Perlen vor die Säue

Perlen vor die Säue

Im Matthäusevangelium steht eine Weisung Jesu, die mich lange ratlos machte. Denn es gibt zwar sonst zu jedem biblischen Vers gute Auslegungen. Zu diesem aber kaum. Und so etwas weckt meine Neugier. Wie lautet also der Satz? Jesus sagt: „Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, damit die sie nicht zertreten mit ihren Füßen und sich umwenden und euch zerreißen“ (Mt 7,6). Von welchem „Heiligen“, von welchen „Perlen“ redet Jesus? Da er mit Menschen spricht, die ihm nachfolgen und sein Wort weitertragen, ist sicher das Evangelium gemeint – die kostbare Botschaft vom Reich Gottes, der Ruf in den Glauben, ja überhaupt jenes wundervolle Geheimnis, dass Gott uns Sündern in Christus voller Erbarmen begegnet. Das muss das „Heilige“ sein, das sind jene „Perlen“. Aber wem darf man sie nicht geben? Einige Ausleger vermuten, mit den Hunden und Säuen seien aus judenchristlicher Sicht die Heidenvölker der Griechen und Römer gemeint. Aber das passt nicht, weil das Matthäusevangelium die Mission unter den Heiden ja gutheißt, und Jesus sie ausdrücklich befiehlt (Mt 28,18-20). Einige beziehen den Satz auf das Abendmahl, das niemand empfangen soll, der nicht getauft ist, denn das Heilige gebührt den Heiligen (Didache 9,5; 10,6). Aber so richtig das ist – warum wird es nicht bei der Einsetzung des Abendmahls gesagt, wo es im rechten Zusammenhang jeder gleich verstünde? Man kann bei den Perlen an Worte der Weisheit denken, die – so klug sie auch sein mögen – bei einem dummen Hörer nichts bewirken. Aber das Neue Testament sagt nirgends, die Empfänglichkeit des Menschen für das Evangelium hinge von seiner Intelligenz ab (1. Kor 1,18-21). Und so stehen wir ratlos da, obwohl die Aussage an sich einleuchtet. Das Heilige gilt es nicht den Hunden und den Säuen vorzuwerfen. Und zwar gar nicht so sehr, weil sie dessen unwürdig sind, sondern weil sie ja wirklich nichts damit anfangen können. Sie wissen das Wertvolle nicht zu schätzen, und es nützt auch wenig, es ihnen aufzudrängen, denn davon hat niemand einen Gewinn. Die primitiven Viecher, die doch eher Rüben, Hafer, Mais oder anders Futter erwarten, trampeln auf dem Evangelium herum – und bleiben dabei hungrig. Das kostbare Evangelium wird geschändet, weil‘s die enttäuschten Tiere beschmutzen. Und der Übermittler der nutzlosen Gabe zieht auch noch ihren Zorn auf sich, so dass sie sich umwenden und ihn zerreißen. Zweifellos hat ihnen der Bote die allerfeinste geistliche Nahrung geliefert. Aber nach der steht den Viechern eben nicht der Sinn. Sie sind dafür die falsche Adresse. Und ihrem groben Magen ist mit dem Evangelium auch wirklich nicht gedient. Denn Hunde und Schweine wollen nun mal nicht erbaut werden. Sie wollen fressen und saufen. Und wenn ihnen ein törichter Apostel dennoch mit Gottes Geheimnissen kommt, um in ihnen einen Geschmack für „Höheres“ zu wecken, dann zeigen sie sich grob undankbar, beißen ihn ins Bein und vertreiben ihn aus dem Stall. Wo Angebot und Nachfrage so schlecht zusammenpassen, ist nichts anderes zu erwarten. Und darum empfiehlt Jesus, den sinnlosen Versuch gleich zu unterlassen: „Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, damit die sie nicht zertreten mit ihren Füßen und sich umwenden und euch zerreißen“. Das leuchtet ein. Und ich gestehe, dass ich schon bei so manchem, der über den Glauben spottete, an diesen Vers gedacht habe. Denn Gottes erlösendes Wort ist für jene zu schade, die nach Erlösung gar nicht fragen. Zeigt man ihnen das