Das achtundzwanzigste Kapitel 

(Vom Predigtamt.) 

 

Das heil. Predigtamt ist ein solcher von Gott verordneter Stand, in welchem er etliche gewisse Personen aus den Menschen dazu gesetzt hat, dass sie mit göttlicher Autorität als Botschafter an seiner Statt ihres Herrn Wort an-dern vortragen, die Sakramente ihnen reichen, sie also zu Christo führen und zum ewigen Leben erbauen sollen.

 

746. Zwar könnte Gott uns Menschen ohne einige Mittel lehren, führen und re-gieren. Jedoch nachdem ihm wohlgefallen hat, auch bei diesem Werk Mittels-personen zu gebrauchen und zwar allein aus dem menschlichen Geschlecht; so hält er darin seine richtige Ordnung, die bei Betrachtung derjenigen Mittel, so Gott unsere Seligkeit zu befördern gebraucht, etwas ausführlicher muss erwogen werden.

 

747. Fürs erste: die Namen, so dem Predigtamt gegeben werden; deren sind vor-nehmlich vier:

1. Diener; 1 Kor. 3,5: „wer ist nun Paulus? wer ist Apollo? Diener sind sie, durch welche ihr seid gläubig worden“, nämlich Diener Gottes und Christi; Röm. 1,1: „Paulus ein Knecht Jesu Christi“; Gal. 1,10: „wenn ich den Menschen gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht“; 1 Kor. 4,1: „dafür halte uns jedermann, nämlich für Christi Diener“; 2 Kor. 6,4: „in allen Dingen lasset uns beweisen als die Diener Gottes“. Diener der Kirchen, Kol. 1,24.25: „Christi Leib ist die Ge-meine, welcher ich ein Diener worden bin“. Diener des göttlichen Worts, Eph. 3,7: „ich bin des Evangelii Diener worden“.

 

748. 2. Älteste. Weil in den neugepflanzten Kirchen die Apostel solche zu Dienern erwählt haben, welche entweder am Alter vor andern ein Ansehen gehabt, oder (welches glaublicher) die am längsten bei der christlichen Religion gewesen und sich in demselben Glauben am besten geübt hatten, so sind insgemein die Prediger Älteste genannt worden; 1 Tim. 5,17: „die Ältesten, die wohl vorstehen“; Tit. 1,5: „derhalben ließ ich dich in Kreta, dass du solltest vollends anrichten, da ichs gelassen habe, und besetzen die Städte hin und her mit Ältesten“. Und darum will Sct. Paulus, dass ein Bischof nicht soll ein Neuling sein, 1 Tim. 3,6., auf dass er sich nicht aufblase und dem Lästerer ins Urteil falle.

 

749. 3. Bischof. Dieses Wort heißt nach der griechischen Sprache, aus der es herkommt, ein Aufseher; und ob es schon im Papsttum einen besondern hohen geistlichen Stand bedeutet, so ist doch nach der Schrift Gebrauch Bischof nichts anders, denn ein Lehrer oder Diener der christlichen Kirche; Ap. Gesch. 20,28: „habt acht auf die ganze Herde, unter welche euch der heilige Geist gesetzt hat zu Bischöfen“; Philip. 1,1: „allen Heiligen in Christo Jesu zu Philippi samt den Bischöfen und Dienern“ etc.

 

750. 4. Mancherlei Namen, von der Haushaltung genommen, als Haushalter über Gottes Geheimnisse, 1 Kor. 4,1.; Gottes Gehilfen in seinem Gartenbau, 1 Kor. 3,6.9: „wir sind Gottes Gehilfen, ich habe gepflanzt, Apollo hat begossen“; Arbei-ter in Gottes Weinberge, Matth. 20,1., Erntearbeiter, Matth. 9,38: „bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende“; Menschenfischer, Matth. 4,19: „folget mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen“; Hirten, 1 Petr. 5,2: „weidet die Herde Christi, die euch befohlen ist“; Botschafter, 2 Kor. 5,20: „so sind wir nun Botschafter an Gottes Statt“ etc.

 

751. Zum andern: das Amt an ihm selber. Solches beruht darauf, dass die Men-schen zur ewigen Seligkeit erbaut werden. Das geschieht 1. durch Lehre, 2. durch Darreichung der Sakramente, 3. durch das Kirchenregiment.

Die Lehre geht auf zwei Dinge: 1. auf den seligmachenden Glauben, denn durch den Glauben werden wir selig, Ephes. 2,8.; 2. auf einen ehrbaren, gottseligen Wandel, damit nicht durch gottlosen Wandel der Glaube samt der Seligkeit hin-weggeworfen werde. Wer den Glauben in der Menschen Herzen pflanzen will, der muss zwei Dinge tun,

1. das Wort Gottes den Zuhörern rein und unverfälscht vorlegen, denn der Glaube kommt aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes, Röm. 10,17. Dieses Wort ist zweierlei, Gesetz und Evangelium, Matth. 13,52: „ein jeglicher Schriftgelehrter, zum Himmelreich gelehrt, ist gleich einem Hausvater, der aus seinem Schatz altes und neues hervorträgt“. Aber davon ist an seinem Ort genugsam gehandelt. Wenn nun diese Lehre den Zuhörern vorgetragen wird, alsdann entsteht daraus der seligmachende Glaube, dadurch sie bei Gott gerecht werden und zur ewigen Seligkeit gelangen können.

 

752. 2. neben dem Glauben und Lehre auch einen ehrbaren Wandel führen, und dadurch in den Zuhörern pflanzen Gottseligkeit und gute Werke, die gleichfalls herfliessen aus dem Wort, (das nütze ist zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, 2 Tim. 3,16.,) aber auch aus des Lehrers Exempel, 1 Tim. 4,12: „sei ein Fürbild der Gläubigen im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Geist, im Glauben und in der Keuschheit“. Wer nun kein Ärgernis und böse Anreizung verursacht, dadurch jemand von dem heilsamen Glauben oder heiligen Wandel abgeführt wird, der hat mit diesen Werken seinem Amt genug getan.

