollen und das Vollbringen. Darum wird Gott nicht das eigene Werk verachten können, das er durch den Heiligen Geist in deinem Herzen angefangen hat, sondern wird es vollführen und bestätigen müssen. Wie einen seine Mutter tröstet, also will Gott uns trösten. Nun aber handelt eine Mutter weit zärtlicher mit einem Kindlein, das nicht reden kann, und trägt größere Sorge um dasselbe, als um die andern erwachsenen Kinder. Desselbigen gleichen weist auch Gott den nicht von sich, der noch schwach ist im Glauben, sondern müht sich ab, dass er ihn heile und stärke, wie man’s mit einem Müdegewordenen tut. So ihr Glauben habt als ein Senfkorn, so mögt ihr sagen zu diesem Berge: Hebe dich von hinnen dorthin; so wird er sich heben, und euch wird nichts unmöglich sein – also spricht der Mund der Wahrheit. Wenn der wundertätige Glaube so viel vermag, dass er Berge versetzt, ob er auch kaum so groß ist wie ein Senfkorn; wie sollte der seligmachende Glaube nicht dasselbe wirken können, also dass er die Berge der Anfechtungen und Zweifel versetzt, ob er auch ganz schwach und ohnmächtig ist. Die Kraft Gottes ist in uns Schwachen mächtig; darum hüte dich, dass du um der Schwachheit deines Glaubens willen den Mut verlierest, sondern siehe vielmehr Gottes Kraft an. Gott kann befruchten, was dürre ist, heilen, was verwundet ist, beugen, was unbeugsam ist, wärmen, was kalt ist, zurecht bringen, was verirrt ist. Erkenne nur die Schwachheit deines Glaubens und stütze dich um so kräftiger auf den Stab des göttlichen Wortes. Denn wie das Wort der Same ist, aus welchem der Glaube erwächst, so ist es auch das, was den Glauben nähren kann. Bete mit den Jüngern Christi: Herr, stärke uns den Glauben! und mit dem Vater des Besessenen: Ich glaube; lieber Herr, hilf meinem Unglauben.
19. ICH HABE KEIN GEFÜHL VON MEINEM GLAUBEN.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Nicht bloß schwach ist mein Glaube, sondern zuweilen fühle ich auch gar nichts von ihm in meinem Herzen und rufe Gott nicht mit der Inbrunst des Geistes an, die den Himmel durchdringen könnte. Drum fürchte ich, dann habe ich meinen Glauben verloren und er sei ganz erloschen. Ist aber der Glaube erloschen, was bleibt mir dann noch für Hoffnung, was bleibt mir für Seligkeit? Ich versuche zwar mich selbst, ob ich im Glauben bin, aber siehe da, ich fühle keinen Glauben in meinem Herzen. Drum muss ich zu denen gezählt werden, die verworfen werden.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Der Geist steht uns bei, er legt gleichsam mit Hand an und hilft unserer Schwachheit auf. Denn gleichwie wir nicht wissen, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt, sondern der Geist vertritt uns auf’s beste mit unaussprechlichem Seufzen, so fühlen wir auch zuweilen nicht, was wir glauben oder wie wir glauben, sondern der Geist nährt und erhält den Glauben in unserm Herzen. Der Funke schlummert verborgen unter der Asche, auch wenn er auswendig nicht sichtbar ist. Desselbigen gleichen wohnt auch der Glaube zuweilen in den verborgensten Winkeln des Herzens, auch wenn wir selbst nichts von ihm fühlen. Drum darfst du daraus, dass du deinen Glauben nicht fühlst, nimmermehr schließen, er habe ganz aufgehört und sei erloschen; denn du hast ja noch Verlangen, du seufzest ja noch und willst glauben. Und eben dieses Verlangen, dieses Seufzen, dieses Wollen kommt aus dem Glauben. Übrigens ist es auch zweierlei Ding: von seinem Glauben nichts fühlen, oder nicht glauben wollen. Beim ersten handelt sich’s um ein Ringen, beim andern aber um einen hartnäckigen Trotz. Christus wohnt gewisslich durch den Glauben in deinem Herzen, auch wenn du diese Einwohnung seiner Gnade nicht deutlich fühlst, wie ja auch der Heilige Geist, der inwendige Tröster, in deinem Herzen eine heilige Wohnung hat, auch wenn er dich bisweilen seinen Trost nicht fühlen lässt. Gleichwie Abraham, der Vater der Gläubigen, geglaubt hat auf Hoffnung, da nichts zu hoffen war, so musst du dich auch da auf das Wort verlassen, wo nichts zu fühlen ist. Gleichwie wir alle Vernunft gefangen nehmen müssen unter den Gehorsam Christi, so nimm auch du diesen deinen Mangel an Gefühl gefangen unter den Glauben, d. i. nimm das Wort auf mit deinem Herzen und dann bleibe nur festiglich an demselben hangen! Der Same liegt verborgen unter den Schollen der Erde, auch wenn er noch keine sichtbare Ähre hervorgetrieben hat; gleicherweise ist auch der Same des Glaubens im Herzen verborgen, auch wenn seine Frucht noch nicht völlig und offenbar sich gezeigt hat. Im Schlafe fühlst du ja auch nichts von deinem Glauben, und doch wird man nicht sagen dürfen, dass dann dein Glaube aufgehört habe. So hat auch in deiner jetzigen Anfechtung gleichsam ein Schlaf deine Seele überfallen, so dass du die Regung deines Glaubens nicht fühlen kannst; aber das sei ferne, dass du meinst, deswegen sei nun dein Glaube ganz erloschen!
20. ICH BIN UNFÄHIG ZUM GLAUBEN.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich seufze zwar zu meinem Heilande, aber ich fühle es, dass ich nicht glauben kann, und das ist mir leid. Ich möchte zwar gern, dass ich der Gnaden Christi teilhaftig werden könnte, aber ich merke es, dass ich unfähig bin, sie im Glauben zu ergreifen.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Von dir selbst bist du freilich unfähig; aber du vermagst alles durch den, der dich mächtig macht, Christum. Es ist Gottes ausdrücklicher und ernstlicher Wille, dass du glaubst; denn er gibt dir sein Wort in der Absicht, dass er mit Hilfe desselben durch die Kraft des Heiligen Geistes in deinem Herzen den Glauben anzünde. Dieses Wort treibe nur nicht von dir und widerstehe nicht dem Wirken des Heiligen Geistes, so wirst du in kurzem eine gar reichliche Frucht des Wortes verspüren. Denn wenn Gott ernstlich will, dass du glauben sollst, so wird er gewiss auch dieses Glauben in dir wirken, wo du dich nur seinem Willen nicht in tätlichem Trotz widersetzest. Du sagst, du könnest nicht glauben, und doch musst du bekennen, dass du nach Christo seufzest und nach seinen Gnaden verlangst. Eben dieses Seufzen, dieses Verlangen ist der Anfang des Glaubens. Das gute Werk des Glaubens aber, das der Heilige Geist in dir angefangen hat, das wird er vollenden; ja gewiss er wird’s vollenden. Hüte dich nur, sein segensreiches Wirken zu verhindern! Du darfst nimmermehr meinen, dass du von dem Glauben, der in deinem Herzen angezündet ist, ein Gefühl und eine Regung erwarten könnest, bevor du nicht Lust hast, das Wort des Evangelii zu hören, zu bedenken und aufzunehmen. Das ist eine verkehrte Meinung, die du dir ja nicht zu eigen machen magst. Das ist eine verkehrte Ordnung, nach der du dich ja nicht richten magst. Mit dem Hören und Bedenken des Wortes muss in der Schule des Heiligen Geistes der Anfang gemacht werden; dadurch gelangt man weiter zum Glauben, und durch den Glauben bekommt man dann ein Gefühl von seinem Glauben. Sagst du also, du könnest nicht glauben, so musst du das Wort hören, bedenken und im Herzen aufnehmen, auf dass du glauben kannst. Gott gibt den Heiligen Geist denen, die ihn bitten, und doch können wir ohne die Gnade des Heiligen Geistes gar nicht bitten. Eben also gibt Gott den Glauben denen, die nach ihm seufzen, und doch ist ohne einen Anfang im Glauben solches Seufzen unmöglich. Es entsteht nämlich der Glaube mit einem Kampfe im Herzen, mit einem Kampf im Herzen wächst er groß, mit einem Kampf im Herzen wird er vollendet, und was wir aus uns selber nicht vermögen, das vermögen wir durch die Gabe dessen, der da gesagt hat: Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, dass ihn ziehe der Vater. Wer es nun hört vom Vater und lernet’s, der kommt zu mir. Und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen. Bist du noch nicht gezogen worden, so bete, dass du gezogen werdest; höre und lerne, auf dass du zu Christo kommst.
21. DIE ZAHL MEINER GUTEN WERKE IST SO GERING.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Der rechte und lebendige Glaube ist allezeit durch die Liebe tätig, wogegen der Glaube, welcher nicht Werke hat, tot ist an ihm selber; denn gleich wie der Leib ohne Geist tot ist, also auch der Glaube ohne Werke ist tot. Nun sehe ich aber, dass die Zahl meiner guten Werke, die von meinem Glauben ein deutlich Zeugnis geben könnten, gar nicht groß ist. So finde ich mir nun ein Gesetz, der ich will das Gute tun, dass mir das Böse anhanget. Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Du tust zwar ganz recht daran, dass du das Licht des Glaubens nach den Strahlen der guten Werke beurteilst; denn wie die Werke, welche nicht aus dem Glauben kommen, keine wahrhaft guten Werke sind, so ist auch der Glaube, der nicht Werke hat, kein rechter Glaube, sondern ein nutzloses Fürwahrhalten, ein nichtiges Trugbild. Lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen, spricht der Heiland. Tut Fleiß, sagt Petrus, euern Beruf und Erwählung fest zu machen. So hat sich das Urteil über den Glauben nach den Werken zu richten, wie auch das die dritte Eigenschaft des Glaubens ist, dass er den neuen Gehorsam allezeit in seinem Gefolge hat, während die Zerknirschung seine Vorläuferin und ein rechtes Vertrauen auf Christum seine wesentliche Gestalt ist. Darum tust du, wie gesagt, ganz recht daran, dass du das Licht des Glaubens nach den Strahlen der guten Werke beurteilst. Indessen sieh dich vor und halte ja nicht bloß die Werke für gut, die nach ihrer äußern Erscheinung in den Augen der Leute groß sind und die von dem Flecken der Sünde ganz frei sind, der noch an dir haftet. Unter guten Werken versteht man vornehmlich die inwendige Verneuerung des Herzens und die geistlichen Regungen, die durch den Heiligen Geist in den Herzen der Wiedergeborenen angezündet werden. Darum sind heilige Gedanken, gute Vorsätze, wahre Gottesfurcht, aufrichtige Liebe, inbrünstiges Gebet wahrhaft gute Werke, ob sie schon den Leuten nicht in die Sinne und in die Augen fallen. Des Königs Tochter ist ganz herrlich inwendig; die auswendigen Werke geben nur Zeugnis von der inwendigen Herrlichkeit der Verneuerung. Wenn du darum nichts anderes hast, was du Gott darbringen könntest, so bring ihm nur guten Willen und den heiligen Vorsatz eines gottseligen Lebens. Bringe Gott dein Herz, so hast du alles dargebracht. Unterwirf dich ganz dem göttlichen Willen, ihm hange an, ihm zu Lieb verzichte auf deinen Willen, so wirst du ein Geist mit ihm sein. Wenn du das getan hast, so werden die auswendigen Werke alsbald hernachgehen; denn der Geist Gottes, der in dir wohnt, wird dich zu allerlei guten Werken treiben. Fehlte dir aber die auswendige Kraft, solche Werke zu tun, so genügt vor Gott dein inwendiger guter Wille. Und auch damit ist’s nichts, dass du hoffen könntest, in diesem Leben von allem Mangel und aller Schwachheit frei zu werden. Unsere guten Werke gefallen Gott nicht darum, weil sie ganz vollkommen gut sind, sondern darum, weil sie aus dem rechten Glauben an Christum kommen und von Gottes lieben Kindern als ein Opfer des Dankes dargebracht werden. Erkenne daher, dass die guten Werke ein Zeugnis von deinem Glauben geben, damit du nicht kleinmütig werdest; erkenne aber auch, dass sie nichts Vollkommnes sind und dass an ihnen der Makel der Sünde haftet, damit du nicht hochmütig werdest.
22. ES FEHLT MIR ALLES VERDIENST.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Gott ist gerecht, und gerecht sind seine Gerichte; drum wird er keinem den Lohn des ewigen Lebens geben, der sich ihn nicht zuvor verdient hat durch gute Werke. Worauf soll ich da hoffen, worauf mich verlassen? Denn meine Werke sind ja unvollkommen, sie sind auf mancherlei Weise beschmutzt und befleckt und nichts weniger als verdienstlich.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Nicht doch! Das ewige Leben ist kein schuldiger Sold für unsere Verdienste, sondern eine Gnaden-Gabe Gottes in Christo Jesu und um Christi willen. Die menschlichen Verdienste sind nicht der Art, dass Gott uns um ihretwillen das ewige Leben von Rechts wegen schuldete, und einem Unrecht täte, wenn er’s ihm nicht gäbe. Denn zu geschweigen, dass alles Verdienst eine Gabe Gottes ist und dass um dieser Gabe willen der Mensch viel mehr Gottes Schuldner ist, als Gott des Menschen Schuldner: was sind doch alle Verdienste gegen eine so große Herrlichkeit? Alle Heiligen bekennen, dass vor Gott niemand unschuldig ist, dass alle ihre Gerechtigkeit vor Gott wie ein unflätiges Kleid ist, dass niemand vor Gottes Gericht bestehen kann, wenn er will Sünde zurechnen, dass sie, auch wenn sie alles getan haben, was ihnen von Gott befohlen ist, doch unnütze Knechte sind; wie kann da hier von Verdiensten die Rede sein? Wer kann da von seiner Weisheit oder Gerechtigkeit oder Heiligkeit behaupten, dass sie zur Seligkeit ausreiche? Und wenn einer mit seiner Gerechtigkeit vor Gott daherprangen wollte, würde der mehr tun, als wenn ein Weib ihr unflätiges Kleid dem Manne zeigen wollte? Sowohl unsere Werke, als auch unsere Leiden sind der Herrlichkeit nicht wert, die an uns soll geoffenbart werden. Nicht ein Krümlein von dem Brote, das wir essen, können wir mit unserm Gehorsam verdienen, sondern müssen es im täglichen Gebet von Gott erbetteln; wie viel weniger werden wir den Lohn des ewigen Lebens durch unsere Verdienste erlangen können? Darum, wenn du dich um die Gnade bringen willst, so brüste dich mit deinem Verdienst! Gott gibt aus lauter Gnaden, aus Gnaden macht er selig, dieweil er gar nichts findet, um deß willen er selig machen, und gar viel, um deß willen er verdammen müsste. Aus Gnaden wird nicht nur denen, die gerechtfertigt werden, ein gutes Leben, sondern auch denen, die verherrlicht werden, das ewige Leben gegeben. Und darum heißt der Tod ein Sold, aber das ewige Leben eine Gnaden-Gabe, weil jener bezahlt, dieses aber geschenkt wird. So lass doch andre Leute nach Verdienst suchen und sieh zu, wie du Gnade findest! Dein Verdienst sei die Barmherzigkeit des Herrn. Du wirst nie des Verdienstes ermangeln, so lange er nicht des Erbarmens ermangelt. Wo das Verdienst schon Platz bekommen, da hat die Gnade keinen Raum mehr. Was man dem Verdienste zulegt, das wird der Gnade weggenommen. Es ist genug Verdienst, zu wissen, dass das Verdienst nicht genug sei. Setze nur dein ganzes Vertrauen auf Gott, ergreife seine Barmherzigkeit; suche in Christi Wunden deine Verdienste, so wirst du keine Verdienste weiter brauchen.
