ALLE THESEN

 

Man kann nicht „nichts“ glauben

Menschen, die jede religiöse Wirklichkeit leugnen, „glauben“ auch etwas. Denn sie vertreten eine Überzeugung, die sich nicht als zwingend demonstrieren lässt. Sie leben und handeln auf der Grundlage weltanschaulicher Voraussetzungen, deren Richtigkeit rein rational nicht nachzuweisen ist. Und sie tun damit genau das, was religiöse Menschen auch tun. Denn das Vertrauen, das sie Gott entziehen, müssen sie anderen Instanzen schenken. Das ist ein großes Wagnis. Und so halten sich nicht-religiöse Menschen keineswegs allein an „Fakten“, sondern an ihre – durchaus nicht zwingende – Interpretation der Fakten. 

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Gotteserfahrung und Gottesbeziehung

Es ist eine Illusion, wenn der Mensch meint, er müsse Gott und seine Alltagswelt erst kunstvoll in Beziehung setzen. Denn Gott und Welt sind längst in Beziehung. Und der Mensch hat es im Grunde nie mit einem anderen zu tun als mit Gott. Wir sind immer in Beziehung mit ihm, und die Frage ist bloß, wie sich diese Beziehung gestaltet. Ob sie nämlich eine unbewusste und ungeklärte, eine unwillige und darum unheilvolle Beziehung bleibt, oder ob der Glaube daraus eine bewusste und geklärte, eine willig bejahte und darum heilvolle Gottesbeziehung werden lässt.   

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Sehnsucht und Erfüllung

Alle Menschen hoffen und erstreben etwas, das sie erjagen wollen, um darin Glück und Frieden zu finden. Doch – ob sie’s wissen oder nicht: Eigentlich ist es immer Gott, den sie suchen. Denn was könnte in der Welt an Gutem enthalten sein, wenn nicht das, was der Schöpfer von seiner eigenen Herrlichkeit hineingelegt hat? Wenn ein Mensch also sucht, was ihm Erfüllung schenkt, sucht er eigentlich Gott – und schade ist es, wenn er sich mit dem irdischen Abglanz und Widerschein göttlicher Herrlichkeit zufrieden gibt, ohne ihren Ursprung zu suchen!

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Verstand, Wille, Gefühl, Reflex

Obwohl die verschiedensten Anteile unserer Person am Glauben beteiligt sind (Wille, Gefühl, Erfahrung, Vernunft, etc.), lässt sich der Glaube weder auf eine, noch auf die Gesamtheit dieser Funktionen zurückführen. Glaube ist vielmehr eine facettenreiche Reflektion göttlichen Lichtes: Wie ein Spiegel Licht nicht erzeugen, sondern nur reflektieren kann, so kann unsere Seele das Licht des Evangeliums nicht erzeugen, sondern nur reflektieren – und eben diese Reflektion nennen wir „Glaube“.

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Gottesbeziehung und Biographie

Die Beziehungsmuster, die den Glauben ausmachen, werden schon in der Kindheit erlernt. Doch der Heranwachsende, der sich von den Eltern ablöst, findet nicht so leicht ein Gegenüber, das an ihre Stelle treten könnte. Er bindet sich an Werte, Autoritäten und Glücksverheißungen dieser Welt, bis er begreift, dass zwischen seiner Sehnsucht und dem Angebot der Welt ein prinzipielles Missverhältnis besteht. Erst dann steht er an der Schwelle des Glaubens, der zu den relativen Dingen nur ein relatives Verhältnis hat und zu den absoluten ein absolutes.

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Psychologie und Bekehrung

Oft wird der Eindruck erweckt, psychologische und theologische Erklärungsmuster stünden sich als Alternativen gegenüber. Man unterstellt, dass dort, wo „Natur“ wirkt, nicht „Gott“ wirken könne – und umgekehrt. Doch für den Glaubenden ist es selbstverständlich, dass Gott natürliche Prozesse in seinen Dienst nimmt. Wie Brot ein Produkt des Bäckers und ein Geschenk Gottes sein kann, kann Glaube ein psychischer Prozess und eine Wirkung des Heiligen Geistes sein, ohne dass diese beiden Dimensionen derselben Sache einander stören müssten.

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Ist Glaube irrational?

Eine Gewissheit, die auf Erfahrung beruht, wird nicht dadurch zweifelhaft, dass diese Erfahrung anderen Menschen fehlt. Denn es stimmt nicht, dass nur wirklich sei, was jedem Menschen jederzeit als wirklich demonstriert werden kann. Manches erfährt man nur zu bestimmten Zeiten, nur an bestimmten Orten oder nur mit besonders scharfen Augen! Auch der Glaube resultiert aus einer Erfahrung, die nicht jeder macht. Er verdankt sich nicht der Vernunft, ist aber auch nicht gegen die Vernunft, sondern bloß über der Vernunft – und daher keineswegs unvernünftig.

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Des Menschen Vernunft und Gottes Geist

Glaube ist nichts, wofür wir uns souverän „entscheiden“ oder was wir „tun“ könnten. Er ist aber auch nichts, was mit uns oder an uns „getan wird“ wie an unbeteiligten Objekten. Sondern wie die Sonne mich schwitzen oder die Kälte mich frieren lässt, so lässt Gott mich glauben: Der Mensch ist dabei ganz beteiligt und bewegt. Aber wo die äußere Einwirkung fehlt, kann er nicht (schwitzen, frieren) glauben - und wo sie ist, kann er es nicht lassen.

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Gründe des Glaubens, Glaube als Grund

Unter dem Einfluss des Heiligen Geistes sind nicht erst die Ergebnisse unseres Denkens neu, sondern schon die Voraussetzungen. Der Wandel selbst aber wird nicht etwa begründet, sondern liefert seinerseits die Begründung für vieles – wie ja auch der, der von einem mächtigen Gegner überrannt wurde, keine besonderen Gründe braucht, um am Boden zu liegen. Nicht der Christ hat eine Erkenntnis, sondern sie hat ihn. Er hat nicht sichergestellt, sondern wurde sicher-gestellt. Und so ist Glaube tatsächlich „Gewissheit ohne Beweis“ (Amiel).

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Die unvermeidliche Deutung des Daseins

Der menschliche Erkenntnisdrang steht der Welt gegenüber wie einem lückenhaften, deutungsbedürftigen Text. Denn der Bereich des „gesicherten Wissens“ ist nicht so groß, wie wir ihn gerne hätten. Da das Leben trotzdem Entscheidungen von uns verlangt, ist der Mensch gezwungen, sein Dasein zu „interpretieren“ und zu „deuten“. Wer dabei Gott außen vor lässt, handelt nicht „rationaler“ als der, der mit Gott rechnet. Denn Unglaube und Glaube müssen gleichermaßen „gewagt“ werden. Wohin der jeweilige Weg führt, erfährt nur der, der ihn geht.

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Glaubensakt und Glaubensinhalt

Manchmal wird behauptet, es käme beim Glauben vor allem auf die Hingabe an, während der geglaubte Inhalt nicht so wichtig sei. Aber kann man sich von Herzen hingeben, ohne zu wissen an wen? Kann man rückhaltlos vertrauen, ohne zu wissen auf was? Das ist unmöglich, denn so wenig wie ein Verliebter kann der Gläubige seine Ergriffenheit trennen von dem, was ihn ergriffen hat. Wir fürchten, vertrauen und lieben Gott, weil er ist, wie er ist. Wäre er aber anders (oder hätten wir keine Ahnung wie er ist), wäre das unmöglich, denn der Glauben ist lediglich ein Reflex, der widerspiegelt, wie Gott uns in seiner Offenbarung gegenübertritt.

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Weisheit und Torheit

Kluge Menschen haben Gott gegenüber keinen Vorteil. Denn Gott wollte nicht, dass der Glaube ein Rätsel sei, das nur die Schlauen lösen, während die Dummen mal wieder „dumm“ dastehen. Deshalb hat Gott die Wahrheit des Glaubens nicht dem Menschengeist anvertraut, sondern seinem Heiligen Geist, der sie zugänglich machen oder verweigern kann. Gott liebt die Gescheiten nicht mehr als die Trottel, und teilt sich darum der Welt mit in einem Evangelium, dem menschliche Dummheit nichts abbrechen, und dem menschliche Weisheit nichts hinzuzufügen vermag.

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Einseitigkeit und Vielfalt

Es gibt nur einen christlichen Glauben. Doch ist dieser Glaube in mehr als einer Weise auf Gott bezogen. Je nachdem, welche der sieben „Beziehungsmuster“ dominieren, entwickelt der Mensch seinen speziellen „Typ“ des Christ-Seins. Diese Vielfalt des Glaubens ist zu begrüßen, weil jeder „Typ“ seine besonderen Stärken hat. Doch liegt auch eine Gefahr darin: Wird eine Beziehungsform ganz aus dem Zusammenhang der anderen gelöst und einseitig überbetont, kommt es zu Fehlformen des Glaubens.

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Echtheit des Glaubens

Das Kennzeichen „echten“ Glaubens ist es, dass seine Gottesbeziehung nicht „Mittel zum Zweck“, sondern „Selbstzweck“ ist. Denn wer wirklich Gott sucht, der sucht ihn um seiner selbst willen. Wo man dagegen die Beziehung zu Gott „nutzen“ will, um das eigene Lebensgefühl zu steigern oder die Welt besser zu genießen, da wird alles falsch: Denn Gott ist das Ziel. Das irdische Leben ist nur der Weg. Und diese beiden Dinge nicht zu verwechseln, das ist das Kennzeichen „echten“ Glaubens.

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Gott statt Religion

Christlicher Glaube ist von Religion zu unterscheiden, denn Religion ist oft nur ein eigenmächtiger Versuch des Menschen, seine Beziehung zu Gott auf vorteilhafte Weise in den Griff zu bekommen. Man will Gott durch Wohlverhalten, Riten, Beschwörungen und Opfer lenken, besänftigen und bändigen. Christlicher Glaube aber erkennt, dass so etwas Gott gegenüber nicht funktioniert. Nicht der Mensch bemächtigt sich Gottes, sondern Gott des Menschen. Der religiöse Mensch möchte Kontrolle gewinnen, doch der Gläubige überlässt sie dem, an den er glaubt.

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Gottesbeweise

Gottesbeweise sind interessant, aber ihr Nutzen ist begrenzt, weil gläubige Menschen sie nicht brauchen, und ungläubige durch Logik allein nicht zum Glauben finden. Gott offenbart sich in dieser Welt zwar deutlich genug, um jeden denkenden Menschen zu einer Stellungnahme zu zwingen. Aber er offenbart sich nicht so deutlich, dass er damit unsere Stellungnahme vorwegnähme. Und das ist Absicht. Der Glaube soll strittig bleiben. Denn wäre Gott beweisbar, würden um der Beweise willen alle Menschen glauben – und es käme nicht ans Licht, wer Gott um Gottes willen sucht.

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Wunder und Weltbild

Das biblische und das moderne Weltbild widersprechen sich nur scheinbar, denn recht verstanden sind es bloß unterschiedliche Zugänge zu ein und derselben Wirklichkeit und einander ergänzende Perspektiven. Dementsprechend stehen auch Wunder nicht im Gegensatz zur Natur, sondern nur im Gegensatz zu dem, was wir über die Natur wissen. Mögen sie im beschränkten Horizont des Menschen „unerklärlich“ scheinen, müssen sie deswegen doch nicht „widernatürlich“ sein. Vielleicht bedient sich Gott der Natur nur auf eine Weise, die wir nicht verstehen.

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Wahrheit wissen und Wahrheit sein 

„Wahr“ sind Aussagen, die das Wirkliche korrekt abbilden, indem sie auf der Ebene der Beschreibung dem beschriebenen Sachverhalt entsprechen. Doch Wahrheit nur zu kennen, heißt noch nicht „in der Wahrheit zu sein“. Dann erst ist ein Mensch „in der Wahrheit“, wenn er der Wirklichkeit Gottes nicht bloß mit Worten und Gedanken, sondern mit seiner Person ganz und gar entspricht, so dass sein Leben insgesamt eine einzige große Entsprechung zu Gott ist. Nur dieses „Leben in der Wahrheit“ ist das „wahre Leben“ – wie wir es an Christus sehen.

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Glaube gegen den Augenschein

Glaube besteht nicht im „Hören auf das eigene Herz“, sondern im Hören auf Gottes Wort. Und er macht ernst damit, dass alles in Wahrheit nur ist, was es in Gottes Augen ist. Nichts wird in seinem Wesen erkannt, wenn man es nicht zu Gott in Relation setzt. Und alles, was man aus dieser Relation löst, wird notwendig missverstanden. Darum ist Glaube ist ein Verfahren der Meinungsbildung, das dem Anschein gerade nicht vertraut, sondern jedes Ding im Lichte des Evangeliums betrachtet, um es dann so zu bewerten, wie es sich in diesem Licht darstellt. 

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Vom Zweifel zur Anfechtung  

Die verbreitete Ansicht, Zweifel gehörten zum Glauben dazu, ist falsch. Erprobter Glaube kann sie durchaus hinter sich lassen und Gewissheit erlangen, ohne „intellektuell unredlich“ zu sein. Wenn die Zweifel schwinden, wird aber die Anfechtung bleiben. In der Anfechtung ist nicht mehr Gott fraglich, sondern der Gläubige wird sich selbst fraglich. Das Missverhältnis zwischen Gottes Vollkommenheit und seiner eigenen peinlichen Schwäche erfüllt ihn mit Angst. Und diese Not ist nur dadurch zu überwinden, dass man sie an Christus abgibt.

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Wäre ich woanders geboren worden…

Manchem erscheint seine Religion „zufällig“, weil er – anderswo geboren – etwas anderes glauben würde. Doch unterlaufen dabei mehrere Denkfehler. Der Betreffende wäre „woanders geboren“ gar nicht er selbst, sondern „ein anderer“. Und wenn dieser „andere“ etwas anderes glaubte – was besagt das schon? Im Übrigen handelt es sich um einen zirkulären Schluss: man hält die Religion für zufällig, weil man voraussetzt, die Geburt sei zufällig. Das ist aber eine ganz willkürliche, mit dem christlichen Schöpferglauben nicht vereinbare Unterstellung.

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Kinderglaube

Die Naivität der Kinder ist nicht zu idealisieren oder zu fördern. Denn ein unrealistisches Bild vom „lieben Gott“ wird später auf dem Müllhaufen landen, auf dem schon das Einhorn und die Zahnfee liegen. Ein Vorbild sind Kinder aber, insofern sie mit dem Klein-Sein kein Problem haben, es normal finden, wenn vieles ihren Horizont übersteigt, und sich unbefangen auf ihre Eltern verlassen. Nicht das Defizitäre am Kind ist „vorbildlich“, sondern seine Bereitschaft,  hinsichtlich seiner Defizite auf die guten Mächte zu vertrauen, die ihm überlegen sind!

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Investiere dich in Bleibendes 

Das Leben ähnelt einem Markt, auf dem wir mit unseren Potentialen Handel treiben und Waren wie Kraft und Zeit gegen andere tauschen. Über den bleibenden Gewinn entscheiden aber nicht die Mittel, die wir nur vorübergehend haben, sondern der Zweck, für den wir sie einsetzen. Worauf wir heute aus sind, bestimmt darüber, wer wir in Ewigkeit gewesen sein werden. Darum investiere man sich nicht in das Falsche und gebe nicht Diamanten für Glasperlen: bei Gott Kredit zu haben, ist die einzige wirklich „harte“ Währung!

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Weisheit 

Weisheit ist zutreffende Erkenntnis, die der Person nicht äußerlich bleibt, sondern sie in Herz und Gemüt so erfüllt, dass es sich wie von selbst in einem der Erkenntnis entsprechenden Fühlen, Wollen und Verhalten niederschlägt. Allerdings bedarf diese formale Bestimmung einer inhaltlichen Ergänzung, weil Faktenwissen allein nicht weise macht. Es muss orientierendes Wissen um Werte, Pflichten und Ziele dazukommen, durch das der Mensch tugendhaft wird. Da das nicht ohne Gottesfurcht erlangt wird, ist diese der Anfang der Weisheit.

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Den Glauben bekennen

Das Bekenntnis ist ein kommunikativer Sonderfall, bei dem der Sprecher zugleich mit seiner Ansicht über „etwas“ auch „sich selbst“ offenbart, denn das Bekenntnis schließt in der Sachaussage eine Selbstaussage mit ein: Wer Jesus als den Christus bekennt, sagt damit ebenso viel über Jesus wie über sich selbst. Er kann nicht mehr anders zu sich selbst stehen, als indem er öffentlich zu seinem Glauben steht. Und weil Christus das nicht nur vom Einzelnen, sondern auch von der Gemeinde erwartet, gibt es keine christliche Kirche, die nicht „Bekenntniskirche“ wäre. 

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Skeptische Unbestimmtheit als Dauerzustand?

Wenn kritische Reflektion dazu führt, dass einem Mensch alle erdenklichen Perspektiven gleich gültig und gleich wahr erscheinen, wird ihm Skepsis zur Falle. Denn er ist dann zwar mächtig darin, Gewissheiten zu hinterfragen, aber außer Stande, Gewissheit zu gewinnen. Und dieses Missverhältnis stört seine Selbstfindung. Denn wer keinen weltanschaulichen Rahmen gelten lässt, hat auch keinen, in dem er sich selbst verorten könnte. Er hält sich für alles offen – und bleibt gerade dadurch leer. Argumentativ ist ihm nicht zu helfen. Aber Gott kennt andere Wege.

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Aufklärung durch Gottes Geist (Erkenntnis „sola gratia“)

Ein aufgeklärter Geist vermag sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Aber ist unser Verstand ein in jeder Hinsicht kompetenter Richter? Wo man selbst sich nicht auskennt, ist gerade das Vertrauen vernünftig. Und so ist es höchst „rational“, in göttlichen Dingen weniger der eigenen Vernunft als Gottes Geist zu vertrauen. Die „Aufklärung“ durch ihn ist nicht Werk, sondern Gnade. Denn sie ist ebenso wenig ein Resultat unserer gedanklichen Tätigkeit wie unsere Rechtfertigung ein Resultat unserer moralischen Bemühungen ist.

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Lebendiger und toter Glaube 

Zu den Kennzeichen lebendigen Glaubens gehört, (1.) dass er Hunger hat und beständig nach geistlicher Nahrung sucht, dass er (2.) Verletzungen, Versuchungen und Anfechtungen des Glaubens mit Schmerz registriert und dagegen ankämpft, dass sich (3.) seine Lebendigkeit durch rege Tätigkeit, Übung und Glaubenspraxis äußert, dass er (4.) ein vitales Interesse an seiner missionarischen Fortpflanzung und Vermehrung zeigt, dass er (5.) die Wärme, die Leidenschaft  und den Eifer eines engagierten Herzens erkennen lässt und (6.) wie ein Baum nicht aufhört in die Tiefe und in die Höhe zu wachsen.

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Mystik 

Es gibt ein Klischee von Mystik, das Zustände religiöser Entrückung in den Mittelpunkt stellt. Und die damit verbundene Vorstellung, man könne Gott direkt „erfahren“, statt nur seinem Wort zu glauben, ist abzulehnen. Doch das zentrale Anliegen wahrer Mystik – die Vereinigung Gottes und des Menschen im Glauben – ist gut biblisch: Die durch Gottes Wort mitgeteilte Erkenntnis ist von der Art, dass, wer sie wirklich „hat“, sich unter ihrem Eindruck wandelt und Anteil gewinnt an der Nähe und Seligkeit, die Gott jenen schenkt, denen er sich selbst schenkt. 

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Nicht glauben können?

Einerseits gilt, dass (von sich aus) überhaupt kein Mensch glauben „kann“, und andererseits, dass es (mit Gottes Hilfe) sehr wohl jeder „kann“. Denn Glaube ist nicht unser Werk, sondern Gottes Werk in uns. Er ist keine menschliche Möglichkeit, sondern eine Beziehung, die Gott gewährt. Wer den Glauben ersehnt, muss darum aber nicht untätig bleiben: Er kann Gott darum bitten und viele konkrete Dinge tun, die förderlich sind und eine Verheißung haben. Unmögliches wird dabei nicht gefordert. Denn das, was Gott vom Menschen erwartet, kann er. Und das, was er nicht kann, ist sowieso Gottes Werk. 

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Fluchttendenzen 

Gott kann nicht nur für seine Feinde schrecklich sein – manchmal ist er’s auch für seine Freunde. Darum ist es kein Wunder, dass ihm mancher aus dem Weg gehen oder vor ihm fliehen will. Doch ist das weder möglich noch sinnvoll. Denn je mehr einer sich Gott zu entziehen versucht, umso mehr entzieht er sich das, was er am dringendsten braucht. Es besteht keine Chance, dass er mit sich ins Reine kommt, wenn er sich nicht ehrlich macht vor Gott. Und im Grunde kann man ihm nichts Besseres wünschen, als dass er (wie Paulus) ein fröhlicher „Gefangener Jesu Christi“ wird.

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Warum der Glaube rettet?

Gottes Wort geht in seinen Warnungen und Verheißungen den Ereignissen voraus, von denen es spricht. Es nützt darum nur dem, der es Gott (gegen den aktuellen Augenschein) glaubt. Das den Ereignissen vorgreifende Wort trennt also jene, denen es nützt (weil sie Gott „beim Wort“ nehmen), von jenen, denen Gottes Wort auch gar nicht nützen will (weil sie’s für Geschwätz halten). Jene, die Gott nicht trauen, ignorieren seine Ansagen und tun gar nichts, bis es zu spät ist. Die anderen aber nehmen seine Botschaft ernst, ergreifen entsprechende Maßnahmen und werden durch ihren Glauben gerettet. 

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Glaube – kurz und knapp

Glaube ist ein Perspektivwechsel, bei dem das eigene Ich und Gott die Plätze tauschen. In der egozentrischen Verwirrung, die allen Sündern natürlich ist, sieht sich der Mensch als Mittelpunkt. Er nimmt an, die Bedeutung aller Dinge sei daran abzulesen, was sie ihm (!) bedeuten. „Glaube“ besteht aber darin, diesen Irrtum zu erkennen und „umzudenken“. Denn tatsächlich steht Gott im Zentrum – und das eigene Ich in der Peripherie. Bei Gott, nicht bei uns, laufen die Linien zusammen. Und für alles, was nicht selbst Gott ist, ist er der maßgebliche Bezugspunkt. Glaube ist die Summe der daraus zu ziehenden Konsequenzen.

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Gehorsam

Glaubens-Gehorsam kennt keinen Gegensatz von „heteronom“ und „autonom“, sondern ist Selbstbestimmung zur Fremdbestimmung, denn er besteht in dem seltsamen Eigensinn, unbedingt mit dem, an den man glaubt, „eines Sinnes“ sein zu wollen. Der Gehorchende lehnt es ab, durch abweichendes Wollen die ihm so kostbare Gemeinschaft in Frage zu stellen. Vielmehr ist es seine Entscheidung, das Entscheiden dem Herrn zu überlassen. Der Jünger sieht in diesem Gehorsam nichts anderes als die höchste Betätigung seiner Freiheit. Und sich von Christus bestimmen zu lassen, hält er für die ihm gemäße Form der Selbstbestimmung. 

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In Christus verschwinden

Wer die Bedingungen seines Heils selbst gewährleisten will, nimmt diese Verantwortung Christus aus der Hand – und kann sie selbst nicht tragen. Darum ist es besser, diesbezüglich „arm“ zu sein – „reich“ aber nur durch die Teilhabe an Christus. Ich muss dann nicht Stärken simulieren, wo ich keine habe, sondern verweise auf Christus. Und da ich nichts Eigenes vorweise, beweise oder verteidige, kann’s mir auch keiner nehmen oder aus der Hand schlagen, sondern je ärmer man mich findet, umso klarer tritt zu Tage, dass mein Reichtum in Christus selbst besteht. Er ist des Christen Gerechtigkeit und Ruhm. Und jenseits dessen macht er keine Ansprüche geltend, ist also „in Christus hinein verschwunden“.

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Transzendenz und Offenbarung Gottes

Weil Gott den menschlichen Horizont überschreitet, wissen wir von ihm nur, was er uns hat wissen lassen in seiner Offenbarung. Sie geschah, als Gott in den menschlichen Gesichtskreis trat und Mensch wurde. Darum ist Jesus Christus Grund und Grenze aller christlichen Rede von Gott: Wir dürfen nicht mehr von Gott sagen, als wir am Leben, Sterben und Auferstehen seines Sohnes ablesen können – aber auch nicht weniger.

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Gottes Verborgenheit und Wegweisung

Gott ist wie eine verschlossene Burg, die sich nur an einer Stelle für den Menschen öffnet. Durch Taufe, Abendmahl, Bibel, Gebet und Gottesdienst will Gott sich finden lassen. Hier hat er die Zugbrücke heruntergelassen. Macht es da Sinn, über die Mauer zu klettern? Nein. Darum ist der Glaube ein fröhlicher Gehorsam, der von der Bahn, die Gott ihm beschrieben hat, weder links noch rechts abweicht. Er steigt nicht zum Fenster ein, sondern er nimmt die Tür. Denn Glauben heißt, Gott dort zu suchen, wo er gefunden werden will – und nirgends sonst.

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Wort Gottes und Schriftprinzip

Die Bibel ist das einzige Medium, das uns zuverlässig mit Gottes geschichtlicher Offenbarung in Jesus Christus verbindet. Sie ist darum der verbindliche „Original-ton“, an dem sich alle späteren Interpretationen des Evangeliums und alle Gestalten kirchlichen Lebens messen lassen müssen. Dass Menschenhände das eine Wort Gottes niedergelegt haben, ändert daran nichts: Gott bleibt der „Autor“ hinter den biblischen Autoren, denn sie waren Instrumente seines Geistes.