 

753. Nachdem aber der Teufel als ein abgesagter Feind der Menschen sich bemüht, das göttliche Wort von unserm Herzen zu reißen, Luk. 8,12., auch das Unkraut der Ketzerei und mancherlei Sünden unter den Weizen zu werfen pflegt, Matth. 13,38.39., so ist die Strafpredigt hoch von nöten, dass dadurch die falschen Lehrer und bösen unbußfertigen Sünder zurecht gebracht werden. Von beiden entstehen Fragen, die zu beantworten nötig sind.

Ob ein Prediger seinem Amt genug getan habe, wenn er allein die seligmachen-de Lehre seinen Zuhörern vorgetragen hat, so dass ihm weder nötig sei noch wohl anstehe, wenn er die falsche Lehre öffentlich anziehe und widerlege. Antwort: wenn die Kirche allezeit so ruhig wäre, dass keine Verführung zu be-fahren; so wäre vergeblich, andere zu widerlegen, von denen man sich nichts zu befürchten hat. Weil aber allezeit unter uns Rotten sind, 1 Kor. 11,19., und ein jeder Kirchendiener stetig zu befürchten hat, dass ihm seine Zuhörer von der heilsamen Lehre mögen abgeführt werden; so steht ihm nicht frei, davon zu schweigen, sondern er soll ihnen ernstlichen Widerstand tun,

 

754. a. weil ein Lehrer mächtig sein soll, nicht allein zu vermahnen durch die heilsame Lehre, sondern auch zu strafen die Widersprecher; „denn es sind viel freche und unnütze Schwätzer und Verführer, welchen man muss das Maul stopfen“, Tit. 1,9. 2 Tim. 2,24.25: „strafe die Widerspenstigen, ob ihnen Gott dermaleins Buße gebe“.

 

755. b. weil Christus und seine Apostel vor der falschen Lehre heftig und ernst-lich gewarnt und mit den Verführern gestritten haben. Von Christo bezeugts die evangelische Historie vielfältig, insonderheit wie er vor den Pharisäern und Schriftgelehrten gewarnt (Matth. 16,6.ff. Kap. 23,13.ff.) und oft mit ihnen dispu-tiert habe. Paulus hat die Christen in der galatischen Kirche vor Verführung gewarnt und wider die falschen Apostel heftig gestritten, Gal. 3,1.ff. Kap. 5,1.ff. Also haben zu jeder Zeit in der Kirche alle heiligen gottseligen Lehrer auch getan.

 

756. c. weil die Hirten, so dem Wolf nicht Widerstand tun, keine rechten Hirten sind, sondern Mietlinge, Joh. 10,12. Nicht genug ists, dass ein Hirte seine Schafe auf gesunde Weide bringt, wo er nicht auch dem Wolf wehrt, dass er die Schafe nicht zerreiße; auch muss er die Schafe abhalten von unreiner giftiger Weide und ungesunden Wassern. Tut er es nicht, so ist er ein ungetreuer Hirte. Nun ist verführerische Lehre nichts anders, denn ein Seelengift; Ketzer und Verführer nichts anders, denn reißende Wölfe. Darum wer seine Zuhörer davor nicht warnt, der ist ein ungetreuer Hirte.

 

757. Ob auch die, so falsche, irrige Lehre führen, mögen mit Namen vor der Gemeine genannt und als Ketzer, Verführer, falsche Lehrer etc. ausgerufen und verdammt werden? Antwort: beides ist recht, doch dass es mit guter Diskretion und Bescheidenheit geschehe, davon dieses Orts nicht kann ausführlich ge-handelt werden. Dass man Verführer mit Namen nenne, ist darum nicht unrecht,

 

758. a. weil sonst allenthalben zulässig ist, schädliche und verführerische Leute mit Namen zu nennen, als: in weltlichen Regimenten werden die Aufrührer, Mordbrenner etc. ohn einiges Bedenken beschrieben und namhaft gemacht, dass sich ein jeder vor ihnen vorsehe; in Schulen warnen die Präzeptoren ihre Schüler, die Eltern im Hausstand ihre Kinder, dass sie sich vor bösen verführeri-schen Buben hüten, die sie ihnen wohl mit Namen nennen, und hälts ihnen kein Mensch übel. Warum soll es denn allein in der Kirche unrecht sein?

 

759. b. weil Christus und seine Apostel solche Leute ohne Scheu genannt haben; Christus die Pharisäer, Schriftgelehrten und Sadduzäer, Matth. 16,6: „hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer“; Kap. 23,13: „wehe euch Schriftgelehrten und Pharisäern, ihr Heuchler“ etc. Die Apostel nennen Hyme-num, Philetum, Alexandrum, 1 Tim. 1,20. 2 Tim. 2,17., die Nicolaiten, Offenb. 2,6.15.

 

760. c. weil die Verdammung und Ausrufung als Ketzer Christo und seinen Aposteln gebräuchlich gewesen ist; Christo, der die Pharisäer etc. „Heuchler“ nennt (Matth. 23,13.), „Kinder der Hölle“ (v. 15.), „Blinde“ (Matth. 15,14.). Paulus schilt den Elymas ein „Teufelskind“ (Ap. Gesch. 13,10.), andere „falsche Apostel, trügliche Arbeiter“ (2 Kor. 11,13.), „Teufelsdiener“ (v. 15.), „Hunde“ (Phil. 3,2.); den Hymeneus und Alexander übergibt er dem Satan (1 Tim. 1,20.). Wenn nun noch heut zu Tage gegen irrige Lehrer (jedoch mit Bescheidenheit und guter Diskretion) das gleiche geschieht, so haben sie sich keiner Unbilligkeit zu bekla-gen.