23. DAS GESETZ VERKLAGT MICH.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich sehe es ein, dass unsere Werke nicht verdienstlich sind und dass sie Gott nicht versöhnen, sondern dass sie ihm nur gefallen, weil sie aus dem Glauben kommen. Aber wie sehr müssen sie ihm doch missfallen, da sie ja mit dem göttlichen Gesetze nicht in völligem Einklang stehen! Das Gesetz ist ja eine ewige und unwandelbare Richtschnur der Gerechtigkeit und verdammt alles, was nicht mit ihm übereinstimmt. Darum droht mir und meinen Werken die Verdammnis, wie ein daherfliegender Pfeil, wenn du mir nicht zeigst, was für einen Schild ich ihr entgegenhalten kann.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Christus hat dich erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er ward ein Fluch für dich; denn es steht geschrieben: Verflucht ist jedermann, der am Holze hängt. Da die Zeit erfüllt ward, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz getan, auf dass er die, so unter dem Gesetz waren, erlöste, dass wir die Kindschaft empfingen. Christus ist des Gesetzes Ende (und Erfüllung); wer an den glaubt, der ist gerecht. So ist nun für dich und alle, die durch den Glauben in Christo sind und nicht nach dem Fleische wandeln, nichts Verdammliches vom Gesetze zu befürchten; das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht in Christo Jesu, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Denn das dem Gesetz unmöglich war (sintemal es durch das Fleisch geschwächt ward), das tat Gott und sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches und verdammte die Sünde im Fleisch durch Sünde, auf dass die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in uns erfüllt werde, die wir nun nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist. Darum, wo du dir im rechten Glauben die Heilstaten Christi zu eigen machst, hast du keinen Grund, dich vor dem Fluche des Gesetzes zu fürchten. Der Stachel des Todes ist die Sünde; die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum. Er hat durch seinen Tod unsern Tod besiegt; er hat für unsere Sünden mit seinem Leiden genuggetan; er hat das Gesetz an unserer statt mit seinem allerheiligsten Gehorsam vollkommen erfüllt. Gleichwohl ist das Gesetz nicht ausgerottet, es ist nur umgepflanzt worden. Gesetz und Evangelium machen sich nicht gegenseitig zu nichte, denn das Gesetz ist nicht wider Gottes Verheißungen, da es vielmehr durch den Glauben aufgerichtet wird. Denn was das Gesetz von uns fordert, das ist, wie das Evangelium sagt, von Christo an unserer statt geleistet worden. Was das Gesetz verlangt, wird durch Christum erlangt. Das Gesetz verdammt die Sünde und um der Sünde willen auch uns. Christus aber leistet die Genugtuung für unsere Sünden und schenkt uns seine Gerechtigkeit. So wird also durch Christi Gehorsam, dieweil er ein vollkommner ist, dem Gesetz Genüge geleistet, und wiederum kann diese Gesetzeserfüllung, die Christus geleistet hat, uns zu Gute kommen, dieweil er nicht dazu verpflichtet war. Ebenso wie du dir den Tod nicht ansehen darfst an deinem Leibe, sondern an Christo, dem Auferstandenen, der des Todes Überwinder ist und Leben und ewige Seligkeit gibt; wie du dir die Sünde nicht ansehen sollst an deinem Gewissen, sondern an Christo, der das Lamm Gottes ist, welches deine und der ganzen Welt Sünde trägt; wie du dir die Hölle und die Angst der ewigen Verdammnis nicht ansehen sollst an dir und der unzähligen Menge verdammter Seelen, sondern an Christo, der am Kreuze die Angst der Verdammnis auf sich genommen und überwunden hat: so sollst du dir auch das Gesetz nicht ansehen, wie es in dein Herz geschrieben ist, sondern wie es durch Christum erfüllt und mit ihm an’s Kreuz geheftet ist.
24. DAS GEWISSEN VERKLAGT MICH.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Aber zur Anklage des Gesetzes kommt noch das Zeugnis meines Gewissens hinzu. Es ist gleichsam ein unbestechlicher Richter, der wider mich auftritt und mein Verkläger wird, ohne dass ein Mensch mir etwas schuld gibt oder etwas wider mich vorbringt. Vor solchem „Richterstuhl im eignen Hause“ kann ich nicht entfliehen; in dem großen Buche meines Gewissens stehen alle meine Sünden mit dem Griffel der Wahrheit eingeschrieben; das sehe ich mit innerlichem Schrecken. Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von diesem Gerichtshofe, da ich selber alles in einem bin: Verklagter, Kläger, Zeuge, Richter, Peiniger, Geißel, Vollstrecker und Scharfrichter?
DER TRÖSTER ANTWORTET:
So dich dein Herz verdammt, so ist Gott größer, denn dein Herz. Wenn das Angedenken der vergangenen Sünden dich verklagt und quält, so ist doch Christus ein Erlöser, der für die Sünden genuggetan hat. Er ist stärker, er spricht dich frei, er macht dich frei, er macht dich selig. Denn er hat ausgetilgt die Handschrift, so wider uns und uns entgegen war, und hat sie aus dem Mittel getan und an das Kreuz geheftet. Durch die Marternägel des gekreuzigten Christus ist zugleich die Handschrift deines Gewissens, die dich verklagt, an’s Kreuz geheftet worden, damit sie vor Gott ungültig und kraftlos wird. Denn nun du bist gerecht geworden durch den Glauben, hast du Frieden mit Gott, Frieden des Gewissens, Ruhe des Herzens und die selige Stille der Seele, die Christus, der Überwinder des Todes, der Sünde und des Teufels, mit sich aus dem Grabe gebracht und seinen Jüngern geschenkt hat. Wenn du daher das Nagen des Gewissenswurmes verspürst, musst du ihn alsobald schon in diesem Leben ersticken und ihn nicht bis in die Tage der Unsterblichkeit hegen und pflegen. Denn wenn das Gewissen faul wird, so gebiert es ein unsterbliches Gewürm. Darum ersticke den Gewissenswurm durch ernstliche Buße, erbitte dir von Gott Ruhe des Herzens und Vergebung der Sünden und hüte dich vor neuen Wunden des Gewissens, d. h. vor einem schlimmen Rückfall in die alten Sünden. In diesem Leben ist noch Zeit zur Vergebung, Zeit zur Gnade, Zeit, das Gewissen zu stillen. In diesem Leben kann das Buch des Gewissens noch berichtigt werden aus dem Buche des Lebens; aber am jüngsten Gericht werden die Bücher aufgetan werden und unter ihnen auch das Buch des Gewissens, darinnen vor aller Welt mit gewaltigen Buchstaben alle die Sünden der Menschen zu sehen sein werden, die nicht schon in dieser Welt durch rechtschaffene Buße, durch Glauben und Bekehrung getilgt worden sind. Und ehe dieser Tag des Gerichtes herankommt und die Gnadenfrist vorüber ist, kannst du noch die köstliche Hoffnung und die gewisse Zuversicht haben, das Blut Jesu Christi, der sich selbst ohne allen Wandel durch den Heiligen Geist Gott geopfert hat, werde dein Gewissen reinigen von den toten Werken zu dienen dem lebendigen Gott.
25. MEINE BUSSE KOMMT ZU SPÄT.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ja, es ist mir wirklich ernstlich leid, dass meinem Gewissen so viele Wunden geschlagen sind, ich verlange ernstlich nach einer Heilung dieser Wunden, ich habe ernstlich Verlangen, in Zukunft ein gutes Gewissen zu bewahren; aber ich fürchte, meine Buße komme zu spät; ich fürchte, die Gnade Gottes, die ich so oftmals verschmäht habe, könne mich wieder verschmähen und verlassen. Gar mancher wird durch verspätete Buße irre geführt, und wenn die Buße aus eines Sterbenden Herzen kommt, muss man wohl fürchten, sie möchte selbst dem Tod nahe sein.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Aber es ist doch nichts zu spät, was aufrichtig und ernstlich ist. So lange einer noch in dieser Welt lebt, ist keine Buße zu spät. Gar mancher wird noch in der elften Stunde des Tages in den Weinberg des Herrn gedungen und empfängt den Gnadenlohn. Keine Verspätung kann der Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes Eintrag tun. Die Buße ist vor Gott niemals zu spät, denn in seinen Augen ist Vergangenes und Zukünftiges allezeit wie Gegenwärtiges. Siehe doch an das Exempel des Schächers am Kreuze; in den letzten Worten seiner Lippen verweilt gleichsam noch die scheidende Seele, mit seinem Munde bekennt er Christum, er erlangt Vergebung der Sünden und aus Gnaden die Verheißung des himmlischen Paradieses. So lange es heute heißt, so lange wartet Gott sehnlich auf unsere Bekehrung. So lange der himmlische Bräutigam mit seiner Ankunft noch verzieht, so lange steht die Tür der Gnade und Vergebung noch offen. Die ganze Lebenszeit, selbst noch ihre letzte Stunde, wird uns vergönnt als Frist zur Buße. Gott reckt seine Hände aus den ganzen Tag, und wer zu ihm kommt, er mag nun kommen, wann er will, den wird er nicht hinausstoßen. Darum sieh nur zu, dass deine Buße aufrichtig und ernstlich ist, dann brauchst du nicht zu fürchten, dass sie zu spät kommt. Wenn du beim Herannahen der Todesstunde darum Buße tust, weil du zum Sündigen keine Gelegenheit mehr hast, so ist das eine falsche Buße; denn in solchem Falle lässt du die Sünden nicht, sondern die Sünden lassen dich. Wenn du darum Buße tust, weil du siehst, dass die Strafe der Sünde immer näher kommt, so ist das gleichfalls eine falsche Buße; denn sie kommt aus Liebe zu dir, nicht aus aufrichtiger Liebe zu Gott; sie kommt nicht aus Hass der Sünde, sondern aus Entsetzen vor der gerechten Strafe. Auf dass du also aufrichtige und ernstliche Buße tuest, trage Leid um die Sünden, die du so vielfach begangen, trage aber darum leid, weil du durch deine Sünden Gott den Herrn, der dein allerhöchstes Gut ist, so oftmals und so schwer beleidigt hast, suche in Christo Vergebung der Sünden und mache dir den ernstlichen Vorsatz, du wollest deine übrige Lebenszeit ganz auf den Dienst Gottes verwenden; unterwirf dich dem Herrn und demütige dich vor ihm von ganzem Herzen; stelle es seinem Willen heim, welche und wie große Strafen er dir auferlegen will; denn du hast sie ja tausendmal verdient: so wird es offenbar werden, dass du darum Buße tust, weil dir die Sünde, nicht, weil dir die Strafe zuwider ist. Solch ein geängstetes und zerschlagenes Herz wird dem Herrn das liebste Opfer sein; denn also spricht er durch den Propheten: Ich sehe an den Elenden und der zerbrochenes Geistes ist und der sich fürchtet vor meinem Wort.
26. ZWEIFEL, OB GOTT AUCH GNÄDIG SEI.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich habe wohl wegen meiner Sünden ernstlich Reue und Leid in meinem Herzen, verzweifle auch nicht gänzlich an Gottes Erbarmen; doch wird mein Herz dabei von Zweifelswogen umgetrieben, und ich bin der Sündenvergebung aus Gnaden noch nicht recht gewiss. Ich hoffe wohl das Beste, doch zweifle ich auch in meiner Niedrigkeit. Die Betrachtung des göttlichen Erbarmens richtet mich auf; aber der Gedanke an meine Unwürdigkeit schlägt mich wieder nieder. Ich bekehre mich zu Gott, das gibt mir gute Hoffnung; aber ich bekehre mich zu spät, das hält mich zum Teil noch in Zweifel.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Da muss ich deinem wankenden Glauben eine recht feste Stütze geben, damit du wider alle Zweifelsstürme bestehen kannst. Denn solcher Zweifel ist nicht ein demütiges Bekenntnis unserer Unwürdigkeit, sondern ein gefährlicher Gegensatz gegen den Glauben, den wir den Verheißungen Gottes schuldig sind; und auch bei der späten Bekehrung und Buße hat der Zweifel keine einzige gültige Entschuldigung, dieweil ja Gottes Gnade allen, die sich ernstlich bekehren, Vergebung der Sünden verheißt. Darum merke vor allem auf die unwandelbare Wahrhaftigkeit der göttlichen Verheißungen. Wer seine Sünden erkennt und beweint, die Vergebung der Sünden bei Christo sucht und den festen Vorsatz fasst, sein Leben zu bessern, dem hat Gott seine Gnade, Vergebung der Sünden und ewiges Leben verheißen. Alle, die an den Sohn glauben, werden nicht verloren, sondern haben das ewige Leben. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet. Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben. Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden. Und der das verheißen hat, das ist Gott, dessen Wort fester steht als Himmel und Erde, der die Wahrheit selbst ist, der da treu ist und sich selbst nicht leugnen kann. Was dir nun Gott durch unzweifelhafte Verheißungen anbietet, das musst du auch in ungezweifeltem Glauben annehmen und darfst dich nicht mit der Schwachheit deiner Natur entschuldigen, als könne sie nicht mit recht gewisser Zuversicht Gottes Verheißungen ergreifen; denn eben dieses Gebrechen deiner Natur soll in Kraft des Heiligen Geistes geheilt werden. Wie du nicht aus natürlicher Kraft, sondern durch des Heiligen Geistes Arbeit an Christum glaubst, so kannst du auch durch die Gnade desselben Heiligen Geistes der Barmherzigkeit des Vaters im Himmel gewiss werden und allen Zweifel überwinden, der noch an deiner verderbten Natur haftet. Wer Gott nicht glaubt, der macht ihn zum Lügner. Soviel du noch zweifelst, soviel fehlt dir auch noch an der rechten Zuversicht; darum hast du wider solchen Zweifel zu kämpfen und darfst ihn nicht – das klingt gar schön – für Demut ausgeben; denn wir sollen freilich demütig werden in Betrachtung unserer Unwürdigkeit, aber bei Erwägung der Verheißungen Gottes sollen wir doch auch eine recht feste Zuversicht gewinnen. Gott hat ja den verborgenen Thron seiner Majestät eben deshalb verlassen und seinen Willen im Worte geoffenbart, damit wir Gewissheit hätten über diesen Willen. Gott hat ja nicht bloß die Gesetzesverheißungen gegeben, bei welchen er die Bedingung eines vollkommenen Gehorsams gestellt hat und die eben dadurch für uns nicht mehr taugen, sondern er hat auch evangelische Verheißungen gegeben aus lauter Gnade, damit wir uns auf dieselben in festem Vertrauen unseres Herzens verlassen können. Derhalben, so sagt der Apostel, muss die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, auf dass sie sei aus Gnaden und die Verheißung fest bleibe. Menschliche Versprechungen sind ungewiss und zweifelhaft; denn alle Menschen sind Lügner; aber Gottes Verheißungen sind gewiss und ohne Wandel, denn Gott ist die Wahrheit selber. Wie Gott wahrhaftig ist, wo er droht, so ist er’s auch da, wo er verheißt. Wie ohne Christum allen Ungläubigen und Unbußfertigen eine gewisse Verdammnis gedroht ist, so ist auch in Christo allen, die sich zu Gott bekehren und glauben, eine gewisse Seligkeit verheißen. Oder zweifelst du, ob das geschehen werde, was Gott verheißt? Er ist ja wahrhaftig, und sein Wort steht ewig fest für die, so da glauben. Wenn dir ein angesehener und ehrenwerter Mann etwas verspräche, da würdest du seinem Versprechen gewisslich glauben und nicht denken, du könnest von ihm getäuscht oder betrogen werden; denn du weißt, er hält sein Wort und tut, was er geredet hat. Und jetzt redet Gott mit dir, und du schwankst so treulos mit ungläubigem Herzen? Bedenke doch überdies auch, dass Gottes Eidschwur ein feststehendes Ding ist. So wahr als ich lebe, spricht der Herr Herr, ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, spricht Christus, wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich. Das hat Gott gesagt, das hat er verheißen, und ist dir das noch zu wenig, er hat’s auch geschworen. O, wie selig sind wir doch, dass Gott um unsertwillen schwört; aber wie gar elend sind wir, wenn wir ihm selbst dann nicht glauben, wenn er schwört. So erkenne doch die wunderherrliche und nie genugsam zu preisende Barmherzigkeit Gottes: Da er wollte den Erben der Verheißung überschwänglich beweisen, dass sein Rat nicht wankte, hat er einen Eid dazu getan, auf dass wir durch zwei Stücke, die nicht wanken (denn es ist unmöglich, dass Gott lüge), einen starken Trost haben, die wir Zuflucht haben und halten an der angebotenen Hoffnung.