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Der Kanon des Neuen Testament

 

Die katholische Kirche brüstet sich gern, sie habe im 4. Jh. das NT „erstellt“, und ihr verdanke es darum seine Geltung. Doch ist die Kirche aus Gottes Wort entstanden – und nicht umgekehrt. Sie beugte sich unter Gottes Wort, nicht damit es Autorität bekäme, sondern weil es sie besaß. Es verdankt seine Entstehung, Wirkung und Geltung allein dem, der’s geredet hat. Und zu keiner Zeit stand die Kirche Gottes Wort so frei gegenüber, dass sie seine Geltung erst hätte beschließen müssen. Die Schriften des NT imponierten durch die ihnen innewohnende Kraft. Und einen anderen Beweis ihrer Autorität brauchen sie auch heute nicht. Denn wenn mich die Sonne geblendet hat, muss ich nicht erst prüfen, ob sie hell ist.

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Gotteswort und Menschenwort

Die Bibel ist nicht „nur“ Menschenwort oder „nur“ Gotteswort, ist auch nicht teils das eine und teils das andere, sondern beides zugleich und beides in Gänze. Ein Widerspruch besteht aber nicht, weil „Gotteswort“ die Urheberschaft meint und „Menschenwort“ die Berichterstattung: Wenn das Wasser einer Quelle durch Leitungen transportiert wird, darf man es mit demselben Recht „Quellwasser“ nennen, wie man es auch „Leitungswasser“ nennt.

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Die Autorität der Bibel

Die Bibel leiht sich ihre Autorität weder von der Vernunft noch von der Wissenschaft, sondern ist selbst in der Lage, ihre Botschaft Geltung zu verschaffen, indem sie den Leser berührt, ihn wandelt und zum Glauben überführt, niederschmettert und tröstet. Wer diese Erfahrung aber macht – wie könnte der noch zweifeln, dass diese Worte Gottes eigene Worte sind? Keiner glaubt der Bibel, weil man ihm vorher ihre göttliche Herkunft bewiesen hätte. Sondern umgekehrt: Weil die Schrift uns zu Gott neu in Beziehung gesetzt hat, darum glauben wir ihr.

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Der Inhalt der Bibel

Es ist nicht der Gläubige, der die Bibel deutet, sondern es ist die Bibel, die den Gläubigen deutet. Sie beschreibt nämlich den großen Zusammenhang, in den sein Dasein eingebettet ist, und verrät ihm die Intention seines Schöpfers: Gott will trennen, was heute noch verquickt ist, will die Sünde vernichten, die Person des Sünders aber retten. Wer davon hört, ist eingeladen, Gottes Unterscheidung im Blick auf sich selbst mit- und nachzuvollziehen. Insofern ist die Bibel kein Rätsel, das der Mensch lösen müsste, sondern der Mensch ist das Rätsel, dessen Lösung die Bibel verrät.

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Die Bibel als Norm

Der Glaube unterscheidet sich von anderen „Weltanschauungen“ dadurch, dass er sich nicht menschlichem Grübeln verdankt, sondern göttlicher Offenbarung. Er ist darum an das Dokument dieser Offenbarung – an die Heilige Schrift – bleibend gebunden. Die große Versuchung der Theologie besteht darin, sich die Heilige Schrift durch „kritische“ Begutachtung, Bewertung und Interpretation gefügig zu machen. Doch dem muss widerstanden werden: Denn nicht wir richten über Gottes Wort, sondern Gottes Wort richtet über uns.

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Historisch-kritische Exegese

Das biblische Wort ist nicht Gottes Wort allein, denn niedergeschrieben haben es Menschen. Das biblische Wort ist aber auch nicht allein Menschenwort, denn Menschen finden sich darin seit Jahrhunderten von Gott angeredet. Die Bibel ist demnach Gotteswort und Menschenwort zugleich – und ähnelt darin dem, von dem sie berichtet. Denn Jesus Christus war auch Mensch und Gott zugleich, ohne dass seine menschliche Natur die göttliche aufgehoben hätte (oder umgekehrt).

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Sola scriptura 

Was mit Gottes Wort nicht übereinstimmt, ist weder zu predigen noch zu glauben. Denn die Kirche als Gemeinschaft der von Christus in die Nachfolge Berufenen wird allein durch sein Wort geschaffen, erneuert und „in der Spur“ gehalten. Kirche will von Gott nichts lehren, als nur das, was er selbst durch sein Wort hat wissen lassen – in trüberen Quellen fischt sie nicht. Und wo dieses „Schriftprinzip“ in Geltung steht, schützt es sowohl die Verkündigung der Kirche als auch den Glauben des Einzelnen vor Fehlentwicklungen aller Art. Wo es hingegen mehr Anspruch als Wirklichkeit ist, folgen zwangsläufig geistliche Krisen.

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Zwei Weisen, die Bibel zu lesen

Wie man vor einem Spiegel stehend entweder auf den Spiegel selbst, oder auf das in ihm erscheinende Spiegelbild der eigenen Person schauen kann, so kann man beim Lesen der Bibel seine Aufmerksamkeit auf das Buch als solches richten, oder auf das, was man im Spiegel der Bibel über sich selbst und Gott erfährt. Beides ist erlaubt, das Zweite aber wichtiger. Denn Gott gab uns die Bibel nicht, damit wir ihre Entstehung studieren und damit den Rahmen des Spiegels von hinten betrachten, sondern damit wir vorne reinschauen und uns selbst erkennen! 

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Theologie der Tatsachen 

Die Bibel gebraucht Gleichnisse, Analogien und Bilder. Doch was sie in „uneigentlicher“ Rede sagt, ist deswegen nicht weniger wirklich. Sie beschreibt es metaphorisch. Aber was sie beschreibt, ist keine Metapher. Denn die biblischen Symbole stehen für Gottes Wirklichkeit, die weit „substanzieller“ und „realer“ ist als unsere. Christlicher Glaube bekennt sich zu ihr als zu einer Tatsache – und muss das auch. Denn Menschen sündigen und sterben nicht bildlich oder symbolisch, sondern wirklich. Und ihnen ist daher auch nicht mit bildlicher oder symbolischer, sondern nur mit wirklicher Erlösung geholfen. 

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Altes und Neues Testament

Die verbreitete Ansicht, der Gott des Alten Testaments sei ganz „anders“ als der des Neuen, ist falsch. Denn hier wie dort erwählt Gott Menschen zu seinem Volk und schließt voller Gnade einen Bund mit ihnen. Und hier wie dort gilt, dass jene, die außerhalb des Bundes stehen, unter dem Fluch bleiben, der mit Adams Sünde begann. Der Unterschied der Testamente liegt darin, dass Jesu die Zugangsbedingungen ermäßigt: Der neue Bund steht auch Heiden und Gescheiterten offen. Aber wie Gottes Gnade dabei ungeahnte Formen annimmt, so auch sein Gericht (Offb. des Joh.!). Beide Züge treten im NT stärker hervor. Gott aber bleibt ganz derselbe.

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Christus – des Gesetzes Ende?

Die Gnade Jesu Christi entmachtet das Gesetz als „Strafordnung“, die dem Sünder zum Verhängnis wird. Doch als Gottes gute Weisung bleibt das Gesetz in Kraft und dient der Christenheit als „Riegel“, „Spiegel“ und „Regel“. Durch Christi Opfer am Kreuz ist das Zeremonial- und Ritualgesetz des Alten Testaments obsolet geworden. Und Christi Lehre hat auch die Reinheits- und Speisegebote antiquiert. Doch das in den Zehn Geboten konzentrierte Moralgesetz bleibt in Geltung. So muss einer, um Christ zu sein, nicht erst Jude werden – muss sich aber dem beugen, was der Schöpfer (nicht speziell den Juden, sondern) allen Menschen geboten hat. 

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Gesetz und Evangelium

Der Mensch neigt dazu, sich entweder stolz zu überschätzen und zu überheben oder - von solchen Höhenflügen abgestürzt - in Verzweiflung zu versinken und die Selbstachtung zu verlieren. Gott aber will uns vor beidem bewahren und gibt uns darum als „Begrenzung nach oben“ sein Gesetz (es zwingt uns zu nüchterner Selbsterkenntnis und schützt so vor aller Aufgeblasenheit) und als „Begrenzung nach unten“ sein Evangelium (auch wo wir versagen, sagt es uns Gottes Liebe zu, die uns trägt).

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Gesetz und Evangelium unterscheiden 

Das Gesetz stellt fest, dass der Mensch dem guten Willen Gottes zu entsprechen hat und anderenfalls mit Strafe rechnen muss. Das Evangelium hingegen lädt den Sünder ein, vor dem verdienten Gericht zu Jesus Christus zu fliehen, der mit offenen Armen bereit steht, um ihm seine Schuld abzunehmen. „In jeder Predigt müssen beide Lehren vorkommen. Wenn eine von beiden fehlt, so ist die andre falsch.“ Denn: „Ohne das Gesetz verstehen wir das Evangelium nicht und ohne das Evangelium hilft uns das Gesetz nichts.“ (C. F. W. Walther)

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Gesetz und Evangelium - oder umgekehrt?

Ob das Gesetz dem Evangelium vorausgeht oder ihm nachfolgt, hängt vom Standpunkt der Betrachtung ab: Der Sünder erfährt das Gesetz als verdammende Zwangsordnung, vor der er zum Evangelium hin flieht. Der Gerechtfertigte hingegen, der vom Evangelium herkommt, erlebt es als gute Lebensregel, die ihn in der Nachfolge leitet. Das Gesetz nimmt dabei verschiedene Gestalt an, obwohl es sich inhaltlich nicht ändert. Es muss aber in beiderlei Hinsicht gepredigt werden, weil ohne den Zusammenhang mit dem Gesetz auch das Evangelium nicht so verstanden werden kann, wie es im Neuen Testament gemeint ist.

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Der Absolutheitsanspruch des Christentums

Die nichtchristlichen Religionen entspringen nicht einfach menschlicher Willkür und Phantasie, sondern auch sie verdanken sich dem Wirken und Sich-Bezeugen Gottes. Sie sind einem Christen darum nicht völlig fremd, sondern enthalten – unter vielen Irrtümern – manche sehr respektable Wahrheit, die man anerkennen sollte. Doch wieviel Wahrheit andere Religionen auch enthalten mögen, so fehlt ihnen ohne Christus doch der Zugang zu Gott, den sie haben müssten, um ihren Anhängern das Heil zu vermitteln. Sie kennen das Ziel. Aber sie erreichen es nicht.

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Wissenschaft, Vernunft und Zweifel

Es liegt im Wesen des Glaubens, dass er die Wahrheit (und die vorbehaltslose Suche danach) nicht fürchten muss, ja nicht einmal fürchten kann. Denn wenn Gott der Grund aller Wirklichkeit ist, dann kann, wer den Grund aller Wirklichkeit sucht, letztlich nichts anderes finden als Gott. Und ist Wahrheit Übereinstimmung mit Wirklichkeit, so wird sich am Ende der Glaube - die Übereinstimmung mit Gott - von selbst als die größte Wahrheit erweisen.

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Die Unerforschlichkeit Gottes

Es liegt in der Natur des Menschen, dass er die Dinge verstehen will. Er erkundet und untersucht seine Umwelt mit der Absicht, sie seinen Zwecken dienstbar zu machen. Doch wer sich in dieser Weise Gott zuwendet, stößt an Grenzen. Denn der „Untersuchungsgegenstand“ Gott erweist sich als lebendiges Gegenüber. Und je näher man ihm kommt, desto mehr kehrt sich das Verhältnis um: Gott wird nicht erforscht und hinterfragt, erforscht und hinterfragt aber uns. Glauben heißt, das zuzulassen – und zu erkennen, dass man von Gott erkannt ist.

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Theologie

Theologie gibt Rechenschaft vom Glauben nach „außen“ hin, indem sie sich erklärend und argumentierend den kritischen Fragen der Nicht-Gläubigen stellt. Und sie verantwortet den Glauben genauso nach „innen“, indem sie den Gläubigen hilft, sich ihrer Glaubensgrundlagen immer wieder zu vergewissern. Um diese Aufgaben zu erfüllen muss Theologie (1.) „schriftgemäß“ sein, (2.) „zeitbezogen“ und (3.) „widerspruchsfrei“. Geht sie aber fehl und verrennt sich, so hilft nur eine Rückkehr zu den neutestamentlichen Quellen, wie sie schon die Reformatoren vollzogen haben.

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Neue Propheten? Neue Offenbarungen?

Gottes Offenbarung ist mit dem Neue Testament abgeschlossen, und Propheten gibt es seitdem nicht mehr, denn „das Wort ward Fleisch“: Christus ist das Wort Gottes in Person. Und die damit gegebene Selbstmitteilung Gottes kann weder ergänzt noch überboten werden. Es gibt da nichts mehr zu „enthüllen“, weil Christus nichts zu sagen vergaß. Und so beschränkt sich das Amt christlicher Prediger und Lehrer darauf, das in Christus Offenbarte freudig zu bezeugen und zu entfalten. Angeblich „Erleuchtete“ hingegen, die sich anmaßen, die Gemeinde über die biblische Offenbarung „hinauszuführen“, verdienen kein Gehör: „Gottes Geist gibt keine neuen Offenbarungen, aber er erklärt die vorhandenen“ (Spurgeon).

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Perlen vor die Säue 

Jesus fordert, das Heilige nicht den Hunden zu geben. Doch woran erkennt man die? Nach C.F.W. Walther sind es jene, die schon Gottes Gesetz nicht hören wollen. Die sind auch des Evangeliums nicht wert. Denn das ist kostbarer Trost für verlorene Söhne, die heimkehren wollen – und ist fehl am Platz, wo man noch selbstsicher spottet und lästert. So wenig ein Schwein Perlen verdauen kann, so wenig kann einer Vergebung empfangen, der nicht nach Vergebung fragt. Versichert man ihm aber, Gott habe ihn trotzdem lieb, füttert man das Schwein mit Perlen des göttlichen Trostes, die es nicht zu schätzen weiß. Man überschüttet diesen Menschen mit unerwünschtem Segen – und erniedrigt das, wozu er aufschauen sollte.

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Anstoß und Ärgernis

Zwischen produktivem und unproduktivem Ärgernis ist zu unterscheiden: Tun und reden wir recht, und jemand nimmt Anstoß daran, so kommt das von ihm und ist nicht unsre Schuld. Denn er müsste ja an dem, was recht ist, nicht Anstoß nehmen. Die Wahrheit ist dann wichtiger als die Narren, die sie nicht hören wollen. Einem anderen Anstoß zu geben, indem wir unrecht tun und reden, ist aber ein ganz anderes Ding. Denn der so verursachte Ärger steht dem Glauben der anderen im Weg und bringt die zu Fall, die wir zu Christus führen sollen. M.a.W.: So wenig es uns Sorgen machen muss, wenn wir jemand durch das Evangelium irritieren, so sehr sollten wir uns scheuen, es durch unser schlechtes Beispiel zu tun.

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"Theologia crucis" - Theologie des Kreuzes

Imponiergehabe bewährt sich Gott gegenüber nicht. Denn er ist von unseren Leistungen nicht beeindruckt und für unseren Verstand nicht zu erreichen. Der Mensch „auf der Höhe“ und Gott in seiner Majestät finden nicht zusammen. „Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben“ (1. Kor 1,21). Gott ist für aufgeblasene Menschen prinzipiell nicht mehr zu sprechen, sondern nur noch für demütige. Nicht wir erheben uns zu ihm, sondern er beugt sich zu uns herab. Wir begegnen ihm nicht im Zugriff unserer Weisheit auf seine Hoheit, sondern im Zugriff des Gekreuzigten auf unser Elend.

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Atheismus und Existenz Gottes

Gott ist als Bestandteil des Universums nicht auffind- und nicht nachweisbar, weil er kein Teil des Universums ist, sondern ihm als Schöpfer gegenübersteht (Man sucht ja auch nicht den Komponisten zwischen den Noten). Dass Gottes Existenz nicht „nachweisbar“ ist, muss den Gläubigen aber nicht verunsichern: Er bleibt in jedem Falle, was er ist. Auch ein Fisch, dem man bewiese, dass es das Meer nicht gibt, würde deswegen ja nicht zum Vogel.

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Gottes Offenbarung

Gott wollte in dieser Welt nicht „offensichtlich“ werden, sondern offenbarte sich so, dass seine Offenbarung jederzeit bestritten werden kann. Sie ist hell genug für alle, die Gott kennen möchten – und dennoch dunkel genug für alle, die sich gegen Gott verschließen möchten. Das entspricht Gottes Absicht, sich manchen Menschen zu verbergen und sich anderen zu offenbaren. Wäre er zu offensichtlich, könnte ihn keiner meiden. Und wäre er ganz verborgen, könnte ihn keiner suchen. So aber besagt die Stellungnahme des Menschen zum Christentum mehr über ihn als über das Christentum – und lässt sein Wesen zu Tage treten.

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Gottes Majestät und Unbegreiflichkeit

Was der Kirche heute fehlt, ist nicht die oft geforderte „Lässigkeit“, sondern eine neue Scheu vor dem Heiligen. Denn wo die Ehrfurcht fehlt, wird aus berechtigtem Gott-Vertrauen schnell eine plumpe Vertraulichkeit, die dem „Gegenüber“ des Glaubens nicht gerecht wird. Gemessen an seiner Lebendigkeit sind wir tot. Gemessen an seiner Unendlichkeit sind wir eng. Gemessen an seiner Weisheit sind wir töricht. Das aber spüren und akzeptieren zu können, gehört zum Glauben unbedingt dazu. Denn nur wer bereit ist, die Schuhe auszuziehen, wird den Dornbusch brennen sehen.

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Gottes Wesen und Eigenschaften

Die wichtigsten Eigenschaften Gottes sind: Von-sich-selbst-sein, Unveränderlichkeit, Unermesslichkeit, Ewigkeit, Allgegenwart, Lebendigkeit, Vollkommenheit, Unbegreiflichkeit, Allwissenheit, Allmacht, Weisheit, Heiligkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und Güte. Es ist aber zu beachten, dass Eigenschaftsbegriffe nicht in derselben Weise auf Gott angewandt werden können wie auf Menschen oder Dinge, denn Gott ist immer größer als alles, was in menschlichen Worten eingefangen und ausgesagt werden kann.

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Gottes Ort und Gottes Haus

Die Frage, wo Gott ist, kann nicht mehr mit dem Hinweis auf den „Himmel“ beantwortet werden, seit Luft- und Raumfahrt den „Himmel“ erschlossen haben. Gott ist allgegenwärtig, d.h.: Er ist in allem, alles ist in ihm und nichts ist außerhalb von ihm, denn er ist nirgends nicht. Weil wir aber dazu neigen, „überall“ und „nirgends“ gleichzusetzen, ist es wichtig, den Ort zu kennen, an dem Gott in besonderer Weise gegenwärtig ist: Nämlich dort, wo zwei oder drei im Namen Christi versammelt sind.

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Unsere Zeit und Gottes Ewigkeit

Gottes Ewigkeit ist keine ins Endlose gedehnte Zeitlichkeit, sondern eine aller Zeitlichkeit enthobene Freiheit gegenüber der Zeit. Gottes Ewigkeit ist also keine quantitative Steigerung der Zeit, sondern eine ganz andere Qualität. Umso erstaunlicher ist es, dass der Ungewordene und Unvergängliche als Jesus Christus in die Zeit einging, um uns vergänglichen Kreaturen Anteil an seiner Ewigkeit zu gewähren.

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Gottes Allmacht

Die Bibel bezeugt vielfach, dass Gott, wenn er etwas will, durch nichts daran gehindert werden kann. Denn Gott ist einer, der, was er will, auch kann. Und das ist ein großes Glück, weil er die Macht in Jesus und hinter Jesus ist. Nur Gottes Allmacht bietet Gewähr dafür, dass Jesu Verheißungen wahr werden. Jesu Liebe wäre hilflos, wenn nicht das Durchsetzungsvermögen des Allmächtigen ihren Hintergrund bildete. So aber dürfen wir zuversichtlich erwarten, dass am Ende der Weltgeschichte alle Macht liebevolle Macht – und alle Liebe mächtige Liebe sein wird.

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Gottes Allwissenheit 

Dem Menschen ist eine zuverlässige Kenntnis der Dinge erst möglich, wenn sie geschehen sind. Bei Gott hingegen geht die Kenntnis der Dinge ihrer Wirklichkeit voraus. Denn nichts kann real sein, dem er nicht Realität verleiht. Für uns ist ein Ereignis zuerst in der Welt – und dann im Bewusstsein. Doch für Gott ist es zunächst in seinem Bewusstsein – und erst später in der Welt. Sein Wissen ist keine erworbene Kenntnis, die ihm erst durch Beobachten, Nachdenken und Schlussfolgern zuwächst, sondern es umfasste schon vor aller Zeit alles, was Gott in der Zeit zu verwirklichen beschlossen hat. 

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Gottes Unveränderlichkeit

Weil Gott keine Schwankungen kennt, ist auch sein Wille unveränderlich in dem, was er von uns fordert. Seine Ansprüche sind nicht wandelbar oder verhandelbar. Und das ist schrecklich für alle, die sich ihm sinnlos widersetzen. Gott hat immer den längeren Atem! Für die Gläubigen ist es aber sehr tröstlich, weil Gott das, was sie auf fehlbare und schwankende Weise wollen, auf unveränderliche und eindeutige Weise will. Niemand hat die Macht, den Unveränderlichen zu ändern, ihn vom Wege abzubringen oder sein barmherziges Werk an uns zu hindern.

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Gottes Ehre

Der Begriff „Ehre“ beschreibt die persönliche Integrität einer Person, deren Verhalten übereinstimmt mit den von ihr erhobenen Ansprüchen, den von ihr anerkannten Werten und den von ihr gegebenen Zusagen. Weil Gott aber sagt, was er denkt, tut, was er sagt, und hält, was er verspricht, ist er der Inbegriff der Ehre. Gott stimmt mit sich selbst ganz und gar überein. Er kennt kein Abweichen von Sein und Schein, Pflicht und Wirklichkeit. Und darum ist es recht und billig, nicht den fehlbaren Geschöpfen, sondern allein dem Schöpfer die ihm gebühren-de Ehre zu geben – und sie vor aller Welt zu bezeugen.

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Gottes Güte

Gut ist, was Gott will, und böse ist, was Gott nicht will. Doch will er das Gute nicht, weil es „an sich“ schon gut wäre. Sondern, was Gott will, wird dadurch „gut“, dass er es will, und es ist auch allein darum „gut“, weil er es will. Gott hält sich also an keine Norm, Gott ist die Norm. Er folgt keiner Ordnung, sein Wille ist die Ordnung. Gott respektiert nicht einen vorgegebenen Unterschied von „gut“ und „böse“, sondern indem er handelt und gebietet setzt er diesen Unterschied in Kraft.

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Gottes Eifer

Gott selbst beschreibt sich als „eifernden“ Gott. Er ist leidenschaftlich engagiert, ist kompromisslos in seinem Anspruch und liebt sein Volk mit Hingabe. Aber passt das auch zu seiner souveränen Hoheit und Würde? Offenbart es nicht unerfüllte Wünsche, die ein vollkommener Gott gar nicht hat? Tatsächlich: Dem Gott der Bibel fehlt etwas, wenn wir ihm fehlen. Er ist nicht ungerührt, sondern kann in Christus leiden. Und es ist völlig undenkbar, dass der Glaube auf Gottes leidenschaftlichen Ruf leidenschaftslos oder halbherzig antworten sollte. Denn ein Glaube ohne Eifer und Hingabe wäre in Wahrheit kein Glaube.

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Gottes (und unser) Denken 

Menschliches Denken nimmt sich wichtig. Doch bevor wir etwas dachten, wurden wir gedacht. Und durch Gott war auch schon an alles gedacht. Das spornt unser Denken an. Denn was aus Gottes Geist hervorging, muss prinzipiell verstehbar sein. Es entlastet uns. Denn so hat die Welt Sinn und Ordnung, bevor wir danach fragen. Es erfüllt uns mit Ehrfurcht, weil wir die Gedanken Gottes, denen die Wissenschaften nach-denken, nie vollständig einholen. Und es schenkt Zuversicht. Denn dass wir im reinen Unsinn lebten, wo sich das Denken gar nicht lohnte, ist zum Glück ausgeschlossen.

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Gottes Heiligkeit 

Wer dem Heiligen gegenübertritt, erlebt die bestürzende Fremdheit eines Überlegenen, der er nur entsprechen kann, indem er in demütiger Beugung das unendliche Gefälle zwischen ihm und seinem Gegenüber anerkennt. Das Heilige ist gleichermaßen mächtig, dem Menschen das Heil zu schenken oder ihm den Untergang zu bereiten. Und wer das spürt, wird es zugleich suchen und meiden. Es zieht ihn an, weil ihm die Macht innewohnt, die dem Menschen so sehr fehlt. Und es schreckt ihn ab, weil er sich dieser Macht gegenüber nicht zu behaupten vermag. 

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Gottes Gnade 

Gottes Gnade überwindet ein bestehendes Gefälle durch die freie Initiative des Überlegenen, der eine Gemeinschaft sucht, die nur dem Unterlegenen nützt, d.h. konkret: Gott lässt Gnade walten in der Form einer durch Christus bestimmten Gottesbeziehung – und anders nicht. Seine Gnade lässt sich weder von dem Tun ablösen, in dem er sie erweisen will, noch lässt sich daraus ein „Lehrsatz“ bilden, den man umstandslos verallgemeinern dürfte. Gottes Gnade führt in die Gemeinschaft mit ihm und kennt keinen anderen Ausdruck, weil Gott mit seiner Gnade nicht irgendetwas, sondern sich selbst schenkt. 