 

761. Ob diejenigen, so in groben Sünden stecken und öffentliches Ärgernis geben, auch sollen öffentlich gestraft und entweder durch Namen oder andere Beschreibung der Gemeinde kund getan werden. Antwort: öffentliche Laster sollen auch öffentlich gestraft werden, 1 Tim. 5,20: „die da sündigen, die strafe vor allen, auf dass sich auch die andern fürchten.“ Ist nun die Person ohne das bekannt, so ists unnot, sie zu nennen; ist sie aber unbekannt, so mache man das Ärgernis nicht größer, sondern helfe die Schande zudecken, richte jedoch die Strafpredigt dahin, dass sie geschehe mit ganzem Ernst, Tit. 2,15., und dass sich andere fürchten. So viel von der Handlung des Worts.

 

762. Die Sakramente müssen die Prediger handeln als göttliche Geheimnisse, so den Menschen sollen zu gutem und Gott zu Ehren dienen. Demnach reichen sie dieselben nach göttlicher Ordnung denen, so ihrer benötigt sind und wo sie hoffen, sie werden ihr vorgestecktes Ziel erreichen. Wo aber gespürt wird, dass der Sakramente Gebrauch Gott zu Unehren gereiche und dem Menschen zu Schaden, da soll er ihnen dieselbigen versagen und die Perlen nicht vor die Säue, noch das Heiligtum vor die Hunde werfen, Matth. 7,6.

 

763. Das Kirchenregiment belangend, so ist darin auf zweierlei Personen zu sehen, 1. auf die Lehrer, so in gewisser Ordnung sein müssen und unter sich ein Regiment bedürfen (wovon im folgenden); 2. auf die Zuhörer, welche sollen re-giert werden, nicht mit Grimm und Gewalt, da man die Ungehorsamen mit Feuer und Schwert verfolgt (Luk. 9,55.56.), sondern mit geistlicher Gewalt, so besteht zum Teil in der Kraft des Worts, Hebr. 4,12., von welchem bisher gehandelt ist,

 

764. zum Teil im Gebrauch der Himmelsschlüssel, wie denn der Herr Christus des Predigtamts Gewalt nennt, Matth. 16,19: „ich will dir des Himmels Schlüssel geben; was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein“; Matth. 18,18: „wahrlich, ich sage euch, was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein“; Joh. 20,22.23: „Jesus blies die Jünger an und sprach: nehmet hin den heiligen Geist; welchen ihr die Sünde erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten“. Hier ist insgemein in acht zu nehmen,

 

765. a. was dieses für eine Gewalt sei, nämlich nicht eine weltliche, sondern geistliche, nicht die über der Menschen Leiber herrsche, sondern die Seelen regiere und leite.

 

b. wie sie zu üben sei, nämlich

1. nicht durch weltlichen Zwang, als: Schwert und Feuer, sondern durch die Kraft des Worts und freundliche Aufnehmung der Gehorsamen, auch ernste Aus-schließung derer von der Gemeine, so sich durchs Wort nicht wollen führen lassen. Gleichwie ein Hirt seine Schafe leitet: die ihm gehorsam sind, denen ist er freundlich; die Widerspenstigen treibt und zeucht er mit seinem Stab; wollen sie demselben auch nicht folgen, so schafft er sie ab aus der Herde; nicht aber haut, sticht und schießt er mit Wehr und Waffen unter sie. Also schreibt St. Petrus den Vorstehern der Herde Christi, sie sollen sie weiden, nicht als die übers Volk herrschen, 1 Epist. 5,3.

2. nicht aus freier Lust und Gefallen, als wäre einem Kirchenlehrer frei, nach seinem eigenen Gefallen zu tun und zu lassen, Sünde zu vergeben und zu behalten, wenn er nur wolle; sondern dass er alles richte zur Ehre Gottes und zur ewigen Wohlfahrt der ihm anbefohlenen und dass er das tue, was er nach göttlichem Wort dazu dienlich befindet, aber dasjenige meide, was ihnen daran hinderlich sein kann.

3. nicht aus Eigennutz oder Leidenschaften, nämlich Liebe, Hass, Ansehen der Person, Gaben und Geschenk etc., als welches alles in göttlichem Gerichte unerträgliche Dinge sind und den weltlichen Richtern (vielmehr den Geistlichen) aufs höchste verboten.

 

766. c. was dieser Gewalt Wirkung sei. Nicht ist es allein eine Verkündigung des göttlichen Willens und Gerichts, als die durch die Predigt des Worts verrichtet wird; sondern es ist eine solche Gewalt, gleichwie in weltlichen Regimenten die hohe Obrigkeit der niedrigen Gewalt gibt, mit den Untertanen zu verfahren, dass die Frommen geschützt und die Bösen zur Strafe gezogen werden. Wie nun daselbst die niedrige Obrigkeit den Untertanen nicht nur der hohen Obrigkeit Willen und Gefallen anmeldet, sondern sie gebraucht sich auch der Gewalt, dass sie die Ungehorsamen einschließt, wiederum losgibt, aus ihrem Gebiet verweist etc.; gleich also hat Gott, die höchste Obrigkeit, den Lehrern eine gleiche geist-liche Gewalt in seiner Kirche zu üben gegeben.

 

767. Insonderheit aber so viel den Löseschlüssel oder Belassung der Sünden anlangt, ist zu wissen, a. dass ein jeglicher bußfertiger Sünder alsbald, wenn er sich zu Gott bekehrt und wendet, seiner Sünden Vergebung erlangt, auch bevor er von Sünden losgesprochen wird. Als der Zöllner (Luk. 18,13.) in seinem Herzen die Reue befand zusamt der Zuflucht zur Gnade Gottes, da waren ihm allbereits seine Sünden vergeben. Ap. Gesch. 13,39: „wer an diesen (Jesum) glaubet, der ist (von Sünden) gerecht“; Röm. 4,5; „wer glaubet an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit“.

 

768. b. dass die Vergebung der Sünden durch die Predigt des Evangelii allen Bußfertigen angekündigt werde. Denn das Apostelamt sollte sein ein Amt der Versühnung, 2 Kor. 5,18., und die Apostel sollten predigen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern, Luk. 24,47.