27. DIE RECHTE ZUBEREITUNG FEHLT MIR.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Das alles bringt es wohl soweit, dass ich an der Festigkeit der Verheißungen Gottes nicht zweifle; aber es ist doch noch ungewiss, ob diese Verheißungen auch für mich so fest und unwandelbar sind, und ob auch ich zu denen gehöre, denen Gott solch große Dinge verheißt und anbietet.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Gott verheißt es doch aber allen, die in rechter Buße und Glauben zu Christo ihre Zuflucht nehmen. So verheißt es Gott auch dir, weil auch du an Christum glaubst. Darum merke nur immer weiter auf die inwendige Versiegelung des Heiligen Geistes. Denn nicht nur auswendig in seinem Worte, sondern auch inwendig in deinem Herzen gibt dir der Heilige Geist sein Zeugnis. Derselbige Geist gibt Zeugnis deinem Geiste, dass du Gottes Kind seiest und darum auch Gottes Erbe. Du hast den Geist aus Gott empfangen, dass du wissen kannst, was dir von Gott gegeben ist. Der dich bestärkt und dich kräftig macht samt allen Gläubigen in Christo, der dich gesalbt hat, das ist Gott; er hat dich auch versiegelt, hat dir gleichsam ein Siegel aufgedrückt und dir das Pfand des Geistes gegeben in deinem Herzen. Weil du nun Gottes Kind bist, so hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in dein Herz, der schreit: Abba, lieber Vater! Dieweil du glaubst an das Wort der Wahrheit und an das Evangelium von deiner Seligkeit, bist du versiegelt mit dem Heiligen Geist der Verheißung, welcher ist das Pfand deines Erbes zu deiner Erlösung, dass du sein Eigentum würdest; mit ihm bist du versiegelt auf den Tag der Erlösung. Gleichwie ein Bräutigam, der seiner Braut eheliche Treue versprochen hat, derselben ein Unterpfand der künftigen Ehe zu schenken pflegt, also hat sich auch Gott im Glauben mit dir verlobt; er hat sich mit dir verlobt in Barmherzigkeit; aber die Hochzeit des Lammes ist noch nicht gekommen; darum gibt er dir das Pfand des Heiligen Geistes, auf dass du durch denselben gewiss werdest, er werde seine Verheißungen erfüllen und dermaleins mit dir eingehn zur himmlischen Hochzeit. Derselbige ist ein Geist der Kindschaft, denn er bezeugt dir, dass dich Gott zu seinem Kinde angenommen hat; er ist das Siegel, durch welches Gottes Verheißungen an deinem Herzen versiegelt werden; er ist das Pfand, durch welches dir das Wort der Wahrheit bestätigt wird; daran erkennst du, dass du in Gott bleibst und Gott in dir, dass Gott dir von seinem Geist gegeben hat.
28. ZWEIFEL AN DER EINWOHNUNG DES HEILIGEN GEISTES.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Wie kann ich denn aber gewiss werden, dass mein Herz ein Tempel und Wohnstatt des Heiligen Geistes ist? Es haftet an mir der Makel der Sünde, und ich weiß, dass in mir, d. i. in meinem Fleische wohnt nichts Gutes. Wie wird da der Heilige Geist in mir wohnen können, der doch die Heiligkeit und Reinheit selber ist?
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Nur des Geistes Erstlinge empfangen wir in diesem Leben; erst im ewigen Leben hoffen wir auf das volle Maß und die ganze Ernte. In diesem Leben gibt’s immer noch Kampf zwischen Fleisch und Geist, und wir bleiben zum Teil noch fleischlich und unter die Sünde verkauft. Gleichwohl sind wir auch jetzt schon Tempel des Heiligen Geistes, dieweil der Gnadensegen der Wiedergeburt und Erneuerung in uns angefangen hat. Und dass der Geist Gottes in dir wohnt, wirst du daran erkennen können, dass du deine Sünden beweinst und verabscheust; denn der Heilige Geist wohnt nicht in einem Leibe, der Sünde unterworfen; sodann daran, dass du an Christum glaubst und ihn lieb hast; denn er ist ein Geist des Glaubens; ferner daran, dass du mit ernstlichem Seufzen Gott und den Vater der Barmherzigkeit anrufst; denn er ist ein Geist der Gnaden und des Gebets und schreit in den Herzen der Gläubigen: Abba, lieber Vater; zudem auch daran, dass du von einem Eifer nach allem Guten regiert wirst; denn die, so Tempel des Heiligen Geistes sind, die werden von ihm getrieben, und gewiss nur zum Guten; endlich daran, dass du zum öfteren in deinem Herzen einen Vorschmack des ewigen Lebens verspürst; denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist. Wenn daher deine Seele einmal in ihrem innersten Bewusstsein spürt, dass der Geist des Sohnes in ihr schreit: Abba, lieber Vater, dann kann sie gewiss sein, dass Gottes Vaterliebe ihr zu Teil wird, dieweil sie ja spürt, dass sie von demselben Geiste bewegt wird, wie der Sohn. Im Geiste des Sohnes erkennt sie sich als eine Tochter des Vaters und als eine Braut und Schwester des Sohnes. Obgleich solches alles aber zuweilen gering und schwach ist, so lass doch nicht den Mut sinken, sondern bete um Vermehrung des Heiligen Geistes; denn Gott wird den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten. Erwecke die Gnadengabe des Heiligen Geistes, die in dir ist, nämlich durch Bitten und Suchen und Anklopfen, durch Betrachtung des Worts und Kampf wider die sündlichen Lüste. Hienieden ist nichts vollkommen, sondern nur ein beständiger Weg in’s Vollkommene. Außer diesem inwendigen Siegel und Zeugnis des Heiligen Geistes hat dir auch Gott die Sakramente gegeben. Dieselbigen sind Siegel der göttlichen Verheißungen, Träger der Segnungen Christi und Mittel, den Glauben in dir zu wecken, zu nähren und zu bekräftigen, auf dass du gewiss werden könnest, die Gnade Christi gehe dich ganz insbesondere an. Durch die Taufe bist du in den Bund der göttlichen Gnade aufgenommen, im heiligen Abendmahl wirst du mit Leib und Blut Christi gespeist, in der Privat-Absolution wirst du von deinen Sündenbanden ledig gesprochen. Und weil dir’s nun mit solchen Siegeln versichert wird, so glaube fest und ohne Zweifel dem Worte des Evangelii. Warum zweifelst und schwankst du? Das heißt von Gott nichts wissen wollen; das heißt Christo, dem Lehrer des Glaubens, durch die Sünde des Unglaubens weh tun; das heißt in der Kirche stehen und doch im Hause des Glaubens keinen Glauben haben. Merke überdies auch darauf, wie Gott nicht trügt, wenn er verheißen hat, er wolle dich erhören. Gott hat’s sogar mit einem Eide verheißen, dass er dein Gebet erhören wolle und dass uns gegeben werden solle, was wir nach seinem Willen bitten. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, spricht Christus, so ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er’s euch geben. Wo Zween unter euch eins werden auf Erden, warum es ist, das sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Das ist die Freudigkeit, die wir zu Gott haben, dass, so wir etwas bitten nach seinem Willen, so hört er uns. Und dieser selbige Gott, der uns Erhörung verheißen hat, hat uns geheißen um Vergebung der Sünden zu bitten. Was hat man also noch für Grund, an der Sündenvergebung zu zweifeln? Und wie hätte Christus uns lehren können hinter das Gebet das Wörtlein „Amen“ zu setzen, wenn er gewollt hätte, dass wir an der Erhörung zweifeln sollen? Endlich merke auch auf die Eigenschaft des rechten Glaubens! Durch ihn haben wir nämlich einen Zugang zu der Gnade, darinnen wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll. Durch ihn treten wir mit Freudigkeit hinzu zu dem Gnadenstuhl, auf dass wir Barmherzigkeit empfahen und Gnade finden. Durch ihn werden wir aus Gottes Macht bewahrt zur Seligkeit. Durch ihn wissen wir, dass wir aus dem Tode in das Leben kommen sind. Durch ihn sind wir gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu, unserm Herrn. Wenn du solches alles erwägst, so richte dich auf in deiner Gebrechlichkeit, verzweifle nicht, lass dich nichts ärgern, noch abwendig machen! Christus hat dir verheißen, dass, wo er ist, auch du sein sollst. Was hat dir Gott verheißen? du sterblicher Mensch! Dass du leben sollst in Ewigkeit. Und du glaubst nicht? Glaube doch, glaube! Gott hat schon mehr getan, als er verheißen hat. Und was hat er getan? Er ist für dich gestorben. Und was hat er verheißen? Dass du mit ihm leben sollst. Es ist schwerer zu glauben, dass der Ewige gestorben ist, als dass der Sterbliche in Ewigkeit lebt. Nun sieh, was schwerer zu glauben ist, das hältst du schon fest; was zweifelst du noch an dem Anderen? Verheißen hat dir Gott den Himmel, gegeben hat er den Sohn, und der ist eine Gabe, größer als Himmel und Erde.
29. ZWEIFEL AN DER BEHARRLICHKEIT.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ja, ich zweifle gar nicht daran, dass mir durch Christum, den Mittler, der Zugang zu Gott offen steht; ich bin der Zuversicht, dass ich in Gottes Gnade stehe; allein ich muss immer wieder zweifeln an meiner Beharrlichkeit. Ich weiß, dass nur die Beharrlichkeit gekrönt wird. Wer bis an das Ende beharrt, der nur wird selig. Nicht das Angefangen-, sondern das Vollendet-Haben ist ein Zeichen von Kraft, und bei den Christen fragt man nicht nach dem Anfang, sondern nach dem Ende. Judas fängt gut an und nimmt ein schlimmes Ende; Paulus fängt schlimm an und nimmt ein gutes Ende. Ohne Beharrlichkeit gelangt weder ein Kämpfer zum Siege, noch ein Sieger zur Palme. Unser Kampfrichter aber ruft: Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme. Das höre ich, und ich fürchte mich; ich fürchte mich und zweifle; ich zweifle, und die Zuversicht meines Herzens ist dahin.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Drei Stücke siehe dir an; darinnen besteht deine ganze Hoffnung: Die Liebe, die dich zum Kinde annimmt, die Wahrheit, die ihre Verheißung hält, die Macht, mit der er das Verheißene gibt. Da lass nur deine törichten Gedanken murren, so viel sie wollen, und wenn sie zu dir sprechen: „Wer bist denn du? und wie groß ist doch die zukünftige Herrlichkeit? und auf welche Weise gedenkst du denn, dieselbige zu verdienen?“ so antworte mit aller Zuversicht: Ich weiß, an welchen ich glaube und bin gewiss, dass er mich in überschwänglicher Liebe zu seinem Kinde gemacht hat, dass er wahrhaftig ist in dem, das er verheißen hat, und mächtig in dem, das er mir dargibt. Das ist gleichsam ein dreifaches Seil, das nicht so leicht reißt. Von unserm Vaterlande droben wird es hernieder gelassen in den Kerker, darin wir sitzen. Das halte doch ja recht fest, damit es dich in die Höhe hebe und dich emporziehe zum Anblick der Herrlichkeit des großen Gottes. Das ist der allerfesteste Anker deiner Hoffnung, das sind die drei Säulen, darauf du dich wider alles Fluten und Wogen des Zweifels stützen kannst, nämlich: der gnädige Wille Gottes, der dich zu seinem Kinde macht, die zuverlässige Treue, mit der er seine Verheißungen gibt, und die unermessliche Macht, mit der er dieselben erfüllt. Dein guter Gott hat dir Gutes verheißen. Er hat in dir angefangen das gute Werk; er wird es auch vollführen nach seinem Wohlgefallen. Dein guter Gott hat dir Gutes verheißen; und er, der es verheißen hat, ist auch getreu und wahrhaftig, der dich nicht lässt versuchen über dein Vermögen; sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende gewinne, dass du es könnest ertragen. Dein guter Gott hat dir Gutes verheißen; und er, der es verheißen hat, ist auch mächtig, seine Verheißungen zu erfüllen. Darum kannst du gewiss sein, dass er dir kann deine Beilage bewahren bis an jenen Tag des Gerichts. Niemand wird die Schafe Christi aus seiner Hand reißen. Der Vater im Himmel, der sie dem Sohne gegeben hat, ist größer denn alles, und niemand kann sie aus des Vaters Hand reißen. Christus, der einige Hohepriester des neuen Testamentes, hat für alle gebeten, die durch das Wort an ihn glauben würden, auf dass sie bei ihm wären und die Herrlichkeit sähen, die ihm der Vater im Himmel gegeben hat. Dieweil du nun auch an Christum glaubst, so hast du das Zeugnis Gottes bei dir selbst, dass Christus auch für dich gebetet hat. Und wie kannst du doch noch zweifeln, dass dies Gebet vom Vater im Himmel erhört werde? Der Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der sollte vom Vater nicht erhört werden? Der Sohn, an welchem der Vater Wohlgefallen hat, der sollte mit seinen Bitten abgewiesen werden? Das sei ferne! Hat er doch vielmehr in den Tagen seines Fleisches Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Tränen seinem Vater geopfert, und ist auch erhört, darum, dass er Gott in Ehren hatte. So hat nun Christus für dich gebetet, und zwar erhörlich gebetet, also dass du mit ihm leben und dereinst der himmlischen Herrlichkeit teilhaftig werden wirst.
30. DES TEUFELS LIST UND MACHT.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich hoffe wohl, dass ich als ein treues Schäflein in der Hand meines Hirten werde erhalten werden; aber ich fürchte mich doch auch vor der List des Satans, der umhergeht wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge. Ich fürchte mich vor seiner Macht, denn er ist ein Feind gar schnell auf dem Plan mit seiner Kühnheit, gar stark mit seiner Kraft, gar schlau mit seinen Künsten, gar unermüdlich mit seinem Eifer und seiner Gewandtheit, gar voll von allerlei Ränken, und gar sehr erfahren in der Kriegskunst. Wie werde ich mich vor seiner List in Acht nehmen und seiner Macht entfliehen können? Bald verfährt er offen und mit Gewalt, bald heimlich und mit Lug und Trug; aber jedesmal bestreitet und verfolgt er mich mit Bosheit und mit Grausamkeit.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Niemand, spricht Christus, wird meine Schafe aus meiner Hand reißen; also auch der Höllenwolf nicht, wenn er auch noch so trefflich gerüstet ist, mit List und Kraft uns zu schaden. Es kommt der Fürst dieser Welt und hat nichts an Christo; also wird er auch an denen nichts haben, die durch den Glauben in Christo sind und in deren Herzen Christus wohnt durch den Glauben. Christus ist es, der für dich und in dir streitet; so glaube nur, glaube! Der Teufel wird nicht mächtiger sein als er. Christus ist vom Teufel versucht worden, und er hat kräftiglich gesiegt. Der Sieg des Herrn ist der Triumph seiner Knechte. Durch seinen Tod hat Christus die Macht genommen dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel. Er hat ausgezogen die Fürstentümer und die Gewaltigen und sie Schau getragen öffentlich und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst. Mit dem Schwerte des Kreuzes hat er als ein himmlischer David, den höllischen Goliath besiegt. Und diese Schlacht Christi, dieser Sieg ist der ganzen Kirche zum Heile; daher man auch das Sieges- und Triumphlied singt: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich und die Macht unsers Gottes seines Christus geworden, weil der Verkläger unserer Brüder verworfen ist, der sie verklagt Tag und Nacht vor Gott. Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses. So sollst du nun auf diesen Sieg Christi all deine gewisse Zuversicht setzen und alles fröhliche Rühmen deiner Hoffnung. Widerstehe dem Teufel in der Kraft Christi, so flieht er von dir. So oft du widerstehest, besiegst du den Teufel, erfreust du die Engel und verherrlichst du den Herrn; denn er selbst ermuntert dich zum Streit und hilft dir zum Sieg. Er sieht dir zu, wenn du kämpfest; er hilft dir auf, wenn du schwach wirst; er krönt dich, wenn du gesiegt hast. Er ist selber beides: der Oberste und Führer der Streitenden und die Krone der Triumphierenden. Darum sei stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke; ziehe an den Harnisch Gottes, dass du bestehen könnest gegen die listigen Anläufe des Teufels; denn du hast nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Um desswillen so er greife den Harnisch Gottes, auf dass du an dem bösen Tage Widerstand tun und alles wohl ausrichten und das Feld behalten mögest. So stehe nun, umgürtet deine Lenden mit Wahrheit und angezogen mit dem Krebs der Gerechtigkeit, und an Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens, damit du bereitet bist. Vor allen Dingen aber ergreife den Schild des Glaubens, mit welchem du auslöschen kannst alle feurigen Pfeile des Bösewichts; und nimm den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes! In dieser Waffenrüstung tritt in den Zweikampf: du wirst gewisslich heimkehren als Sieger. Christus hat für dich gekämpft und gesiegt, er wird auch in dir kämpfen und siegen und dir die Krone der Ehren aufsetzen.