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Gottes Zorn 

Gottes Zorn ist seine energische Opposition gegen den sündlichen Willen, ist also Gottes Widerwille gegen das Böse. Und er hat sehr wenig zu tun mit dem unbeherrschten und oft ungerechten Affekt, den wir bei Menschen als „Zorn“ bezeichnen, sondern ist genau das, was uns „recht geschieht“. Gott beseitigt die Störung seiner guten Ordnung, indem er uns beseitigt, die wir sie stören. Und das zu wissen, ist schrecklich. Denn Gott hilft zwar gegen alles, aber nichts hilft gegen Gott. Die Gottesfürchtigen glauben es – darum erfahren sie es nicht. Die Gottlosen dagegen glauben es nicht – und müssen es darum erfahren (Luther).

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Gottes Gerechtigkeit

Gott ist zweifach „gerecht“. Nämlich (1.) in dem vergeltenden Sinne, dass er nach Verdiensten lohnt und straft. Und (2.) im Sinne Heil schaffender und Heil schenkender Gemeinschaftstreue. Diese letztere Gerechtigkeit Gottes, die Sündern um Christi willen Gerechtigkeit zuspricht, ist nicht hoch genug zu loben! Sie setzt aber Gottes vergeltende Gerechtigkeit nicht für alle Sünder außer Kraft, sondern nur für die, die glaubend der Gnade teilhaftig werden. Vergeltungs- und Gnadenordnung existieren also nicht nacheinander, sondern nebeneinander.

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Gottes Geheimnis 

Gottes Geheimnis ist weder mit seiner Transzendenz noch mit seiner Verborgenheit oder einem Rätsel zu verwechseln. Vielmehr besteht Gottes „mysterion“ in seiner Menschwerdung zum Heil der Sünder, die er „vor aller Zeit“ beschlossen, dann aber erst in Christus verwirklicht hat: Gott wendet unsere Not, indem er sie mit uns teilt, und stirbt am Kreuz, damit wir leben. Das ist aber kein „Rätsel“, das uninteressant wird, sobald man die Lösung kennt, sondern je besser man versteht, desto unbegreiflicher wird es: Für Gottes Liebe gibt es keinen „vernünftigen Grund“ – und so bleibt sie ewig staunenswert.

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Dreifaltigkeit und Offenbarung Gottes

Die Lehre von Gottes Dreieinigkeit ist kein Denkproblem: Fließendes Wasser, Dampf und Eis sind schließlich auch ganz verschieden - und sind doch immer nur H2O. Ebenso sind der Schöpfer, Jesus Christus und der Heilige Geist ganz verschieden - und sind doch immer nur der eine Gott. Wer Gott verstehen will, muss das wissen. Denn betrachtet man eine der drei „Personen“ isoliert, so verkennt man sie zwangsläufig. Sieht man jedoch ihre Zusammengehörigkeit, so erschließt eine die andere.

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Trinitätslehre – biblisch begründet

Die Trinitätslehre entspricht der dreifach-einfachen Selbstmitteilung Gottes im Neuen Testament und ist dem christlichen Glauben unentbehrlich. Denn wenn der Gläubige Christus und den Hl. Geist nicht für Seinsweisen Gottes, sondern bloß für Geschöpfe hielte, liefe Christ-Sein auf den absurden Versuch hinaus, nicht nur zwei, sondern drei Herren zu dienen, von denen nur einer ewig wäre. Wer das ausschließen will, darf in Christus und dem Hl. Geist nie „weniger“ oder „etwas anderes“ sehen als Gott – und kann folglich seinen Glauben nicht anders als nur trinitarisch verantworten. 

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Gottes Name, Gottes Wesen

Zu einem Namenlosen kann man nur schlecht in Beziehung treten. Bei Gott ist aber das Problem, dass er nicht zu wenige, sondern eher zu viele Namen hat, die alle irgendwie richtig sind und zutreffen. Das ist verwirrend. Aber wenn wir Gott als den Vater Jesu Christi kennen lernen, entsteht Eindeutigkeit. Denn das ist Gottes authentische Selbstbeschreibung. In keinem anderen Namen ist Heil. Darum glauben und bezeugen Christen, dass niemand recht von Gott redet, der dabei nicht den Vater Jesu Christi meint, und dass jeder das Thema „Gott“ verfehlt, wenn er dabei nicht von Jesus spricht.

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Gottes Liebe

„Gott ist die Liebe“, aber er ist nicht „lieb“ im harmlosen Sinne. Denn Gottes Liebe ist die kraftvoll-entschlossene Weise, in der Gott das Dasein seiner Geschöpfe bejaht. Wo dieses Dasein bedroht und gefährdet wird, dort schließt Gottes Liebe (wie alle wirkliche Liebe) Zorn und Konfliktbereitschaft nicht aus, sondern ein: Gerade weil Gott Liebe ist, kann er nicht immer „lieb“ sein. Und er verlangt es auch nicht von uns.

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Gottes Liebe im Verhältnis zu seinem Zorn

Gottes Zorn ist der Wider-Wille des Schöpfers gegen das Böse, das seine Schöpfung zu zersetzen droht. Darum kann man nicht wünschen, dass Gottes Zorn nachließe. Denn wie sollte Gott das Leben seiner Geschöpfe bejahen ohne die Sünde zu verneinen, die ihnen den Tod bringt? Es macht daher keinen Sinn, gegen Gottes Zorn zu opponieren. Es ist besser, vom Ausmaß des Zorns auf das Ausmaß seiner Liebe zu uns zu schließen - denn dann beginnt man Gott zu verstehen.

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Gottes Liebe und menschliche Liebe

Menschliche Liebe kommt bald an ihre Grenzen, wenn ihr Gegenstand seine Attraktivität verliert, und die Gemeinschaft dem Liebenden nichts mehr „bringt“. Menschliche Liebe ist daher so begrenzt wie das Geschöpf, das sie empfindet. Gottes Liebe hingegen ist so unendlich wie er selbst. Sie ist nicht darauf angewiesen, Liebenswertes vorzufinden. Sie gibt auch, wo sie nichts zurückbekommt. Und beim Niedergang des Geliebten nimmt sie sogar den umgekehrten Verlauf, indem sie größer  wird. Gottes Zuwendung zu den Sündern beweist es! 

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Gottes Verborgenheit

Der Glaube lebt von Gottes Nähe. Doch manchmal scheint es, als sei er abwesend und fern. Diese Erfahrung ist bedrohlich. Und trotzdem gilt es, ihr standzuhalten. Man darf Gott dann nicht durch irgendetwas anderes ersetzen. Und man sollte auch nicht so tun, als käme man ohne ihn aus. Man halte einfach Gottes Platz frei und ertrage die Leere, die er uns zumutet. Denn Gott verbirgt sich, aber er verlässt uns nicht. Er bleibt der barmherzige Vater, der versprochen hat, zurückzukommen. Die Bereit-schaft aber, auf ihn zu warten – das ist Glaube.

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Gottes Handeln und „natürliche Erklärungen“

Kritiker des Glaubens unterstellen gern, Geschehnisse müssten entweder von Gott gewirkt sein (und hätten dann keine „natürlichen Ursachen“), oder sie hätten „natürliche Ursachen“ (und seien dann nicht von Gott gewirkt). Doch der Hinweis auf „natürliche Ursachen“ könnte Gottes Handeln nur ausschließen, wenn feststünde, dass Gott sie nicht als Instrumente mittelbaren Wirkens nutzt. Und dem steht das biblische Zeugnis entgegen: Gott kann ebenso gut innerhalb wie außerhalb der Naturordnung wirken. Die Folgerung, wo ein irdischer Kausalzusammenhang vorläge, sei (darum!) der Himmel nicht im Spiel, erweist sich damit als falsch.

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Wie ist Gott? 

Einen Gott, der jedem jederzeit gnädig wäre, finden wir weder in der Welt noch in der Bibel. Denn in manchen Dingen hat er sich festgelegt. Und in anderen nicht. Der „verborgene Gott“ ist er in all den Bereichen, in denen er uns nichts versprochen hat. Der „offenbare Gott“ ist er in den Bereichen, in denen ihn seine neutestamentlichen Zusagen binden. Und wer nur eine Seite kennt, weiß zu wenig. Gottes Liebe ist kein pauschales Angebot, sondern ein konkretes. Und je nachdem, wie man an ihn herantritt, wird man ihn auch unterschiedlich erleben. 

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Haben Christen und Muslime denselben Gott? 

Oft hört man, diese Frage sei schon deshalb zu bejahen, weil es nur einen Gott gibt. Doch ist das ein Fehlschluss, der logisch klingt, ohne es zu sein. Tatsächlich beten Christen immer zum dreieinigen Gott. Muslime tun das ausdrücklich nie. Und es wäre nicht redlich, über diese Differenz hinwegzusehen. Denn man kann nur verehren, was man kennt. Wer aber den dreieinigen Gott nicht als Dreieinigen kennt, kann ihn als solchen auch nicht anbeten, sondern betet zwangsläufig zu einem Gott, der sehr „anders“ – und also höchst wahrscheinlich „ein Anderer“ ist. 

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Schöpfung, Naturwissenschaft und Urknall

Urknall-Theorie und Schöpfungsglaube stehen nicht in Konkurrenz zueinander, weil einmal nach dem „wie“ der Weltenstehung gefragt wird, und einmal nach dem „warum“. Man darf hier Anfang und Grund nicht verwechseln, denn wer zurecht sagt, ein Theaterstück habe begonnen, als sich der Vorhang hob, wird doch nicht behaupten, das Theaterstück sei aufgeführt worden, weil sich der Vorhang hob. Die Frage, warum überhaupt etwas ist, wo doch auch nichts sein könnte, wird durch den Urknall nicht geklärt. Er ist ein Teil dieses Rätsels – und nicht die Lösung.

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Schöpfung als Ordnungsprozess 

Gottes Schöpfungswerk vollzieht sich als ein fortschreitender Prozess, der die unkontrollierten Chaoskräfte des Anfangs nach und nach bändigt, kanalisiert und in dem Leben förderliche Strukturen überführt. Denn in einer regellosen Welt käme der Mensch nicht zurecht. Gott schafft weder Strukturen aus Beton, in denen alle Bewegung erstickt, noch schafft er blinden Drang, der alles, was entsteht, gleich wieder niederreißt. Der Schöpfer formt vielmehr das Formlose und verteidigt seine Schöpfung gegen die immer wieder einbrechenden Chaosmächte durch Ordnungsprozesse natürlicher, sozialer und individueller Art.

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Schöpfung in 7 Tagen?

Die Bibel hat nicht die Absicht, in der Art eines naturwissenschaftlichen Schulbuchs über die Entstehung der Erde zu informieren, und sie legt darum auch keinen Wert auf eine einheitliche Chronologie der Schöpfungswerke. Die Bibel protokolliert nicht „wie“, sondern bejubelt „dass“ Gott die Welt schuf. Ihre Pointe ist, dass der Mensch sich hier und heute in derselben mächtigen Hand Gottes weiß, aus der von Anbeginn an alles hervorgegangen ist. Entscheidend ist Gottes Anspruch, der aus seiner Urheberschaft resultiert. Und sollte sich der Schöpfer mehr Zeit genommen haben als 7 mal 24 Stunden, so stört das den Glauben sehr wenig.

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Sein und Nicht-Sein, Wirklichkeit und Schein

Gott ist das Sein in allem Seienden, denn die Dinge dieser Welt, die uns so ungemein wirklich vorkommen, sind es nur, insoweit sie an Gottes Wirklichkeit teilhaben. Wir alle sind nur in dieser abgeleiteten Weise „wirklich“ und sind es nur, weil Gott als Grund und Quelle des Seins uns Sein verleiht. Gott verhält sich zu uns, wie der Filmprojektor zu den flackernden Bildern, die er an die Wand wirft. Er ist die Realität, die uns zu flüchtigem Leben erweckt. Darum ist nichts da, ohne dass Gott darin ist, und nichts bleibt, wenn nicht Gott darin bleibt.

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Gottes Sich-Zurücknehmen 

Wenn Gott unermesslich und grenzenlos ist, wie kann es dann neben ihm noch Raum für Geschöpfe geben? Das ist nur denkbar, wenn der Schöpfer sich zurücknimmt und ihnen ein Mindestmaß an Selbstständigkeit ermöglicht. Gott nutzt also seine Freiheit, um sich selbst zu beschränken, und gibt uns damit den Raum, den wir zur Entfaltung brauchen. Doch können wir uns seine Selbstbeschränkung zu Gunsten anderer auch zum Vorbild nehmen, um durch bewusstes Sich-Zurücknehmen das gottgewollte Dasein unserer Mitmenschen zu ehren.

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Gottes Allgegenwart

Gott und Welt sind strikt zu unterscheiden. Und trotzdem ist Gott keine isolierte Größe „neben“ der Welt. Er kann nicht zu den Teilaspekten der Wirklichkeit hinzuaddiert werden als etwas, was es „auch noch“ gibt. Vielmehr ist Gott die alles bestimmende Wirklichkeit. Wir begegnen ihm in allen Dingen. Doch sehen kann das nur der Glaube: Für ihn ist die Welt transparent wie ein buntes Kirchenfenster. Er sieht die Vielfalt der Farben und weiß doch, dass es nur ein Licht gibt. Er sieht die Schöpfung und erkennt darin den Abglanz des Schöpfers.

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Natur, Schicksal und Geschichte

Zwischen Schöpfung und Urknall besteht ebenso wenig eine Alternative wie zwischen göttlicher Fürsorge und menschlicher Selbsterhaltung. Unser „täglich Brot“ kommt vom Bäcker und kommt doch von Gott. Denn so wie wir für unsere Arbeit Werkzeuge benutzen, so bedient sich Gott der natürlichen und kulturellen Kräfte: Sie sind Instrumente in seiner Hand, die ohne ihn unser Leben so wenig erhalten könnten, wie ein Hammer ohne Tischler einen Nagel einzuschlagen vermag.

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Schicksal, Allmacht, Vorsehung

Gottes Allmacht ist eine lückenlose, alles Geschehen bestimmende Wirksamkeit, durch die Gott die Geschicke der Welt nach seinem Willen lenkt. Der Mensch wird dadurch keineswegs zur willenlosen Marionette: Ein jeder tut durchaus, was er will. Nur werden die Folgen unserer Handlungsfreiheit Gott niemals überraschen. Unsere Entschlüsse sind, längst bevor wir sie fassen, in Gottes Plan vorgesehen und tragen selbst dann zu seiner Erfüllung bei, wenn wir das Gegen-teil beabsichtigen.

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Alles hat seine Zeit

Weil alle Dinge eine ihnen von Gott bestimmte Zeit „haben“, muss ihnen ihre Zeit nicht erst von Menschen eingeräumt oder zugewiesen werden. Gottes Vorsehung legt fest, wann sie „dran“ sind – und zu einem anderen Termin weigern sie sich stattzufinden. Wo Gottes Kalender Chancen eröffnet, darf man fröhlich zugreifen. Doch abtrotzen kann man ihm nichts. Und wer klug ist, fügt sich in Gottes Vorsehung, wie sich der Landwirt in die Abläufe der Natur fügt: Er tut zwar, was er kann, versucht aber nicht, die Jahreszeiten zu regieren. Und so lassen Christen Gott darüber entscheiden, in welchem Takt die Uhr ihres Lebens ticken soll.

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Selbstbestimmung und Abhängigkeit

Die Abhängigkeit von anderen birgt das Risiko, enttäuscht zu werden. Darum strebt der Mensch nach Unabhängigkeit: Er versucht, die Rahmenbedingungen seines Lebens der eigenen Kontrolle zu unterwerfen. Doch gelingt es nie, alle Fremdbestimmung abzuschütteln. Und es muss auch nicht gelingen. Denn nur Gott ist wirklich „autonom“. Und der Glaube kann uns lehren, die Abhängigkeit von ihm nicht als Unglück, sondern als Glück zu betrachten: Wirklich „frei“ ist nämlich nur der, der nicht in sich selbst, sondern in Gott ruht.

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Besitz und Verantwortung

Der Glaube hat zu den Dingen der Welt eine besondere Beziehung, denn wo man etwas aus Gottes Hand empfängt, berührt der Umgang mit der Gabe immer auch die Beziehung zum Geber. Diese Beziehung leidet, wenn Gottes Gaben gegen seine Intention verwendet werden. Darum sind „weltliche“ Beziehungen dergestalt in die Gottesbeziehung zu integrieren, dass auch im Umgang mit den Dingen immer Gott das eigentliche Gegenüber bleibt. Alles muss am Altar „abgegeben“ und vom Altar her „zurückempfangen“ werden, damit der Gläubige nichts ohne Gott, sondern alles mit ihm und durch ihn „besitzt“.

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Freude

Freude ist das heiter gesteigerte Lebensgefühl, das sich einstellt, wenn wir Erwünschtes erlangen oder Unerwünschtes loswerden. Doch orientiert sie sich an keinem höheren Maßstab, als nur an der Willensrichtung des Menschen. Sie ist ihm der Lohn erfolgreichen Strebens. Doch kann er nach dem Falschen streben. Und so ist Freude „an sich“ noch nichts Gutes, sondern ist nur gut, wenn sie sich an Gutem freut. Allerdings kann man sich auch am Guten auf die falsche Weise freuen. Und je nachdem, ob unsere Freude dann primär dem Geber oder der Gabe gilt, kann sie uns zu Gott hin oder von ihm weg führen.

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Glück, Unglück und Gerechtigkeit

Gott scheint Glück und Unglück wahllos unter den Menschen zu verteilen, so dass zwischen Gläubigen und Ungläubigen zunächst kein Unterschied zu erkennen ist. Doch vermag nur der Gläubige, sich „alle Dinge zum Besten dienen zu lassen“: Der Glaube versteht es, durch jedes Geschick Gott näher zu kommen, während der Unglaube von jedem Geschick unseligen Gebrauch macht. Darum ist keine Sache so gut oder so schlecht, dass sie dem Ungläubigen nicht schadete. Und keine ist so gut oder so schlecht, dass sie dem Gläubigen nicht nützen könnte.

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Schmerz, Sinn und Sinnlosigkeit

Wenn Gott uns leiden lässt, kann das viele Gründe haben. Es kann mir selber nützen oder einem anderen. Es kann zum Vorbild dienen oder zur Abschreckung. Es kann nötig sein, um mir Fehler auszutreiben, oder um andere zur Barmherzigkeit herauszufordern. Es kann Prüfung sein für mich oder öffentliches Zeichen für andere. Es kann der Fluch der bösen Tat sein, der mich gerechter Weise einholt, oder Gottes herzliche Umarmung, die mich am Weglaufen hindert. Es ist schwer anzunehmen – aber man sollte sein Leid nicht für grundlos, sinnlos oder nutzlos halten.

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Das Leid und die Theodizeefrage

Das Theodizeeproblem ergibt sich aus fünf Voraussetzungen, an denen man nicht gleichzeitig und uneingeschränkt festhalten kann, ohne in Widersprüche zu geraten. Prüft man diese Voraussetzungen allerdings am biblischen Zeugnis von Gott, so gilt keine in dem Sinne, den die Religionskritik unterstellt. Die Theodizeefrage als logisches Paradox löst sich auf, weil sie auf halbwahren Prämissen beruht. Eine existentielle Herausforderung für die Gläubigen wird sie aber bleiben, bis (nicht kluge Theologie, sondern) Gott selbst für Aufklärung sorgt.

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Theodizee

Der Vorwurf, Gott tue nichts gegen das Leid dieser Welt, ist unberechtigt, denn er tut sehr viel gegen die menschliche Sünde, aus der das Leid resultiert. Die Bibel redet von nichts anderem! Nur setzt Gott nicht bei dem Bösen an, das den Sünder stört, sondern bei dem Bösen, der der Sünder ist. Gottes Evangelium bekämpft das Übel, wo es entsteht: im menschlichen Herzen. Wenn der Mensch aber nicht einverstanden ist mit der Weise, auf die ihm Gott zu helfen gedenkt, so wiederlegt das nicht Gottes Existenz oder Gottes Liebe, sondern beweist nur, dass Gott nicht ist, wie der Mensch ihn gerne hätte.

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Inwiefern es gerecht zugeht… 

Niemand hat „Verdienste“, die Gott zu seinem Schuldner machten. Wenn aber trotzdem der Eindruck entsteht, es gehe in der Welt nicht „gerecht“ zu, liegt‘s daran, dass wir nicht beachten, in welcher Währung Gott „vergilt“. Tatsächlich wird jeder von dem ergriffen, wonach er greift. Der Böse verschreibt sich dem Bösen und hat seine Seele verkauft. Der Gute hingegen wird von selbst ein Teil der guten Mächte, denen er folgt. Die Hinwendung zu Gott lohnt sich durch die Teilhabe an ihm. Die Hinwendung zu Satan ebenso. Und so gesehen ist die Welt erschreckend gerecht!

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Engel 

Engel sind geistige, unsichtbare Wesen, die Gott geschaffen und mit großer Vollkommenheit, Weisheit und Heiligkeit ausgestattet hat, damit sie ihm dienen, die Gläubigen vor Unheil bewahren, und der ewigen Seligkeit teilhaftig werden. Sie verbinden Himmel und Erde, wollen aber nie mehr sein als Boten Gottes. Es ist darum falsch, sie zu einem Gegenstand religiöser Hingabe zu machen, wie es z.B. in der Esoterik geschieht. Auch der verbreitete Engelskitsch und die barocken Putti sind abzulehnen, denn die biblischen Engel sind niemals „niedlich“, sondern sind mächtige Streiter in unermüdlichem Dienst für das Volk Gottes. 

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Dämonen

Es ist üblich geworden, die im Neuen Testament beschriebenen Dämonen als natürliche Erscheinungen zu erklären – oder sie für einen überwundenen Aberglauben zu halten. Aber sind sie aus unserer Erfahrungswelt wirklich verschwunden? Paul Tillich sagt: „Der Anspruch eines Endlichen, unendlich und von göttlicher Größe zu sein, ist das Charakteristikum des Dämonischen.“ Und so gesehen ist Dämonie etwas sehr Alltägliches. Es geht immer um Vorläufiges, das sich als letztgültig ausgibt. Etwas, das nicht Gott ist, übernimmt Gottes Rolle. Entsprechend fehlgesteuerte Menschen ruinieren sich selbst. Und schon freuen sich die gefallenen Engel, einen weiteren Menschen fallen zu sehen. 

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Gottebenbildlichkeit und Menschenwürde

Der Mensch ist dazu bestimmt, Gottes Ebenbild zu sein. Doch ist dies nicht als „Gottähnlichkeit“ misszuverstehen. Gemeint ist vielmehr eine gegenbildliche Entsprechung wie sie zwischen Siegelring und Siegelabdruck besteht: Der Mensch ist bestimmt, zu empfangen, wo Gott schenkt, zu gehorchen, wo Gott befiehlt, zu folgen, wo Gott ruft. Bisher verfehlen alle Menschen dieses Ziel, bis auf einen: Jesus Christus ist das wahre Ebenbild Gottes und dadurch der Maßstab des wahrhaft Menschlichen.

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Selbsterkenntnis am Gegenüber 

Meine eigene Wirklichkeit erfahre ich durch meine Wirkung auf andere. Wer ich bin, entnehme ich dem, was ich für sie bin. Doch das eigentlich maßgebliche Gegenüber des Menschen ist Gott. Nur sein Urteil kann uns selig machen oder verdammen. Er ist der wahre Bezugspunkt unserer Existenz. Und so ist für die Definition des Menschen gar nicht maßgeblich, was ihn vom Tier unterscheidet, sondern was ihn mit Gott verbindet: Es ist das verborgene Wesen des Menschen, dass er – von Anfang an auf Gott bezogen – sich nicht anders als in und durch Christus auf Gott hin vollendet.

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Der Sinn des Lebens

Der Mensch kann seinem Leben keinen Sinn „geben“ oder „verleihen“. Und alle Versuche, das eigene Dasein durch seinen Nutzen zu rechtfertigen, scheitern. Doch das macht nichts. Denn wie beim Produkt eines Handwerkers, ist auch der Sinn des menschlichen Lebens von seinem Erfinder und Schöpfer vorgegeben: Es ist der Daseinszweck des Menschen, als Gottes Ebenbild mit Gott in Gemeinschaft zu sein. Weil diese Gemeinschaft aber unter allen Umständen möglich ist und Gott immer erreichbar bleibt, ist auch unter allen Umständen sinnvolles Leben möglich.

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Die Stellung des Menschen in der Schöpfung

Die Natur weiß nichts von ihrer Herrlichkeit und hat keine Sprache, um ihren Schöpfer dafür zu preisen. Der Mensch aber ist mit Bewusstsein, Sprache und Verstand auf Gott hin geschaffen. Und weil nur er die Möglichkeit hat, Gott angemessen zu danken, ist er auch dafür verantwortlich, dass es geschieht. Allein der Mensch als Ebenbild Gottes ist dem Schöpfer nah genug, um in eine bewusste Beziehung zu ihm zu treten. Und diese Gottesbeziehung macht darum den eigentlichen Sinn des menschlichen Lebens aus.

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Mach dich nützlich!

Gott hat uns in seiner Schöpfung keine passive Rolle zugewiesen, sondern will, dass wir bei der Erhaltung des Lebens mitwirken. Er stattet uns mit Gesundheit, Verstand, Kraft und Zeit aus und möchte, dass unsere Talente in nützlichem Tun für andere Menschen fruchtbar werden. Je mehr Gott dem Einzelnen anvertraut hat, umso mehr kann er auch von ihm erwarten. Darum liegt in jeder Begabung eine Verpflichtung: Wir dürfen gottgegebene Stärken nicht zu eigensüchtigen Zwecken missbrauchen oder sie brachliegen lassen, sondern sollen mit den anvertrauten Pfunden „wuchern“ (Mt 25,14-30).