 

769. c. dass nichts desto weniger ein solcher Mensch durch die ordentliche Ge-walt könne von Sünden losgesprochen werden. Wie auch derjenige, so durch ein Urteil von Banden losgesprochen ist, gleichwohl durch Gewalt der Obrigkeit aus dem Gefängnis geführt und losgemacht wird.

 

770. d. dass fleißig zuzusehen ist, damit nicht der Sünden Vergebung dem Un-würdigen gesprochen werde. Unwürdige aber sind: 1. welche ihre Sünde nicht erkennen, wie der Prophet Natan dem König David keine Vergebung anmeldete, bis er aus reuendem Herzen sprach: „ich habe gesündiget wider den Herrn“, 2 Sam. 12,13.; 2. die von Sünden, so sie wider ihr Gewissen begehen, nicht abstehen, sintemal der Barmherzigkeit erlangt, der seine Sünde bekennt und lässt, Sprichw. 28,13.; 3. die zwar ihre Sünde bereuen und davon zu lassen gedenken, aber sie haben den Glauben nicht, dadurch sie hofften, die Sünde würde ihnen aus göttlicher Gnade durch Christi Verdienst vergeben werden.

 

771. Nachdem aber kein Mensch das Herz anschauen und wissen kann, wie der andere dieser Punkte halber gesinnt ist, so muss zwar der Lehrer nach der christlichen Liebe urteilen, die alles hofft und glaubt (1 Kor. 13,7.), und denen die Sünde erlassen, welche ein richtiges und gutes Bekenntnis tun; jedoch nicht anders, denn auf vorgehende christliche gottselige Erklärung und mit solcher Bedingung, wenn der Beichtende die Sünde bereut und zu göttlicher Gnade die Zuflucht genommen, auch sofern das Bekenntnis mit der Wahrheit überein-stimmt, wie solches Gott dem Herzenskündiger nicht unbekannt sei, der die Heuchler heftig strafen, aber dem Bußfertigen gelten lassen wird, dass im Himmel los sei, was durchs Predigtamt auf Erden ist gelöst worden.

 

772. Vom Bindeschlüssel ist zu behalten:

a. was er sei. Er ist nichts anders, denn der Bann, womit unbußfertige Sünder von der christlichen Gemeine abgesondert werden, damit sie, dadurch zur Buße geleitet, wiederum bei Gott zu Gnaden kommen mögen. und dies heißt Sct. Paulus „dem Satan übergeben“, 1 Kor. 5,5. 1 Tim. 1,20.

 

773. b. wie er zu gebrauchen sei. Nicht mag er gebraucht werden gegen alle Sünder, sondern gegen die, die vorsätzlich sündigen und zuvor genugsam sind ermahnt worden. Denn hievon hat uns der Herr Christus unterrichtet Matth. 18,15.ff.: „sündiget dein Bruder an dir, so gehe hin und strafe ihn zwischen dir und ihm alleine; höret er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen; höret er dich nicht, so nimm noch einen oder zween zu dir; höret er die nicht, so sage es der Gemeine; höret er die Gemeine nicht, so halte ihn als einen Heiden und Zöllner“. Demnach muss der Bann nicht eher vollstreckt werden, es sei denn, dass an dem Sünder, so durch private und öffentliche Vermahnung der Sünden erinnert worden, keine Besserung zu spüren ist; alsdann soll einem solchen Menschen Gottes Ungnade und, wo er nicht Buße tut, ewige Verdammnis angekündigt und seine Sünden, die ihn zur Hölle ziehen, behalten, er aber nicht anders geachtet werden, denn ein Heide und Zöllner. Solche meiden alle frommen Herzen und wollen mit ihnen zu schaffen haben.

 

774. c. was die Endursach sei dieses Bannes. Die vornehmste ist, dass einem solchen halsstarrigen seine Bosheit gebrochen und er zur Buße geleitet werde. Dahin sahe Sanct Paulus, als er den Korinthier in den Bann tat, welcher seine Stiefmutter zum Weib genommen hatte, wenn er schreibt: „ich habe beschlossen über den, der solches getan, in dem Namen unsers Herrn Jesu Christi in eurer Versammlung mit meinem Geist und mit der Kraft unsers Herrn Jesu Christi, ihn zu übergeben dem Satan zum Verderben des Fleisches, auf dass der Geist selig werde am Tage des Herrn Jesu“, 1 Kor. 5,3. Daneben soll der Bann die Leute nötigen, von Sünden abzustehen, auf welches Sct. Paulus auch gesehen hat, wenn er den Hymeneus und Alexander in den Bann tat, „dass sie gezüchtiget würden, nicht mehr zu lästern“, 1 Tim. 1,20. Es muss also der Bann die Sünde und derselben hochschädliche Wirkung eröffnen, dass man ihr feind werde und durch ernste Buße davon abstehe.

 