31. DER ABFALL VIELER.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Wie viel Streiter Christi könnte ich aber herzählen, die von der List des Teufels umringt wurden und nicht als Sieger, sondern als Besiegte aus diesem Kampfe wiederkehrten? Wie gar viele könnte ich aufzählen, die einen guten Anfang gemacht, aber nachmals die Gnade Gottes und den Lohn des ewigen Lebens wiederum verloren haben! Drum fürchte ich mich vor Gottes verborgenem Ratschluss, und wenn ich Gottes geheime Gerichte erwäge, ergreift mich Schrecken an Leib und Seele.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Du tust ganz recht daran, zu schaffen, dass du selig werdest mit Furcht und Zittern, damit, dass du die Schwachheit deines Fleisches und die Macht des Teufels, der dir auflauert, erkennst und dazu dir ernstlich das Beispiel derer anschaust, die in Sünden gefallen und des Heiles verlustig gegangen sind; aber hüte dich, dass du die Ursache solches Abfalls in einem unbedingten Verdammungsratschlusse Gottes suchst oder erkennst. Denn Gott wird nicht von sich selbst aus unbedingtem Ratschlusse oder Hasse bewogen, dass er etliche, die im rechten Glauben gestanden haben, wieder aufgibt und verloren gehen lässt. Denn Gottes Gaben und Berufung mögen ihn nicht gereuen. Sondern wie viel ihrer im rechten Glauben gestanden haben, danach aber wiederum Gottes Gnade und die ewige Seligkeit verlieren, die gehen verloren aus eigner Schuld, und nicht weil ein unbedingter Verdammungsratschluss sie zwänge, sintemal sie sich mit ihrem freien Willen selber von Gott wiederum abwenden. Denn Glaube, Christus, Gottes Gnade, Heiliger Geist, Lust zur Heiligung, ewiges Leben: das alles ist beständiglich und inniglich miteinander verbunden. So lange ein Wiedergeborner im Glauben bleibt, so lange bleibt er auch in Christo; wer da in Christo bleibt, der bleibt auch in der Gnade Gottes; wer da bleibt in Gottes Gnade, in dem macht der Heilige Geist Wohnung; wo aber der Heilige Geist ist, daselbst folgen auch die Früchte des Geistes. Aber die, so keine Lust zur Heiligung mehr zeigen und wider ihr Gewissen der Sünde nachzuhangen anfangen, die treiben den Heiligen Geist von sich, verlieren den Glauben und machen sich selbst nicht wert des ewigen Lebens. Darum sollst du, in Kraft des Geistes, der Gabe der Beharrlichkeit und des ewigen Lebens, womit dir gelohnt wird, gewiss sein, so jedoch, dass du nicht in fleischliche Sicherheit gerätst. Die untrüglichen Verheißungen Gottes machen dich frei vom Zweifel, die Vermahnungen und Drohungen Gottes machen dich frei von fleischlicher Sicherheit. Nirgends in diesem Leben ist Sicherheit, ohne allein in der Hoffnung auf Gottes Verheißungen. In diesem Leben, das eitel Anfechtung ist auf Erden, muss jeder, der sich lässt dünken, er stehe, zusehn, dass er nicht falle; und dieweil nun nach Gottes fürsehendem Willen die da abtreten gemischt sind mit denen, die da beharren, so müssen wir lernen, nicht nach hohen Dingen zu trachten, sondern uns herunterzuhalten zu den Niedrigen und mit Furcht und Zittern zu schaffen, dass wir selig werden. Darum siehe mit dem einen Auge deines Herzens auf Gottes Erbarmen, mit dem andern aber auf Gottes Gerechtigkeit. Aus dem gläubigen Anschaun der göttlichen Barmherzigkeit werde in deinem Herzen eine getroste Hoffnung auf Beharrlichkeit; aus der Furcht vor Gottes Gerechtigkeit aber werde ein Abscheu vor fleischlicher Sicherheit. Die Furcht Gottes soll dein Fleisch bezähmen, auf dass dich nicht die Liebe des sündigen Fleisches berücke. Der Herr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen. Unser inwendiger Mensch soll hoffen und vertrauen, aber der auswendige soll sich fürchten und zittern.
32. ZWEIFEL, OB MAN AUCH IN’S BUCH DES LEBENS
EINGESCHRIEBEN SEI.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Die allein beharren und erhalten die Krone der Beharrlichkeit, die in’s Buch des Lebens eingeschrieben sind. Wie mag ich aber wissen, dass auch ich darin geschrieben stehe?
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Dies Buch des Lebens ist Christus; daher es auch genannt wird das lebendige Buch des Lammes. Das Einschreiben aber in dieses Buch des Lebens ist nichts anderes, als die Erwählung der Gläubigen zum ewigen Leben, die da geschieht in Christo. Denn gleichwie es von den Gläubigen heißt, dass sie erwählt seien in Christo, ehe der Welt Grund gelegt war, also heißt es auch, dass ihre Namen geschrieben stehen in dem Buch des Lebens vom Anfang der Welt. Darum mag man, wie über die Erwählung, so auch über das Eingeschriebensein in’s Buch des Lebens nicht von vornherein, sondern erst hinterdrein ein Urteil fällen. Es sind uns nämlich deutliche Zeichen und Merkmale der Seligkeit gegeben, so dass man unzweifelhaft gewiss sein kann, der gehöre zur Zahl der Auserwählten, bei welchem sich diese Zeichen beständiglich finden. Denn so viel ihrer von Ewigkeit zum Leben verordnet sind, die hören in der Zeit das Wort von der Seligkeit, die glauben an Christum, die zeigen die Früchte des Geistes, die beharren im Glauben. Darum wer da glaubt an den Sohn, der hat das Zeugnis Gottes bei ihm; denn der Heilige Geist gibt Zeugnis im Herzen der Gläubigen, dass sie Gottes Kinder und ins Buch des Lebens eingeschrieben sind. Die Gott von Ewigkeit erwählt hat und deren Namen im Himmel geschrieben sind, die beruft er in der Zeit durch das Wort und macht sie gerecht im rechten Glauben an Christum. Solcher Glaube aber erweist sich durch rechte Anrufung Gottes, durch Geduld im Kreuz und durch Lust zur Heiligung. Darum muss ein heiliges und heilsames Nachdenken über die Erwählung und das Buch des Lebens anheben bei den Wunden Christi des Gekreuzigten. Wer an ihn glaubt und im Glauben beharrt, der ist gerecht worden und ist geschrieben in’s Buch der Lebendigen. Oder bist du nicht durch die Taufe in den Bund der Gnaden aufgenommen, bist du nicht durch Christi Blut von Sünden reingewaschen, bist du nicht vom Heiligen Geiste wiedergeboren und verneuert? – ein deutlich Zeichen, dass auch du in’s Buch des Lebens geschrieben bist. Denn wir sind alle Gottes Kinder durch den Glauben; denn wie viele unser getauft sind, die haben Christum angezogen. Warum brauchst du nun, wenn du nach der Taufe aus Schwachheit in Sünde fällst, nicht gar verstört zu sein? Wer hat dir mit seiner Hand geholfen? Wer hat dich wieder zu Gnaden angenommen? Wer anders, als der Herr? Das ist ein großes Zeichen deiner Erwählung; wenn ein Erwählter gefallen ist, der wird nicht verstoßen. Nicht Schicksalstafeln oder Rhadamantische Dekrete, sondern ein Buch des Lebens hat Gott geschrieben, da er uns in Christo erwählte, ehe denn der Welt Grund gelegt war. Darum suche bei Christo deine Erwählung zum Leben und dein Geschriebensein ins Buch des Lebens. Wandele im Glauben, auf dass du gelangest zur Gnadenwahl. Die aber vorwitzig und ohne die Schranken des Wortes die Tiefe der Gottheit erforschen, die werden zuletzt von der Tiefe verschlungen.
33. DIE FURCHT VOR DEM TODE.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Es ist mir gut, dass ich an Christo hange. Ich will ihn nicht aus meinem Herzen lassen, er segne mich denn. Ich habe mir’s vorgesetzt, im wahren Glauben bei Christo zu beharren, auf dass ich dereinst mit ihm auch herrschen könne. Aber ich muss bekennen, dass ich noch immer nicht von aller Todesfurcht frei bin und noch nicht so große Kraft und Hilfe des Heiligen Geistes verspüre, dass ich mit dem Apostel eine brünstige Lust hätte abzuscheiden.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Das ist freilich eine Schwachheit unseres Fleisches und ein sonderbar Stück unserer verderbten Natur, dass wir viel eifriger trachten nach diesem Leben, das doch vergeht, als nach dem zukünftigen, das da bleibt. Daraus erwächst die Furcht und der Schrecken vor dem Tode. Damit du aber diese Furcht in Kraft des Geistes überwindest und an Stärke des inwendigen Menschen zunehmest, erwäge doch das, was ich dir aus der Schatzkammer der himmlischen Wahrheit vorlegen will. Zum ersten ist’s ja gewiss, dass auch unsere Haare auf dem Haupte alle gezählt sind. Die Zahl unserer Monden steht bei ihm; er hat uns ein Ziel gesetzt, das werden wir nicht übergehen; es sind alle unsere Tage auf sein Buch geschrieben, da derselben keiner da war. Darum musst du billig bei diesem väterlichen Willen dich zufrieden geben. Aus Gnaden hat er dir das Leben gegeben; wunderbarlich hat er dich aus deiner Mutter Leibe gezogen; solange er dich leben lassen wollte, hat er dich vor tausend Fährlichkeiten behütet und bewahrt. Nunmehr aber fordert er die Seele zurück, die er dir vordem gegeben hat. Nicht was dein ist, nimmt er weg; sondern was sein ist, das will er wieder haben. Hat man denn aber ein Klagrecht gegen den, der uns ein geliehenes Gut wieder abverlangt? Und zudem versetzt er die Seele, die er von dir fordert, in die Freuden des himmlischen Paradieses, ziert sie mit größerer Herrlichkeit und köstlicheren Gaben und wird sie so dereinst dem Leibe wiedergeben. Der Leib, der in die Grabeskammer gebettet wird, soll hernachmals eine herrlichere, würdigere und kostbarere Wohnstatt deiner Seele werden. Es wird gesäet verweslich, und wird auferstehn unverweslich; es wird gesäet in Unehre, und wird auferstehn in Herrlichkeit; es wird gesäet in Schwachheit, und wird auferstehn in Kraft; es wird gesäet ein natürlicher Leib, und wird auferstehn ein geistlicher Leib. Darum befiehl deine Seele, die von Gott geschaffen, vom Sohne erlöst und vom Heiligen Geiste bewohnt ist, als ein anvertrautes Gut demütig und mit Freuden in Gottes treue Hände und sprich mit David und Stephanus, ja, mit Christo, deinem Haupte: In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott. Dazu kannst du dich ja auch, im Todeskampfe selbst, der Gegenwart und Hilfe Gottes festiglich getrösten. Denn wenn du in wahrem Glauben Christum als deinen Mittler festhältst und gewisslich weißt, dass er mit seinem Tode deinem Tode die Macht genommen hat und mit seiner Auferstehung dir Gerechtigkeit und ein ewiges Leben wiedergebracht hat, dann bist du in solchem Glauben gerechtfertigt, hast Frieden mit Gott und kannst mitten im Tode durch die Hilfe des Vaters im Himmel aufgerichtet werden, also dass du mit Hiob sprichst: Ob mich schon der Herr erwürgt, so will ich dennoch auf ihn hoffen. Ich bin bei ihm in der Not, spricht der Herr, ich will ihn herausreißen und zu Ehren machen; ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil. Von dieser Liebe Gottes mag weder Tod noch Leben, noch irgend eine Kreatur dich scheiden, dieweil du in Christo Jesu bist, der da ist ein ewiger König und unser Seligmacher in Ewigkeit. Der Tod hat solch schreckliches Ansehen, weil das Gesetz uns verklagt, weil die Sünde so hässlich ist und der Gedanke an die ewige Verdammnis uns anficht; denn der Stachel des Todes ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. Aber denke nur fleißig an den Trost, der dir vorhin wider diese Schreckbilder gegeben worden ist, und die auswendige Gestalt des Todes, die so schrecklich aussieht, wird verschwinden und sich wandeln in die Gestalt des allerruhigsten Schlafes.
34. DER STACHEL DES TODES.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Durch die Sünde ist der Tod in die Welt gekommen, und der Tod ist der Sünde wohlverdienter Sold; wie sollte ich mich da vor dem Tode nicht fürchten?