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Die Seele 

Die Seele entzieht sich der direkten Beobachtung. Und doch unterscheiden wir das Innerste eines Menschen von der Hülle, die bei seinem Tod zurückbleibt. Wir unterscheiden die greifbare Erscheinung von dem, was darin erscheint. Und so können wir auch die Seele vom sterblichen Leib unterscheiden, wie die Idee eines Buches von Papier und Druckerschwärze. Das Druckerzeugnis ist nur die Manifestation einer geistigen Wirklichkeit, die (wie sie dem Druckerzeugnis vorausging) auch unabhängig von ihm im Geist des Autors existieren kann. Der Autor eines Menschen ist aber der Schöpfer, der nie etwas vergisst.

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Der Leib 

Der christliche Glaube ist keineswegs „leibfeindlich“, sondern sieht den Körper als gute Gabe des Schöpfers. Seine Impulse bedürfen der Kontrolle, wie das Pferd der Zügel. Doch ist deshalb weder der Leib „böse“, noch ist es seine Kraft. Wohl gab es in der Antike Religionen, die meinten, der Mensch müsse von seinem Leib erlöst werden. Doch der christliche Glaube will ihn nicht von, sondern mit seinem Leib erlösen. Auch er wird der Erlösung für wert befunden und durch die Sakramente in die Erlösung mit einbezogen. Wir werden also nicht von unserem Leib erlöst, sondern mit unserem Leib, nicht etwa „netto“, sondern „brutto“.

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Das Gute 

Der Mensch könnte nicht „gut“ sein, wenn’s nicht die gute Seite gäbe, auf die er sich stellt, und die gute Sache, die er zu „seiner“ Sache macht. Aber gibt es – jenseits dessen, was sich gerade für diesen oder jenen „gut anfühlt“ – ein objektiv Gutes? Unsere Vernunft findet dazu keinen Zugang. Und so ist es Gott allein, der uns zum Guten verpflichten kann, weil er (1.) als Schöpfer das Recht hat, seiner Schöpfung eine Richtung vorzugeben und (2.) in eigener Person das „höchste Gut“ ist. An seinem Willen muss sich orientieren, wer „zu etwas gut“ sein will. Denn wer möchte schon mit der Vorstellung leben, etwas von dem zu sein, was besser nicht wäre? 

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Du sollst nicht andere Götter haben… 

Erstes Gebot (1. Teil)

Gott will auf der Rankingliste unserer Prioritäten den ersten Platz einnehmen – oder keinen. Und wenn wir ihm statt der Hand nur den kleinen Finger reichen, lässt er uns stehen. Denn Gott ist „absolut“. Und das Absolute nur „relativ“ wichtig zu nehmen, wäre widersinnig. Der Mensch soll darum nicht umherschweifen wie ein herrenloser Köter, der jedem nachläuft und jede Hand schleckt, die ihn füttert, sondern soll in unbedingter Treue auf Gott fokussiert sein, um in Freuden, Nöten, Hoffnungen und Ängsten alles nur von ihm zu erwarten.

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Du sollst dir kein Bildnis machen… 

Erstes Gebot (2. Teil)

Gott weiß: wenn Menschen sich eigenmächtig eine Vorstellung von ihm machen, wird sie falsch sein. Und wenn die Vorstellung falsch ist, kann auch unsere Beziehung zu ihm nicht richtig sein. Darum stellt Gott selbst das Bild her, dessen Fertigung uns überfordern würde, und zeigt uns in Jesus Christus sein wahres Gesicht. Erst dieses autorisierte Selbstporträt (Gottes „Selfie“!) ermöglicht die vertrauensvolle Gottesbeziehung eines Christen – und der respektiert dann um so mehr, dass Gotteserkenntnis nie anders als durch Gott selbst geschieht. 

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Du sollst Gottes Namen nicht missbrauchen… 

Zweites Gebot 

Mit Spott bringt man Autoritäten auf Distanz. Man macht lächerlich, um nicht ernst nehmen zu müssen. Und so witzelt mancher auch über Gott. Doch der nimmt es keineswegs „mit Humor“. Denn Gott kann im Leben des Menschen ein Gegenstand der Verehrung sein. Oder er kann ein Gegenstand der Belustigung sein. Er kann aber nicht beides zugleich sein. Wovor einer Ehrfurcht hat, darüber lacht er nicht. Und worüber er lacht, davor hat er keine Ehrfurcht. So lachen Gottes Kinder mit dem Vater, aber nicht über ihn. Sie freuen sich am Vater, aber nicht auf seine Kosten. 

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Du sollst den Feiertag heiligen… 

Drittes Gebot 

Wie jede gute Beziehung lebt auch unsere Gottesbeziehung vom regelmäßigen Kontakt. Darum sollen wir uns am Sonntag von Gott unterbrechen lassen und uns aller Ablenkung durch Arbeit oder Vergnügen entziehen: unsere Seele soll in Gott ruhen, und Gott in ihr, damit er Gelegenheit hat, sein heilvolles Werk an ihr zu tun. Diese Wohltat erfordert Zeit, weil sich die Revision einer Seele nicht „im laufenden Betrieb“ erledigen lässt. Aber sie ist nötig. Denn wer Gottes Zugriff nicht duldet und seinem Wirken nicht still hält, dessen Seele verkommt.

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Du sollst Vater und Mutter ehren… 

Viertes Gebot 

Der Mensch ist nicht geschaffen, um isoliert sich selbst zu genügen oder für sich selbst da zu sein, sondern soll – als Bindeglied zwischen seinen Eltern und seinen Kindern – an dem Schöpfungsprozess mitwirken, dem er sich selbst verdankt. Man empfängt sein Leben nicht, um es zu konservieren, sondern um es weiterzugeben: es ist ein Wanderpokal! Darum hat jede Generation der vorangehenden wie der nachfolgenden gegenüber eine gottgegebene Aufgabe. Und die lässt sich nur erfüllen, wenn Jung und Alt zusammenstehen und füreinander da sind. 

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Du sollst nicht töten… 

Fünftes Gebot 

Nimmt man an, der Mensch sei „auch nur ein Tier“, kann man ihm kaum verdenken, dass er lebt, indem er tötet. Es erscheint dann ganz „natürlich“ – und das Lebensrecht der Schwachen ist entsprechend schwer zu begründen. Doch in Wahrheit ist der Menschen berufen, Gottes Ebenbild zu sein. Der Höchste hat ihn sich zum Gegenüber erwählt. Er gehört so wenig zu den Tieren, wie die Tiere zu den Pflanzen. Und das verleiht jedem Einzelnen ein Lebensrecht, das durch Leistungskraft nicht gesteigert und durch Schwäche nicht verringert werden kann. 

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Du sollst nicht ehebrechen… 

Sechstes Gebot 

Treue ist eine Grundbedingung gelingenden Lebens. Denn ohne Treue entsteht kein Vertrauen. Und ohne Vertrauen funktioniert keine Gemeinschaft. Treue besteht in der Bereitschaft, beständig zu sein im Denken, Reden und Tun – und sich dadurch für andere berechenbar zu machen, die den Treuen als stabile Größe in ihre Lebensplanung einbauen dürfen. Kommt aber in der Ehe die Liebe abhanden, ist damit keineswegs ihre „Geschäftsgrundlage“ entfallen. Denn die Ehe gründet gar nicht auf der gefühlten Liebe, sondern auf der versprochenen Treue. 

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Du sollst nicht stehlen… 

Siebtes Gebot 

Die Welt mit all ihren Gütern und Kreaturen ist Eigentum des Schöpfers. Menschen hingegen sind Gäste auf Gottes Grund und Boden. Sie „besitzen“ Güter nur in dem uneigentlichen Sinne, dass Gott ihnen erlaubt, Nutznießer zu sein. Er will aber, dass alle (!) Gäste seines Tisches auskömmlich versorgt werden. Und dieser Absicht hat all unser Wirtschaften zu folgen. D.h.: Wer die Güter der Erde zusammenrafft und anhäuft, um sie für sich zu „bunkern“, entzieht sie ihrer Bestimmung und ist (wenn nicht vor der Justiz, so doch zumindest vor Gott) ein Dieb.

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Du sollst nicht falsch Zeugnis reden… 

Achtes Gebot 

Wer die ihn umgebende Welt zutreffend erkennt, kann sich auf sie einstellen, während der, der über die Gegebenheiten schlecht informiert ist, wie blind durchs Leben stolpert. Auf das, was man falsch sieht, kann man nicht richtig reagieren! Darum ist die Wahrheit ein kostbares „Lebensmittel“. Und wer sie einem Mitmenschen verschweigt oder ihn bewusst täuscht, nimmt ihm die Möglichkeit, sich angemessen zu verhalten. Die Liebe zum Nächsten gebietet darum, die erkannte Wahrheit freigiebig mit ihm zu teilen.

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Du sollst nicht begehren… 

Neuntes und Zehntes Gebot 

Es scheint normal, dass Menschen ständig etwas begehren und auf etwas aus sind. Doch dürfen wir uns von unerfüllten Wünschen nicht beherrschen lassen. Denn (1.) währt die Freude über Erreichtes immer nur kurz. (2.) verhindert ständiges Begehren die dankbare Würdigung des Gegebenen. (3.) Bringt uns ungestilltes Begehren in Versuchung, uns das Begehrte, wenn wir‘s anders nicht haben können, auf unrechtmäßigem Wege zu verschaffen. Und (4.) verdrängt das Begehren irdischer Güter das Streben nach Gott und seinem Reich, das viel wichtiger wäre. 

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Sünde

Sünde ist kein äußeres Fehlverhalten, sondern ist zuerst ein seelischer Schaden. Er besteht in der egozentrischen Unterstellung, (nicht Gott, sondern) wir selbst seien der Mittelpunkt der Welt und das Maß aller Dinge. Dieser Grundirrtum, die eigene periphere Stellung mit der zentralen Stellung Gottes zu verwechseln, führt dazu, dass wir unseren Willen dem Willen der Mitmenschen und dem Willen Gottes überordnen. Und daraus resultiert alles, womit wir einander das Leben zur Hölle machen.

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Anmaßung und Egozentrik

Sünde ist nicht in erster Linie unmoralisch, sondern zuerst und vor allem sinnlos. Sie ist der tragische Irrtum eines Geschöpfes, das sein Verhältnis zu Gott missversteht und darum meint, es könne oder solle von sich selbst oder von der Welt leben. Der Sünder erwartet vom Stückwerk, was vernünftigerweise nur vom Vollkommenen erwartet werden kann. Er maßt sich an, auch abgesehen von Gott etwas zu sein, verkennt damit seine Lage und zieht falsche ethische Konsequenzen. Der Grund ist aber immer, dass er von Gott zu gering denkt und von sich selbst zu groß.

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Eigennutz und Selbstlosigkeit

Ob ein Mensch „gut“ ist, bemessen wir nicht am Effekt seiner Taten, sondern an den Motiven seines Willens. Und wenn diese Motive eigennützig sind, können wir den Willen nicht „gut“ nennen. Doch wann handelten wir wirklich „selbstlos“? Gewöhnlich tun wir das Gute nicht um seiner selbst willen, sondern weil es sich in irgendeinem Sinne für uns „lohnt“. Was heißt das aber anderes, als dass wir schlecht sind? Solange wir Gründe brauchen, um das Gute zu wollen, sind wir fern vom Guten, denn dem Guten wäre es Lohn genug, dass das Gute geschieht.

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Erbsünde

Der Begriff „Erbsünde“ ist ein unglücklich gewählter Ausdruck dafür, dass Sünde kein punktuelles, individuelles und vorübergehendes Versagen ist, sondern ein umfassendes, alles durchdringendes und dauerhaftes Verhängnis. Unvermeidlich ist die Sünde, weil wir (1.) vor allem unsere eigenen Nöte spüren, weil wir (2.) unseren Lebensbedarf Anderen streitig machen müssen und (3.) – um unsere Schwäche und Sterblichkeit wissend – in ständiger Sorge leben. Weil das für alle Menschen gilt, ist Sünde kein Merkmal, das die „bösen“ von den „guten“ unterscheiden würde, sondern der Normalzustand aller, die in diese Welt geboren werden.

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Verantwortung ohne Wahl

Wer als Sünder geboren wird, hat keine andere Wahl, als zu sündigen. Doch kann uns das nicht entschuldigen, weil wir keineswegs widerwillig, sondern willig sündigen. Wir handeln „selbstbestimmt“, insofern wir Anderes und Besseres tun könnten, wenn wir nur wollten. Was uns am Gut-Sein hindert ist also nicht, dass wir nicht Gut-Sein „könnten“ (obwohl wir es wollen), sondern am Gut-Sein hindert uns nur, dass wir es nicht wollen (obwohl wir wissen, dass wir es wollen sollten). Der Mensch sündigt demnach aus freien Stücken. Und mehr braucht man nicht, um für die Folgen verantwortlich zu sein.

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Sind wir Sünder "von Natur"? 

Wer annimmt, das Sünder-Sein gehörte zur Natur des Menschen, verstrickt sich in absurde Konsequenzen. Denn unter dieser Voraussetzung wäre weder die Menschwerdung Christi denkbar noch die Erlösung des Menschen, jeder Bußruf wäre sinnlos, Nächstenliebe unmöglich und alle Bosheit entschuldigt. Tatsächlich liegt unser Wesen in dem Guten, das sich Gott bei der Erschaffung des Menschen gedacht hat – und dessen wahre Gestalt am sündlosen Leben Jesu abzulesen ist. Er ist der neue Adam, in dem das geschädigte Menschenwesen erneuert wird. Und das ist eine gute Nachricht. Denn so sind wir zwar faktisch Sünder, sind es aber nicht notwendig oder „von Natur“, weil Mensch-Sein und Sünder-Sein nicht dasselbe ist. 

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Das Böse

Im Verhältnis zum Geschaffenen wirkt das Böse unwirklich, denn es existiert „parasitär“: ohne je etwas hervorzubringen lebt es (wie eine Fäulnis) nur von der Substanz des Guten, das es zersetzt. Macht gewinnt es aber dadurch, dass es gute Kräfte der Schöpfung, die an ihrem jeweiligen Ort durchaus berechtigt wären, zueinander in ein so falsches Verhältnis bringt, dass sie (widereinander wirkend) auf den eigenen Untergang hinarbeiten. An der bösen Durchbrechung der gottgewollt Ordnung ist der Mensch willentlich beteiligt, insofern er sich diese Verkehrung „erlaubt“, den erhöhten Aufwand zum Tun des Guten regelmäßig nicht treibt und damit  das unendliche Autoritäts- und Wertgefälle, das zwischen seinen eigenen törichten Wünschen und dem ewigen Willen des Schöpfers besteht, verleugnet. 

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Die Sinnlosigkeit des Bösen

Wie kommt das Böse in Gottes gute Schöpfung? Manche Gelehrte versuchen, das Rätsel zu lösen, indem sie dem Bösen einen Sinn abgewinnen und ihm einen Nutzen beilegen. Doch verharmlosen sie es damit. Denn die Natur des Bösen besteht gerade darin, für nichts gut zu sein. Es ist ein Fremdkörper im Organismus der Schöpfung, dem wir nicht „verstehend“ begegnen sollten, sondern bewusst „verständnislos“. Es hat keine Daseinsberechtigung. Und so sollten wir es auch behandeln.

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Das Böse in Person

Man sollte den Teufel weder unterschätzen noch überschätzen – denn beides wäre ihm willkommen. Wo man ihn nicht ernst nimmt, weil man ihn für ein Fabelwesen hält, da hat er leichtes Spiel. Wo man ihn aber zu ernst nehmen wollte, da täte man ihm zu große Ehre an, die der ewige Verlierer nicht verdient. Halten wir uns besser in der Mitte. Und halten wir uns vor allem nahe bei Christus. Denn eine Gefahr ist er nur, wo wir uns von Christus entfernen. Satan will versuchen, verklagen und verderben. Christus aber ist des Teufels Teufel.

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Gottes Gericht in der Zeit

Gottes Gericht besteht oft darin, dass er uns in unserem törichten und bösen Tun nicht aufhält, sondern (statt einzugreifen), uns einfach den Konsequenzen unseres Tuns überlässt. Denn meist gebärt die Sünde selbst das Übel, das sie verdient. Das ist hart, aber gerecht. Darum hadert der Glaube nicht mit Gott, sondern beugt sich seinem Gericht, zumal er ja weiß, wohin ihn Gottes raue Pädagogik führen soll: Er soll endlich bleiben lassen, was ihm und anderen zum Schaden gereicht, und soll lernen, zu wollen, was gewollt zu werden wert ist.

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Gottes Gebote

Gottes Gesetz ist die „Hausordnung“, die der Schöpfer seiner Schöpfung gegeben hat. Ihre Notwendigkeit und Güte müsste eigentlich jeder einsehen. Für uns Sünder allerdings, die wir das geforderte Gute nicht vorbehaltlos bejahen, wird das Gesetz zur Bedrohung, weil es unser Versagen schonungslos aufdeckt. Die Einsicht in das eigene Versagen ist aber in Wahrheit ein Gewinn: Das Gesetz zwingt uns dadurch, nicht auf die eigene Moralität, sondern auf die Gnade Gottes zu vertrauen.

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Desillusionierung, Selbsterkenntnis und Buße

Unser Scheitern an Gottes Geboten verdirbt uns die Lust daran. Denn Gottes Gesetz scheint für nichts anderes zu taugen, als dass es unser Versagen aufdeckt. Es ist der Eisberg, an dem die „Titanic“ menschlicher Selbstsicherheit zerschellt. Doch ist das in Wahrheit gut so! Denn was da zerbricht, war eine Illusion. Erreicht der Schiffbrüchige aber das Rettungsboot, das man Kirche nennt, und schlüpft bei Christus unter, so kommt er unter Jesu Führung an das Ziel, zu dem ihn seine „Titanic“ (sein stolzes Bemühen um Vervollkommnung) niemals hätte bringen können.

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Gottes Verborgenheit, Offenbarung und Menschwerdung

Gott begegnet uns nicht nur in Jesus Christus, aber er begegnet uns nur in Jesus Christus so, dass wir ihn begreifen können. Denn Gottes Offenbarung in Natur und Geschichte ist so zweideutig, dass wir aus ihr nicht entnehmen können, ob Gott zuletzt unser Freund oder unser Feind sein will. Erst in Christus - und nur in Christus - wird Gottes Heilswille eindeutig erkennbar und greifbar, so dass Christen sagen: Einen anderen Gott als den Menschgewordenen kennen, wollen und verehren wir nicht.

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Das Wunder der Jungfrauengeburt

Wenn Christen bekennen, Christus sei „empfangen durch den Heiligen Geist“ und „geboren von der Jungfrau Maria“, so gilt ihr Interesse nicht gynäkologischen Besonderheiten der Mutter Jesu. Vielmehr wendet sich dieses Bekenntnis gegen jeden Versuch, Christus aus einer Familie, einem Volk oder einer religiösen Entwicklungsgeschichte „herzuleiten“. Nicht die Menschheit hat den Erlöser der Menschheit „hervorgebracht“, sondern Gott Vater hat seinen Sohn zu uns gesandt.

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Maria

Die Mutter Jesu ist für evangelische Christen kein Gegenstand religiöser Verehrung. Und die meisten Mariendogmen der römischen Kirche müssen wir verwerfen, weil sie keine Grundlage in der Hl. Schrift haben. Das hindert evangelische Christen aber nicht, in Maria eine liebe Schwester und ein Vorbild des Glaubens zu sehen. Denn als ihr zugemutet wird, den Sohn des Höchsten auszutragen, fügt sie sich in Gottes seltsamen Plan und spricht: „Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast“ (Lk 1,38). Maria zeigt in dieser Situation ebenso viel Mut wie Demut – weshalb auch evangelische Christen ihrer dankbar gedenken.

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Gott und Mensch in einer Person?

Wie Gott Mensch wird – und dabei doch Gott bleibt –, ist schwer zu erklären. Denn immer scheint es, als müsse das Göttliche das Menschliche verdrängen oder das Menschliche das Göttliche ausschließen. Die Verbindung beider sprengt unser Vorstellungsvermögen. Aber: muss uns das wundern? Selbst die bewährte Einteilung der Himmelsrichtungen versagt in dem besonderen Fall, dass man am Nord- oder Südpol steht. Wenn wir also nicht begreifen, wie Gottes Wort Fleisch wird, besagt das weder etwas gegen die Menschwerdung Gottes noch gegen unseren Verstand, sondern besagt eben nur, dass die zwei nicht gut zusammenpassen.

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Gotteserkenntnis und Dreifaltigkeit

Wenn Jesus „Gottes Sohn“ genannt wird, dann ist damit kein „Verwandtschaftsverhältnis“ gemeint. Vielmehr bringt dieses Bekenntnis zum Ausdruck, dass Vater und Sohn gleichen Wesens, gleicher Würde und gleichen Willens sind. Zwischen ihnen steht ein Gleichheitszeichen. Für den Gläubigen aber, der dieses Gleichheitszeichen sieht und anerkennt, ist es der Schlüssel zu aller wahren Gotteserkenntnis: Weil er den Sohn vom Vater, und den Vater vom Sohn her versteht, wird Gott nie mehr ein rätselhafter Unbekannter für ihn sein.

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Christi zwei Naturen

Die Kirche entspricht dem Zeugnis der Bibel, indem sie Christus zugleich als „wahren Menschen“ und „wahren Gott“ bekennt. Wie sich beide „Naturen“ in der Person Christi vereinen konnten, übersteigt unseren Horizont. Aber wir vermögen einzusehen, dass diese Vereinigung nötig war: Wie eine Brücke auf beiden Ufern des Flusses aufruhen muss, um sie zu verbinden, so musste Christus ganz zu Gottes und ganz zu unserer Welt gehören, um zwischen Himmel und Erde eine Brücke schlagen zu können.

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Der „historische“ Jesus

Oft wird gesagt, das Neue Testament zeige nicht den „historischen Jesus“, sondern nur den „geglaubten Christus“. Doch wie sollten beide unterscheidbar sein? Weder kann man den Evangelisten aus ihren eigenen Schriften (!) beweisen, dass sie sich mit ihrer Christologie zu Unrecht auf Jesus berufen, noch kann man aus ihren eigenen Schriften (!) beweisen, dass sie es zu Recht tun. Wir haben keinen Zugang zu einem „historischen Jesus“, brauchen aber auch keinen. Denn der Jesus, den die Christenheit kennt und braucht, ist der biblische Christus.

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Jesu Art, mit Menschen umzugehen

Jesus hält sich nicht damit auf, was einer war, oder was er vorgibt zu sein, sondern konzentriert sich auf das, was der Mensch werden soll, weil jeder dazu bestimmt ist, ein Ebenbild Gottes zu sein. Nicht woher der Mensch kommt interessiert Jesus, sondern ob er mitgeht und unterwegs ist zum Reich Gottes. Und sein Gegenüber auf diesem Weg voranzubringen – eben das heißt für Jesus Nächstenliebe. Sie besteht nicht darin, einem das zu geben, was er wünscht, sondern das, was er nötig hat, um Gott näher zu kommen. Braucht‘s dafür Strenge, so ist Jesus streng. Und braucht‘s dafür Milde, so ist er mild.

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Das Heilswerk Christi im Überblick

Das Heilswerk Jesu Christi umfasst seinen gesamten Lebensweg und hat mehrere Dimensionen, die eng miteinander verknüpft sind: (1.) wird er Mensch, um den Verlorenen hilfreich nahe zu kommen, (2.) offenbart er ihnen die Liebe Gottes, (3.) verbindet er sich unlöslich mit den Gläubigen, (4.) stirbt er stellvertretend für sie am Kreuz, (5.) sühnte er durch sein Opfer ihre Schuld, (6.) zahlt er das Lösegeld, um sie von allen Mächten freizukaufen, und (7.) überwindet er in der Auferstehung all ihre Feinde. Ja: „Christus erkennen bedeutet, seine Wohl-taten zu erkennen!“

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Menschwerdung und Liebe Gottes

Indem Gott Mensch wird, macht er unsere Probleme zu seinen. Er teilt unser Schicksal und beugt mit uns den Rücken unter die Last, die wir uns aufgeladen haben. Er stellt sich vor die, die für sich selbst nicht geradestehen können. Und er tut das in dem vollen Bewusstsein, dass er wenig später auf Golgatha den Kopf für uns hinhalten wird. Trotzdem kommt er hinein in unsere verfahrene Situation. Und man könnte denken, das sei tragisch für ihn. In Wahrheit aber ist es tragisch für die Situation. Denn sie kann nun nicht bleiben, wie sie ist. Wenn Christus unsere Not auf sich nimmt, ist das der Anfang vom Ende dieser Not.

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Unser Schmutz und Jesu Reinheit

Gott durchlief ein irdisches Leben, um an unseren Lasten teilzuhaben, sie mit uns zu tragen und für uns zu überwinden. Er ging in unseren Schuhen, machte unsere Not zu seiner Not und ersparte sich weder Blut noch Schweiß oder Tränen. Doch weil er unsere Lage teilt, ist sie nun nicht mehr aussichtslos. Christi Weg ist so mit unserem verschmolzen, dass sich seine Kraft über kurz oder lang gegen unsere Schwäche durchsetzen und seine Reinheit über unseren Schmutz siegen wird. Denn der Menschgewordene versenkt unsere Not tief hinein in seine Liebe.

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Die Nähe des Reiches Gottes

Ins Zentrum seiner Verkündigung hat Jesus das Reich Gottes gestellt. Er predigt vom Reich, weil es nahe herbei gekommen ist. Er erzählt davon in höchst dynamischen Gleichnissen. Und er fordert von seinen Jüngern, für das Kommende radikal offen und bereit zu sein. Jesus knüpft die Nähe des Reiches unmittelbar an seine Person. Seine Wunder machen anschaulich, welche Freiheit damit anbricht. Die Bergpredigt zieht die ethischen Konsequenzen. Und auch das Kreuz Christi ist direkt auf das Reich bezogen, weil es Sündern den Zugang ermöglicht.