755. Zum dritten: die Person, so zu diesem Amt zu gebrauchen ist. Dieselbe muss man also betrachten, dass gesehen werde

a. auf die Natur, daraus zu vernehmen ist, dass 1. allein Menschen, nicht aber Engel noch einige andere Kreatur ins Predigtamt zu ziehen seien; 2. allein die Männer, nicht aber Weibspersonen. Denn obwohl dieselben im Haus ihre Kinder und Gesinde sollen unterrichten, maßen Sct. Paulus fordert: „die alten Weiber sollen gute Lehrerinnen sein“, Tit. 2,3.; so sind sie doch zu dem ordentlichen öffentlichen Predigtamt nicht zu bestellen; 1 Kor. 14,34: „eure Weiber lasset schweigen unter der Gemeine, denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, dass sie reden, sondern untertan sein“; 1 Tim. 2,12: „einem Weibe gestatte ich nicht, dass sie lehre“. Es wäre denn, dass es an tüchtigen Mannspersonen mangeln wollte und sich bei gottseligen Weibern besondere Gaben befinden. 3. allein die, so zu rechtem Alter kommen sind. Denn wie zu diesem schweren Amt keine Kinder dienen, so sind die auch nicht wohl geschickt, welche wegen schweren Alters zu wichtigen Geschäften unvermöglich sind. Außer diesem ist kein Alter von dem Predigtamt ausgeschlossen; nicht das hohe Alter, Philem. 9., auch nicht die Jugend, 1 Tim. 4,12: „niemand verachte deine Jugend“; Jerem. 1,7: „sage nicht: ich bin zu jung, sondern du sollt gehen, wohin ich dich sende, und predi-gen, was ich dich heiße“. 4. allein die, so ihres Leibes Gesundheit halben zu dieses Amts Verrichtungen geschickt sind. Befindet sich an jemanden ein Leibes-gebrechen, das ihm doch in seinen Geschäften nicht hinderlich ist, so mag er desselben ungeachtet zum Amt wohl gebraucht werden. Würde ihn aber das Gebrechen das Amt der Gebühr nach nicht verrichten lassen, so ists besser, dass er das Amt nicht annehme, denn so ers nicht zur Notdurft versehen sollte.

 

776. b. Auch ist zu sehen auf den Stand oder Amt, darin eine Person befunden wird. Es reimt sich nicht, dass ins Predigtamt gesetzt werde, der einer andern Hantierung zugleich abwarte. Denn obwohl Sct. Paulus auch während seines Apostelamts ein Teppichmacher gewesen ist, Ap. Gesch. 18,3., so hat es doch mit denen, welche mit schwerer Mühe die Predigt erforschen und jede Predigt aus Gottes Wort suchen müssen, viel eine andere Beschaffenheit.

 

777. Insonderheit aber hat es der Herr Christus also geordnet, dass, die das weltliche Regiment führen, sich dieses Amts nicht unterfangen sollen, Luk. 22,25.26: „die weltlichen Könige herrschen und die Gewaltigen heißet man gnädige Herren; ihr aber nicht also, sondern der größeste unter euch soll sein wie der jüngste und der vornehmste wie ein Diener“. Darum wurde Usias mit Aussatz gestraft, weil er sich neben dem königlichen zugleich des priesterlichen Amts unterfangen wollte, 2 Chron. 26,19.20. Wenn aber jemand zum Predigtamt geschickt ist, dazu rechtmäßig berufen wird und von seinem vorigen Fürnehmen absteht, der kann dabei ohne Bedenken gebraucht werden; wie der Herr Christus Fischer, Zöllner und andere gemeine Leute zum Apostelamt gefordert hat, Matth. 4,10.21. Kap. 9,9., dergleichen wir jedoch ohne erhebliche Ursach, insonderheit wenn man anderer geschickten Leute kann mächtig werden, dazu nicht nehmen sollen.

 

778. So sind auch vom Predigtamt nicht zu verstoßen, die im Ehestand leben, 1. weil die Ehe ein heiliger Stand ist, von Gott, ehe denn der Mensch sündigte, ein-gesetzt (1 Mose 2,22.) und von ihm gesegnet (1 Mose 1,28.), den er bei allen Menschen will ehrlich gehalten haben (Hebr. 13,4.), darum er ihn mit einem besondern Gebot verwahrt (2 Mose 20,14). Und also ist keine Ursach, warum er den Predigern solle verboten werden. 2. weil Gott will, dass die Personen, so er ins Lehramt gesetzt hat, sollen im Ehestand leben, 1 Tim. 3,2.4: „ein Bischof soll sein eines Weibes Mann, der gehorsame Kinder habe, mit aller Ehrbarkeit“. Dies wird wiederholt Tit. 1,6.3. weil die heiligen Apostel, indem sie das Apostelamt geführt, insonderheit Petrus, Jacobus und Johannes ehelich gewesen sind, 1 Kor. 9,5.6: „haben wir nicht Macht, eine Schwester zum Weibe mit umherzu-führen, wie die andern Apostel und des Herrn Brüder und Kephas? Oder haben allein ich und Barnabas nicht Macht solches zu tun?“ 4. weil solches Eheverbot eine Teufelslehre ist, 1 Tim. 4,1.3: „in den letzten Zeiten werden etliche vom Glauben abtreten und anhangen den verführerischen Geistern und Lehren der Teufel und verbieten ehelich zu werden“. 5. weil das Verbot des Ehestandes im Papsttum solche vielfältige, erschreckliche Unzucht und Schande verursacht hat, davon alle Historien voll sind, dass der Teufel kein bequemer Mittel, die Unzucht auszubreiten, hätte erfinden können, als eben dieses.

 

779. c. Endlich ist zu sehen auf die Qualitäten, die im Amt nötig sind. Deren sind zweierlei, die eine: Geschicklichkeit, dass er selber verstehe, was er andere lehren soll, zu welchem Ende er die Weisheit der Alten erforschen und in den Propheten studieren muss; auch dass er die gefasste Lehre recht könne vor-bringen, die Zuhörer dadurch ermahnen und die Widersprecher strafen, Tit. 1,9. Das heißt Sct. Paulus „lehrhaftig sein“, 1 Tim. 3,2. 2 Tim. 2,24. Die andere: guter unsträflicher Wandel. Denn mit demselben muss er ein Vorbild der Gemeine werden, 1 Tim. 4,12. Nun ist hier eine Verschiedenheit der Personen, die sich zum Predigtamt lassen gebrauchen. Etliche führen einen guten Wandel, ob sie schon in ihrer Jugend sich nicht der Gebühr nach verhalten haben, und die-selben, nachdem sie sich gebessert, können nicht darum vom Predigtamt abgewiesen werden; wiewohl es besser ist, (besonders an den Orten, da ihre Laster bekannt sind und die Gemeine ärgern,) solche zu nehmen, die ein gutes Zeugnis haben ihres vorigen Wandels, damit sie nicht dem Lästerer in die Schmach und Stricke fallen, 1 Tim. 3,7. Andere fahren fort in bösem unordent-lichem Leben und dieselben mögen nicht allein durch ihr Exempel nicht erbauen, sondern, was sie mit der Lehre bauen, das reißen sie mit dem ärgerlichen Leben wiederum ab. Darum taugen sie nicht ins Predigtamt, denn es wird erfordert, dass sie unsträflich seien, nüchtern, mäßig, sittig, nicht Weinsäufer etc., 1 Tim. 3,2.3.