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Ja wohl, an und für sich ist der Tod der Sünde Sold und eine strafende Geißel des erzürnten Gottes. Aber für die an Christum Glaubenden wird er verwandelt zum lieblichsten Schlafe. Denn ob auch die Wiedergebornen und an Christum Glaubenden noch Sündenreste in ihrem Fleische mit sich herumtragen (daher auch ihr Leib um der drin wohnenden Sünde willen tot, d. h. dem Tode verfallen ist), so ist doch der Geist das Leben um der Gerechtigkeit willen, d. i. weil sie im rechten Glauben an Christum gerechtfertigt sind von ihren Sünden und den Lüsten des Fleisches in Kraft des Geistes widerstehen, so wird die Sünde, die noch in ihrem Fleisch geblieben, ihnen nicht zugerechnet, sondern mit dem Schatten der göttlichen Gnade zugedeckt. Darum geht in ihnen durch den Tod das wahre und geistliche Leben der Seele nicht zu Grunde, sondern nimmt vielmehr seinen Anfang, und der Tod muss bei diesem Leben gleichsam den Dienst einer Wehmutter tun. Daher kommen die lieblichen Namen, mit denen der Heilige Geist, der ein Geist der Wahrheit ist, den Tod der Frommen beschreibt. Denn was die Unweisen als „Sterben“ ansehn und benennen, das nennt der Heilige Geist: gesammelt oder versammelt werden zu seinem Volke, d. h. in die Gemeinschaft der seligen und im Himmel triumphierenden Kirche gelangen zu denen, die im rechten Glauben vor uns gestorben, richtiger: vor uns hingegangen sind. Ein Verreisen ist, was uns Tod scheint, kein Ausgang, sondern ein Übergang; nicht sowohl ein Auswandern, als vielmehr ein Hinüberwandern vom Geringeren zum Besseren; eine Versetzung und ein gar seliger Umzug der Seele, keine Vernichtung; denn die Seele wird nur heimgefordert und in die Stätte des Friedens versetzt, sie wird nicht gar hinweggenommen. – Ja, ein Übergang ist der Tod und ein Aufgang zum wahren Leben; ein Auszug ist er; denn durch ihn ziehen die Frommen aus der Knechtschaft der Sünde aus und in die wahre Freiheit ein, gleichwie vordem die Kinder Israel aus der Knechtschaft Ägyptens aus und in das gelobte Land einzogen. Es heißt von den Frommen, dass sie durch den Tod zum Frieden kommen und ruhen in ihren Kammern, dieweil sie aus dem beständigem Streite hier auf Erden an eine Stätte des Friedens, aus dem stürmischen Meere dieses Lebens in einen Hafen, aus der mühevollen Werkstatt dieser Welt an einen Ort der Ruhe kommen. Es heißt, dass sie abscheiden und zu Christo kommen; denn sie werden gleichsam aus der Herberge dieses Lebens in’s himmlische Vaterland und aus dem befleckenden Umgang mit gottlosen Leuten zur seligen Gemeinschaft mit Christo im Himmel geleitet. Sie werden durch den Tod befreit von den Fesseln des Leibes; denn gleichwie die Zugtiere am Abend, wenn sie die Arbeit des ganzen Tages getragen haben, endlich ausgespannt werden; gleichwie den Gefangenen, die im Kerker gesessen, die Fesseln abgenommen werden: also werden auch die Frommen durch den Tod von dem traurigen Joche der Arbeit und Schmerzen dieses Lebens losgespannt, aus dem schmutzigen Gefängnis der Sünde herausgeführt und durch eine liebliche Wandlung in ein besseres Leben gesetzt. Es heißt, dass die Frommen, wenn die Hütte ihres Leibes zerbrochen ist, aus dem Lande ihrer Wallfahrt auswandern und daheim seien bei dem Herrn, dieweil sie aus ihrem baufälligen irdischen Hause in den himmlischen Palast, aus der leimenen Hütte in das Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel, aus dem Zelte ihres irdischen Leibes in das himmlische Jerusalem und in die selige Gemeinschaft Christi kommen sollen, der daselbst zu finden ist. Der muss sich also vor dem Tode fürchten, der keine Lust hat, zu Christo zu gehen, und der kann keine Lust haben, zu Christo zu gehen, der nicht glaubt, dass nunmehr seine Herrschaft mit Christo anheben wird. Es heißt, dass sie ruhen von ihrer Arbeit; denn nicht der Mensch, nur das Elend des frommen Menschen stirbt im Tode. Wenn dieses Leben ein mühseliges und beladenes ist, so ist auch sein Ende eine Erleichterung. Nun ist aber der Tod eine gute Erleichterung, ein rechtes Ende. Drum ist auch der Tod etwas Gutes. Es heißt, dass sie durch Tod und Begräbnis auf den Gottesacker, auf einen Acker des Herrn gesäet werden; denn die Leiber der Gottseligen sollen hernachmals als die kostbaren Weizenkörner wiederum grünen zum Leben.
Es reden die Körnlein im Schoße der Erde
von irdischer Leiber unsterblichem Werte;
denn äußerlich sind sie so saftlos und dürr,
und treiben doch grünende Schößlein herfür.
Das Land wird gepflüget, der Acker bestellet,
darein ein verdorretes Samenkorn fället;
das sieht so gering aus und hat gar den Schein,
als könne darinnen nichts Kräftiges sein.
Doch sieh, wie sich’s reget mit heimlichem Quellen
und wie es sich hebet mit wachsendem Schwellen!
Wie bricht es hervor mit gewaltiger Kraft,
nachdem es im Stillen sich Bahnen geschafft.
So wird auch den Leibern, die jetzo wir haben,
zuletzt eine finstere Grube gegraben;
dann aber ist ihnen am Ende der Zeit
die Herrlichkeit, Leben und Ehre bereit.
Erst geht es hinunter in schrecklichem Sterben,
dann kann man die Krone des Lebens ererben
und wandeln im Leben und ewigem Licht
vor Gottes barmherzigem Angesicht.
Dermaleins sollen die Gebeine der Frommen grünen wie Gras, wenn der Frühling des ewigen Lebens anbricht. Endlich heißt es, dass sie entschlafen und danach in einem sanften Schlafe schlafen liegen. Denn wie wir im Schlafe von der Arbeit ausruhen und die müden Kräfte wieder sammeln, indessen die Seele immer ihr Werk tut: also werden wir durch den Tod aus allen Arbeiten und Schmerzen dieses Lebens zur Ruhe gebracht und sammeln neue Kraft der Seele und des Leibes, dass wir die Werke, zu denen wir im Anfang geschaffen und durch Christum erlöst sind, williger und völliger vollbringen – indessen die Seele im Himmel lebt und frohlockt. Gleichwie wir im Schlafe um nichts sorgen, was um uns her vorgeht, und uns von dem Lärmen menschlicher Geschäfte nicht stören lassen: also ruhen auch die gottselig im Herrn Entschlafenen ohne jegliche Sorge und Angst und sind nicht weiter dem Elend dieses Lebens unterworfen. Und gleichwie wir vom Schlafe wiederum aufwachen, also wird auch der Tod kein ewiger Schlaf sein; sondern es wird die Stunde kommen, da wir die Stimme Christi hören werden, der uns aus dem Grabe ruft, und da wir auf’s neue hervorgehn werden zum Leben. Niemand mag so leicht den Schläfer auf seinem Bett aufwecken, als Christus die Toten aus ihren Gräbern. Aus solch allem erhellt auf’s klarste, dass der heilige Apostel mit Recht den Tod der Frommen einen Gewinn nennt. Denn ein Gewinn ist’s, der wachsenden Sünde zu entrinnen; ein Gewinn ist’s, Schlimmerem aus dem Wege zu gehn; ein Gewinn ist’s, zu Besserem zu gelangen. Der Tod seiner Heiligen ist wert gehalten vor dem Herrn und ist ihnen selber gut um der Ruhe willen, besser noch um der Sicherheit willen, am allerbesten aber um der Seligkeit willen.
35. DIE SCHMERZEN DES TODES.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Nicht den Tod, aber die Schmerzen des Todes fürchte ich. Denn ich hab’s oft mit angesehen, wie die Augen der Sterbenden gebrochen waren, wie ihre Ohren taub wurden und ihre Zunge erstarrte. Todesschweiß und Todesangst, Todesschauder und Todesblöße habe ich gesehen, und oftmals habe ich das Stöhnen und Seufzen der Seele gehört, die ihr Haus, den Leib, verlassen musste.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Vor solchen Schmerzen des Todes werden alle, die an Christum glauben, behütet, oder es werden ihnen doch diese Schmerzen gelindert. Was das Bitterste an unserm Tode war: das Gefühl des göttlichen Zornes, das hat Christus auf sich genommen. Darum lasst uns das Kreuzesholz, daran Christus für uns gestorben ist, in unsern Tod werfen, und er wird uns ein sanfter Schlaf werden. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, spricht Christus, so jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich; d. i. nicht allein den ewigen Tod wird er nicht sehen, sondern auch nicht die schreckliche und entsetzliche Gestalt des zeitlichen Todes. Und wenn wir nun auch aus dem Kelche des Todes ein ganz klein wenig Bitterkeit zu schmecken bekämen, wie gar gering ist doch das gegen den ganzen Bach, von dem Christus auf dem Wege dieses Lebens um unsertwillen getrunken hat? Was ist doch dieses Tränklein gegen den ganzen Kelch, den der Vater im Himmel Christo an unserer statt auszutrinken gegeben hat? Unser Tod ist wie eine reinigende Arznei für Seele und Leib; denn durch ihn wird das Gift der Sünde aus unserem Fleische gleichsam hinausgetrieben. Was Wunder, wenn dem Reinigungstranke ein wenig Aloe beigemischt ist? Unser Tod ist eine Wehmutter für das ewige Leben; was Wunder, wenn’s uns geht wie dem Kindlein, das aus dem engen Mutterleibe zur Welt geboren wird und auch an seinem Teile die Schmerzen der Geburt zu tragen hat? Ohne Schmerzen geht keine Geburt ab. Der eine Schmerzanfall wird einen kleinen Augenblick währen; aber siehe, der Tag unseres Todes wird unser Geburtstag zum ewigen Leben. Eng ist die Pforte, die uns zum Leben einführt; was Wunder, wenn wir beim Hindurchgehen ein wenig in’s Gedränge kommen? Christus ist unser Herzog und Durchbrecher; er hat Bahn gebrochen vor uns her. Ihm sollen wir anhangen im rechten Glauben, auf dass wir durch die Pforte des Todes mit ihm zugleich eingehn und den Weg zum ewigen Leben finden mögen, den er wohl kennt. In unserm Fleische wohnt noch die Sünde; was Wunder, wenn es um der Sündenreste willen noch einige Todesangst empfinden müsste? Aber unser Gewissen hat Frieden in Christo, der unser wahrer Frieden ist und uns durch seine Auferstehung von den Toten die Gabe des Friedens gebracht hat? So bleibt dem Tode kein Stachel, womit er unsere Seele verwunden könnte. Wohl fasst er mit seinen Zähnen unsere Ferse; aber das Gift ist ihm von Christo genommen, auf dass er uns dasselbe nimmer mit seinen Zähnen einflößen könne.
36. FRÜHZEITIGES STERBEN.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Allzu früh soll ich aus diesem Leben abgerufen werden. Gott nimmt mich weg in der Hälfte meiner Tage. Das, fürchte ich, ist ein Zeichen des Zornes Gottes, weil ja geschrieben steht: Die Blutgierigen und Falschen werden ihr Leben nicht zur Hälfte bringen.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Nichts ist für Gott zu früh reif, was reif geworden ist. Langes Leben ist wohl eine Gabe Gottes; aber ein kurzes Leben ist auch nicht immer Zeichen des göttlichen Zornes; denn Gott lässt die Frommen, die er lieb hat, wohl auch einmal bei Zeiten aus dieser Welt hinausziehn, damit sie, von der Gefahr der Sünde frei, in den sichern Stand der Sündlosigkeit kommen und die gemeinen Plagen, die oft betrübter sind als der Tod, nicht erfahren müssen. Das Volk Gottes geht hin in seine Kammer und schließt die Tür nach sich zu; es verbirgt sich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe. Der Gerechte kommt um, und niemand ist, der es zu Herzen nehme; und heilige Leute werden aufgerafft, und niemand achtet darauf. Denn die Gerechten werden weggerafft vor dem Unglück, und die richtig vor sich gewandelt haben, kommen zum Frieden und ruhen in ihren Kammern. „Der Gerechte, ob er gleich zu zeitlich stirbt, ist er doch in der Ruhe. (Denn das Alter ist ehrlich, nicht das lange lebt, oder viele Jahre hat: Klugheit unter den Menschen ist das rechte graue Haar, und ein unbeflecktes Leben ist das rechte Alter.) Denn er gefällt Gott wohl und ist ihm lieb, und wird weggenommen aus dem Leben unter den Sündern, und wird hingerückt, dass die Bosheit seinen Verstand nicht verkehre, noch falsche Lehre seine Seele betrüge. Denn die bösen Exempel verführen und verderben einem das Gute, und die reizende Lust verkehrt unschuldige Herzen. Er ist bald vollkommen geworden und hat viele Jahre erfüllt. Denn seine Seele gefällt Gott, darum eilt er mit ihm aus dem bösen Leben.“
Der Baum, der dürr und fruchtlos bleibt
und nimmer grünt und Knospen treibt,
wird abgehaun. Ihm fehlt’s am Fleiß;
drum nimmt man weg das schlechte Reiß.
Was fruchtbar ist, bleibt unversehrt –
Bei Christen geht’s oft umgekehrt.
Drum stirbt der Fromme allezeit am besten, er sterbe nun in spätem Alter, oder in erster Blüte der Jugend. Was ist doch auch das Leben anders als ein Beben, was sind unsere Körper anders als Gräber, was sind die Leiber anders als Fesseln, was ist Geborenwerden anders als ein Verbanntsein auf Erden? Es ist dir doch nicht etwa zu traurig, dass du von solch schlimmen Dingen und Fesseln bei Zeiten befreit wirst? Je eher dich der himmlische Heeresfürst von deinem Posten in diesem Leben abruft, desto eher bringt er dich an die Stätte der Ruhe und des Friedens und des Sieges.
37. DAS FERNERE DIENEN IM REICHE GOTTES.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich könnte ja noch weiter in meinem Stande der Kirche des Herrn dienen, soviel ich vermag. Ach, wenn mir doch Gott hiezu noch länger das Leben ließe!
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Wie lange dich Gott zum Dienst seiner Kirche gesund und am Leben lassen will, das musst du ganz in Gottes Rat und Willen stellen. Drum sprich nur mit dem alten verdienten Lehrer der Kirche, mit jenem Bischof: Ich habe nicht so gelebt, dass ich mich schämen müsste, noch weiter unter euch zu leben; aber ich fürchte mich auch nicht vor dem Sterben, denn wir haben ja einen gnädigen Herren. Hat er dich zu Nutz und Frommen seiner Kirche mit Lehrgaben ausgerüstet, so wird er auch andere in gleicher Weise auszurüsten wissen. Wenn dir daher mit dem Apostel beides hart anliegt und du nicht weißt, welches von beidem du erwählen sollst; wenn du Lust hast, abzuscheiden und bei Christo zu sein, welches dir auch viel besser wäre, oder im Fleisch zu bleiben, zu Nutz der Kirche: so wisse, dass Sterben dein Gewinn ist, Leben aber der Kirche ein Nutzen. Unser keiner lebt ihm selber, und keiner stirbt ihm selber; leben wir, so leben wir dem Herrn (dass wir ihm in der Kirche noch mehr Seelen gewinnen); sterben wir, so sterben wir dem Herrn (dass wir ihm folgen, wenn er uns nach seinem väterlichen Willen von unserm Posten abruft); darum, wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn (des gnädigen und allmächtigen Herrn, von dessen Leibe uns weder Tod noch Leben scheiden mag). Du hast ja bis hierher dem Willen des Herrn gehorcht damit, dass du treulich seiner Kirche dientest; nun gehorche ihm auch damit, dass du dich gern in seinen Willen schickst, wenn er dich zur Gemeinschaft der triumphierenden Kirche berufen wird. Es ist ganz recht, dass du aus Liebe für das Wachstum der Kirche Sorge trägst; aber du musst auch im Glauben die Sorge um die Leitung und Erhaltung der Kirche dem Herrn überlassen. In diesem Stücke ist nichts so heilsam, nichts so gut und nichts so wahrhaft fromm, als wenn man sich ganz und gar in den Willen Gottes gibt und die alleinige Macht über Leben und Tod in gläubigem Gebet ihm befiehlt. Eines von beidem können wir ungezweifelt hoffen: Er gibt uns entweder das, was wir bitten, oder das, was uns besser ist. Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen.