Heilige, ziehen sie‘s doch nur in den Dreck und sind so verblendet, dass man sie zu ihrem Glück weder zwingen kann noch zwingen mag. Sie möchten sich weder von ihrem Materialismus noch von ihren Vorurteilen trennen. Demut, Reue, Güte, Gottesfurcht und Liebe sagen ihnen nichts. Das biblische Zeugnis nennen sie „Märchen“, „Mumpitz“, „frommen Quatsch“. Und so tut der Bote des Evangeliums gut daran, keine weitere Zeit zu verschwenden, sondern das Haus zu verlassen und den Staub von seinen Füßen zu schütteln (Mt 10,11-15; Apg 13,51). Das ist völlig richtig! Nur gibt es in der konkreten Anwendung immer wieder Probleme, weil man ja nicht vorher weiß, ob einer das Evangelium wiederholt mit Füßen tritt, oder ob ihn vielleicht beim dritten oder vierten Versuch genau dieses Evangelium zur Vernunft bringt. Man soll das Heilige nicht den Hunden geben, das ist schon klar! Aber wie erkennt man die, wenn wir als Sünder doch erst mal alle vernagelt und verbohrt sind, blind und stolz? Keiner von uns hat das Evangelium verstanden, bevor es ihm jemand nahe brachte. Das ist ja der Grund, weshalb wir Mission betreiben! Und den guten Samen des Wortes gar nicht erst auszusähen, weil erfahrungsgemäß viel davon auf steinigen Boden fällt oder unter die Dornen – das kann nicht die Alternative sein (vgl. Mt 13,1-23). Keiner ist zu kaputt oder zu ignorant, als dass ihn das Evangelium nicht eventuell retten könnte. Man muss es eben versuchen! Wenn Gottes Geist dem nicht zum Erfolg verhilft, ist das seine Entscheidung. Aber ob es so oder anders kommt, sehe ich dem Menschen nicht an der Nasenspitze an. Wie kann ich also im vorhinein wissen, ob einer zu den „Hunden“ gehört, für die das Evangelium zu schade ist? Erweist er sich als „Schwein“, indem er das Heilige mit Füßen tritt, kommt meine Einsicht zu spät. Aber vorher habe ich es nicht gewusst. Hinterher bin ich klüger. Aber da liegen die Perlen auch schon im Dreck. Und wenn ich darum vorsichtig werde und dem nächsten das Evangelium lieber vorenthalte – könnte es dann nicht sein, dass gerade der es gebraucht und dankbar aufgenommen hätte? Jesu Regel, das Heilige nicht den Hunden zu geben, macht eigentlich nur Sinn, wenn man sie vorher erkennen kann. Und ich zweifle keine Sekunde, dass Jesus immer wusste, wen er vor sich hat. Aber ich doch nicht! Ich komme regelmäßig durcheinander, weil gerade die, die das Heilige nicht kennen, es am nötigsten haben, davon zu erfahren. Denen, die schon im Glauben stehen, bringe ich sowieso nichts Neues. Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Nicht den Gerechten gilt das Evangelium, sondern den Sündern. Wie dürfte man also ausgerechnet um Menschen mit ablehnender Haltung ein Bogen machen? Werft eure Perlen nicht vor die Säue, das ist richtig! Aber woran erkenne ich sie? Haben sie vielleicht ein gemeinsames Merkmal? Eine überzeugende Antwort kommt von C.F.W. Walther, einem alten Lutheraner, der an Gottes Wort immer säuberlich seine beiden Bestandteile unterscheidet – nämlich Gesetz und Evangelium. Das Gesetz sagt, was Gott mit großer Strenge von uns fordert und erwartet. Wenn wir aber dran scheitern, lässt uns das Evangelium bei Christus Barmherzigkeit finden. Walther sagt nun aber, wer schon Gottes Gesetz nicht hören wolle, der sei auch des Evangeliums nicht wert – und dem solle man‘s auch nicht sagen. Denn das Evangelium ist die süße Zusage der Vergebung für zerschlagene Herzen. Es ist kostbarer Trost für verlorene Söhne, die heimkehren wollen. Und darum ist es fehl am Platz, wo man noch