 

780. Zum vierten. Welchergestalt solche Personen, die zum Predigtamt tüchtig sind, in dasselbe eintreten sollen.

1) Wer sich des Predigtamts unterfangen will, der muss es nicht von sich selber ergreifen, sondern erwarten, wann er rechtmäßiger Weise darein gesetzt wird. Die Propheten zu Jeremias Zeiten wurden deswegen gestraft, dass sie liefen, und niemand sandte sie, Jer 23,21. Darum die Epistel Hebr. 5,4. sagt: „niemand nimmt ihm selber die Ehre, sondern der auch berufen sei von Gott, gleichwie Aaron“; Röm. 10,15: „wie sollen sie predigen, wo sie nicht gesandt werden?“

 

781. 2) ist zu bedenken, durch welche Personen diese Bestellung geschehe. Davon ist zu wissen, dass das Senden geschieht entweder ohne Mittel, wie Gott die Propheten (Jes. 6,8.9. Jer. 1,5.ff.) und der Herr Jesus seine Apostel (Matth. 4,19.21. Kap. 9,9.) berufen hat; oder durch Mittelspersonen, welche eigentlich sind alle Stände der Kirche, nämlich der Lehr-, Regier- und Hausstand, die alle-samt an diesem Senden Teil haben;

 

782. der Lehrstand; Tit. 1,5: „derhalben ließ ich dich in Kreta, dass du solltest vollends anrichten, da ichs gelassen habe, und besetzen die Städte hin und her mit Ältesten, wie ich dir befohlen habe“; 2 Tim. 2,2: „was du von mir gehöret hast durch viel Zeugen, das befiehl treuen Menschen, die da tüchtig sind, auch andere zu lehren“.

 

783. der Regierstand hat zu jeder Zeit im alten Testament fleißig Aufsicht gehabt, damit das Lehramt wohl und mit guten Leuten versehen würde, als die Exempel Salomonis 1 Kön. 2,27.35., Hiskiä 2 Kön. 18,4., Josaphats 2 Chron. 17,6., Josiä 2 Chron. 35,2., bezeugen, die allzumal als löblich angezogen und den Christen zur Nachfolge vorgestellt sind. Darnach haben sich die Obrigkeiten in der Christenheit gerichtet von der Zeit an, da dieselben dem christlichen Glauben sind zugetan gewesen, bis ihnen der römische Papst diese Gewalt entzogen hat.

 

784. Der Hausstand hat auch sein Recht bei der Predigerwahl. Denn also hat die ganze Gemein der Gläubigen den Matthias erwählt, Ap. Gesch. 1,23.; die ganze zu Jerusalem versammelte Gemein sandte nach Antiochia Paulum und seine Gefährten, Ap. Gesch. 15,25.26. Dergleichen ist in folgenden Zeiten auch ge-schehen, bis der Papst dem gemeinen Volk auch dieses Recht bei Bestellung des Predigtamts entzogen hat.

 

785. Solcher göttlichen Ordnung zufolge pflegen entweder aus allen drei Ständen etliche wenige Personen erwählt zu werden, welchen man diese Verrichtung aufträgt; oder wo der weltliche Stand eine Person den andern Ständen vorstellet, haben sie alsdann Macht, davon zu urteilen; und so sie dieselbe untüchtig be-finden, zu verwerfen, wo aber tüchtig, zu behalten. Welches alles solche Ordnun-gen und Gebräuche sind, die auf der gesamten Stände gutwilligen Vergleichung beruhen.

 

786. 3. Durch welche Handlungen die Stände das Predigtamt bestellen. Deren sind drei,

a. die Wahl, welche durch oberwähnte Personen geschehen und dahin gerichtet werden soll, dass damit Gottes Ehre, der Kirche Zunahme und der Menschen Seligkeit so viel möglich befördert werden.

b. die Vokation oder Beruf, dadurch der erwählten Person die einhellige Wahl wird angemeldet, sie zu dem Kirchenamt erfordert und dasselbe anzunehmen, auch ihm gebührlich vorzustehen ermahnt wird.

c. die Ordination, welches eine apostolische und alte Kirchenceremonie ist, dadurch eine zum Predigtamt berufene Person der Gemeine öffentlich dar-gestellt, zu dem ihr aufgetragenen Amt angewiesen und dasselbe ihr ernstlich befohlen wird. Die Apostel haben diesen Gebrauch gehalten, dass dem Ordinanden das Amt befohlen wurde mit Handauflegen der Ältesten, vielleicht weil die Opfer durch Händeauflegen Gott zu eigen gegeben wurden, 3 Mose 3,2. Kap. 4,15.; oder weil im alten Testament die Leviten zu Verrichtung des Gottes-diensts durch Auflegung der Hände sind gewidmet worden. 4 Mose 8,10.; anzudeuten, dass auch die Prediger Gott zu eigen gegeben und in ihr Amt mit gleicher Feierlichkeit eingeführt werden. Solche Weise wird nicht aus Notwendig-keit, sondern aus christlicher Freiheit also noch behalten, in besonderem Be-tracht, dass dadurch Gott gefallen hat, seine geistlichen Gaben den Menschen mitzuteilen; 1 Tim. 4,14: „laß nicht aus der Acht die Gabe, die dir gegeben ist durch die Weissagung mit Handauflegung der Ältesten“; 2 Tim. 1,6: „ich erinnere dich, dass du erweckest die Gabe Gottes, die in dir ist durch die Auflegung meiner Hände“.