38. SELBSTVERSCHULDETE LEBENSKÜRZE.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich fürchte, dass ich mir mit meinen Sünden selbst das Leben verkürzt habe; wie werde ich da auf Gottes Nahesein und Hilfe im Tode hoffen können? Wer selbst an seinem Tod schuld ist, den erwartet nach dem Tod kein besseres Leben.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Das musst du aber von denen verstehn, die aus Ungeduld gewaltsame Hand an sich selber legen und die Seele zwingen, dass sie wider Gottes Willen aus der Hütte ihres Leibes hinausgehn muss. Ferne sei es von dir, solch gottlosen Plan zu fassen. Denn es steht niemandem zu, sich selbst freiwillig den Tod zu bereiten, gleich als ob er hierdurch dem zeitlichen Ungemach entgehn könnte; er würde dadurch vielmehr in ewiges geraten. Es darf das niemand tun um fremder Sünden willen, sonst würde ihm das die schwerste eigne Sünde werden, ob er sich schon nicht mit fremden befleckt hätte. Niemand darf’s tun um seiner vergangenen Sünden willen, wegen deren dieses Leben ja gerade nötig ist, damit sie noch in der Buße geheilt werden können. Niemand darf’s tun aus Verlangen nach dem bessern Leben, das er nach dem Tode erwartet; denn wer an seinem Tode selbst schuld ist, den erwartet nach dem Tode kein besseres Leben. Wenn nun dein Geist von solcherlei Gedanken geängstet wird, als: dass du durch unmäßiges Essen oder Trinken oder durch allerlei andre Ausschweifungen dir selber das Leben verkürzt hast; so beweine das mit ernstlichem Seufzen, setze auf Christi Verdienst dein ganzes Vertrauen und fasse den festen Vorsatz ein besseres Leben zu führen: so wird der Gott, der den wahrhaft Bußfertigen Vergebung aller Sünden verheißen hat, auch deinen Missetaten gnädig sein. Der König Manasse war ein blutdürstiger Mann und hatte sich selber den Lebensfaden gekürzt; aber da er ernstliche Buße tat, hat er doch noch die Herrlichkeit des ewigen Lebens erlangt. Der Schächer am Kreuz empfing, was seine Taten wert waren, aber da er sich ernstlich zu Gott bekehrte, ist er mit Christo in’s Paradies eingegangen. Ja, unsere Stammeltern hatten sogar den Tod auf sich und ihre Nachkommen gebracht, und dennoch wurden sie durch lebendig machenden Trost wiederum aufgerichtet, da sie die evangelische Verheißung vom Schlangentreter ergriffen. Wenn du nun all diesen gefolgt bist in ihren Sünden, so folge ihnen auch darin nach, dass sie mit Tränen Buße taten. Die Hand des Herrn ist nicht zu kurz und seine Barmherzigkeit noch nicht schwach geworden durch die Länge der Jahre. Die Tür der Erbarmung ist noch nicht zugeschlossen, dieweil dir noch Raum zur Buße gegeben ist.
39. LIEBE ZUM LEBEN.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich möchte gern noch länger dieses Lebens gebrauchen und seine Freuden genießen. Noch länger möchte ich den Segen Gottes besitzen, der mir in diesem Leben verstattet ist.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Siehe zu, dass du nicht durch verkehrte Liebe zu diesem Leben als einer erscheinst, der das höchste Gut nicht wahrhaft liebt. Ein ganzes Herz voll Liebe sind wir dem Herrn schuldig, also dass Gott genommen würde, was wir andern zuwenden wollten. Der liebt Gott zu wenig, der neben ihm noch etwas liebt, was er nicht um seinetwillen lieb hat. Dein Herz ist ein Gefäß. Es ist aber voller Weltliebe; so kann die wahre Liebe Gottes nicht hinein kommen. Gieße hinaus die verkehrte Liebe zur Welt, auf dass die Liebe Gottes hineingehn könne. Macht dir denn dein jetziges Leben gar so große Freude, da es doch ein gefahrvoller und harter Kriegsdienst ist? Lange leben – was ist das anderes, als lange sich quälen und lange sündigen? Wenn in deinem Hause die Wände vor Alter wankten und das Dach über dir zitterte, wenn das morsche und müde Haus mit nächstem einzustürzen drohte, dieweil der Bau vor Alter sich senkt, – würdest du nicht in aller Geschwindigkeit ausziehen? Wenn du zu Schiffe wärst und ein ungestümes Sturmwetter empörte gewaltig die Wogen und weissagte dir den baldigen Schiffbruch – würdest du nicht in Eile nach dem Hafen fahren? Siehe, die Welt wankt und sinkt und bezeugt ihren Verfall nicht erst damit, dass die Dinge alt werden, sondern damit, dass sie ein Ende nehmen – und du sagst Gott nicht Dank und wünschst dir nicht Glück, dass du durch zeitigeren Tod befreit und dem Einsturz, dem Schiffbruch und drohenden Schlägen entnommen wirst? Wie das Meer, wenn es von widrigen Winden empört wird, hochgeht und den Leuten im Schiffe Gefahren bereitet: also verwirrt auch die Welt, die durch die Anschläge der Gottlosen erregt ist, die Herzen der Gläubigen. Und so verwirrend treibt der Feind sein Werk, dass man nicht weiß, was man zuerst zu fliehen hat. Denn wenn die Obrigkeit nicht mehr wider uns ist, so erregt er die Herzen einzelner Leute; und wenn auch die zu Paaren getrieben sind, so schürt er den Brand durch unsere Hausgenossen; und wenn auch das beigelegt ist, so weiß er mit seiner List unter Brüdern Zwietracht zu stiften, also dass das Haus, an allen vier Ecken erschüttert, an einem Ende zu stürzen beginnt – darum haben die Christen einmütiglich von dannen heraus zu fliehen. Sie müssen es machen wie jener heilige Mann, der da verlangte, er möchte in Frieden fahren, weil er wusste, dass man hienieden Krieg wider den Unglauben führe. Freilich gleicht dieses Leben auswendig einer kostbaren Nuss; aber wenn man sie mit dem Messer der Wahrheit aufgemacht hat, so findet sich inwendig nichts als eitel hohles, leeres Wesen. Wenn an diesem Leben etwas Gutes ist, so ist das Gute ausnehmend, ja unvergleichlich besser in jenem andern Leben. Das eine besteht im Glauben, das andere im Schauen; das eine in der Zeit, da wir wallen, das andere in einer Ewigkeit, da wir bleiben; das eine in Mühe, das andere in Ruhe; das eine in einem Wege, das andere in einer Heimat; das eine in der Arbeit unseres Tagewerks, das andere im Lohne des Anschauns; das eine meidet das Böse und tut das Gute, das andere hat nichts Böses mehr zu meiden und ein großes Gut zu genießen; das eine kämpft mit dem Feinde, das andere herrscht ohne allen Feind; das eine ist stark in Widerwärtigkeit, das andere spürt nichts Widerwärtiges mehr; das eine zügelt die fleischlichen Lüste, das andere hat nur Zeit für geistliches Ergötzen; das eine sorgt noch um den Sieg, das andere ist sicher in siegreichem Frieden; das eine braucht Hilfe in Anfechtungen, das andere freut sich unangefochten an dem, der uns hilft; das eine steht dem Dürftigen bei, das andere ist da, wo kein Dürftiger zu finden; das eine vergibt die fremde Schuld, dass ihm die eigene vergeben werden kann, das andere erleidet nichts mehr, was zu vergeben wäre, und tut nichts mehr, wofür es Vergebung brauchte; das eine wird gepeinigt mit Unglück, damit es sich nicht erhebe im Glücke, das andere ist ohne alles Unglück und steht in solcher Gnadenfülle, dass es ohne alle Versuchung zur Hoffart am höchsten Gute beständiglich bleibt; das eine muss zusehn, was gut oder böse ist, das andere kann sehen allein auf das Gute. Nun wähle, welches Leben du dem andern vorziehen willst. Lass fahren das verkehrte Verlangen nach dem flüchtigen Leben, du möchtest sonst die Erbschaft des bleibenden verlieren. Habe die Dinge dieser Welt so, dass sie dich nicht haben; das Irdische magst du besitzen, sollst aber nicht davon besessen werden. Was du hast, das stehe unter der Herrschaft deines Herzens, damit nicht das Herz von der Liebe zu irdischen Dingen besiegt und vielmehr von seinem Eigentum besessen werde. Warum trachtest du nicht nach dem, was das Bessere ist? Nun aber folgt auf das Irdische das Himmlische, auf das Kleine das Große, auf das Nichtige das Ewige.
40. DIE TRENNUNG VOM EHEGEMAHL,
VON KINDERN UND VERWANDTEN.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich muss meine herzlieben Kinder lassen; ich muss mein treues Gemahl lassen; ich muss meine teuern Verwandten lassen. Wer wird für mein Gemahl und Kinder sorgen? Wer wird ihr Schutz- und Trutzherr sein?
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Gott ist es, der sich einen Vater der Waisen und einen Richter der Witwen nennt. Dessen Schutz und Obhut magst du sie befehlen. Der Gott, der dein Gott ist, wird auch Gott deines Samens nach dir sein. Es sind ja nicht deine, sondern auch Gottes Kinder, ja noch weit mehr Gottes als deine Kinder, denn er hat ja mehr an sie gewandt. Da brauchst du doch wohl nicht an seiner väterlichen Fürsorge für sie zweifeln? Der königliche Prophet des Herrn bezeugt es, er sei jung gewesen und alt geworden und habe noch nie gesehen den Gerechten verlassen oder seinen Samen nach Brot gehen. Das Geschlecht der Frommen wird zuletzt gesegnet sein. Gott, der seinen Kindern himmlische Schätze verheißen hat, wird’s nicht zugeben, glaube mir’s, dass sie Hungers sterben. Er hat ihnen das Leben gegeben, er wird ihnen auch des Lebens Notdurft nicht versagen. Er hat ihnen den Leib gegeben und denselben wunderbar bereitet, so wird er ihn auch gnädiglich erhalten. Du aber siehe zu, dass du um das leibliche Wohlergehen von Weib und Kind nicht also besorgt bist, dass du dabei die Sorge für deine Seele vergisst. So jemand zu mir kommt, spricht Christus, und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eignes Leben, der kann nicht mein Jünger sein. Und das legt er an einem andern Orte also aus: Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt denn mich, der ist meiner nicht wert. Siehe, der Herr ruft dich ab durch den Tod; hüte dich, Weib und Kind also zu lieben, dass du um ihretwillen dich weigerst, freudigen Herzens dem Rufe Gottes zu folgen. Der Liebe zu den Kindern musst du die Liebe zum Vater im Himmel vorziehn, der Liebe zu deinem Weibe die Liebe zu deinem Bräutigam Christus. Man soll die Wohltat nicht mehr lieben als den Wohltäter. Und was soll ich von den Verwandten sagen? Deine Lieben verlierst du; als noch Liebere wirst du sie einst wiederfinden. Weil wir auch einmal aus diesem Leben auswandern werden, so sind uns die Unsern, die uns verlassen haben, nicht verloren-, sondern vorausgegangen, und da hoffen wir nun nach Gottes wahrhaftiger Verheißung, dass wir in das Leben kommen werden, wo sie uns je bekannter, je lieber sein werden und ohne Furcht vor Zwietracht geliebt werden können. Wenn deine Verwandten dir teuer sind, so sei Christus dir teurer; denn er ist dein Bruder. Wenn es dir lieblich war, hier mit Verwandten umzugehn, so sei es dir lieblicher, dass du kommst zu dem Berge Zion, und zu der Stadt des lebendigen Gottes, zu dem himmlischen Jerusalem, und zu der Menge vieler tausend Engel, und zu der Gemeine der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollkommnen Gerechten.
41. DAS TAUBWERDEN DER OHREN IM TODE.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich fürchte, wenn meine Ohren im Todeskampfe taub werden, so wird mein Herz von allem Trost verlassen und von Satans Schrecken allzusehr geängstet werden.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Wirksamer als alle äußerlichen Tröstungen ist der inwendige Trost des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist gibt Zeugnis unserm Geiste, dass wir Gottes Kinder sind. Derselbige Geist richtet unsern Geist auf, wenn wir anfangen mit dem Tode zu kämpfen und in Herzensangst kommen; denn er ist der wahrhaftige und höchste Tröster. Wenn die Augen im Tode dunkel werden, wird dir der Heilige Geist die wahrhaftige Erleuchtung des Herzens schenken; wenn die Ohren im Tode taub werden, wird er dir lebendigmachenden Seelentrost zuführen. Wo Menschentrost aufhört, fängt Gottes Trost an. Sieh doch an die Exempel der Märtyrer! Wie waren sie willig und bereit zu den ausgesuchtesten Strafen! Die Räder dünkten ihnen Rosen zu sein, die Asche der Scheiterhaufen ein geistliches Geschmeide, eiserne Ketten wurden ihnen zu güldnen Kronen, die Marterzangen zu köstlichen Spangen, die drohenden Schwerter des Bösewichtes zu glänzenden Strahlen des himmlischen Lichtes. Wer anders hat das in ihrem Herzen gewirkt, wer anders hat sie in ihren Schmerzen getröstet, als der Heilige Geist? Dessen Trost ist kräftiger als der ganzen Welt, ja selber des Fürsten dieser Welt Verklagen. Denkst du etwa, der Heilige Geist werde unsere Herzen nur im Laufe dieses Lebens aufrichten und im Todeskampfe müßig feiern? Denkst du etwa, wenn die Hütte dieses Leibes zerstört wird, so werde die Wohnstatt des Heiligen Geistes zerstört? In dir lebt Christus, und durch den Glauben wohnt er in deinem Herzen. Holdselig sind seine Lippen, und der liebliche Geruch seiner Holdseligkeit wird dein Herz fröhlich machen, wenn dir auch ganz das Gehör verginge. Seine Rede wird zu deinem Herzen dringen, wenn auch deine Ohren ganz verschlossen wären. Der Geist des Herrn ist über ihm; darum hat ihn der Herr gesalbt. Er hat ihn gesandt, den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu predigen den Gefangenen eine Erledigung, den Gebundenen eine Öffnung. Der Herr hat ihm eine gelehrte Zunge gegeben, dass er wisse mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Ihm hange an mit festem Vertrauen deines Herzens; ihm befiehl dich in gläubigem Gebet; er wird dich trösten zur rechten Zeit; er wird dein Herz aufrichten mit dem Worte des Evangelii, wenn die Pfeile des Todes drinnen stecken; er wird dein Herz verbinden, wenn Todeswunden hinein geschlagen werden; er wird deinem Herzen Erledigung predigen, wenn du als eine Beute vom Tode gefangen geführt wirst; er wird deinem Herzen eine Öffnung predigen, wenn du in den Kerker des Todes geworfen bist.
42. DIE SCHEINBARE FRUCHTLOSIGKEIT DER ERLÖSUNG.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Wenn Christus uns vom Tode erlöst hat, warum muss ich noch sterben? Wie kann der Tod von Christo überwunden sein, da er ja täglich mit seiner Beute als mit Zeichen des Sieges einherprangt?
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Gleichwie Christus sein Volk selig gemacht hat von ihren Sünden, nicht damit die Sünde fürder in ihrem Fleische nicht wohnen sollte – denn sie bleiben ja in diesem Leben unter die Sünde verkauft – sondern dass er sie als Wiedergeborne und Gläubige in Ewigkeit nicht verdammen müsste: so hat er uns auch vom Tode erlöst, nicht damit wir dem zeitlichen Tode nicht mehr unterworfen wären, – denn unser Leib ist tot oder dem Tode verfallen um der Sünde willen – sondern dass wir frei wären von den Banden des ewigen Todes. Der Seelen Tod, das ist der wahrhaftige Tod, von ihm hat uns Christus erlöst, indem er die Angst der Höllen auf seine Seele nahm. Und auch den zeitlichen Tod hat uns Jesus süß gemacht, so dass er nur dem Namen nach ein Tod ist, in der Tat und Wahrheit aber ein Schlaf, ja das Ende des Todes und der Anfang des wahren Lebens. Die wahrhaft Frommen sterben täglich um der Trübsale willen, mit denen sie in diesem Leben geängstet werden. Drum ist ihr Tod des Todes Ende. Durch die Pforte des Todes aber gehn sie hinüber in ein stilles und ewiges Leben. Drum ist ihr Tod der Anfang des wahren Lebens. Christi Tod ist unserm Tode ein Gift; und ob auch nun dies Gift unsern Tod noch nicht ganz getötet hat (daher er sich auch noch regt und seinen Stachel in unsere Ferse stößt), so hat doch das Herz dies Gift für den Tod genommen und sich angeeignet. Drum wird der Tod auch endlich durch Kraft dieses Giftes sterben. Der Tod ist jener letzte Feind, den Christus endlich am jüngsten Tage ganz aufheben wird; da wird über diesen starken Gewappneten ein Stärkerer kommen und ihm seinen Raub kräftiglich abnehmen. Mit geistlichen Augen muss der Tod angesehn werden, dann erscheint sein Grimm nichtig und kraftlos, weil er ja von Christo gefangen und überwunden ist. Er stellt den Frommen nach dem Leben, und siehe, er führt sie zum wahren Leben. Er trachtet Seele und Leib mit seinen Pfeilen zu töten, und siehe, indeß die Seele von keiner Todeswunde versehrt wird, verwundet er nur den Leib, der auch dereinst dem Rachen des Todes entrissen werden soll. Er will die Frommen in den ewigen Tod bringen, und siehe, er bringt sie in das ewige Leben.