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Die Seligpreisungen 

Jesus spricht gerade die „selig“, die nach den Maßstäben der Welt zu den Verlierern zählen, denn er zieht das kommende Reich Gottes in seine Betrachtung mit ein. Er kündigt dieses Reich nicht bloß an, sondern bringt es mit. Und er bewertet darum alles aus der Perspektive des Künftigen: Die heute als Sieger in der Welt stehen, sind ihrer Erfahrung nach nicht zu bedauern, denn aktuell lachen sie. Bedauernswert sind sie aber, wenn man ihre Zukunft mit in Betracht zieht. Die heute Seliggepriesen hingegen sind ihrer Erfahrung nach nicht glücklich, denn noch weinen sie. Sie sind aber glücklich zu schätzen, wenn man ihre Zukunft bedenkt.

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Naturgesetz, Wunder und Freiheit Gottes

Die Wundertaten Jesu laufen den uns bekannten Gesetzmäßigkeiten zuwider und irritieren uns darum. Doch gerade in der Irritation liegt ihre Botschaft: Wo Jesus Christus ins Spiel kommt, muss nicht alles bleiben, wie es immer war und der fatale Lauf der Welt ist nicht mehr unabänderlich. Krummes kann durch ihn gerade und Totes lebendig werden. Darum glauben Christen nicht unbedingt alle Mirakel der Vergangenheit - aber sie glauben, dass Gott jederzeit frei ist, unser Geschick zum Guten zu wenden.

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Das konsequente Vertrauen Christi

Jesu Tod war kein Justizirrtum und kein tragisches Missverständnis, sondern eine direkte Folge seines kompromisslosen Lebens. Jesu Grundüberzeugung war, dass der, der Gott gehorcht und sich ihm vertrauensvoll in die Arme wirft, von Gott aufgefangen wird. Er machte den Selbstversuch, lebte sein Programm, blieb auf Kurs, wurde dafür gehasst – und das, wovon er überzeugt war, wurde ihm zum Schicksal. Die Welt schlug ihn ans Kreuz. Aber Gott erweckte ihn auf. Und der Beweis ist damit erbracht: Radikales Gottvertrauen ist nicht Wahnsinn, sondern Weisheit.

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Das Kreuz Jesu Christi

Die Kreuzigung Christi war kein Justizirrtum und kein Missverständnis, sondern eher eine Kampfhandlung. Christus war ein Opfer der Menschheit, die sich dem Anspruch Gottes entziehen wollte, indem sie seinen Repräsentanten aus der Welt schafft. Und Christus war zugleich ein Opfer Gottes, der ihm als Repräsentanten der Menschheit diesen Tod zugemutet hat. Erst von Ostern her erschließt sich der Sinn dieses schrecklichen Vorganges: Gottes Sohn ging durch die Hölle, damit wir es nicht müssen.

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Gottes Zorn, unsere Schuld und Christi Kreuz

Gott befindet sich der sündigen Menschheit gegenüber im Zwiespalt: Die Gerechtigkeit Gottes fordert, die Sünde durch Vernichtung der Sünder aus der Welt zu schaffen. Die Liebe Gottes aber bejaht auch die Geschöpfe, die sich vom Schöpfer abkehren. Durch das Leiden Christi wird Gott beidem gerecht und vereint Sühne mit Bewahrung: Gott selbst nimmt die Strafe auf sich, die wir verdient haben. Er stirbt unseren Tod, damit wir leben. Er lässt sich verwerfen, damit wir nicht verworfen würden.

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Christi Sühnetod und unsere Erlösung

Warum Gott Mensch wurde und am Kreuz starb? (1.) bestand die Notwendigkeit der Erlösung, um Gottes Plan zum Ziel zu führen. Und (2.) konnte die Erlösung nicht stattfinden, ohne dass eine entsprechende Sühne vorausging. (3.) vermochte niemand diese Sühne zu leisten außer Gott. Und (4.) sollte niemand die Sühne leisten außer dem Menschen, der den Schaden verursacht hat. Daraus folgt aber unausweichlich (5.), dass derjenige, der die Sühne wirklich leistet, Gott und Mensch zugleich sein muss (freie Bearbeitung eines Werkes des Anselm v. Canterbury).

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Jesus Christus als Mittler 

 

Im großen Streit von Gott und Mensch ist Jesus „dazwischengegangen“. Und das Feuer von beiden Seiten wurde erst eingestellt, als er tot war. Denn jede der Konfliktparteien hat in ihm den Repräsentanten der Gegenseite gesehen. Doch zweimal minus ergibt plus. Indem sich die wechselseitige Verneinung an der Person Christi entlud, hat sie sich auch verausgabt. Gott (in seiner Perspektive) sieht die Menschheit nun immer zusammen mit dem schuldlosen Jesus, der ihre Schuld getragen hat. Und die Menschheit (soweit sie glaubt) sieht Gott immer zusammen mit seinem Sohn, dessen Hingabe ihr die Liebe des Vaters offenbart. 

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Die Selbstdurchsetzung der Liebe

Der Kreuzestod Jesu wäre missverstanden, wenn man annähme, Gottes Sohn habe durch das Opfer seines Lebens die Liebe Gottes erst erkauft oder herbeigeführt. Es ist nämlich weder so, dass ein liebloser und zorniger Gott durch das Kreuz erst Liebe lernen musste, noch verhält es sich so, dass Vergebung ohne das Kreuz möglich gewesen wären. Vielmehr hat Gottes Liebe im stellvertretenden Tod Jesu den einzig möglichen Weg gefunden, um sich gegen Gottes sehr berechtigten Zorn durchzusetzen. Aus Liebe litt Gott lieber selbst, als uns leiden zu sehen.

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Jesus Christus am Tiefpunkt

Die Hölle, die Menschen einander auf Erden bereiten, stellt alles in den Schatten, was man früher als „jenseitige“ Hölle erwartete. Und so wird eine alte Lehre neu bedeutsam: Christus ist nach seinem Tod hinabgefahren an den Ort der Verdammten, um auch ihr Bruder zu werden, ihre Verdammnis mit ihnen zu tragen und ihnen das Evangelium zu verkünden. Wenn aber der Arm der Liebe Gottes bis in die Hölle hinabreicht, ist das der Anfang vom Ende der Hölle. Denn Christus ist des Teufels Teufel.

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Christi Kampf und Sieg

Das Leben ist ein Kampf, in dem sich der menschliche Wille zum Leben gegen den Tod zu behaupten sucht. Ob aber dies tägliche Ringen Sinn macht, hängt davon ab, ob es ein - aufs Ganze gesehen - gewinnbarer oder schon verlorener Kampf ist. Christen glauben Ersteres, denn die Auferstehung Christi ist der entscheidende Sieg, der den Ausgang des ganzen Krieges vorwegnimmt: Seither gewinnen die Mächte der Finsternis zwar noch einzelne Schlachten. Aber sie gewinnen nicht mehr den Krieg.

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Ostern unverkürzt

Dass Jesus auferstand, besagt nicht bloß, dass er eine bis heute lebendige Wirkungsgeschichte hat und „in uns weiterlebt“ – so als wäre unser Herz sein letzter Zufluchtsort. Sondern Auferstehung heißt umgekehrt, dass wir in ihm weiterleben. Nicht wir halten ihn lebendig, indem wir in seinem Sinne handeln und glauben, sondern er hält uns am Leben, indem er sein erlösendes Werk an uns tut. Jesus Christus ist nicht auf uns angewiesen, wir aber sind darauf angewiesen Glieder seines Leibes zu sein, denn nichts hat Zukunft, was nicht geborgen wäre in ihm.

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Von gebrochener Resignation

Ostern ist nichts für sonnige Gemüter, die schon aus Naivität positiv denken, sondern ist für die Gebeugten, die täglich ihre Träume begraben, ihre Würde und ihre Liebe. Deren Problem ist nicht zuerst und nicht nur der leibliche Tod am Ende, sondern der tägliche Tod, der im Herzen stattfindet. Mephisto bricht ihre Hoffnung. Aber Christus bricht ihre Resignation. Denn Ostern ist die Renitenz des Allmächtigen gegen alles, was das Leben verneint. Es ist Gottes guter Wille, der sich da nicht beerdigen lässt, und der mit all dem Guten, das er einschließt, stets „unverloren“ ist und bleibt.

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Leeres Grab und historische Kritik

Die moderne Infragestellung der Auferstehung Christi beruht im Wesentlichen auf weltanschaulichen und historisch-methodischen (Vor-) Urteilen, die diesen Vorgang von vornherein „undenkbar“ erscheinen lassen. Dagegen ist geltend zu machen, dass Gott kein Gefangener der von ihm geschaffenen Gesetzmäßigkeiten ist. Der Anstoß, den die Freiheit des Schöpfers unserem Denken bereitet, ist im biblischen Gottesbegriff selbst enthalten und könnte nur mit ihm gemein-sam beseitigt werden.

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Auferstehung als Aufhebung

Auferstehung meint mehr als nur die Wiederbelebung eines Verstorbenen. Sie lässt ihn nicht in sein altes, vergängliches Leben zurückkehren, sondern ist in dreifachem Sinne als „Aufhebung“ zu verstehen. Das Leben wird (1.) „aufgehoben“ im Sinne von „abgeschlossen, beendet, nicht fortgesetzt“, (2.) im Sinne von „bewahrt, geschützt, nicht preisgegeben“ und (3.) im Sinne von „hinaufgehoben auf ein höheres Niveau“. Alle drei Aspekte sind zu beachten, wenn man von Jesu Auferstehung spricht. Sie werden aber genauso unsere eigene Auferstehung prägen.

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Himmelfahrt und Herrschaft Christi

Es könnte scheinen, Himmelfahrt sei ein Trauertag für die Jünger, weil Jesus von ihnen Abschied nimmt und sich entfernt. In Wahrheit aber ist Christus, nachdem er zum Himmel aufgefahren ist, seinen Jüngern näher als zuvor. Denn früher war er immer nur hier oder dort. Seit er „zur Rechten Gottes“ sitzt hat er Teil an Gottes Allgegenwart und übt die Herrschaft aus, die ihm der Vater übertragen hat. Ein schrecklicher Gedanke ist das für seine Feinde, Freude und Trost aber für alle Gläubigen.

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Jüngerschaft und Nachfolge

Ging Jesus seinen schweren Weg, damit wir ihn auch gehen? Oder ging er ihn stellvertretend für uns, damit wir das nicht müssen? Wohl folgt ein Jünger seinem Vorbild. Aber die Erlösten werden nicht zu Erlösern, wie der Lehrling einmal zum Meister wird. Der im Guten Vorangehende bahnt und ebnet für alle Nachfolgenden den Weg, so dass sie ihn in seinem „Windschatten“ bewältigen können. Jesus vertritt uns im Beseitigen der Hindernisse. Die Stellvertretung geht aber nicht so weit, dass er uns auch noch das Laufen abnähme!

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Ein Evangelium der Selbstannahme? 

Die gute Nachricht des Neue Testaments besteht darin, dass Christus ein Problem löst, das Menschen mit Gott haben. Doch neuerdings wird der Akzent sehr verschoben und mancher predigt, als bestünde Erlösung nicht darin, dass Christus uns mit Gott, sondern dass er uns mit uns selbst versöhnt. Jesus ging aber nicht ans Kreuz, damit wir uns selbst gnädig sind. Und er lehrte auch seine Jünger nicht, sich selbst zu lieben, sondern sich selbst zu hassen (Lk 14,26), denn niemand kann den guten Gott lieben, ohne das Böse in sich selbst zu verdammen.

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Gottes Geist und andere Geister

Beton oder Stahl sind „an sich“ weder gut noch schlecht. Es kommt darauf an, was der Geist des Architekten daraus macht. Und dasselbe gilt vom „Rohmaterial“ unseres Lebens, das aus Gesundheit, Intelligenz, Kraft oder Schönheit besteht. Nichts von alledem ist „an sich“ schon gut oder schlecht. Denn erst der Geist gibt den Dingen Form, Sinn und Ziel. Erst der Geist, der uns treibt, lässt unsere Potentiale zum Segen oder zum Fluch ausschlagen. Darum ist die zentrale Frage nicht, über welches „Rohmaterial“ ich verfüge, sondern welchem Geist es dienstbar wird.

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Der eingeborene Sohn (solus Christus)

Wenn Christus als der „eingeborene“ Sohn bezeichnet wird, bleibt das oft unverstanden. Der Ausdruck meint aber, dass er Gottes „einziger“ Sohn ist. Er ist nicht einer von vielen „Söhnen“ oder einer von mehreren „Heilsbringern“, sondern ist sowohl in seinem Wesen wie in seinem Wirken unvergleichlich und konkurrenzlos. In ihm darf jeder Sünder Erlösung finden. Aber ohne ihn gelangt keiner ans Ziel. Wer an ihn glaubt, hat das Heil. Doch ist das nicht eine Chance unter vielen, sondern die einzige. Denn es ist uns kein anderer Name gegeben, durch den wir sollen selig werden. M.a.W.: An Christus vorbei führt kein Weg in den Himmel.

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Christus der Herr

Der Sünder in uns will (pubertär und bockig) sein eigener Herr sein. Und so bedarf es von Gottes Seite eines großen Aufwands, unseren törichten Widerstand zu brechen und unser „Herr zu werden“. Doch auf dieses „Herr-Sein“ Christi zielt Gottes gesamter Heilsplan. Wer von der Sünde überwunden wird, ist der Sünde Knecht – zu seinem Nachteil. Und wer von Christus überwunden wird, ist Christi Knecht – zu seinem Vorteil. Eine dritte Möglichkeit gibt es aber nicht. Daher ist es widersinnig, sich einer Herrschaft entziehen zu wollen, ohne die wir nicht bestehen können.

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Hingabe

Zur Hingabe gibt es keine echte Alternative. Denn wer nie für etwas „brennt“, verpasst sein Leben. Doch liegt darin das Geheimnis der Hingabe, dass wir an dem, wofür wir uns hingeben, nicht anders teilhaben als durch Opfer und Schmerz. Und Christus ist das beste Beispiel. Er nahm den Kreuzestod auf sich, damit wir neues Leben empfingen. Er lieferte sich aus, um uns zu schützen. Und in diesem Engagement Christi offenbart sich das Wesen Gottes. Sind wir aber sein Ziel – wäre es da nicht angemessen, Gottes Hingabe mit gleicher Hingabe zu beantworten? In der Tat. Wir sollen unser Dasein nicht banalisieren, indem wir Banales ins Zentrum stellen, sondern sollen unser Leben an Gott verlieren, um es auf ewig zu gewinnen.

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Warum kommt Christus zweimal?

Wir stehen zwischen „Ankunft“ und „Wiederkunft“ Christi, weil das Reich Gottes ein Prozess ist, der Zeit braucht. Christus vergleicht es mit dem Ackerbau, dem Fischfang, dem Backen mit Sauerteig oder dem Heranwachsen eines Senfkorns zum Baum. Und was er auf Erden angestoßen hat, ist offenbar von derselben Art – so dass die „Aussaat“ des Evangeliums und die „Ernte“ nicht auf einem Tag liegen können. In der Zwischenzeit wirkt vieles „unfertig“. Doch wenn Christus wiederkehrt, wird er die Spreu vom Weizen trennen und den guten Ertrag einfahren. Die Widersprüche der Gegenwart erklären sich aus der Spannung von „schon“ und „noch-nicht“ im laufenden Prozess. Doch Christus bringt ihn wunschgemäß zu Ende.

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Der Heilige Geist

Person und Werk des Heiligen Geistes sind in besonderem Maße „unanschaulich“. Doch würde Gott nicht als Heiliger Geist an uns und in uns wirken, könnte niemand erlöst werden: Der Geist sorgt dafür, dass das äußere Wort der Bibel uns innerlich so betrifft, erleuchtet und erneuert, dass wir Gott in Christus erkennen, durch den Glauben das Heil ergreifen und uns dann auf den Weg machen, (unserer Lebensführung nach) so „gerecht“ zu werden, wie wir es (nach Gottes barmherzigem Urteil) schon sind.

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Die Einwohnung des Heiligen Geistes

Dass Gottes Geist in den Gläubigen „wohnt“, ist irritierend, aber notwendig. Denn anders als durch den Heiligen Geist, der uns anschließt an die Quelle des Heils, würde Gott uns nicht erreichen. Wohnte Gott nicht in uns, blieben wir immer fern von ihm. Ist er aber in uns, so tut er stellvertretend für den menschlichen Geist, was dieser nicht vermag, und schafft die Glaubenszuversicht, die wir nie aufbrächten. Genau genommen ist es Gott selbst, der in uns an sich glaubt. Er lässt unseren Geist teilhaben an der Gewissheit, mit der Gott um sich selbst weiß.

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Gotteserkenntnis, Zweifel und Bekehrung

Die Gewissheit des Glaubenden ist nicht „begründet“, sondern ist begründend. Sie beruht nicht auf Erfahrungen, sondern liegt allen religiösen Erfahrungen voraus, als das, was sie ermöglicht. Glaubensgewissheit steht also nicht als Ergebnis am Ende einer Argumentation, sondern als Voraussetzung an ihrem Anfang. Sie verändert nicht Urteile, sondern zuerst den Urteilenden. Sie ist kein Impuls, den man erdenkt, sondern einer, dem man erliegt. Wer aber braucht für solches „Erliegen“ Gründe? Begründet der Surfer die Welle, die ihn mitreißt?

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Gottes Volk und Prädestination

Bei Gott funktioniert Demokratie andersherum. Denn er ist ein König, der sich sein Volk wählt. Und er tut es nicht, weil die Erwählten etwas Besonderes wären, sondern sie sind nur deshalb etwas Besonderes, weil Gott sie erwählt. Gottes Wahl gründet in nichts anderem als in Gottes Freiheit, so dass wir als Christen nicht sind, was wir sind, weil wir uns für Gott, sondern weil er sich für uns entschieden hat. Wir verdanken unseren Glauben seiner Zuwendung zu uns. Und das ist gut so. Denn was unsere zittrigen Hände nicht halten, können sie auch nicht fallenlassen!

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Wer glaubt, ist erwählt 

Gottes Ratschluss zur Erwählung ist keine so wackelige Sache, dass ihm der Mensch wieder aus den Händen rutschen könnte, wie dem Angler ein allzu glitschiger Fisch. Es ist undenkbar, dass Gottes Geist in jemandem echten Glauben wecken sollte, um ihn danach wieder gänzlich fallen zu lassen. Was Gott anfängt, bringt er auch zu Ende – und seine Zusagen täuschen niemanden. Menschen aber täuschen sich selbst. Und wenn ihr „Glaube“ nur eingebildet bzw. angemaßt war, gehen sie verloren. Doch erwählt waren sie dann nicht. Denn die, die Gott will, bekommt er auch. Und die er nicht bekommt, hat er sowenig gewollt wie sie ihn.

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Berufung

Eine heilvolle Beziehung zwischen Gott und Mensch kommt nicht dadurch zustande, dass der Mensch sie wünscht, sondern dadurch, dass Gott ihn in diese Beziehung beruft. Er tut das äußerlich durch das verkündigte Evangelium und innerlich durch den Heiligen Geist. Und wer diesem Ruf folgend zu Christus kommt, den wird er nicht hinausstoßen. Ein „unverbindliches Angebot“ ist das aber nicht. Denn die übermittelte Botschaft berechtigt uns nicht bloß, sondern verpflichtet uns auch, der Berufung zu folgen. Gott stellt sein freundliches Berufen nicht zur Diskussion, sondern fordert unseren Gehorsam.

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Erleuchtung

Im Christentum ist Erleuchtung kein Luxusgut für religiös Hochbegabte, sondern eine Grundvoraussetzung des Glaubens. Denn von Geburt an ist der Mensch verblendet. Gottes Offenbarung ist durchaus gegeben. Doch er kann sie mit sehenden Augen nicht sehen – und ist sogar blind für die eigene Blindheit. Wenn Gott ihn erleuchtet, sieht er alles „mit anderen Augen“ und begreift, was es wirklich bedeutet. Weder Gott noch die Welt haben sich verändert. Aber Gottes Geist hat dann uns geändert, so dass wir Gott in Christus erkennen – und somit die Strenge und Güte, mit der er uns begegnet. Wir sehen nicht nur „klar und hell“, wir werden auch „klar und hell“, reflektieren Gottes Licht und beginnen zu leuchten.

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Buße

„Buße tun“ bedeutet nicht, eine verdiente Strafe zu erleiden, sondern den Richtungswechsel zu vollziehen, der uns diese Strafe erspart. Denn wo Buße ist, wird Glaube folgen. Der Glaube empfängt Vergebung. Und wer die hat, ist gerettet. Der Bußruf lädt also Gottes „verlorene Söhne“ zur Heimkehr ein. Und für jeden, der Satan durch die Lappen geht, feiert der Himmel eine Party. Ohne Buße geht’s aber nicht. Denn solange wir versuchen, uns zu rechtfertigen, wird Gott uns verdammen. Und erst wenn wir uns verdammen, wird er uns rechtfertigen.

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Glaube als entschlossenes Zugreifen

Glaube ist ein entschlossenes Zugreifen auf die Verheißungen Gottes, die sich der Gläubige im Wissen um seine Bedürftigkeit aneignet. Er behaftet Gott bei seinem Wort, hinter das er, (um seiner Ehre willen) nicht mehr zurück kann. Sich darauf zu berufen – und notfalls auch gegen Gott auf Gottes Treue zu insistieren! – das allein ist rettender Glaube. Denn ein Evangelium, das ich nicht persönlich aneigne, ist so viel wert wie ein Scheck, den ich nicht einlöse, wie ein Geschenk, das ich nicht auspacke, oder ein Medikament, das ich nicht nehme.

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Rechtfertigung, Gerechtigkeit und Gnade

Gottes Reich bleibt uns verschlossen, wenn wir aufgrund eigener Leistungen oder Qualitäten Einlass begehren, denn nichts von dem, was wir sind oder haben kann vor Gottes Augen bestehen. Doch wenn wir durch den Glauben Christus angehören, so legt Christus uns seine Gerechtigkeit wie einen Mantel um die Schultern, bedeckt damit unsere Schande, leiht uns seine Identität und rettet uns dadurch, denn dann hält uns Gott zu Gute, was (nicht wir, sondern) Christus für uns getan hat.

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Gütergemeinschaft mit Christus

Die Bibel misst dem Glauben so große Bedeutung bei, weil er den Gläubigen und den, an den geglaubt wird, zu einer Einheit verbindet. Alles, was der Gläubige begangen hat, wird Christus zu Eigen. Alles aber, was Christus besitzt und vollbringt, wird dem Gläubigen zu Eigen. Wie bei einem armen Mädchen, das einen reichen Prinzen heiratet, ist diese Gütergemeinschaft für den Menschen höchst vorteilhaft: Er überlässt Christus seine Vergänglichkeit und Schuld und empfängt dafür Christi Ewigkeit und Gerechtigkeit.

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Gefühle zum Glauben

Beim Christ-Sein geht es nicht darum, dass einer seinen religiösen Gefühlen, sondern dass er dem Evangelium glaubt. Darum dürfen fromme Stimmungen und innere Erlebnisse nicht zur Zugangsbedingung erhoben werden. Christus hat nicht die zu sich gerufen, die etwas Tolles fühlen, sondern die Mühseligen und Beladenen – und die müssen weder „gute Werke“ noch „religiöse Gefühle“ mitbringen. Wenn Christus will, kann er beides schenken. Es geht aber auch ohne. Denn Christus ist verlässlich, und unsere religiösen Gefühle sind es nicht.

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Heilsgewissheit

Ein Christ kann und muss zu seiner Erlösung keinen eigenen „Beitrag“ leisten. Und das ist ein Glück. Denn sonst bliebe immer ungewiss, ob er „genug getan“ hätte. Da aber die Erlösung in keiner Weise auf dem Tun des zu Erlösenden und ausschließlich auf dem Tun des Erlösers beruht, kann der Christ seines Heiles gewiss sein. Er soll zwar vieles tun zum Wohle seiner Mitmenschen, aber nichts soll er tun zu seiner eigenen Rettung. Denn was Christus für uns tat, war keine halbe Sache.

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Die Knechtschaft des menschlichen Willens

Der Mensch kann tun, was er will, kann aber nicht wollen, was er wollen soll. Gefangen in der Dynamik der Sünde ist er wie ein Rad, das einen Abhang hinunterrollt, und aus eigener Kraft nicht die Richtung zu ändern vermag. Gottes gnädiges Erwählen ist darum nicht eine notwendige Bedingung der Erlösung (zu der die „freie“ Entscheidung des Menschen noch hinzutreten müsste), sondern sie ist die völlig hinreichende, keiner Ergänzung bedürftige Bedingung der Erlösung (aus der Kraft des Heiligen Geistes die positive Willensbewegung des Menschen resultiert).

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Christliche Freiheit

Die Freiheit, die Christus schenkt, besteht darin, dass er uns auf eine tiefe und endgültige Weise von der Sorge um uns selbst und um das Gelingen unseres Lebens befreit. Er steht für uns ein und bindet uns an seine Person. Eben diese Bindung macht aber unsere Freiheit aus, weil sie es erlaubt, unser zentrales Lebensproblem in Christi Hände abzugeben. Gibt es auch noch genug zu tun, so können und müssen wir doch für das Heil unserer Seele nichts mehr tun. Von dem Fluch, ungenügend zu sein, sind wir gänzlich befreit, weil Christus in uns ist, der allem genügt.