 

787. Bisher ist von ordentlicher Bestallung der Prediger gehandelt; dabei die besondere Frage von Dr. Martin Luthers seligem Beruf entsteht: ob er durch Menschen oder auf besondere Weise von Gott dazu sei bestellt worden, dass er das Evangelium hervorbringen und das Papsttum reformieren sollte. Darauf ist die Antwort: Luther ist von Gott zu solchem Werk berufen, und zwar zum Teil durch Mittel, zum Teil ohne Mittel.

 

788. Durch Mittel, da er 1. zum Predigtamt in der Kirche, 2. zur Professur an der Universität Wittenberg ordentlicher Weise berufen und ihm Gottes Wort zu lehren auferlegt worden ist; 3. da er zum Doktor der heil. Schrift promoviert und ihm damit das öffentliche Lehramt anbefohlen worden ist, dasselbe also zu führen, dass die seligmachende Lehre fortgepflanzt würde. Hat nun Luther diesem seinem dreifachen Amt gebührlich wollen nachkommen, so hat er notwendig die evangelische Lehre aus Gottes Wort herfürbringen, die falsche aber strafen müssen. Und insofern ist an Luther dies allein etwas besonders, dass Gott seine Verrichtung, dazu er durch ordentliche Mittel berufen ward, hat sonderlich segnen und gebrauchen wollen, den Widerchrist dadurch zu entdecken, auch zu den letzten Zeiten sein heiliges Wort der Christenheit rein wieder zu geben.

Ohne Mittel ist Luther berufen, teils da Gott einen Engel versprochen, der mitten durch den Himmel fliege und verkündige ein ewig Evangelium denen, die auf Erden wohnen, Offenb. 14,6., und schreie aus Macht und mit großer Stimme: „sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon die große, und eine Behausung der Teufel worden“, Offenb. 18,2.; teils, weil es der Augenschein gibt, dass diese Offen-barung des Widerchrists ein recht göttliches Werk sei, welches Gott über Luthers Vornehmen und Gedanken durch ihn angefangen und ausgeführt, auch die Lehre uns wieder gegeben hat, so seinem Wort gleich stimmt, die niemand, denn allein der von Gott gesandt und getrieben ist, hat aufbringen können. Daraus ist zu schließen: wessen Werke und Verrichtung Gottes Werke und Verrichtung sind, der ist in denselben Gottes Werkzeug und demnach von Gott dazu erfordert und getrieben. Luthers Werk und Verrichtungen, da er den Widerchrist geoffenbart und die reine Lehre des Evangelii uns wieder gebracht hat, sind Gottes Werke und Verrichtungen. Darum ist Luther in denselben Gottes Werkzeug und dem-nach von Gott dazu erfordert und getrieben.

 

789. Zum fünften: was für eine Ordnung sein solle unter den zum Predigtamt verordneten Personen. Drei Punkte sind hie in acht zu nehmen:

a. dass im Predigtamt eine Ordnung sein müsse. Gott hat selber eine Ordnung gemacht: einmal mit den Gaben, die er einem mehr und häufiger verliehen, als dem andern. Zwar sind die, so Gott in dies Amt gesetzt hat, alle tüchtig, dasselbe zu führen; aber etliche bedürfen in vorkommenden Handlungen Unterrichts, damit sie angeleitet und regiert werden; etliche haben dessen nicht nötig, sondern vermögen andere zu regieren. Also befindet sich in der täglichen Er-fahrung vielfältiger Unterschied der Gaben, davon Sankt Paulus Meldung getan

1 Kor. 12,8.ff.

Darnach hat Gott Ordnung gemacht im Unterschied der Verrichtungen. Denn im alten Testament waren Propheten, Priester und Hohepriester; im neuen Apostel, Evangelisten, Älteste, Hirten und Lehrer, Eph. 4,11. Also verordnete Paulus Titum zum Bischof in Kreta (nicht aber zu einem Apostel); dem befahl er, dass er in den Städten hin und her Älteste und Lehrer bestellen sollte, Tit. 1,5. Dass nun dergleichen Unterschied noch in den Kirchen gehalten wird, ist an ihm selber nützlich, als die Erfahrung bezeugt; da hingegen, wenn kein solch Kirchenregi-ment gehalten würde, vielfältige Verwirrung und Zerrüttung ohnfehlbarlich folgen müsste.

 

790. b. dass dieselbe Ordnung nach jedes Orts Gelegenheit, und wie sie dem-selben am bequemsten, möge angestellt werden; sintemal hierin kein Maß vor-geschrieben ist, allein dass man in acht nehme die apostolische Regel: „lasset alles ehrlich und ordentlich zugehen“, 1 Kor. 14,40.

 

791. c. dass in diesem Regiment nicht alles unter einem allgemeinen Bischof, der über die ganze Christenheit das Aufsehen habe, gebracht werde. 1. weil in Erzählung der Stände im Kirchenregiment (1 Kor. 12,8.ff. Ephes. 4,11.) keines allgemeinen Haupts Meldung getan wird, daraus zu vernehmen ist, dass dieselbe Hoheit von Christo oder seinen Aposteln nicht ist eingesetzt oder gestiftet worden; 2. weil der Herr Christus zu unterschiedenen Malen seinen Jüngern untersagt hat, es solle keiner unter ihnen der oberste und der andern Haupt sein, Mark. 9,34. Matth. 20,26.27. Luk. 22,26: „die weltlichen Könige herrschen und die Gewaltigen heißet man gnädige Herren; ihr aber nicht also, sondern der größeste unter euch soll sein wie der jüngste und der vornehmste wie ein Diener“; 3. weil der Herr Christus in solchem Zank seiner Jünger so oft Gelegenheit gehabt, seinen Willen und Meinung davon zu erklären, dass er auch nicht würde unter-lassen haben, wenns ihm gefallen hätte, über seine Kirche in der ganzen Welt ein allgemeines Haupt zu ordnen. Nachdem ers aber verschwiegen, da es die Gelegenheit und fast die Notwendigkeit erfordert hat, so ists gewiss, dass er damit angedeutet hat, wie er ein solch Haupt in seiner Kirche nicht wissen wolle.