selbstsicher spottet und lästert. Denn jenen Verblendeten, die alles besser wissen und nichts bereuen, hat auch Jesus kein Evangelium zugesagt – und hat ihnen nie ein Fünkchen Trost gespendet. Denn so wenig ein Schwein Perlen verdauen kann, so wenig kann einer Vergebung empfangen, der gar nicht nach Vergebung fragt. Nein, wer das Gesetz Gottes nicht hören will, ist auch des Evangeliums nicht wert. Denn er respektiert die Autorität nicht, die dahinter steht. Er weiß nicht, was er damit anfangen soll. Und wer so einem groben Klotz trotzdem den Himmel verspricht, richtet nur Schaden an. Denn sein Gegenüber wiegt sich ja sowieso schon in falscher Sicherheit. Und er wird darin durch milden Zuspruch nur noch bestärkt. Er ist schon stolz, mäkelt an Gottes Wort herum und bereut rein gar nichts! Wenn allzu gutherzige Christen ihm dann aber trotzdem zusichern, Gott habe ihn schrecklich lieb (er könne also ruhig bleiben, wie er ist), dann festigt das nicht nur seinen Irrtum, sondern ist auch schlicht gelogen. Da füttert man das Schwein immer weiter mit Perlen des göttlichen Trostes und wundert sich, dass ein Borstenvieh sie nicht zu schätzen weiß! Denn genau wie es falsch wäre, ein erschrockenes Gewissen immer weiter mit dem Gesetz zu plagen, während es sich nach dem Evangelium sehnt, so ist es auch falsch, dem das Evangelium aufzudrängen, der sich schon dem Gesetz nicht beugt und keinerlei Einsicht zeigt. Nein, sagt C.F.W. Walther: Wer so predigt, dass auch die Glaubenslosen meinen, ihnen gehörte der evangelische Trost, der richtet immensen Schaden an. Er will Milde zeigen, wo sie nicht dran ist, und schont die, die er viel eher warnen sollte. Wenn ihr Weg dann aber ohne eine Warnung direkt ins Verderben führt, ist vor allem der Prediger schuld. Denn Menschen, die das Heilige mit Füßen treten und Gottes Anspruch nicht ernst nehmen, hätte er besser zur Buße gerufen. Tatsächlich hat er sie aber mit unzeitigem Trost eingelullt, hat sie nicht mit dem strengen Gesetz aufgeweckt und wachgemacht, sondern hat immer nur „Jesus liebt dich!“ gerufen – und sie damit ermutigt, den falschen Weg weiterzugehen. Dabei wollen die Hunde gar nicht Gottes Liebe, sondern wollen blutiges Fleisch fressen, Wasser saufen und Hasen jagen! Auch die Schweine fragen nicht nach Gottes Gnade, sondern wollen ihren Bauch füllen mit sehr irdischen Dingen! Sie grinsen und gähnen, wenn wir ihnen vom Evangelium erzählen, denn sie stehen eher auf Viechereien und gieren nach Spaß, Macht und Geld! Sie wissen nichts von Gottes Zorn – was schert es sie also, dass Christus für sie gelitten hat? Sie hungern nur nach irdischen Freuden – und wir versprechen ihnen trotzdem die himmlischen? Sie glauben schon nicht an Gottes Dasein und an Gottes Gesetz – und wir drängen ihnen auch noch das Evangelium auf? Ach, nicht die Verstockten, sondern wir selbst sind schuld, wenn das Heilige dabei zur Schleuderware verkommt. Wir bieten den Gottlosen Gnade an wie saures Bier. Wir machen’s ihnen so billig wie möglich. Wir erniedrigen das, wozu sie aufschauen sollten. Und doch ist es ganz vergeblich und wird verachtet, denn die Selbstsicheren haben an Gnade weder Bedarf noch Interesse. Da sie von Gottes Gesetz nichts hören (und auch nichts hören wollen), denken sie nicht, dass sie mit ihrem Schöpfer ein Problem hätten. Und falls sie‘s mit dem Sündigen doch mal übertreiben, versichert ihnen die Kirche, Gott sei viel zu nett, als dass er irgendwem etwas übel nähme. Kaum dass sich ihr stumpfes Gewissen regt, hören sie gleich, dass