43. DAS ENTSETZEN VOR DEM STAUBE.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Wie’s nun auch sein mag, ich weiß, dass ich in die Erde begraben und in Staub verwandelt werden muss. Im Finsternis ist mein Bette gemacht; die Verwesung heiße ich meinen Vater und die Würmer meine Mutter und meine Schwester.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Die Asche und den Staub, darein du verwandelt wirst, darfst du nicht ansehen, sondern vielmehr die zukünftige Auferstehung aus Staub und Asche. Wenn du mit Hiob die Verwesung deinen Vater geheißen hast, so sprich auch mit ihm: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und er wird mich hernach aus der Erde auferwecken, und werde danach mit dieser meiner Haut umgeben werden und werde in meinem Fleisch Gott sehen. Diese selige Auferstehung unserer Leiber beweisen Worte der Schrift, gewichtige Gründe und die Exempel der Auferstandenen. Worte der Schrift hievon stehen in großer Zahl im alten und neuen Testament, wiegen gar schwer und reden gar deutlich. Das Blut Abels schreit zum Herrn von der Erde. In seinen Augen lebt es noch. Die Erzväter werden im Tode zu ihrem Volke versammelt; sie hören also nicht auf, das lebendige Volk des lebendigen Gottes zu sein. Gott ist der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, Gott aber ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen. So leben also Abraham, Isaak und Jakob vor Gott; sie leben nach ihrem bessern Teile, und ihre Leiber werden dereinst wieder in’s Leben gerufen werden; ja, sie sind schon ins Leben gerufen; denn da Christus auferstand, sind sie mit ihm auferstanden. Ich weiß, spricht Hiob, dass mein Erlöser lebt und wird mich hernach aus der Erde auferwecken. Deine Toten werden leben, spricht Jesaias, und mit dem Leichnam auferstehn. Wacht auf und rühmt, die ihr liegt unter der Erde; denn dein Tau ist ein Tau des grünen Feldes. Euer Gebein soll grünen wie Gras. Denn so spricht der Herr von den verdorrten Gebeinen: Siehe, ich will einen Odem in euch bringen, dass ihr sollt lebendig werden; ich will euch Adern geben und Fleisch lassen über euch wachsen und mit Haut überziehen und will euch Odem geben, dass ihr wieder lebendig werdet, und sollt erfahren, dass ich der Herr bin. Viele, sagt Daniel, so unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, etliche zum ewigen Leben, etliche zur ewigen Schmach und Schande. Der Herr aller Welt, so sagen die sieben Blutzeugen im Buch der Makkabäer, wird uns, die wir sterben, auferwecken zu einem ewigen Leben. Wir hoffen, Gott werde uns unsere Gliedmaßen wohl wiedergeben. Es kommt die Stunde, so sagt „die Wahrheit“, in welcher alle, die in den Gräbern sind, werden die Stimme des Menschensohnes hören, und werden hervorgehn, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Übels getan haben, zur Auferstehung des Gerichts. Das ist der Wille des Vaters, der mich gesandt hat, dass ich nichts verliere von allem, das er mir gegeben hat, sondern dass ich es auferwecke am jüngsten Tage. Das ist aber der Wille des, der mich gesandt hat, dass, wer den Sohn sieht und glaubt an ihn, habe das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage. Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe. Und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmer mehr sterben. Ich habe die Hoffnung zu Gott, spricht Sct. Paulus, nämlich dass zukünftig sei die Auferstehung der Toten, beide der Gerechten und Ungerechten. Dies Verwesliche muss anziehn das Unverwesliche, und dies Sterbliche muss anziehn die Unsterblichkeit; dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Wir wissen, dass der, so den Herrn Jesum hat auferweckt, wird uns auch auferwecken durch Jesum. Unser Wandel ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilandes Jesu Christi, des Herrn, welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, dass er ähnlich werde seinem verklärten Leibe, nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge ihm untertänig machen. So wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist; also wird Gott auch, die da entschlafen sind durch Jesum, mit ihm führen. Johannes sah die Toten, beide groß und klein, stehen vor Gott: und die Bücher wurden aufgetan. Und das Meer gab die Toten, die darinnen waren; und der Tod und die Hölle gaben die Toten, die darinnen waren. Zu diesen Schriftworten, die wie mit Sonnenstrahlen geschrieben sind, kommen noch als feste Stützen allerlei Gründe. Denn also schließt der h. Apostel: Ist Christus auferstanden, so werden auch wir auferstehn; er lehrt, dass Christi Auferstehung der Schlüssel zu unsern Gräbern sei und ein Vorbild für das, was wir hoffen. Christus ist der Erstling geworden unter denen, die da schlafen, sagt der Apostel. Gleichwie nun auf die Darbringung der ersten Frucht nach Gottes Ordnung die Ernte folgte, also wird auf die Erstlingsfrucht der Auferstehung des Herrn die Ernte der allgemeinen Auferstehung folgen. Christus ist unser Haupt. Was zuvor am Haupte geschehen, das geschieht danach auch an den Gliedern; daher auch der Apostel mit aller Zuversicht verkündigt: Gott hat uns samt Christo auferweckt und samt ihm in das himmlische Wesen gesetzt. Denn in dem Menschen Christus ist unser aller Fleisch und Blut und Teil. Wo nun unser Teil regiert, da glauben wir, dass auch wir regieren werden; wo unser Blut die Herrschaft hat, da wissen wir, dass auch wir die Herrschaft haben. Wo unser Fleisch in Herrlichkeit steht, da sehen wir, dass auch wir Herrlichkeit haben. Weiter: Gleichwie durch einen Menschen, nämlich den ersten Adam, der Tod: also auch durch einen Menschen, nämlich den andern Adam, die Auferstehung. Gleichwie wir in Adam sterben, so werden wir in Christo lebendig gemacht. Adams Fall hatte die Kraft uns den Tod zu bringen, und Christi Auferstehung sollte nicht die Kraft haben, uns die Auferstehung des Lebens zu erwerben? Christus hat sich bei seiner glorreichen Auferstehung erwiesen als Überwinder aller seiner Feinde, also auch des Todes, den er zuletzt auch ganz aufheben wird. Christus ist ein ewiger König, darum wird er auch seines Reiches Bürger vom Tode auferwecken, dass sie in Ewigkeit mit ihm leben. Christus hat nicht allein unsere Seele, sondern auch unsern Leib vom Sündenjoche befreit und zur Erbschaft des ewigen Lebens verordnet; darum wird auch der Leib aus dem Staube aufstehn müssen, damit er in den Besitz dieses Lebens trete, das ihm Christus erworben hat. Aus solch allem erhellt deutlich, dass Christus Bürge und Gewährsmann ist für unsere Auferstehung. Weiter: unsere Leiber sind Tempel und Wohnungen des Heiligen Geistes; der Geist aber wird nicht zugeben, dass solcher sein Tempel in Staub und Asche verborgen bleibe, sondern er wird ihn wiederum aufbauen und ihn hernachmals viel herrlicher machen, als er in diesem Leben gewesen, gleichwie die Herrlichkeit des nachmaligen Tempels zu Jerusalem größer war, als die des vorigen. Im Tempel Salomonis waren unverwelkliche Palmen: also werden die Leiber der Frommen nicht ewiger Verwesung verfallen, sintemal sie Wohnstätten sind des Heiligen Geistes. Dazu werden ja auch unsere Leiber bei gesegnetem Genuss des heiligen Abendmahls durch Christi Leib und Blut geheiligt; wie mögen sie denn im Grabe bleiben können? Wie kann das Fleisch, das mit dem Leibe und Blute des Herrn gespeist wird, verderben und nimmer das Leben erlangen? Gleich wie das Brot, das von der Erde genommen ist, auf Gottes Ruf nicht mehr gemeines Brot ist, sondern ein Abendmahl, das aus zweierlei besteht, aus Irdischem und Himmlischem: also sind auch unsere Leiber, die das heilige Abendmahl nehmen, nicht zum Zergehen bestimmt, sondern haben die Hoffnung der Auferstehung. Christi Fleisch ist ja die rechte lebendigmachende Speise; darum auch, wer dieses Fleisch isset, der hat das ewige Leben, und Christus wird ihn auferwecken am jüngsten Tage. Bedenke doch auch, dass die Seele während dieses Lebens durch den Leib und mit dem Leibe beides wirkt, Gutes und Böses; sie ist eben eingeleibt. Da fordert’s nun die Gerechtigkeit Gottes, dass was beisammen gewesen ist in der Arbeit, auch beisammen sei im Lohn, was beisammen gewesen ist in der Schuld, auch beisammen sei in der Strafe. Eben deshalb werden wir alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein jeglicher empfange, nachdem er gehandelt hat bei Leibes Leben, es sei gut oder böse. Die Seelen haben nichts ohne das Fleisch verdient; in ihm haben sie ja all ihre Taten getan. Endlich kommen zu den festen Stützen dieser Gründe noch die Exempel der Auferweckten, die Christus mit seiner, die Propheten und Apostel aber in Gottes Kraft wieder ins Leben gerufen haben. Sie alle geben uns, die wir im Glauben und Bekenntnis mit ihnen verbunden sind, als Vorboten unsterblichen Wesens und ewigen Lebens ein Zeugnis der zukünftigen Auferstehung.
44. DIE AUFERSTEHUNG IST WIDER DIE VERNUNFT.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Der Artikel von der Auferstehung der Leiber widerspricht der menschlichen Natur und Vernunft gewaltiglich, daher auch zuweilen die Hoffnung einer Auferstehung, die in meinem Herzen ist, durch mancherlei unruhige Gedanken nicht wenig geschwächt wird.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Die Grundlage unseres Glaubens sind die Weisheitssprüche des Heiligen Geistes, nicht die Aussprüche unserer Vernunft. Wir glauben eine Auferstehung des Fleisches; unter den Gehorsam dieses Glaubens müssen wir alle Vernunft gefangen nehmen. Gott kann überschwänglich tun über alles, das wir bitten und verstehen. Darum gedenke an ihn, der es verheißt, welcher wird es auch tun. Was Gott redet, das sind nicht Worte, sondern Taten. Wir wollen’s doch zugeben, dass Gott auch solche Dinge vermöge, die wir nicht verstehen noch ergründen können. In dergleichen Dingen ist die Macht dessen, der da redet, Beweises genug für die Tat. Dem, dessen unverwesliches Fleisch nicht verderbt werden konnte, da er geboren ward von seiner Mutter, wird es ein Leichtes sein, zu verleihen, dass in der Auferstehung dies Verwesliche anziehe das Unverwesliche. Ja, in der Natur selber sind uns gar mancherlei Abbilder der zukünftigen Auferstehung vorgestellt. Das du säest wird nicht lebendig, es sterbe denn; und das du säest, ist ja nicht der Leib, der werden soll; sondern ein bloßes Korn, nämlich Weizen, oder der andern eins. Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er will, und einem jeglichen von den Samen seinen eignen Leib. Der nun die toten und verwesten Samenkörnlein lebendig macht, von denen du in dieser Welt lebst, der kann noch viel mehr, auch dich auferwecken, auf dass du in Ewigkeit lebst. Das Licht, das täglich vergeht, glänzt immer wieder auf, und die Finsternis geht und kommt in gleichmäßigem Wechsel. Der Sterne Glanz erstirbt und lebt wieder auf; die Zeiten gehn zu Ende und fangen wieder an; die Früchte werden aufgezehrt und kommen wieder, und nur wenn er verwest und zersetzt ist, steht der Same fruchtbarer wieder auf. Alles wird im Untergehen noch erhalten, und aus dem Untergang heraus wird alles neu gebildet. Der Tag stirbt, dass er zur Nacht werde und wird allewege in Finsternis begraben. Der Welt Glanz verbleicht, und alles, was Wesen hat, wird trüb und dunkel. Alles wird hässlich, stumm und leblos. Überall tritt ein Stillstand, eine Ruhe ein. So trauert man über das Licht, wenn es dahin ist. Und doch wird das Licht in vollem Glanze und auf dem ganzen Erdboden mit seinem Segen, mit seinen Gaben, mit seiner Sonne wieder lebendig und tötet seinen Tod, die Nacht; es durchbricht sein Grab, die Finsternis. Es schaltet wie ein selbständiger Erbe, bis dass die Nacht, die auch ihre Pracht hat, wiederum lebendig wird. Denn die Strahlen der Sterne werden wieder angezündet, die vor dem reichlichen Morgenlicht verloschen waren. Die Sterne, die nicht da waren, weil sie der Wechsel der Zeiten hinweggenommen, kommen wieder. Auch des Mondes Scheibe, die mit der Zahl der Monatstage geschwunden war, wird wieder voll. Winter und Sommer und Frühling und Herbst kommen wieder mit ihren Kräften, ihren Eigenheiten und Früchten. Denn auch die Erde steht in himmlischer Zucht; sie kleidet die Bäume, nachdem sie entlaubt sind; sie malt die Blumen auf’s neue, sie pflanzt wiederum Kraut und Gras, sie gibt den Samen, den sie genommen und gibt nicht eher, als bis sie genommen. Wundersam! Aus einer Räuberin wird sie eine Erhalterin; damit sie wieder gebe, nimmt sie; damit sie behüte, verderbt sie; damit sie völlig mache, macht sie zu schanden; damit sie vermehre, muss sie verringern. Denn sie stellt alles völliger und herrlicher her, als sie es ausgetilgt hat. Dass ich’s in einem sage: ein jeglicher Zustand kehrt wieder, denn zu Grunde gehen ist ein Wucher, verletzt werden trägt Zinsen, und was Verlust heißt, ist Gewinn. Was dir geschehen ist, das ist gewesen, und was du verloren hast, wird alles wiederkehren. Es kommt alles wieder zu seinem Stand und Wesen, nachdem es dahin ist. Es hört nur auf, um zu werden. Nichts geht unter, es sei denn zu unserm Heile. Und all diese Ordnung einer Wiederkehr der Dinge ist ein Zeugnis für die Auferstehung der Toten. In seinen Werken hat Gott sie eher aufgezeichnet, als in Schriften. Er hat eher durch seine Kräfte, als mit Worten gepredigt. Er hat dir die Natur zur Lehrmeisterin vorausgegeben, dann hat er auch die Weissagung nachschicken wollen, auf dass du als ein Lehrling der Natur der Weissagung leichter glaubest, auf dass du alsobald willig seist zum Glauben, wenn du das hörst, was du allenthalben schon gesehen hast, und auf dass du ja nicht zweifelst, Gott sei auch der Auferwecker des Fleisches, dieweil du ihn ja kennst als den Verneuerer aller Dinge. Soll man etwa solche Vorbilder in der Natur für überflüssig halten? Soll man meinen, Gott sei schwächer als die Natur? Ja, auch dich selbst sieh an und erkenne an dir selber ein Zeugnis für die Auferstehung. Bedenke: was bist du gewesen, ehe denn du warst? Nichts; denn wärst du etwas gewesen, so würdest du es noch wissen. Der du nun nichts gewesen bist, ehe du warst, du wirst auch nichts werden, wenn du aufhörst zu sein. Wie sollte dich nun der Wille dessen nicht wieder aus dem Nichts rufen können, der schon einmal gewollt hat, dass du aus Nichts würdest? Was wird das Neues sein? Da du nicht warst, wurdest du gemacht; wenn du nicht mehr sein wirst, wirst du wieder gemacht werden. Ergründe doch, wenn du’s kannst, wie du gemacht bist, dann wirst du auch erforschen, wie du wieder gemacht wirst. Und doch wirst du wahrlich noch leichter das werden, was du vormals gewesen bist, nachdem du gleichfalls nicht schwer das geworden bist, was du nie vormals gewesen bist. Hat Gott alles aus Nichts geschaffen, so wird er auch das Fleisch, das zu Nichts geworden ist, wieder aus dem Nichts hervorbringen können. Wer etwas gemacht hat, der ist gewisslich auch im Stande, es wieder zu machen. Gleichwie es mehr ist, etwas machen, als etwas neu machen, gleichwie es mehr ist einen Anfang machen, als einen neuen Anfang machen, so, glaube nur, ist’s auch leichter, das Fleisch wiederherzustellen, als es herzustellen.