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Sein Kreuz auf sich nehmen                              

Das Kreuz eines Christen besteht in dem Leid, das er bewusst in Kauf nimmt, weil es für die vollen Gemeinschaft mit Gott und zum Abbau seines „alten Menschen“ erforderlich ist. Gott schickt uns solches Kreuz zu Hilfe, denn alles, was uns von Adam her angeboren ist, muss in und an Christus sterben. Es ist gut gemeint! Und so können wir alles als „Kreuz“ ansehen, was geeignet ist, unsere Vermessenheit zu dämpfen, unseren Stolz zu brechen und unser Rühmen zu unterbinden. Das Kreuz verhilft uns (unter dem Anschein des Gegenteils) zum Leben. Doch – das Leid um des Leides willen zu suchen, ist keine fromme, sondern eine echt kranke Idee!

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Glaube und Werke

Die guten Werke, die aus dem Glauben hervorgehen, sind in einer Hinsicht nicht notwendig und in einer anderen Hinsicht notwendig: (1. Satz) Nicht notwendig sind die Werke im Blick auf das Heil des Menschen, denn dafür sorgt Jesus Christus ganz allein. (2. Satz) Notwendig sind sie aber, insofern der Glaube gar nicht anders kann, als die Frucht guter Werke hervorzubringen. Beide Sätze sind richtig und wichtig! In Spannung treten sie aber nur, wenn man einen davon missversteht. 

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Christ - und trotzdem Sünder?

Eigentlich sollte man erwarten, dass ein Christ – mit Gottes Geist beschenkt – auch diesem Geist gemäß lebt. Doch tatsächlich sind Christen „Gerechte“ und „Sünder“ zugleich. „Gerechte“ sind sie nach Gottes Urteil, das ihnen dieselbe Gerechtigkeit zuerkennt wie Christus selbst, „Sünder“ sind sie aber ihrem eigenen Urteil und ihrem Verhalten nach. Denn die Gerechtigkeit eines Christen ist keine Eigenschaft seiner Person, sondern besteht ganz in der Nachsicht seines barmherzigen Gottes. Die Überbleibsel der Sünde bleiben trotzdem ein Ärgernis! Doch wo ein Christ nicht willentlich, sondern unwillentlich sündigt (aus Überforderung und mit sofortiger Reue), wird es ihn nicht gleich sein Seelenheil kosten. 

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Wie man sich der Gnade Gottes vergewissert 

Da Gott nicht einfach „alle“ erlöst, kann der Einzelne in quälende Zweifel geraten, ob die Zusagen des Evangeliums auch ihm persönlich gelten – oder vielleicht nur anderen. Wenn manche verworfen werden – wie weiß er, dass er zu den Erwählten gehört? Selbstbeobachtung führt garantiert nicht zum Ziel. Doch Gott hat Heilsmittel bereitgestellt, die uns seine Gnade verlässlich zueignen: Wer im Glauben am Abendmahl teilnimmt, darf seiner Erwählung unmittelbar gewiss sein. Und das nicht etwa, weil er „gut“, sondern weil Gottes Sakrament verlässlich ist. Die Heilsgewissheit, die es anderswo nicht gibt, findet man also am Altar.

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Das Hohelied der Liebe

Das „Hohelied der Liebe“ scheint in maßloser Übertreibung die Gottesgabe der Liebe gegen alle anderen auszuspielen, so als wollte Paulus eine Tugend auf Kosten aller anderen loben. Doch redet er gar nicht von der zwischen-menschlichen Liebe, die unsereiner empfindet, sondern von der göttlichen Liebe, deren Gegenstand wir sind. Und erst so macht es dann Sinn:  Auch in seiner „Bestform“ ist der Mensch nichts, wenn Gott ihn nicht liebt. Denn nicht die Liebe, die er übt, sondern die Liebe, die ihm gilt, verleiht dem Menschen Wert und Bedeutung.

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Nachfolge, Schicksalsgemeinschaft und Jüngerschaft

Die Taufe begründet zwischen dem Christen und Jesus Christus eine enge Schicksalsgemeinschaft, die durch den Begriff der „Nachfolge“ charakterisiert wird: Die heutigen „Nachfolger“ und „Jünger“ Jesu teilen mit ihrem Herrn nicht mehr die staubigen Straßen Galiläas. Aber wie Christi Weg ins Leid führte, so bekommt auch der Christ sein Kreuz zu tragen. Und wie Christi Weg durchs Leid hindurch zum Triumph führte, so gewinnt auch der Christ Anteil an der Auferstehung.

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Fröhliche Selbstvergessenheit

Unsere Gedanken werden in der Regel von zahllosen egozentrischen Sorgen und Wünschen beherrscht. Sie kreisen ständig darum, was ich „bin“ und was ich „habe“, was ich „kann“ und was ich „will“. Doch der Glaube relativiert das aufgeblähte „Ich“, so dass der Mensch sich mit der Zeit weniger wichtig nimmt und Gott immer mehr Raum gibt. Er will am Ende nichts anderes mehr sein, als was Gott ihn sein lässt. Und er strebt nur noch danach, sein Denken, Tun und Wollen möglichst vollständig mit Gottes Denken, Tun und Wollen zu verschmelzen.

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Gottesfurcht

Der Glaube lässt Gott Gott sein – und beschränkt darum den Menschen darauf, Mensch zu sein. Er relativiert alle Hierarchien und entzaubert die Welt. Denn der Glaube duldet nicht, dass Irdisches in den Rang des „Göttlichen“ und „Letztgültigen“ erhoben wird. Wenn es darum geht, Ehre zu erweisen oder Ehrerweisungen zu empfangen, hält der Gläubige sich zurück. Und wo er es nicht mit Gott zu tun hat, da behält er (innerlich) den Hut auf. Denn alles, was nicht Gott ist, ist zu Gottes Dienst bestimmt. Ihm allein gebührt Ehre – und sonst niemandem.

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Gottvertrauen

Gottvertrauen hat nichts zu tun mit der Gelassenheit der Naiven oder der Unerschütterlichkeit der Gefühlskalten, es ist weder Coolness noch stoische Ruhe, sondern die Kunst, Freud und Leid gleichmütig in Empfang zu nehmen, weil der Absender in jedem Falle Gott ist. Einem Christen kann in seinem Leben nichts widerfahren, als nur, was der barmherzige Vater ihm zugedacht hat. Darum ist all seine Sorge umfangen von einer großen Sorglosigkeit, und all seine Furcht begrenzt von einer tiefen Furchtlosigkeit.

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Eros und Agape (von wahrer Liebe) 

Es gibt zwei Arten der Liebe, die strikt zu unterscheiden sind. Denn Eros-Liebe sucht beim anderen schon vorhandenen Wert, um in liebender Vereinigung daran teilzuhaben. Agape-Liebe hingegen verleiht durch ihre Zuwendung Wert, wo vorher keiner war. Eros-Liebe will glücklich werden. Agape-Liebe will glücklich machen. Eros begehrt, um zu besitzen. Agape hingegen verschenkt sich. Eros erlischt, wenn der Gegenstand seine Attraktivität verliert. Agape hingegen bleibt unberührt, weil sie nach Attraktivität gar nicht fragt. Nur sie ist „wahre“ Liebe!

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Liebe zu Gott

Die Liebe zu Gott besteht darin, in hingegebener Weise auf ihn konzentriert und ausgerichtet zu sein. Wer Gott liebt, dreht sich nicht hierhin und dahin, um tausend Dinge wichtig zu nehmen, sondern hängt an Gott und schaut auf Gott. Er reißt die Fenster weit auf, damit Gottes Wort hereinschallt, und streckt Gott sein Gesicht entgegen, damit Gottes Sonne es wärmt. Er ist, was er ist, nur in der Beziehung zu Gott, denn ihm ehrfurchtsvoll und freudig gegenüberzustehen, mit größtem Respekt, aber ohne Angst, das macht das Wesen und die Bestimmung des Gläubigen aus.

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Gewöhnliche Hoffnung – Christliche Hoffnung 

Gewöhnliche Hoffnung besteht in dem Wunsch, etwas Positives, aber Ungewisses, möge aus dem Bereich des Möglichen in den des Wirklichen übergehen. Weil die Erfüllung dieses Wunsches aber nur mehr oder minder wahrscheinlich ist, wird die gewöhnliche Hoffnung stets von Unsicherheit und Furcht begleitet. Christliche Hoffnung zielt dagegen auf Heilsgüter, die dem Glaubenden schon hier und heute geschenkt sind. Sie steht darum so fest wie der Allmächtige, dessen Wort sie begründet. Sie hat volle Gewissheit und keinerlei Furcht, weil das, was Gott will, nicht nur kommen kann, sondern unausweichlich kommen muss.

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Von mühe- und sorglosem Gehorsam

Wir können von Pflanzen und Tieren etwas lernen, denn sie leben in einer selbstverständlichen und unangestrengten Übereinstimmung mit dem Willen Gottes, wachsen, wenn sie können, und leiden, wenn sie müssen, hadern aber mit nichts und neiden nichts, sondern sind mit völligem Einverständnis das, wozu Gott sie gemacht hat. Menschen hingegen sind innerlich zerrissen und erlangen den Konsens mit Gott erst wieder durch den Glauben an die barmherzige Vorsehung und Führung des himmlischen Vaters, in die sich der Glaube ergibt.

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Enttäuschung, Schwermut, Weltschmerz

Das menschliche Leben ist in weiten Teilen ein vergebliches Jagen nach vergänglichen Gütern von zweifelhaftem Wert. Doch für die Enttäuschung, die daraus resultiert, ist nicht die „Welt“ verantwortlich, sondern der Mensch, der in der Welt sucht, was nur bei Gott zu finden ist. Unseren Hunger nach Vollkommenheit, Verlässlichkeit, Wahrheit, Gerechtigkeit und Glück kann und soll die Welt nicht stillen. Das aber zu erkennen, sich von der Welt frei zu machen für Gott, und dann den Frieden nirgendwo anders zu suchen als in ihm – das ist Glaube.

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Glauben als Blickrichtung

Der Mensch neigt dazu, mit besorgtem Blick auf sich selbst zu schauen. Er starrt gebannt auf die eigene Befindlichkeit und erwartet von niemandem viel, außer von sich selbst. Der Glaube aber löst diese ungesunde Fixierung und verweist uns auf den, dem wir alle Sorge überlassen können. Wir dürfen den Blick weg-wenden von all dem „Ich“ und „Mir“ und „Mein“ und „Mich“, um hinzuschauen auf Christus. Denn in der Neuausrichtung auf ihn öffnet sich der verkrümmte und verkrampfte Mensch zu fröhlicher Selbstvergessenheit, um sich jenseits der eigenen Person in Christus zu gründen.

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Glaube als Bund mit Gott

Ist Glaube ein „Vertrag“ mit Gott? Nicht im dem Sinne, dass Inhalte und Bedingungen des Bundes frei ausgehandelt würden. Die Partner sind nicht auf Augenhöhe. Und doch ist der „neue Bund“ in Christus ein Verhältnis wechselseitiger Loyalität und Treue, das klare Zusagen und Pflichten einschließt. Nichts daran ist verdient, der Glaubensbund wird gnadenhaft gewährt! Doch kann ihn verspielen, wer die Gemeinschaft nicht pflegt. Christ-Sein ist also etwas viel Konkreteres und Verbindlicheres als nur ein wenig Moral und diffuse religiöse Gefühle!

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 Glaube als unaufhörliche Bewegung

Wer sich selbst kennt und Gott kennt, hat allen Grund, vor Gott zu fliehen. Denn zwischen seiner Gerechtigkeit und unserer Schuld besteht ein krasses Missverhältnis. Allein: Wo kann man sich verstecken vor dem, der allgegenwärtig ist? Nur die eine Chance gibt es, dass uns Gott selbst vor Gott in Schutz nimmt. Und diese Chance ergreift der Glaube, indem er vor Gott zu Gott flieht, bei Christus unterkriecht und vor Gottes Gericht an Gottes Gnade appelliert.

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Gottesbeziehung und Autonomiestreben

Alles, was am Menschen herrlich sein kann, ist ihm gerade so geliehen, wie dem Mond sein Glanz geliehen ist von der Sonne. Auch der Mensch ist ein Klumpen aus Staub, der am schönsten erscheint, wenn er Gottes Macht und Güte reflektiert. Aber sollte man das beklagen und versuchen, selbst zur Sonne zu werden? Nein! Gott gebührt die Ehre. Und ein Leben lang unter seinem Glanz zu liegen als Projektionsfläche für Gottes Licht, das ist schön, ist gar nicht übel – und für einen Haufen Staub auch durchaus genug.

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Sich zur Christenheit beitragen

Die Christenheit ist Gottes „geistliches Haus“, erbaut aus „lebendigen Steinen“. Und der einzelne Christ, der sich selbst als einen Stein zum großen Dom beiträgt, gewinnt dadurch Anteil an dem, was den Dom von einem Steinhaufen qualitativ unterscheidet. Es adelt die Steine, dass der Dom ihrer bedarf, um zu sein! So wie sie das Haus Gottes bilden, ohne deswegen selbst Gott zu sein (so wie sie das Heilige umhüllen, ohne sich selbst mit dem Heiligen zu verwechseln), so dürfen Christen in der gemeinsamen Ausrichtung auf Gott bei ihm, in ihm und um ihn sein. 

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Der vierfache Gottesdienst 

Der christliche Gottesdienst ähnelt einem Eisberg. Er reicht weit in die Tiefe. Aber nur ein Zehntel seiner Masse ist sichtbar. Und dieses Zehntel enttäuscht uns, wenn wir vom Rest nichts wissen. Neben dem „äußeren“ Gottesdienst der versammelten Gemeinde (1) gibt es den „inneren“ Gottesdienst des Glaubens (2), und neben dem „alltäglichen“ Gottesdienst des christlichen Lebens (3) auch noch den Gottesdienst der jenseitigen Welt (4). Alles zusammen ist aber nie die angestrengte Performance der „Mitwirkenden“ für Gott (was hätte er davon?), sondern immer Gottes Werk und Gottes Dienst an uns.

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Gottes Strafen 

Gott hat nicht aufgehört zu strafen. Und seine Strafen bringen Leid. Doch ist deswegen nicht alles Leid als Strafe anzusehen. Denn Gott kennt Strafen zur Seligkeit und Strafen zur Verdammnis. Er kennt gnädige Heimsuchungen zur Besserung und ungnädige zum Verderben. Die ersten treffen nur Christen, und die zweiten treffen nur Nicht-Christen. Denn für diese trägt Christus ihre Schuld. Und für jene ist sie noch eine offene Rechnung. Die einen treibt von Gott kommendes Leid immer weiter zu ihm hin. Die anderen treibt es immer weiter von ihm fort.

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Sterben können (Ars moriendi) 

Der Blick auf unser Versagen, auf Schuld und unerfüllte Wünsche, macht das Sterben schwer. Darum gelingt getrostes Sterben nur, wo wir den Blick auf Christus richten. Er ist bereit, unsere Defizite auszugleichen, wenn wir uns seiner Gnade überlassen. Und Christus zu ergreifen, ist auch ein schwacher Glaube stark genug. Fürchtet aber jemand Gottes Strenge, soll er umso entschlossener zu Christus hin flüchten und ihn bitten, im Gericht sein Fürsprecher zu sein: So einer wird durch den Tod keineswegs vernichtet, sondern durch den Tod hindurch vollendet.

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Mut und Trotz

Gott wird nie aufhören, sein Wort zu halten. Wer aber auf dieses Wissen baut und aus dem Evangelium die logisch zwingenden Folgerungen zieht, hat keinen Grund zu zittern, zu zagen, zu sorgen oder zu klagen, sondern wird mutig, trotzig und munter sein. Ein resignierender Christ steht mit sich selbst im Widerspruch. Denn als Christ darf er wissen, dass er am Sieg Jesu Christi teilhat – und sollte darum nicht wie ein Verlierer herumlaufen, sondern sollte aufrecht gehen und unbeirrt mutig sein.

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Wie du glaubst, so hast du 

Die Frage, wie Gott zu einem Menschen steht, ist unlöslich damit verbunden, wie dieser Mensch zu Gott steht. Darum sagt Luther „wie du glaubst, so hast du“. Glaubst du Gott seine Gnade, so stehst du auch in seiner Gnade. Doch glaubst du ihm seine Gnade nicht, so hast du sie auch nicht. Denn sie gilt nur dem, der dankbar nach ihr greift und damit anerkennt, dass er sie nötig hat. Misstraut ein Mensch hingegen Gottes Milde, so übt Gott auch keine Milde – sondern den unversöhnlichen Gott, an den er glaubt, den hat er dann auch auf dem Hals.

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Lauterkeit vor Gott

Alles kann man verlieren, aber den Willen muss man sich bewahren, Gott gegenüber redlich und wahrhaftig zu bleiben. Nicht so, als ob man je eine der Wahrheit Gottes entsprechende Haltung einnehmen könnte, aber doch so, dass man diese Haltung einzunehmen wünschte, wenn man’s denn könnte – damit, wenn von der eigenen Person auch sonst nichts bliebe, doch dieser Wunsch übrig bliebe, nicht aus der Gemeinschaft mit Gott herauszufallen. Wer sich in diesem Punkt Lauterkeit bewahrt, für den ist jeder andere Schaden durch Gottes Gnade heilbar. 

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Auf dass Gott mein Alles sei 

Der Glaube behauptet sich nicht, indem er sagt „ich habe Macht“, sondern „der Herr ist meine Macht“ (Ps 118,14), so dass er nicht etwa durch Gott reich ist an Irdischem, sondern reich ist an Gott. Der Gläubige will nichts sein, auf dass Gott in ihm alles sei – und wird dadurch geistlich unangreifbar: Christi Gerechtigkeit ist die einzige, deren er sich rühmt, und seine gesamte Schuld hat er an Christus abgegeben. Gottes Wort ist seine Wahrheit, und Christus sein Leben. Weil ihm all das aber nicht „gehört“, kann‘s ihm auch niemand rauben. Wo immer der Feind ihn greifen will, trifft er auf Christus – und der Schlag geht ins Leere.

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Gottes Führung 

Gott hat versprochen, die Seinen zu führen. Doch geschieht das eher selten durch wunderbare Zeichen, Träume, Stimmen, Engel oder Visionen, sondern in der Regel so, dass Gottes Geist uns durch das Wort der Schrift mit Gottes Prioritäten und Maßstäben vertraut macht. Wir eignen uns seine Perspektive an, beginnen zu lieben und zu hassen, was Gott liebt und hasst – und entscheiden dann ganz von selbst „in seinem Sinne“. Führung geschieht also durch betendes Nachdenken und nachdenkliches Beten, an dessen Ende wir Klarheit darüber haben, was Gottes Gefallen, und was sein Missfallen erregt. 

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Beten ist, wenn man’s trotzdem tut 

Eigentlich sollte das Beten einem Christen so natürlich sein wie das Atmen. Doch als „Anrede des Menschen an den Willen, den er über sich weiß“ wirkt das Gebet oft naiv oder anmaßend. Allerdings liegt seine Berechtigung gar nicht darin, dass es uns vernünftig und möglich erscheinen könnte, sondern allein darin, dass Gott es fordert. Er selbst beginnt das Gespräch durch sein biblisches Wort. Er redet uns an. Und nicht zu reagieren, wäre sehr unhöflich – zumal Gott selbst für gelingende Kommunikation sorgt: Es ist Gottes eigener Geist, der durch uns betet, wenn wir zu Gott beten.

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Gemeinschaft durch Teilhabe

Es ist die Bestimmung des Menschen, mit Gott in Gemeinschaft zu stehen. Doch von eben dieser Gemeinschaft schließt ihn seine Sünde aus. Und neue Gemeinschaft erlangt er nur durch die Teilhabe an Christus im Glauben. Christus integriert die Verlorenen in den Leib Christi, den wir „Kirche“ nennen. Und da die ursprüngliche Gemeinschaft mit Gott an übergriffigem Verhalten zerbrach, lebt die neue nun von tiefem Respekt. Wir sind mit Gott genau darin einig, dass wir unterschieden bleiben – nur so werden wir ihm gerecht und wahren die Gemeinschaft, in der unsere Bestimmung liegt. „Kirche“ ist die Gemeinschaft derer, die mit Gott auf eben diese Weise Gemeinschaft haben. 

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Die Kirche als Braut Christi 

Im Neuen Testament ist es ein geläufiges Bild für das Reich Gottes, dass der Bräutigam (Jesus Christus) kommt, um seine Braut (die Kirche) zur Hochzeit zu führen. Er hat sich selbst für sie dahingegeben, damit sie ohne „Flecken oder Runzel“ sei, herrlich, heilig und untadelig (Eph 5). Und die Kirche sollte ihn darum voller Freude, Treue und Hingabe erwarten. Wo sie aber gar nicht einer bildhübschen, jugendfrischen Braut ähnelt, sondern einem alten Weib mit zwielichtiger Vergangenheit, entsteht ein Problem. Denn eines Tages wird der Bräutigam in der Tür stehen und wird nach der Kirche fragen, seiner geliebten „Gemeinschaft der Heiligen“.

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Gottes Gegenwart und unser Greifen 

Gott ist nirgends nicht. Doch folgt daraus keineswegs, dass man überall mit ihm in Kontakt käme. Nur weil Gott „da“ ist, und sein Arm uns streift, heißt das noch nicht, dass Gott auch „für-uns-da“ und zugänglich wäre. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Gottes Gegenwart und unserem Greifen! Denn nur an bestimmten Punkten gibt er sich eine Gestalt, die wir verkraften können. Darum ist nicht alles ein „Gnadenmittel“, was wir dafür halten möchten, sondern nur das, was Gott selbst dazu gemacht hat: Wort, Glaube, Sakrament und Gebet. 

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Gottes Wort

Gott macht kein folgenloses Gerede. Vielmehr hat sein Wort die Dynamik einer riesigen Meereswoge, die alles, was mit ihr schwimmt, bis zum Horizont davon trägt, und alles, was sich entgegenstellt, auf den Grund hinunterdrückt und unterpflügt. Denn das Evangelium kommt zu mir, damit sich durch seine Botschaft bei mir ereigne, wovon die Botschaft berichtet. Nehme ich das Wort auf, wird eben damit die Gnade zum Ereignis, lehne ich es ab, habe ich die Gnade abgelehnt. Denn da ist nicht einerseits die Gnade, und andererseits das Wort, das von ihr redet, sondern die Gnade ist im Wort enthalten, und das Wort in der Gnade.

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Kann Predigen vergeblich sein? 

Es scheint oft, als sei unser Predigen „vergebliche Liebesmüh“, so dass ein ärgerlicher Prediger zuletzt denken mag: „Glaubt doch, was ihr wollt!“ Doch hat er dann seinen Auftrag missverstanden, der gar nicht darin besteht, „gut anzukommen“, sondern allein darin, Gottes Wort treu und verständlich weiterzugeben. Ob es dann bei den Hörern rettenden Glauben oder Verstockung wirkt, liegt in Gottes Hand. Sein Wort wirkt jederzeit, was es wirken will. Und es zu verkünden ist auch dann nicht vergeblich, wenn es auf massiven Widerstand trifft. Denn Gott sagt: „Wer es hört, der höre es; wer es lässt, der lasse es“ (Hes 3,27).

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Sakramente

Sakramente sind Kabel, die Menschen mit Gott vernetzen. Sie sorgen für den richtigen „Anschluss“, weil Gott verspricht, ein sichtbares Geschehen (in der uns vertrauten Welt der Dinge) mit einem unsichtbaren Geschehen (in der uns unvertrauten Welt Gottes) zu verknüpfen. Als Sakramente können nur Handlungen gelten, die Christus selbst angeordnet und in denen er ein sichtbares Element mit der Verheißung des Heils verbunden hat. Sakramente sind zwar, was sie sind, auch ohne den Glauben. Aber nur im Glauben kann man sie heilvoll empfangen.

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Taufe

Die Taufe ist ein Herrschaftswechsel, durch den ein Mensch dem Machtbereich des Bösen entnommen und in das Eigentum Gottes überführt wird. Als Heide wird er im Taufwasser „ersäuft“. Und als Christ geht er aus dem Taufwasser hervor: Eine neue Kreatur, die zwar noch nicht vollendet, aber doch unzweifelhaft zur Vollendung bestimmt ist. Wenn er die in der Taufe zugesagte Gnade durch den Glauben annimmt, wird nichts und niemand mehr die heilvolle Bindung an Christus durchbrechen können.

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Teilhabe an Kreuz und Auferstehung

Die Taufe ist keine nette Kindersegnung. Sie verkoppelt und verbindet den Getauften so sehr mit Jesus Christus, dass er zu einem Glied seines Leibes wird und – das gesamte Schicksal seines Herrn teilend – durch den Tod ins Leben geht. Mitgefangen mit Christus, heißt mitgehangen – heißt aber auch mit auferstanden. Der Getaufte wird Satan entzogen, wird seines Lebens enteignet und für Gott rekrutiert. Er gehört nie mehr sich selbst. Doch ist genau das zu seinem Vorteil, weil er nur so eingesenkt und einverleibt werden kann in das Leben Jesu Christi.

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Kindertaufe und Erwachsenentaufe

Als Christus befahl, alle Völker zu Jüngern zu machen und sie zu taufen, hat er die Kinder davon nicht ausgenommen. Aber haben sie auch den Glauben, der nötig ist, um die Taufe anzueignen? Ja! Wer den Glauben von seinen „erwachsenen“ Äußerungen unterscheidet, kann zuversichtlich sein, dass der Hl. Geist durch das Sakrament bei Vollzug desselben auch den Glauben wirkt, der nötig ist, um das dargebotene Heil zu ergreifen. Die Taufe ist also kein Scheck, der warten muss, bis wir ihn einlösen. Sie wirkt, was sie zeigt – sie verheißt es nicht bloß!