Gott gerne vergibt – und folgern, dann sei’s doch zur Seligkeit genug, wenn sie‘s mit ihrer Bosheit nicht zu toll treiben. Sollte es Gott wirklich geben, so ist er ja anscheinend harmlos! Und so kalkulierend lachen sie über unseren Ernst – und treten das Heilige weiterhin mit Füßen. Die Kirche aber überschüttet sie eilfertig mit einem Trost, den sie nicht brauchen, und mit einem Segen, nach dem sie nicht fragen. Mancher meint dann, das sei großherzig und sei im Sinne Jesu, einfach jeden der Seligkeit zu versichern – ganz egal, was er denkt und tut! Aber hat Jesus das so gemacht, wenn er mit den Pharisäern und den Schriftgelehrten stritt? Hat er die nicht „Heuchler“ genannt, „Otternbrut“ und „Teufelskinder“ (Mt 23,13-36; Joh 8,44)? Ist Jesus dem Herodes und dem Pilatus milde begegnet – oder den Händlern im Tempel? Hat er jemals die Verbohrten getröstet oder die Hasserfüllten gesegnet? Hat er etwa Gierigen und Geizigen den Himmel versprochen oder den Unbarmherzigen irgendeine Barmherzigkeit? Nein, für die Mühseligen und Beladenen wollte er da sein. Für die, die angesichts ihrer Schuld in Trübsal und Angst versinken, für die war seine Tür jederzeit offen. Doch für die Satten und Selbstzufriedenen hatte er kein Fünkchen des Trostes, keine Verheißung und kein Verständnis. Bestimmt hat Jesus niemand übersehen, der bei ihm Rettung suchte. Aber wer sie nicht suchte, dem hat er sie auch nicht hinterhergeworfen. Er ging auf viele zu, rannte aber keinem hinterher. Als Weltenrichter redet Jesus mit den Böcken zu seiner Linken auch ganz anders als mit den Schafen zu seiner Rechten (Mt 25,31ff.). Er hat also keineswegs für alle dieselbe Botschaft! Sein Evangelium war nie für die groben Sünder bestimmt, die nur dem eigenen Bauch dienen, und es war nie für die subtilen Zyniker mit dem breiten Grinsen gedacht, sondern das Evangelium ist (wie Luther sagt) eine „zarte Speise“, „die will eine hungrige Seele haben“. Und das ist tatsächlich der Maßstab, an dem wir uns orientieren müssen, um das Heilige nicht den Hunde zu geben. Denn wo einer schon Gott und Gottes Gesetz nicht gelten lässt, brauchen wir ihm mit dem Trost des Evangeliums gar nicht erst kommen. Glaubt er nicht, dass er einen Richter über sich hat, wird er auch nicht nach dessen Gnade fragen. Und weil so einer unsere kostbaren Perlen nicht verdauen kann, sollten wir sie ihm gar nicht erst geben. Sind wir aber so unklug, ihm das Heilige aufzudrängen, ist das weder für die Perlen gut noch für ihn – und letztlich auch nicht für uns. Denn das Schwein, das lieber Kartoffeln fräße, wird der unpassenden Speise bald genauso überdrüssig wie des Überbringers. Die Feinde des Glaubens geben sich alle Mühe, gleichgültig und abweisend zu erscheinen. Und sie verstehen‘s nicht, wenn man sie dennoch behandelt, als hätten sie tiefe spirituelle Bedürfnisse. Wenn wir also hingehen und ungefragt Segnungen über sie ausschütten, die sie gar nicht wollen, werden sie da nicht zurecht böse? Sie sind nicht traurig, wir aber trösten sie? Sie fühlen sich nicht schuldig, wir aber vergeben ihnen? Sie fühlen sich nicht krank, wir aber bringen Arznei? Sie meinen klar zu sehen, und wir wollen sie erleuchten? Sie glauben gar nicht an Gott, wir aber versichern, dass er sie trotzdem „ganz doll lieb hat“? Was soll der Unfug? Nicht-Gläubige, die wir zwangsweise beglücken, reagieren wie Pubertierende auf unerbetene Ratschläge. Und sie haben Recht! Denn das Evangelium kann nur verstehen, wer an Gottes Gesetz gründlich gescheitert ist, wer weiß, dass