 

792. 4. weil weder die Apostel, noch einige reine Kirchenlehrer einer solchen Hoheit sich angemaßt noch gebraucht haben. Denn anlangend, dass Petrus damals soll Papst und ein allgemeines Haupt gewesen sein, so hat ja der Herr Christus alle seine Jünger mit einerlei Befehl abgefertigt, Matth. 28,19.20., nicht aber Petro etwas sonderliches befohlen noch die andern an ihn als an ihr Haupt gewiesen, auch nirgends gewollt, dass sie alle Kirchen, welche die Apostel pflanzen würden, an Petrum und desselben Nachfolger als an ihr oberstes Haupt auf Erden weisen sollten. Auch haben die Apostel Petrum niemals für ihr Haupt erkannt, sondern Paulus schreibt: „ich achte, ich sei nicht weniger, denn die hohen Apostel sind“, 2 Kor. 11,5. Und Gal. 2,11. widerstund er Petro unter Augen, denn es war Klage über ihn kommen. So lieset man nicht, dass nach den Aposteln in der ersten Kirche jemand für ein allgemeines Haupt sich aufgeworfen habe, noch dafür sei gehalten worden, bis zu der Zeit, als der Papst eine Gewalt über die allgemeine Kirche gesucht hat.

 

793. 5. weil der Herr Christus diesen Titel allein behalten will, dass er sei das Haupt seiner Gemeine (Ephes. 5,23. Kol. 1,18.) und der Erzhirte (1 Petr. 5,4.). Demnach soll sich desselben keiner anmaßen, welches doch geschehen würde, wenn die Kirche einen allgemeinen Hirten haben sollte.

 

794. Zum sechsten: was das Predigtamt für Früchte und Wirkung gebe. Das zeigen die Namen an, welche es führt, als: dass die Lehrer sind Gottes Haus-halter (1 Kor. 4,1.); Knechte (Röm. 1,1); Diener (Röm. 15,16.); Ackerleute (1 Kor. 3,6.); Bauleute (1 Kor. 3,10.); Hirten (Ephes. 4,11.); Erntearbeiter (Matth. 9,38.); Botschafter (2 Kor. 5,20.). Wie nun in der Haushaltung solche Ämter nicht ohne besondern großen Nutzen sind, wo anders die dazu bestellten ihrem Herrn gebührliche Treue erweisen; gleich also wo die ins Predigtamt verordneten sich treulich verhalten, da kann ihr Amt und Verrichtung nicht umsonst und vergeblich sein. Und es hat sich befunden, dass durch der Apostel Verrichtungen das Evangelium von Christo in aller Welt gepflanzt (Kol. 1,23.) und unzählig viel Menschen zu ihrer ewigen Wohlfahrt sind befördert worden. Welches mit Be-schreibung des Berufs Sct. Pauli schön zusammengefasst wird, Ap. Gesch. 26,17.18: „ich will dich erretten von den Heiden, unter welche ich dich jetzt sende, aufzutun ihre Augen, dass sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott, zu empfahen Vergebung der Sünde und das Erbe samt denen, die geheiliget werden durch den Glauben an mich“. Und von Timothei Amt spricht der Apostel: „wo du solches tust, wirst du dich selbst selig machen, und die dich hören“, 1 Tim. 4,16. Desgleichen heißt es von Petro: „der wird dir Worte sagen, dadurch du selig werdest und dein ganzes Haus“, Ap. Gesch. 11,14.; und insgemein von allen Lehrern 2 Kor. 4,7: „wir haben solche Schätze in irdischen Gefäßen, auf dass die überschwängliche Kraft sei Gottes und nicht von uns“; 1 Kor. 1,21: „es gefiel Gott wohl, durch die törichte Predigt selig zu machen die, so daran glauben“.

 

795. Zum siebenten: woher die Prediger ihren Unterhalt nehmen sollen. Das ist in göttlichem Wort genugsam erörtert, nämlich: sie sollen unterhalten werden von denen, welche sie lehren.

Die Priester hatten im alten Testament kein eigen Erbe in Israel, sondern sie lebten von dem Zehenten, 5 Mose 14,28.29.; von den Erstlingen, 3 Mose 23,10. 4 Mose 18,12.13.; von dem Gelde, damit die Erstgeburten gelöset wurden, 2 Mose 22,29.30.; von den Opfern, 2 Mose 18,11. etc.; damit die, welche des Altars pflegen, des Altars genießen, 1 Kor. 9,13. Gleich also hat der Herr be-fohlen, dass, die das Evangelium verkündigen, sollen sich vom Evangelio nähren, v. 14. Darum wollte der Herr Christus nicht, dass seine Jünger Geld oder etwas anders auf ihre Wegfahrt nehmen sollten, weil ein Arbeiter seiner Speise wert sei, Matth. 10,9.10. Solches Recht hat sich zwar Sct. Paulus nicht ge-braucht, jedoch andern damit nicht wollen ihren Unterhalt entziehen, deswegen er dessen Meldung getan Gal. 6,6: „der unterrichtet wird mit dem Wort, der teile mit allerlei Gutes dem, der ihn unterrichtet“; 1 Kor. 9,7.ff.: „welcher reiset jemals auf seinen eigenen Sold? welcher pflanzet einen Weinberg und isset nicht von seiner Frucht? oder welcher weidet eine Herde und isset nicht von der Milch seiner Herde? Also, da wir euch das geistliche säen, ists ein groß Ding, ob wir euer leibliches ernten? Wisset ihr nicht, dass die da opfern, essen vom Opfer? und die des Altars pflegen, genießen des Altars? Also hat auch der Herr be-fohlen, dass, die das Evangelium verkündigen, sollen sich vom Evangelio nähren“. Dieses sei genug vom Predigtamt und insgemein von den Mitteln, durch welche Gott die Menschen von ihrem sündlichen Zustand wieder aufrichtet, in einem neuen geistlichen Leben erhält und endlich zu der ewigen Wohlfahrt be-fördert.

 

- Fortsetzung -