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Konfirmation und religiöse Identität

Die Taufe und der Glaube gehören sachlich zusammen, scheinen aber zeitlich auseinanderzutreten, wo man Säuglinge tauft. Damit dort zur Taufe ein nicht nur keimhafter, sondern entwickelter und bewußter Glaube hinzutreten kann, schuldet man den Kindern eine christliche Erziehung, durch die sie befähigt und ermutigt werden, jene Taufgnade, die ihrer bewussten Stellungnahme zuvorkam, eigenverantwortlich zu bejahen. Tun sie dies, so werden ihnen durch die Konfirmation die vollen Rechte und Pflichten eines mündigen Christen zuerkannt.

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Abendmahl

Das Abendmahl ist (1.) ein Mahl der Erinnerung und des Gedächtnisses, denn es bezieht uns ein in die Tischgemeinschaft Jesu mit seinen Jüngern. Es ist (2.) ein Mahl der Vergebung und Versöhnung, denn in und mit Brot und Wein schenkt uns Christus den Ertrag seines Kreuzestodes: Wer an seinem Tisch Gast sein darf, der ist versöhnt mit Gott. Das Abendmahl ist (3.) ein Mahl der Gemeinschaft mit den Geschwistern, die neben uns am Altar stehen. Und es ist (4.) ein Mahl der Hoffnung und Stärkung, weil es das künftige Freudenmahl im Reich Gottes vorwegnimmt.

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Christi reale Präsenz in Brot und Wein

Beim Abendmahl empfangen wir in und mit dem Brot und dem Wein zugleich Christi Leib und Blut, d.h. wir empfangen ihn selbst und das Heil, das er durch sein Leben, Sterben und Auferstehen für uns erworben hat. Wie Christus dabei Gastgeber und Speise zugleich sein kann, werden wir nie restlos verstehen. Dass er es aber ist, ist wunderbar: Christus legt all seine heilvolle Macht in dieses Mahl hinein, damit sie auf uns übergeht und uns mit ihm und untereinander zu engster Gemeinschaft verbindet.

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Essen und Einswerden im Abendmahl

Essen ist ein erstaunlicher Vorgang, durch den ein Körper in einem anderen untergeht, in ihm verschwindet, sich in ihm auflöst, ihn stärkt – und zuletzt nicht mehr von ihm unterschieden werden kann. Und genau darum will uns Jesus im Abendmahl Gastgeber und Speise zugleich sein, um in uns einzugehen und aufzugehen. Er will sich mit uns bis zur Ununterscheidbarkeit vereinen, denn während wir uns den Leib Christi in Form des Brotes einverleiben in unseren Leib, werden wir von Christus einverleibt in seinen Leib – die Kirche.

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Gemeinschaft der Gläubigen

Christ-Sein funktioniert nicht ohne Gemeinde, weil sich ein Christ das befreiende Wort, von dem sein Glaube lebt, nicht selber sagen kann. Keiner kann sich selbst taufen, segnen, mahnen, trösten, sich selbst vergeben oder sich das Abendmahl reichen. Darum braucht jeder Christ die Glaubensgeschwister als Trä­ger und Verkünder des göttlichen Heilswortes. Christliche Gemeinschaft verdankt sich diesem Wort, das Wort aber verdankt sich nicht der Gemeinschaft, sondern dem, der’s geredet hat. Wo diese Glaubensgemeinschaft aber fehlt, lässt sie sich durch nichts ersetzen.

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Kirchenkritik und Heiligkeit der Kirche

Die Kirche trägt den Ehrentitel der „heiligen christlichen Kirche“ nicht etwa, weil ihre Glieder und ihre Amtsträger „heilig“ oder „vollkommen“ wären. Sie sind es nicht und waren es nie. Aber wie eine klebrige Auster kostbar wird, durch die Perle in ihr, so wird unsere sehr fehlbare Kirche „heilig“ durch das Evangelium, das sie durch die Jahrhunderte trägt. Solange sie ein Gefäß ist, das diesen Schatz bewahrt, verdient sie um seinetwillen sogar geliebt zu werden. Aber nur solange.

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Zeitgemäßheit

Es ist Unfug „mit der Zeit zu gehen“, weil „die Zeit“ gar nicht weiß, wo sie hin will. Sie ist kein „jemand“, der etwas von uns fordern könnte, sondern ist bloß die Gelegenheit, die Gott uns gibt, um das Richtige zu tun. „Zeitgemäß“ ist es darum (nicht etwa dem Trend oder der Mehrheit, sondern) der Wahrheit zu folgen und sich auf Ewiges zu besinnen, weil nur das Ewige zu jeder Zeit zeitgemäß ist. „An der Zeit“ ist also nicht, was eh schon alle denken, sondern was Menschen heute begreifen müssen, um morgen nicht von Gottes Handeln überrumpelt zu werden.

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Wozu ist Kirche da?

Niemand braucht Kirche für das gesellige, soziale und kulturelle Programm, das andere Institutionen genauso bieten. Doch sie hat darin ihr Alleinstellungsmerkmal, dass sie Menschen das Wort Gottes seit 2000 Jahren so erfolgreich nahe bringt, dass Gottes Geist in ihnen ein inneres Glaubensleben weckt und verlorene Sünder in Kinder Gottes verwandelt. Die Aufgabe, die das Dasein der Kirche rechtfertigt, liegt also in der Rückführung der Seelen in die Gemeinschaft mit Gott. Und wo sie das vernachlässigt, steht sie da wie Jimmy Hendrix ohne Gitarre.

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Zugehörigkeit zur Kirche

Man kann einer Kirche angehören, ohne in Wahrheit ein Christ zu sein. Und viele folgern im Umkehrschluss, man könne auch Christ sein, ohne einer Kirche anzugehören. Doch dieser Umkehrschluss ist falsch. Wer ernsthaft Christ sein will, kann die Gemeinschaft nicht ignorieren, zu der Christus seine Jünger verband. Christus macht die Seinen nicht zu Einzelkämpfern, sondern zu Gliedern seines Leibes. In der Trennung von den übrigen Gliedern erleiden sie darum dasselbe Schicksal, das ein Arm oder ein Bein erleidet, wenn es sich vom übrigen Organismus trennt.

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Mission

Die Mission steht heute in keinem guten Ruf. Doch weil sie Gottes eigenes Projekt ist, haben wir nicht das Recht, auf Mission zu verzichten. Gott will dass sein Haus voll werde und sendet uns als seine Boten aus. Wenn sich aber irgendwann die Türen schließen und jemand bliebe draußen, weil wir ihn nicht benachrichtigt haben, wäre das schlimm. Schon die Nächstenliebe macht uns die Mission zur Pflicht, denn wenn ein Verdurstender in der Wüste Wasser gefunden hat, ist es nur natürlich, dass er auch andere Verdurstende herbeiruft und sie zur Quelle führt.

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Werbung für den Glauben?

Werbung ist der eigennützige Versuch eines Verkäufers, in potentiellen Kunden

Bedürfnisse zu wecken, die sie ohne Werbung wahrscheinlich nie gehabt hätten. Und sie ist darum dem christlichen Glauben wesensfremd. Jesus hat seinen Jüngern keine „Geschäftsidee“ vermittelt. Er brachte Wahrheit, nicht Wellness. Und sein Evangelium ist darum nicht mit der Logik von Angebot und Nachfrage zu erfassen. Wenn Kirche dennoch sich selbst oder das Evangelium „vermarkten“ will, dokumentiert und stiftet sie Verwirrung. Denn wer Evangelisation mit Kundengewinnung verwechselt, weckt dieses Missverständnis auch in denen, die er umwirbt.

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Den Glauben weitergeben 

Der Versuch, einen Zweifler zum Glauben zu führen, scheitert oft, weil man mit den Mitteln des Welt-Erkennens nicht zur Erkenntnis Gottes vorstößt. Man kann die Suppe des Glaubens nun mal nicht mit der Gabel der Vernunft essen. Man braucht dazu den Löffel des Heiligen Geistes. Und den mitzuteilen ist nicht unsere, sondern Gottes Sache. Jemand zum Glauben zu überreden, ist daher falsch. Doch dürfen wir uns auf die Fürbitte verlegen und Gott dann mehr zutrauen als dem eigenen hilflosen Gerede. Denn er hat Macht über die Herzen – wir nicht. 

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Pfarramt und Allgemeines Priestertum

Als Christus sein Leben opferte, machte er allen weiteren Opfer- und Priester-dienst alttestamentlicher Art überflüssig. Indem er aber seine Jünger beauftragte, missionierend, taufend und lehrend sein Werk weiterzuführen, begründete er das kirchliche Amt. Grundsätzlich hat jeder Getaufte Anteil an diesem Amt und Auftrag. Um aber eine möglichst geordnete und qualifizierte Ausübung zu gewährleisten, überträgt die Kirche das geistliche Amt einzelnen, die dazu besonders geeignet und ausgebildet sind.

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Erbauung 

Im Neuen Testament ist „Erbauung“ der kritische Maßstab für das, was der Christenheit nützt oder nicht nützt. Denn vieles ist möglich. Aber nur das, was Menschen zu Christus in Beziehung bringt und in Christus „eingründet“, bringt seine Gemeinde wirklich voran. H. Cremer sagt daher: „Erbauung ist die Befestigung und Förderung im Heilsbesitze, damit aus dem Menschen das werde, was er sein soll“ – nämlich ein Glied des Leibes Christi. Andere kirchliche Aktivitäten mögen noch so „gut ankommen“ – wenn sie weder aus der Glaubensbeziehung erwachsen noch auf sie hinführen, sind sie unnütz.

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Papsttum und kirchliches Amt

Wenn die römische Kirche meint, durch das dem Petrus anvertraute „Amt der Schlüssel" seien die Ströme der Gnade in ihrer Hand monopolisiert, muss man ihr widersprechen. Nach Matth. 18 und Joh. 20 hat Jesus die entsprechende Vollmacht allen Jüngern gegeben. Dennoch erinnert das katholische Amtsverständnis an etwas Wichtiges: Die Quelle kirchlicher Ämter und Vollmachten können niemals die Menschen sein, denen kirchliches Handeln zugutekommt. Denn sonst wäre es die Gemeinde selbst, die sich Vergebung und Segen spendete. Weil das unmöglich ist, bleibt festzuhalten, dass jedes kirchliche Amt seinen Ursprung bei Christus hat.

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Ökumene der Kompromisse?

Die gütliche Einigung durch Kompromisse empfiehlt sich, wenn Interessen auszugleichen sind. Sie empfiehlt sich aber nicht, wenn es darum geht Tatsachen festzustellen. Denn anders als Güter und Interessen sind Tatsachen und Wahrheiten nicht verhandelbar. Das, was evangelische und katholische Christen trennt, gehört zum zweiten Bereich. Denn über den richtigen Weg zum Heil kann man sich nicht „gütlich einigen“, indem „jeder ein bisschen nachgibt“. Der richtige Weg, durch Gottes Offenbarung vorgegeben, gehört nicht zu den Dingen, um die man feilschen dürfte! Und eine Einheit auf Kosten der Wahrheit wäre auch nicht in Sinne Jesu.

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Gottesdienst

Sinn und Nutzen eines Gottesdienstes liegen nicht darin, dass er die Gemein-schaft, die Kunst oder das Brauchtum pflegt, dass er bildet, unterhält oder therapiert. Vielmehr steht im Mittelpunkt die durch Wort und Sakrament vermittelte heilvolle Gegenwart Gottes. Die gottesdienstliche Erfahrung dieser Gegenwart, das Stehen vor Gottes Angesicht, ist zu nichts „nütze“ und muss es auch nicht sein: Die Gemeinschaft mit dem Herrn, dieser Vorgeschmack auf Gottes Reich, hat seinen Wert in sich selbst.

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Segen und Fluch

Der Segen bringt den Gesegneten durch das Wort unter die heilende und heiligende Macht Gottes, von der im Segen die Rede ist. Der Segen besteht zunächst im „Mit-Sein“ Gottes. Dieses hat aber unmittelbare Folgen, denn es unterstellt den Gesegneten der Macht Gottes, die ihn zugleich schützt und fordert, ihm Leben zuspricht und dieses Leben auch beansprucht, so dass im Segen immer die Begabung und Verpflichtung des Gesegneten inbegriffen ist. Solcher Segen ist kein unverbindliches „Wünschen“, sondern er wird mit Gewissheit „erteilt“. Er redet nicht vom Heil, ohne auch zu geben, wovon er redet. 

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Gottes Haus

Kirchen sind heilige und zu heiligende Räume, in denen weltliches Treiben nichts zu suchen hat. Denn wo die Glieder des Leibes Christi sich versammeln, ist auch das Haupt bei ihnen. Wo Gott aber gegenwärtig ist – sollte da nicht heiliger Boden sein? Gewiss ist Gott überall. Doch Kirchen sind Orte, wo er zuverlässig gefunden werden kann, weil er in ihnen – in Wort und Sakrament – gefunden werden will. Kirchenräume sind aus der Welt ausgegrenzt, um Brückenköpfe für das Reich Gottes und Schutzräume der Gnade zu bilden. Als Schnittstellen zum Heiligen dürfen sie nicht durch „Umnutzung“ profaniert und verzweckt werden.

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Gebet

Beten ist keine menschliche Möglichkeit, denn als Sünder sind wir „unreiner Lippen“ und haben Grund, den offenen Austausch mit Gott zu scheuen. Keine „Gebetstechnik“ vermag diese Distanz zu überwinden, solange wir im eigenen Namen beten. Das Gebet im Namen Christi dagegen findet Gehör, weil Christi Brüder und Schwestern seinen Vater mit Fug und Recht „Vater unser“ nennen dürfen. „Gebetstechnik“ spielt dabei keine Rolle. Denn der Heilige Geist vertritt uns vor Gott, wie es ihm gefällt.

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Das Ziel des Gebets

Jesus hat seine Jünger gelehrt, dass sie nicht nur beten dürfen, sondern dass sie beten sollen. Der Sinn des Gebets liegt aber nicht darin, dass ich Gott über etwas informiere, was er sonst nicht wüsste, oder bei ihm etwas erreiche, was er mir sonst nicht gegeben hätte, sondern darin, dass ich mit Gott im Gespräch bin. Der Betende sucht Gottes Nähe um dieser Nähe willen. Das Ziel des Gebets liegt darum nicht irgendwo „jenseits“ des Gebets, so dass es nur Mittel zum Zweck wäre, sondern das Ziel liegt im Gebet selbst – in dem ich mich für Gott, und Gott sich für mich öffnet.

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Hilft beten?

Ein Gebet versucht Gott nichts „abzuschwatzen“, was er nicht geben will, sondern bittet nur um das, was Gott aus Gnade zu geben versprochen hat – und fordert ihn auf, sich auch im Leben des Beters als der zu erweisen, der er nach biblischem Zeugnis ist und sein möchte. Gott wird zu nichts „überredet“, wird aber an seine Verheißungen erinnert. Bei deren Erfüllung möchte der Beter nicht übersehen werden, sondern macht betend auf sich aufmerksam, damit Gottes Güte auch auf ihn, seine Situation und seinen Umkreis Anwendung finde.

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Seelsorge

Seelsorge ist die Fortsetzung dessen, was Jesus seinen Jüngern tat, als er ihnen den Willen und die Liebe Gottes so nahe brachte, dass sie aus der Entfremdung vom Vater zu neuer Gemeinschaft fanden. Außerhalb dieser Gemeinschaft gibt es kein gelingendes Leben. Darum geht die Absicht der Seelsorge über das mitmenschliche „Für-einander-da-sein“ hinaus. Ihre wichtigste Hilfe zum Leben besteht in der Hilfe zu jenem Glauben, der seinerseits dann menschliches Leben gelingen lässt.

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Kirche und Israel

Das Verhältnis von jüdischem und christlichem Glauben lässt sich nicht als Ablösung oder Parallelität beschreiben, sondern mit Paulus dürfen wir erwarten, dass das alte und das neue Gottesvolk – zu einem Zeitpunkt, den Gott bestimmt – zusammenfinden. Wenn nämlich (1.) feststeht, dass Gott seine Verheißungen an das alte Gottesvolk nicht zurücknimmt (wenn er Israel also ganz gewiss erlösen wird), und (2.) feststeht, dass es für keinen Menschen eine andere Erlösung gibt als die, die durch Christus und in Christus geschieht, kann es nicht anders sein, als dass Israel eines Tages in ihm seinen Heiland erkennt.

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Vater unser im Himmel… 

Der Gebrauch der vertraulichen Anrede „Vater unser“ steht nur den Kindern Gottes zu – jenen nämlich, die Christus mit dem Vater versöhnt hat und denen er Macht gab, Gottes Kinder zu werden (Joh 1,12-13). Indem sie „Vater unser“ sagen, werden sie daran erinnert, dass sie für Gott „zur Familie gehören“ und mit Zuversicht zu ihm kommen sollen. Denn wie es der Hausherr sicher nicht duldet, dass ein Knecht sich wie sein leibliches Kind gebärdet, so würde es ihn auch traurig machen, wenn sein Kind den Argwohn und die Scheu eines Knechtes zeigte.

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Geheiligt werde dein Name…

Gottes Name ist an sich schon heilig. Die erste Bitte des Vaterunsers zielt aber darauf, dass er auch allseits als heilig erkannt, anerkannt und gepriesen werden soll. Das größte Hindernis ist dabei Gottes eigenes Volk, das ihm wenig Ehre macht. Doch Gott selbst wird für die Erfüllung dieser Bitte sorgen, indem er seinen Namen groß und herrlich macht im Erweis seiner Treue vor aller Augen. Gott wird sich als heilig erweisen, um seines Namens willen. Und eben diesen Moment, in dem die Wahrheit endgültig zu Tage tritt, sehnt der Beter des Vaterunsers herbei. 

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Dein Reich komme… 

Das Reich Gottes ist die versöhnte Gemeinschaft mit ihm, die verborgen im Glauben beginnt, die Gestalt gewinnt, wo man im Namen Christi zusammenkommt, und die sich einst sichtbar vollenden wird am Jüngsten Tag. Weil Christen davon schon gekostet haben, will ihnen die alte Welt nicht mehr schmecken, sondern sie wünschen, dass dies Schlechte schleunigst dem Besseren weichen möge. Sie distanzieren sich von der Welt, die vergeht, wenden sich dem Reich zu, dass mit Christus kommt – und schießen ihr Herz wie einen Pfeil in Gottes Zukunft hinein. 

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Dein Wille geschehe…

Wir bitten nicht „dein Wille geschehe“, weil Gott derzeit nur den Himmel regierte. Nein: Gottes Wille geschieht auch auf der Erde. Doch bitten wir, dass Gottes Wille auch auf Erden in der milden und heilvollen Weise geschehen möge, wie er jetzt schon im Himmel geschieht. Noch zwingt die menschliche Bosheit Gott, gegen seinen eigentlichen Willen hart zu sein. Noch sträubt sich die Erde und beugt sich seiner Hand nur unwillig und unter Schmerzen. Wenn aber Gottes Reich anbricht, wird diesbezüglich zwischen Himmel und Erde kein Unterschied mehr sein.

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Unser tägliches Brot gib uns heute… 

Gott gibt auch ohne unser Bitten in großer Milde und Geduld. Und doch folgt daraus nicht, das Bitten sei entbehrlich, denn es lehrt uns die Gott entsprechende Haltung. In jeder Bitte steckt das Eingeständnis, dass ich nicht fordern kann. Und die Zumutung darin darf man nicht übersehen – täglich bitten heißt zugeben, dass man nicht bloß vorübergehend abhängig ist, sondern prinzipiell! Aber das ist in Wahrheit kein Unglück. Denn Gott kennt unsere Bedürfnisse. Wir dürfen nach ihm schreien wie der Säugling nach der Mutter Brust – und werden nicht vergessen. 

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Und vergib uns unsere Schuld…

Vergebung besteht nicht darin, dass man erfahrenes Unrecht relativiert, kleinredet, vergisst, toleriert, billigt oder entschuldigt, sondern darin, dass man den Täter an Gott überweist, der ebenso gerecht wie barmherzig ist, der schärfer sieht und besser urteilt als wir. Der Vergebende verzichtet auf den Schuldvorwurf und gibt damit die Person frei, an deren Verhängnis er ein berechtigtes Interesse haben könnte. Er besteht nicht auf Vergeltung und schickt dem Schuldigen auch keine Flüche hinterher, sondern wünscht ihm, dass er sowohl zu seiner Tat als auch zu ihren Folgen eine heilsame Distanz gewinnt.

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Und führe uns nicht in Versuchung…

Gott „prüft“ Menschen. Doch wozu ist das nötig, wenn der Allwissende das Ergebnis doch schon kennt? Gott weiß von vornherein, was in einem Menschen steckt – aber der Mensch weiß es nicht. Und er würde ohne Versuchungen nicht erfahren, was da alles in seinem Herzen wohnt. Gott aber will uns die Augen öffnen. Und dafür sind die Versuchungen gut, die nicht ihn, sondern uns klüger machen, unsere besten und schlimmsten Möglichkeiten offenbaren und erst damit vertiefte Selbsterkenntnis und vertieften Glauben möglich machen.

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Sondern erlöse uns von dem Bösen… 

Es ist leicht, dieser Bitte zuzustimmen, wenn man nur an das Böse denkt, das man bei anderen sieht oder von ihnen erleidet. Doch was ist mit dem Bösen, das wir in uns selbst tragen? Oft verweigern wir den Sinneswandel, ohne den sich die Bitte nicht erfüllen kann. Doch sobald der Betende die Bitte von Herzen bejaht, verneint er den Teil seiner selbst, den auch Gott verneint – und schon beginnt sich sein Wunsch zu erfüllen. Denn wer sich vom Bösen distanziert, hat den Guten zu Hilfe gerufen, der mächtiger ist, und die Erlösung ist schon im Schwange.

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Denn dein ist das Reich und die Kraft…

Das Vaterunser endet in einem Lobpreis, der auf den ersten Blick wie eine „Verzierung“ wirkt. Doch bringt erst das Loben den Beter vollends in die Gott gegenüber angemessene Haltung. Denn Loben ist das, was jeder ganz von selbst tut, wenn er Gottes Herrlichkeit erkennt. Es ist der spontane Reflex aller, die mit Gott im Reinen sind. Sie haben vor Augen, was er an ihnen tut. Und dass es sie jubeln läßt, ist so unausweichlich wie der Applaus nach einem tollen Konzert. Erst so entspricht der Beter ganz dem lobwürdigen Gott, dem er sich gegenübersieht! 

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Ist das Natürliche immer gut?

Oft wird das „natürliche“ Verhalten wie selbstverständlich als normal, gut und ethisch berechtigt angesehen. Doch muss einer Idealisierung der Natur widersprochen werden. Aus der Beschreibung eines „natürlichen“ Sachverhalts folgt weder, dass die Dinge so bleiben sollen, noch, dass sie geändert werden müssen. Und der gefallenen Schöpfung ist auch nicht mehr zu entnehmen, wie Gott sie ursprünglich gemeint hat. In ihr erscheint vieles „normal“, was keineswegs „gut“ ist. Und für ethische Klarheit sorgt dann nur Gottes Wort.

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Ist das Gute „vernünftig“?

Die Aufklärung versprach, der Mensch würde besser, wenn er sich nur endlich frei seines Verstandes zu bedienen lernte – mit der Einsicht käme auch Tugend. Doch war das leider ein Irrtum. Denn die Vernunft lässt sich bereitwillig auch für Böses einspannen. Und da die Natur nichts fordert, bleibt als Ursprung der ethischen Forderung dann nur die Person des lebendigen Gottes übrig. Sein Wille ist tatsächlich die Quelle eines verpflichtenden Sollens. Wer ihn leugnet, ist aber auf schreckliche Weise frei. Denn „wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt“ (Dostojewski). 

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Der Ursprung christlicher Ethik

Christliche Ethik gibt es nicht deshalb, weil unser Handeln ganz viel an der Welt ändern könnte, sondern weil Gottes Handeln in Christus die Welt längst geändert hat – und sich dies in einem der neue Situation angemessenen menschlichen Handeln niederschlagen muss. Es geht nicht um eine Wirklichkeit, die wir durch gutes Tun schaffen, sondern um die Wirklichkeit, der wir durch gutes Tun entsprechen. Da in Christus die Zeit des Heils anbrach, gilt es nun mit der Zeit zu gehen und heilvoll zu handeln. Wir sind befreit, müssen aber noch beginnen, wie Freie zu leben.

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Ansätze christlicher Ethik

Je nachdem, von welchem Glaubenssatz oder biblischem Thema die christliche Ethik ihren Ausgang nimmt, wird sie sich verschieden gestalten. Sie kann orientiert sein an (1.) Schöpfungstheologie, (2.) Schöpfungsordnungen, (3.) Gottebenbildlichkeit, (4.) Gesetz des Alten Testamentes, (5.) Goldenen Regel, (6.) Bergpredigt, (7.) Nachfolge, (8.) Liebe, (9.) Rechtfertigung, (10.) Menschwerdung, (11.) Eschatologie, (12.) Askese, (13.) „WWJD?“. Jeder dieser ethischen Ansätze hat seine Stärken und Schwächen. Einen echten Gegensatz gibt zwischen ihnen aber nicht.

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Christliche Werte

Wer Ziele verfolgt und auf einen Gegenstand trifft, der diese Ziele fördern kann, spricht ihm „Wert“ zu. Weil aber ein anderer Betrachter dasselbe Ding nicht brauchen kann, gilt das Werturteil des ersten nur relativ und verrät mehr über seine subjektiven Bedürfnisse als über den Gegenstand. Gibt es also keinen „objektiven Wert“? Doch. Denn tatsächlich ist Gott die Person, an deren Absichten sich aller Wert bemisst. Und alles ist genau so viel wert, wie Gott davon hält. Denn sein Wille ist „maßgeblich“ im strikten Sinne des Wortes. Er setzt Werte, wo vorher keine waren. So gibt es tatsächlich keinen „Wert an sich“. Es gibt ihn nur in Bezug auf eine wertschätzende Person. Das sind aber nicht wir, sondern die maßgebliche Person ist Gott. 