es trotzdem gilt – und darum über seinen verwerflichen Zustand tief betrübt ist. „Ohne die Höllenfahrt der Sündenerkenntnis ist die Himmelfahrt der Gotteserkenntnis nicht möglich“ (Tholuck). Nur Gebeugte kann man aufrichten. Wir müssen durch das Gesetz zunichte werden, bevor das Evangelium etwas aus uns machen kann. Vorher geht‘s uns auch gar nichts an! Und so entwerten wir den Trost des Evangeliums, wenn wir inflationär damit umgehen. Denn der verstockte Sünder hört die Gnadenbotschaft nicht nur nicht und schätzt sie nicht, sondern ihm gilt sie auch gar nicht. Und so ist es nur eine Frage der Wahrhaftigkeit, dass wir ihn nicht behandeln, als wäre er mit Gott versöhnt und mit Gott im Frieden. Denn er ist es nicht. Und ihm den Frieden nicht einzureden, ist kein feindseliger Akt, sondern im Gegenteil nehmen wir den Gottlosen damit ernst und respektieren seine Entscheidung – auch wenn sie ihm schadet. Natürlich wünschten wir, er teilte unseren Glauben und würde dadurch unser Bruder! Lieber heute als morgen brächten wir ihm das Evangelium und teilten mit ihm Brot und Wein! Getrennt zu sein schmerzt uns mehr als ihn. Wir selbst haben ja auch eine Zeit lang mit dem Heiligen nichts anzufangen gewusst. Aber davon, dass wir einen Spötter als Glaubensbruder behandeln, ist er noch keiner geworden. Und davon, dass wir ihm die Liebe Gottes einreden, hat er an dieser Liebe noch keinen Anteil. Wollen wir so einem aber wirklich helfen, tun wir’s am besten, indem wir durch das eigene Beispiel zeigen, wie man Heiliges als heilig behandelt. Es ist die beste Werbung für unseren Glauben, wenn wir selbst dem Evangelium Achtung erweisen und keine Autorität höher schätzen als Gottes Wort. Eben das sollte anderen an uns auffallen, dass wir Göttliches und Menschliches strikt auseinanderhalten – und nur dem Göttlichen höchste Priorität beimessen. Denn genau das unterscheidet uns von Hunden und Schweinen, wenn wir an der richtigen Stelle Ehrfurcht empfinden. Ein Schwein kennt keine Ehrfurcht – und man wird sie auch schwerlich in ihm wecken. Wir aber, die wir mit den Schweinen sonst viel gemeinsam haben, sollten es als Privileg ansehen, dass wir vor Gott den Hut ziehen und mehr ersehnen, als nur unsren Bauch zu füllen. Wir selbst sind davon nicht höher. Aber immerhin kennen wir das, was höher ist. Wir stehen deshalb nicht oben. Aber wir schauen hinauf. Und eben dies – dass wir uns vor dem Ehrwürdigen in Anbetung beugen – macht des Christen Größe aus. Rüben sind Rüben und Perlen sind Perlen – Hunde und Schweine werden’s nie verstehen! Wir aber verstehen zumindest den Unterschied. Auch wir verdienen keine Gnade. Aber wir wissen sie zu schätzen. Wir ehren das Heilige, indem wir‘s von uns selbst unterscheiden. Und werden uns Perlen anvertraut, dann bleiben wir dafür allzeit dankbar und schützen das kostbare Gut. Denn Gott soll nie bereuen müssen, dass er sein Herz für uns öffnete! Er hat uns sein Evangelium in die Hand gegeben, damit wir‘s an Bedürftige verteilen, doch nicht, damit wir‘s an Spötter verschleudern. Dankenswerterweise hat er uns nicht für Hunde und Schweine gehalten. Beweisen wir also, dass er recht daran tat. Liefern wir das Evangelium nicht denen aus, die drauf spucken, sondern schützen wir es wie unseren Augapfel. Lassen wir nichts drauf kommen, sondern behandeln wir es als unsren größten Schatz – auf das Ehre widerfahre, wem Ehre gebührt. 

 

 

Bild am Seitenanfang: Parels voor de zwijnen werpen

Pieter Brueghel der Jüngere, Public domain, via Wikimedia Commons