45. DIE FLAMME DES FEGFEUERS.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich fürchte, dass ich nach dem Tode mit den Flammen des Fegfeuers bestraft werde. Denn, da ich bedrängt bin von mancherlei sündiger Schwachheit, ist mir angst, dass Gott in’s Gericht mit mir gehn und mich nach gutem Recht zum Fegfeuer verdammen möchte.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Mit wem Gott in’s Gericht geht, d. h. wer sich nicht in wahrer Bekehrung während dieses Lebens von Gott hat versöhnen lassen, den verdammt Gott nicht zu einem Fegfeuer, darinnen er eine bestimmte Weile gepeinigt werden müsste, sondern zum höllischen Feuer, das nicht verlischt, darinnen er auf ewige Zeiten brennen muss. Wer aber seine Sünden ernstlich erkennt und wahrhaftiglich an Christum glaubt, der hat eine Versicherung und Verschreibung Christi, seines Heilandes, dass er keinen Ort des Schmerzes und der Qual nach dem Tode zu fürchten brauche; denn also spricht der Herr: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen. Das Wort der Wahrheit kennt nur zwei Arten von Menschen: gute und böse, bußfertige und unbußfertige, gläubige und ungläubige, und nur zweierlei Wohnstatt nach dem Tode: die des Trostes und die der Qual, die des Lohnes und die der Strafe, die des Himmels und die der Hölle. Eine dritte Art von Menschen, einen dritten Ort kennen wir nicht, und finden auch nichts davon in der Schrift. Es gibt nur zwei Orte, den einen im ewigen Reiche, den andern im ewigen Feuer. Drum gibt’s auch für niemand einen Zwischenort, wo er weder in Strafe sich befände, noch auch in’s Reich gesetzt wäre; also dass man nur beim Teufel sein kann, wenn man nicht bei Christo ist. Wer da glaubt, spricht Christus, und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. Wer an den Sohn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet; denn er glaubt nicht an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes. Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben; wer dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm. Es werden hervorgehn, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens; die aber Übels getan haben, zur Auferstehung des Gerichts. Die Gesegneten werden in das ewige Leben gehen; die Verfluchten aber in das ewige Feuer. Und dass solche unmittelbare Scheidung der Gottseligen von den Gottlosen nicht erst am jüngsten Tage, sondern sogleich nach dem Tode vor sich geht, lehrt das Beispiel des reichen Schlemmers, dessen Seele in die Hölle geworfen wird, und des frommen Lazarus, dessen Seele von den Engeln in’s Paradies getragen wird. Das lehrt auch das Exempel des bekehrten Schächers, dem Christus an demselben Tage, wo er sterben musste, den Eingang in das Paradies verspricht. Das lehrt der Geist der Wahrheit, der da sagt, dass die Toten, die in dem Herrn sterben, von nun an selig seien. Es gibt keine andere Reinigung oder Sühnung unserer Sünden als die im Blute Christi, das uns rein macht von aller Sünde. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten; darum wer an ihn glaubt, der ist gerecht geworden und hat Frieden mit Gott, der ist aus dem Tode in das Leben gekommen, der hat nicht zu fürchten, dass ihn nach dem Tode noch eine Qual anrühren werde.
46. DIE STRENGE DES JÜNGSTEN GERICHTS.
DER ANGEFOCHTENE SPRICHT:
Ich fürchte mich vor der Strenge und dem Schrecknis des jüngsten Gerichts. Über mir der strenge Richter, unter mir die offene Hölle, inwendig in mir das nagende Gewissen, auswendig brennendes Feuer, zur Rechten die Sünden, die mich verklagen, zur Linken die Teufel, die mich schrecken, um mich her die guten Engel, die mich zur Hölle stoßen, und die bösen Engel, die mich hineinziehen wollen. Verklagen wird mich der Satan, verklagen werden mich die Sünden, verklagen wird mich das Gewissen.
O der großen Angst und Not,
weil des Richters Antlitz droht,
er deckt auf, was ich verbrochen,
und es bleibt nichts ungerochen.
Niemand wird seiner Macht entrinnen, niemand seine Weisheit hintergehen, seine Gerechtigkeit beugen, seinem Urteil sich entziehen können.
DER TRÖSTER ANTWORTET:
Wenn du an den Sohn glaubst, so wirst du nicht gerichtet von seinem strengen, verdammenden Urteil. Wenn du das Wort Christi hörst und ihm glaubst, so kommst du nicht in das Gericht, ja, es wird vor jenem strengen Gericht deine Sache gar nicht gehandelt werden, dieweil Christus alle, die an ihn glauben, von dem zukünftigen Zorn erlöst hat. Schrecklich ist der Tag des Gerichts nur den Bösen um der Strafe willen, aber lieblich den Frommen um der Krone willen. Jenen ist er ein Tag des Zorns und der Rache, diesen ein Tag der Gnade und überschwänglichen Vergeltung. Hebt eure Häupter auf, spricht der Sohn Gottes, darum, dass sich eure Erlösung naht. Eine Braut fürchtet sich nicht vor dem Kommen ihres Bräutigams; nun ist aber deine Seele durch den Glauben mit Christo verlobt, und wenn er am Tage des Gerichts erscheint, so kommt er nur, auf dass er sie als seine Braut zur himmlischen Hochzeit führe. Ist aber das ein Ding zum Fürchten und Erschrecken? Jener Tag wird ein Tag der Befreiung sein; denn er wird uns aus dem elenden Gefängnis der Sünde und des Todes erledigen und uns ganz und vollkommen zu Christi Dienern machen. Ein Tag der Befreiung ist er, denn von aller Last des Übels und allem Druck der Trübsal wird er uns erlösen. Ein Tag der Befreiung ist er, denn er wird uns völlig herausbringen aus dem beständigen Ringen mit dem Fleische und allem seelengefährlichen Dienst unter dem Fleische. Ein Tag der Erquickung ist er, denn aus der Hitze der Trübsal bringt er den Durstigen und Verschmachteten in eine Ruhestatt zur Quelle des lebendigen Wassers. So komme er doch, er komme, unser Bräutigam Christus! Und welche Seele eine rechte Braut Christi ist, mit dem Pfand des Heiligen Geistes versiegelt, die sich leiten lässt von wahrer Liebe Christi, die spreche: Ja, komm, Herr Jesu! Wenn wir Christum in Wahrheit lieb haben, dann tragen wir auch nach seiner Zukunft ein herzliches Verlangen; denn es ist ja ganz verkehrt, sich vor dem Kommen dessen zu fürchten, den man lieb hat; zu beten: Dein Reich komme, und doch bange zu sein, dass solch Gebet erhört werden möchte. – Woher kommt aber deine Furcht? Etwa, weil er als Richter kommt? Wird er etwa ungerecht, wird er dir abhold, wird er missgünstig sein? Will er von andern erst hören, wie deine Sachen stehen, dass du fürchten müsstest, dein Sachwalter werde deine Sache betrüglich führen oder zu wenig Beredsamkeit und Geschick haben, deine Unschuld darzutun? Nichts von alledem. Nun wer ist’s also, der da kommt? Warum freust du dich nicht? Wer ist’s denn anders, der da kommen wird, dich zu richten, als derselbige, der schon gekommen ist, dass er sich um deinetwillen richten ließe? So fürchte dich doch nicht vor dem Verkläger, von dem er selbst gesagt: der Fürst dieser Welt ist hinausgetan. Fürchte nicht, dass dein Anwalt deine Sache schlecht führen werde; denn eben der ist jetzt schon dein Anwalt, der einst dein Richter sein wird. Er wird dich und deine Sache vertreten, er wird für deine Sache reden, für dein Gewissen zeugen. Wenn du dich daher vor dem künftigen Richter fürchtest, so bringe nur dein Gewissen in Ordnung. Du hast also gar keine Ursache dich vor dem zukünftigen Richter zu fürchten. Der wird Richter sein, der auch dein Anwalt ist. Der wird Richter sein, der seinen Heiligen verheißen hat, dass sie nach seinem Zeugnis und Vorbild die Welt richten sollen. Der wird Richter sein, in welchem du von Ewigkeit auserwählt bist zum Leben. Der wird Richter sein, der auch dein König ist; wie sollte aber ein König sein Volk verderben? Der wird Richter sein, dessen wahrhaftiges Glied du worden bist durch den Glauben; wie sollte aber das Haupt seine Glieder verderben? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der da gerecht macht. Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns. Wie kann er die verloren gehn lassen, die er in seinen Schutz genommen, um deren willen, damit sie eben nicht verloren wären, er in die Welt gekommen? Christus wird richten laut des Evangelii. Nun haben aber die Gläubigen dieses Evangelium nicht verachtet, sondern in wahrem Glauben aufgenommen. Sie haben die Stimme Christi gehört, da er ihnen rief zur Bekehrung: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken; so werden sie auch seine Stimme hören, wenn er ihnen rufen wird, das Himmelreich zu besitzen: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt. Der wird Richter sein, vor dessen Angesicht Gnade und Wahrheit hergeht. Die Gnade hat die Sünden der Gläubigen getilgt, die Wahrheit hat ihnen die Verheißung des ewigen Lebens gegeben. – Auch vor dem schrecklichen Untergang Himmels und der Erden brauchst du dich in keinem Wege zu fürchten. Himmel und Erde werden vergehen, aber Christi Worte vergehen nicht. Das Wort unsers Gottes bleibt ewiglich, und wenn du dich an dieses Wort in wahrem Glauben hältst, so wirst auch du in Ewigkeit bleiben. Es geht dir ja nichts verloren, wenn du nichts mit unordentlicher Liebe besessen hast. Dein Schatz sind nicht die Reichtümer dieser Welt, sondern die Freude und Wonne im Himmelreich. So mag die Welt verbrennen: dir ist’s genug, dass Christus lebt, der dein Schatz ist. Das Gebäu Himmels und der Erden mag vergehen, verschwinden und dahinfahren: du hast ja die allerwahrhaftigsten Verheißungen von einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Siehe, ich will einen neuen Himmel und neue Erde schaffen, in welchen Gerechtigkeit wohnt, dass man der vorigen nicht mehr gedenken wird. Zusammenfallen mag die Herberge deiner Pilgrimschaft: es bleibt dir ja die ewige Wohnung in der himmlischen Heimat. – Auch vor der Anklage Satans und des Gesetzes und deiner Sünden brauchst du dich nimmermehr zu fürchten. Deine Sünden sind in die Tiefe des Meeres geworfen, in den Abgrund der göttlichen Barmherzigkeit. Gott hat sie hinter sich zurückgeworfen, dass ihrer inskünftige nicht mehr gedacht werde: glaube mir, der Satan wird sie nicht aus dem Meere heraufholen und wird’s nicht wagen, sie vor das Angesicht des Richters zu stellen. Vergeben sind deine Sünden, bedeckt, getilgt sind sie: so werden sie nicht wieder vor Gericht gebracht werden. Die Anklage, die der Teufel wider die Frommen versucht, wird vergeblich sein; denn es wird ihm entgegengehalten werden, dass die Handschrift, so wider dich war, durch Christi Blut ausgetilgt ist. Vergeblich wird’s auch sein, wenn dich die Sünde verklagt; denn es wird ihr entgegengehalten werden, dass du durch Christum Vergebung erlangt hast. Vergeblich wird es sein, wenn dich das Gesetz verklagt, dieweil du ja schon in diesem Leben mit Gott wieder ausgesöhnt bist. – Endlich brauchst du dich auch nicht davor zu fürchten, dass Christus plötzlich zum Gericht wiederkommen wird; denn obgleich der Tag des Herrn kommen wird, wie ein Dieb in der Nacht, so hat uns doch Gott nicht gesetzt zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besitzen durch unsern Herrn Jesum Christum, der für uns gestorben ist, auf dass, wir wachen oder schlafen, zugleich mit ihm leben sollen. Der Tag des Gerichts ist für diejenigen kein Gegenstand der Furcht, denen das Reich bereitet ist von Anbeginn der Welt und die in Christo erwählt sind, ehe der Welt Grund gelegt war. Befiehl daher die teure Beilage deiner Seele in die treuen Hände Gottes, er wird sie im Tod und Gericht bewahren, mit dem Leib wiederum vereinigen und in den himmlischen Freudensaal zur ewigen Herrlichkeit einführen. Amen.
GEBET IN KRANKHEIT.
Mein Herr und Gott, der du Leben gibst und wiedergibst, in dessen Hand steht Leben und Tod, Gesundsein und Kranksein, erhöre mich, erhöre mich, nicht nach meinem Willen und Begehren, sondern nach dem Wohlgefallen deines Willens. Wenn du willst, kannst du mich wohl gesund machen; sprich nur ein Wort, so werde ich gesund. Du bist die Länge meiner Tage, meine Zeit steht in deinen Händen. Willst du mich aber jetzo durch den Weg des Todes zu dir in die himmlische Heimat abfordern, so ertöte zuvor in mir alle unordentliche Liebe zum irdischen Leben, gib mir Kraft des Geistes, dass ich die Angst des Todes überwinde; zünde an und mehre in mir, wenn meine Augen dunkel werden, mitten in der Finsternis das rechte Herzenslicht. Bei dir ist die Quelle wahrhaftigen Lebens, und in deinem Lichte werde ich das Licht sehen. Dein Tod, lieber Herr Jesu, ist ja meines Todes Gift geworden, dein Tod hat mir das ewige Leben verdient. So ergreife ich dein Wort mit gläubigem Herzen und bin daher gewiss, dass du durch den Glauben in meinem Herzen wohnst. Darum will ich dich nicht aus meinem Herzen lassen, du segnest mich denn und richtest mich auf mit lebendig machendem Trost. Du hast gesagt: Wer an mich glaubt, der soll ewiglich nicht sterben. Dies dein Wort hält mein Herz dir vor und in solchem Vertrauen komme ich vor deinen Gnadenthron, dass du den, der zu dir kommt, nicht hinausstoßen werdest. Dein teures Blut mache mich rein von meinen Sünden, deine Wunden verbergen mich vor Gottes Zorn und strengem Gericht. In dir will ich sterben, du wirst in mir leben; in dir will ich bleiben, und du wirst in mir bleiben; du wirst mich nicht im Tod und Staube lassen, sondern mich auferwecken zur Auferstehung des Lebens. Du hast für mich gestritten und überwunden, so streite und überwinde nun auch in mir, deine Kraft werde in mir Schwachem mächtig. An dir hanget meine Seele, lass mich nicht von dir geschieden werden. Dein Friede, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre mein Herz und meine Sinne. In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott. Nimm meine Seele auf, die du erschaffen, die du erlöst, die du mit deinem Blute von Sünden rein gemacht, die du mit dem Pfand des Heiligen Geistes versiegelt und mit deinem Leib und Blut genährt hast. Dein ist sie, du hast sie mir gegeben. So nimm nun wieder, was dein ist, und erlass mir die Schuld meiner Sünden, womit ich sie befleckt habe. Lass die Frucht deines Leidens an mir nicht verloren, dein teures Blut nicht vergebens für mich vergossen sein. In dich hab’ ich gehofft, Herr, hilf, dass ich nicht zu schanden werde, noch ewiglich zu Spotte. Amen.