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Pflicht

„Pflicht“ bedeutet, dass wir etwas nicht unterlassen können, ohne uns einem Vorwurf auszusetzen. Und sie ist unbeliebt, weil wir es vorziehen, unsren Neigungen zu folgen. Doch die Pflicht, die uns Gott im Evangelium auferlegt, ist erstaunlicherweise in unsrem eigenen Interesse. Wir sollen nach dem Reich Gottes trachten, um in das Reich einzugehen, und sollen dem guten Hirten folgen, damit er uns schützen kann. Gott fordert nur das, was uns Gott näher bringt. Und so kommt das, was der Mensch will, und das, was er soll, vollkommen zur Deckung. Gottes Barmherzigkeit macht uns zur Pflicht, was wir uns bei klarem Verstand auch wünschen müssen. Und so soll uns das Beste auch immer das Liebste sein. 

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Christliche Tugenden

Aus Gottes Eigenschaften ergeben sich auf Seiten der Gläubigen entsprechende Tugenden: 1. Allmacht / Allgegenwart  -  Verantwortung / Haushalterschaft 2. Autorität / Gerechtigkeit  -  Einwilligung / Gehorsam 3. Weisheit / Wahrhaftigkeit  -  Wahrhaftigkeit / Zeugnis 4. Strenge / Allwissenheit  -  Demut / Dienstbereitschaft 5. Güte / Barmherzigkeit - Barmherzigkeit / Nächstenliebe 6. Heiligkeit / Vollkommenheit - Heiligung / Enthaltung 7. Unveränderlichkeit / Treue - Zuversicht / Resistenz.

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Nächstenliebe

Der christliche Glaube lehrt uns, am anderen Menschen nicht nur zwei, sondern drei „Schichten“ wahrzunehmen: Da ist die Maske, die er trägt (1). Und da ist der Sünder, der sich dahinter versteckt (2). Doch verborgen unter Schauspielerei und Schmutz ist der Mitmensch auch noch Gottes geliebtes Kind (3). Der Gläubige kann darum niemanden hassen. Er durchschaut zwar die Maske und lehnt die Sünde ab. Den Sünder aber versucht er zu lieben, wie Gott ihn liebt, damit der andere das Ebenbild Gottes werden kann, das zu sein er berufen ist.

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Demut

Luther sagt: „Es ist nicht Demut, wenn einer leugnet, die Gaben zu haben, die Gott ihm gegeben hat.“ Demut ist darum keine alberne Selbstverachtung, die an der eigenen Person schlecht macht, was gut ist, sondern sie besteht darin, die eigenen Begabungen und Leistungen weder größer noch kleiner erscheinen zu lassen als sie sind, sie aber nicht sich selbst zuzuschreiben und zugutezuhalten, sondern allein dem Schöpfer, der sie gegeben und ermöglicht hat. Was hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich?

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Wahrhaftigkeit

Die Welt ist voller Täuschung und Lüge. Doch der Glaube befreit uns zu einer Ehrlichkeit, die nicht bloß in wahrheitsgemäßer Rede besteht, sondern in einer wahrhaftigen Lebenshaltung. Denn wer mit Gott im Reine ist, sich von ihm durchschaut und dennoch angenommen weiß – wozu müsste der sich noch verstellen? Verstellt er sich aber nicht, wer könnte ihn entlarven? Wer zu seinen Schwächen steht, weil er von Vergebung lebt, muss keine Enthüllung fürchten, muss auch nicht mehr prahlen und blenden, sondern ist dazu befreit, einfach der zu sein, der er ist.

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Vergebung

Man kann nicht von Gottes Vergebung leben und anderen Vergebung verweigern. Doch besteht sie nicht darin, über die Verletzung von Normen hinweg-zusehen oder Schuld zu relativieren. Echte Vergebung bestätigt die geltenden Normen, weil die Verfehlung beim Namen genannt, bereut – und erst dann verziehen wird. Nur so entspricht es Gottes Vergebung, weil auch seine Gnade nie Gnade ohne Gericht ist, sondern immer Gnade im Gericht. Auch er wirft niemandem Vergebung hinter, der sie gar nicht für nötig hält, und vergibt nicht, wo das nicht erbeten wird.

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Sexualität

Sexualität ist eine gute Gabe des Schöpfers, deren Vitalität erkennen lässt, mit welcher Dynamik Gott das Leben bejaht. Doch wird sie missbraucht, wenn man sie von der Absicht des Schöpfers löst. Der schuf sie nämlich nicht, damit Mann und Frau einander zu kurzfristiger Triebabfuhr „benutzen“, sondern damit sie langfristig beieinander Hilfe und Ergänzung finden und sich in der Ehe zu der verbindlichen Einheit zusammenschließen, die Gott mit Kindern segnen möchte – und die dann in lebenslanger Treue zu leben ist.

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Scham, Schande und Erröten 

Sich schämen zu können, ist keine Schwäche, sondern ein Merkmal, das den Menschen vor allen Tieren auszeichnet. Es ist das Bewusstsein, nicht bloß Unrecht zu tun, sondern unrecht zu sein. Doch wer dies Peinliche vor Gott eingesteht, findet Erbarmen bei dem, der in einem Akt rührender Fürsorge schon Adam und Eva mit Kleidern versorgte. Gottes Gnade kann unsere seelische Blöße bedecken, wie ein Mantel unsere Nacktheit verhüllt. Und wo wir unsere Verkehrtheit selbst verwerfen, da verwirft Gott uns nicht, sondern gibt uns Würde zurück. Er vermag die Person anzunehmen, auch wenn ihre Fehler unannehmbar bleiben. 

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Abtreibung

Der Mensch wird nicht erst durch seine Geburt zum Menschen. Er ist es schon lange zuvor. Denn in der Entwicklung einer befruchteten Eizelle gibt es keinen qualitativen Sprung, der es erlaubte „vormenschliches“ von „menschlichem“ Leben abzugrenzen. Ist das ungeborene Kind aber Mensch von Anfang an – und damit ein von Gott gewolltes Ebenbild des Höchsten –, so kommen ihm dieselbe Menschenwürde und dasselbe Lebensrecht zu wie einem geborenen Kind. Auch vom Ungeborenen gilt also: „Du sollst nicht töten“.

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Entschuldigung

Ein Mensch kann sich nicht selbst „ent–schuldigen“, sondern nur der, dem er etwas getan hat, kann ihn „ent–schuldigen“, wenn er darum gebeten wird. Wirkliche Versöhnung setzt darum einerseits die Reue des Täters voraus und andererseits die freie Einwilligung des Geschädigten. Auch Gottes Vergebung ist kein Pauschalangebot. Er vergibt die konkrete Schuld, die wir ihm gestehen. Wenn uns die Last aber gar nicht drückt, wie könnte er sie uns dann nehmen? Gott wird den Sünder nicht von seiner Sünde trennen, wenn der Sünder selbst an ihr festhält.

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Ehrfurcht vor dem Leben

Der Glaube achtet den Willen des Schöpfers, indem er seine Geschöpfe schont, sie achtet und sich weigert, Lebendiges den menschlichen Verwertungsinteressen zu unterwerfen. Auch wenn die Natur ein denkbar schlechtes Vorbild gibt, sollten wir uns der Logik des „Fressen und gefressen werden“ so weit wie möglich entziehen und nach Möglichkeit Verhältnisse schaffen, in denen keiner auf Kosten anderer lebt. Gott will nicht, dass wir Hammer sind. Und er will auch nicht, dass wir Amboss sind. Sondern er will, dass seine Geschöpfe einander Helfer sind.

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Keuschheit

Man muss auch nein sagen können. Denn es gibt Bilder, Bücher, Gespräche und Beschäftigungen, die uns (nicht äußerlich, sondern) innerlich verunreinigen und für die Gemeinschaft mit Gott untauglich machen. Dem muss man sich nicht aussetzen, sondern kann Enthaltung, Distanz und Keuschheit dagegensetzen, die nicht alles mitmacht, sondern nur, was Gott gefallen kann. Denn zum Glück ist auch das Gute infektiös. Die Berührung mit dem Reinen, kann rein machen, und das Heilige, mit dem wir uns beschäftigen, kann im Kontakt abfärben.

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Wohin mit meinem Hass?

Wer Hassgefühle nicht unterdrücken kann, sollte ihnen die angemessene Richtung geben und von Herzen den Satan hassen, nicht aber die Menschen, in denen seine Bosheit Gestalt gewinnt. Wer den Puppenspieler treffen will, darf nicht auf die Puppen zielen. Denn gerade das entspräche seinem teuflischen Plan: Sobald ein Bruder im anderen den Teufel sieht, wird er versuchen den Teufel im Bruder zu erschlagen, den Bruder dabei töten, den Teufel aber verfehlen. Darum gilt es sorgsam zu unterscheiden: Nicht gegen „Fleisch und Blut“ haben wir zu kämpfen (Eph 6,11-12), sondern gegen den Grundbösen, der sich der Menschen bedient. Und ihn treffen wir nicht, indem wir seine Marionetten zerschlagen.

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Geduld

Es ist nicht so, dass der geduldige Mensch nichts wollte, oder es ihm weniger wichtig wäre als dem Ungeduldigen. Nein! Auch der Geduldige verfolgt ein Ziel. Aber sein entschlossener Wille verbindet sich mit langem Atem, Beharrlichkeit und Ausdauer, weil er von seinem Ziel auch dann nicht ablässt, wenn andere Ziele leichter zu erreichen wären. Das Leiden am Unverfügbaren auszuhalten, ist das Wesentliche an der Geduld. Ein Christ braucht besonders viel Geduld, hat aber auch besonders guten Grund dazu, weil Gott selbst verbürgt, dass seine Geduld sich lohnt.

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Gerechtigkeit (ethisch)

Der Gerechte gibt jedem das Seine. Aber wem gebührt was? Ist das am Gleichheitsgrundsatz zu bemessen, an der Leistung eines Menschen, an seinem Bemühen, an seinem tatsächlichen Bedarf, an vertraglichen Zusicherungen oder an „höherem“ Recht? In der gesellschaftlichen Praxis kommt man nicht umhin, verschiedene Maßstäbe zu kombinieren. Der einzelne Christ folgt aber zusätzlich der Weisung und dem Vorbild Christi. Seine Gerechtigkeit besteht vor allem darin, Gott und dem Nächsten zu geben, was ihnen an Glauben und Liebe zukommt.

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Liebe und Ehe   

Der viel missbrauchte Begriff der „Liebe“ muss korrigiert werden: (1.) Liebe macht nicht blind, sondern sehend, denn sie sieht den Partner so, wie ihn Gott gemeint hat. (2.) Wahre Liebe ist nicht zu verwechseln mit dem begehrlichen Konsumieren eines Partners, das beim anderen doch nur wieder sich selbst und das eigene Glück sucht. (3.) „Ich liebe dich“ heißt immer: „Ich will mit dir alt werden“ – und wenn es das nicht heißt, ist es gelogen. Eine Überforderung ist „wahre Liebe“ nur dann nicht, wenn sie sich von Gottes größerer Liebe umfangen weiß.

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Ehe

Gott hat Mann und Frau füreinander geschaffen und hat ihnen die Ehe als die Ordnung angewiesen, in der sie aneinander Freude haben, einander stützen und einander ergänzen sollen. Wo aus der Ehe Kinder hervorgehen, wird den Eltern die Ehre zu Teil, „Mitarbeiter“ in Gottes Schöpfungswerk sein zu dürfen. Beide aber - Ehepartner und Kinder - werden nie unser „Eigentum“, sondern sind uns von Gott anvertraut, damit wir sie in Verantwortung vor ihm wie kostbare Geschenke achten und pflegen.

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Arbeit

Gott hat unser Leben mit Arbeit verbunden, damit einer dem anderen mit seinen Kräften und Begabungen helfen kann. Der Schöpfer wollte, dass wir am Fördern und Erhalten fremden Lebens ebenso viel Freude finden wie er. Wenn dieser Segen aber für viele zum Fluch geworden ist, liegt das daran, dass wir den Sinn der guten Gabe durch Eigennutz und Konkurrenzdenken verkehren. Versäumen wir es, uns Gott als Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, so bringen wir uns selbst um die tiefe Befriedigung, die aus unserer Arbeit erwachsen könnte.

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Frieden

Wahrer Friede resultiert nicht daraus, dass (auf dem Wege der Weltverbesserung) alle irdischen Bedürfnisse gestillt werden. Und er folgt auch nicht daraus, dass man (auf dem Wege des Verzichts) diese Bedürfnisse zum Schweigen bringt. Sondern nur dort stellt sich Friede ein, wo Menschen ihre Erwartungen auf Gott hin ausrichten, und von ihm selbst in den Frieden Gottes einbezogen werden. Das geschieht durch Christus. Und als Nebeneffekt der durch ihn geheilten Gottesbeziehung wird dann auch friedfertiges Leben möglich. 

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Geld

Geld ist ein vielseitig nutzbares Potential, das zu vielen guten Dingen dienen kann. Doch wo man es zu wichtig nimmt, hat das böse Folgen: Es schadet der Gottesbeziehung, wenn jemand Gottes Gaben mehr liebt als den Geber. Und so sendet Jesus seine Jünger bewusst „arm“ in die Welt. Er meint, dass sie kein Geld brauchen, um für ihren Auftrag gerüstet zu sein. Denn geistliche Ziele erreicht man mit geistlichen Mitteln. Und finanzielle Ziele sind im Auftrag der Jünger nicht enthalten. So darf Kirche durchaus wirtschaften, um Gottes Güter Gottes Zwecken dienstbar zu machen. Sie darf aber nicht meinen, sie könnte ohne Geld nicht existieren. Denn Kirche lebt von ihrer Botschaft – und könnte ansonsten auch „besitzlos“ sein.

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Beheimatung und Verortung 

Wenn Menschen sich in ihrem Land, ihrer Sprache und Kultur verwurzelt fühlen, ist das nicht zuerst als Problem zu sehen, sondern als gute Gabe des Schöpfers, der seine Geschöpfe nicht „ortlos“ in der Welt herumirren lässt. Nur muss, wer solche Beheimatung für sich in Anspruch nimmt, sie auch den anderen gönnen. Und wo das „Wir-Gefühl“ zur Ideologie wird, kann ein Christ nicht mehr mitgehen. Denn die Unterscheidung des Fremden und die Abwertung des Fremden sind sehr verschiedene Dinge, die man keinesfalls verknüpfen oder vermengen darf. 

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Ordnung und Vergeltung 

Gott, der Schöpfer, stiftet neben der naturgesetzlichen auch eine sittliche Weltordnung und beschreibt durch seine Gebote den lebensförderlichen Zustand, der nach seinem Willen sein soll. Wer diese gute Ordnung respektiert, den findet Gott „in Ordnung“. Doch wer sie stört, missachtet den, der sie erlassen hat, und gefährdet seine Mitmenschen, deren gedeihliches Leben davon abhängt, dass sich die gute Ordnung nicht auflöst. Dem Störer soll und muss vergolten werden, weil die Ordnung, in der sich ein Verstoß gegen die Ordnung lohnt, untergeht.

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Staat

Staatliche Ordnung ist eine Einrichtung Gottes, der er die Aufgabe zugewiesen hat, durch Recht und Gesetz dem Bösen zu wehren und das Gute zu schützen. Wenn ein Staat diese Aufgabe erfüllt, erwächst ihm daraus die besondere Würde, Gottes Instrument zu sein. Wenn er das Böse aber duldet oder sogar fördert, zerstörte er die Ordnung, die allein ihn legitimieren könnte – und dann wird Widerstand zur Pflicht. Im Zweifelsfall muss man Gott mehr gehorchen als den Menschen. Denn göttliches Recht wiegt in jedem Falle schwerer als menschliches.

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Heilige Einfalt 

Die „Einfalt des Herzens“ ist eine Tugend, die man nicht mit Naivität oder Dummheit verwechseln darf, denn sie ist die Haltung eines Menschen, der die Möglichkeiten der Raffinesse, Verschlagenheit und Hinterlist sehr wohl kennt, sie aber nicht nutzt, weil sie ihm zuwider sind. Einfalt ist die Geradheit einer rechtschaffenen Seele, die sich weigert, auf die Weise klug zu sein, wie die Welt klug ist. Sie weigert sich, Böses mit Bösem und Tücke mit Tücke zu überwinden, weil sie sich dabei in das Ebendbild des Gegners verwandeln würde.

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Vom Dienen

Der wahre Adel menschlicher Existenz liegt nicht in Lustgewinn und Selbsterhaltung, sondern in der Hingabe an einen höheren Zweck, der es wert ist, dass man ihm dient. Und solcher Dienst erniedrigt den Menschen nicht etwa, sondern erhöht ihn, weil sein Dasein dadurch über den engen Horizont des Eigennutzes hinausgehoben wird. Christus selbst gibt uns das beste Beispiel solch eines Daseins „für andere“ und demonstriert damit, dass man sein Leben nicht anders bewahrt, als indem man es hingibt, und es nur gewinnt, indem man es verliert.

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Verzweiflung 

Wenn ein Mensch an der Welt und an sich selbst verzweifelt, muss man ihm das nicht ausreden und ihm Pillen verschreiben, sondern kann ihm zur klaren Sicht der Dinge gratulieren. Nur sollte er Gott dabei ausnehmen, an dem zu verzweifeln kein Anlass besteht. Und hält er an ihm fest, hat sich die Gesamtbilanz seines Lebens nicht verschlechtert. Gottes Gnade ist am Ende alles, was er hat. Aber sie ist auch alles, was er braucht. Darum – wohl dem, der auf die rechte Weise verzweifelt ist! Denn niemand ist der Gnade näher, als der, dem sich aller falsche Trost entzogen hat. 

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Suizid 

Wenn es Gott nicht gäbe, wäre auch der Selbstmord erlaubt. Doch für den Christen steht das Verhältnis zum Schöpfer auf dem Spiel, der seiner Seele diesen Leib und dieses Leben gab. Was Gott bejaht, kann er nicht verneinen oder als einen Fehler ansehen, den er eigenmächtig korrigieren dürfte. Denn es kommt darauf an, dass einer nicht „von-Gott-weg“, sondern „auf-Gott-hin“ stirbt. Wichtiger, als ob er lebt oder stirbt, ist die Frage, ob er‘s mit oder ohne Gott tut. Mit Gott ist beides richtig (sogar das Sterben), und ohne ihn ist beides falsch (sogar das Leben). 

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Dankbarkeit 

Wer dankt, hat erkannt, dass ihm ein anderer etwas Gutes tat, zu dem er nicht verpflichtet gewesen wäre (1.) und wendet sich dieser Person mit einem positiven Gefühl der Verbundenheit zu (2.), um seiner Wertschätzung Ausdruck zu verleihen (3.). Wird allerdings eine Wohltat um des Dankes willen erwiesen, wird eine Gegenleistung erwartet, Abhängigkeit geschaffen oder Dankesschuld als Druckmittel missbraucht, so ist durch die manipulative Absicht alles verdorben. Gebe Gott, dass unser Bitten und Danken seine Unschuld zurückgewinnt!

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Rache

Ein Christ muss die Gnade, von der er lebt, auch anderen gönnen – und in diesem Sinne für seine Feinde beten. Doch wenn Gott entscheidet, Böses zu vergelten, ist das allemal besser als endlos fortgesetzte Bosheit. Besser ergeht Gnade vor Recht. Aber wenn ein Übeltäter keine Gnade will, geschieht ihm besser Recht, als dass gar nichts geschieht. Auch Vergebung im Sinne Jesu schließt nicht etwa die Duldung des Falschen mit ein, sondern schließt solche Duldung aus. Jesus erbarmt sich des Sünders, nicht der Sünde. Doch fluchen soll man niemandem. Denn Gottes Zorn brennt heiß genug – auch ohne dass wir ihn befeuern.

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Beruf und Berufung 

Gott hat jedem Menschen eine Lebensaufgabe zugedacht, die er erfüllen soll. Wer aber noch nicht weiß, welche seine ist, kann sich an vier Punkten orientieren: (1.) An seiner Verortung in der Welt, d.h. an der Stellung, die ihm durch seine Geburt zugewiesen wurde. (2.) An seiner Ausstattung mit Begabungen und „Pfunden“, mit denen sich „wuchern“ lässt. (3.) Daran, dass sich ein Beruf als konkrete Form der Nächstenliebe verstehen lassen muss. Und (4.) an dem Bedarf und der Not, mit der Gott ihn konfrontiert. Dass ein Mensch aber zu gar nichts Gutem berufen wäre und zu gar nichts taugte, kommt in Gottes Ordnung nicht vor.

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Reinen Herzens sein 

Wer das reine Herz nicht hat, das er haben sollte, kommt immerhin schon einen Schritt voran, wenn er lernt, mit seiner Unreinheit nicht einverstanden zu sein und die eigenen Fehler nicht mehr zu entschuldigen. Denn solange die Vernunft nicht in die Versuchung einstimmt, geht auch die Liebe zu Gott nicht verloren. Solange der Wille in das Böse nicht einwilligt, hat der Teufel nicht gesiegt. Und solange unreine Gedanken dem Menschen nicht zur Lust, sondern zur Last sind, werden sie ihm auch nicht als Sünde angerechnet. Wenn wir uns allerdings mit dem anfreunden, was Gott an uns hasst, haben wir uns von ihm getrennt.

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Einsamkeit 

Ein Mensch ist nicht „an sich“ schon da, bevor er zu anderen in Beziehung tritt, sondern erst dadurch, dass er im sozialen Beziehungsgefüge eine Rolle einnimmt, ist er „jemand“. Gibt es aber niemanden, der ihn vermisst, könnte er genauso gut weg sein. Und darum fühlt sich ein Mensch in der Einsamkeit wie lebendig tot. In freiwilliger oder aufgezwungener Isolation kann er nicht sein, was er von Gott her sein soll. Wie lieblos sind also die, die den Einsamen „links liegen lassen“? Ihre Egozentrik ist die Selbstabschließung gegen den Menschen, der ihnen, und dem sie etwas bedeuten könnten. Und sie ist Sünde.

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Die Würde des Menschen 

Man hört oft, nur selbstbestimmtes Leben sei menschenwürdig. Doch ist das ein Irrtum. Denn einerseits gibt es viel fremdbestimmtes Leben, das in Würde gelebt wird. Und andererseits kann man gerade durch Selbstbestimmung seine Würde verlieren. Richtiger ist es darum, den Zusammenhang von „Wert“ und „Würde“ zu sehen, denn „würdigen“ bedeutet, jedes Ding mit der seinem Wert entsprechenden „Wertschätzung“ zu behandeln. Zu würdigenden Wert hat der Mensch aber nicht durch seine vermeintliche Autonomie, sondern durch seinen Schöpfer, der ihn dazu beruft, Gottes geliebtes Kind zu sein.

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Macht 

Macht an sich ist weder gut noch böse, sondern verstärkt bloß den guten oder bösen Willen, der sich ihrer bedient. So kennt und verurteilt die Bibel den Machtmissbrauch, kritisiert aber nicht die Machtausübung als solche, wenn sie vor Gott verantwortet wird. Hierarchien werden nicht als schändlich empfunden, weil darin alle gleich sind, dass sie nach oben hin Rechenschaft schulden und nach unten hin zu Fürsorge verpflichtet sind. Der Wert eines Menschen hängt nicht daran, ob er im Machtgefüge „oben“ oder „unten“ steht, sondern daran, ob er dort, wo er steht, seiner Verantwortung vor Gott gerecht wird.

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Das Gewissen 

Das Gewissen ist ein innerer Gerichtshof, der unablässig über unseren moralischen Zustand verhandelt, und in dem wir selbst zugleich Angeklagter, Ankläger und Verteidiger sind. Doch beansprucht das Gewissen nicht die Rolle des Gesetzgebers. Es schafft keine Normen, sondern beobachtet nur, ob unser Verhalten den geltenden Normen genügt. Im besten Falle ist es „gefangen durch Gottes Wort“. Resultiert daraus aber ein „schlechtes“ Gewissen, so helfen dagegen keine Werke, sondern der Friede kehrt erst wieder mit Christus ein. Wenn er im Gewissen redet, muss Mose schweigen – und bei dieser Hausordnung bleibt es dann.

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Glück 

Der Mensch empfindet Glück, wenn er bekommt, was er will, und vermeiden kann, was er vermeiden möchte. Anderenfalls machen ihn die Ferne des Geliebten und die Gegenwart des Gehassten unglücklich. Nun gibt es Strategien, um die Situation mit den eigenen Wünschen in Einklang zu bringen. Doch soll man sich als Christ vor allem damit beschäftigen, seine Wünsche mit dem Willen Gottes in Einklang zu bringen – und alles andere von Christus erwarten, der uns ein Glück höherer Ordnung zuteilwerden lässt: In Wahrheit ist nur „unglücklich“ zu nennen, wer Gottes Liebe entbehrt. Und davor ist man als Christ sicher.

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Richtet nicht!

Es ist unvermeidlich, dass wir uns über die Worte und Taten anderer ein Urteil bilden. Doch darf das nicht auf lieblose Weise geschehen. Wir sollen immer zuerst vor der eigenen Tür kehren und uns über niemanden erheben, wir sollen nicht etwa den Menschen, sondern nur seine Taten verwerfen, sollen ihn nur in Liebe tadeln – und das auf so hilfreiche Weise, dass er es auch annehmen kann. Jesus fordert, dass wir kritisieren, ohne zu verletzen, aufdecken, ohne bloßzustellen und korrigieren, ohne zu belehren. Doch bleibt unsere Urteilskraft eine Gottesgabe. Und von ihr Gebrauch zu machen, ist unumgänglich.

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Das Alter

Das Alter bringt den Menschen an seine Grenzen. Doch wenn er sein Pulver in guter Absicht verschossen hat, muss er sich seiner Erschöpfung nicht schämen, sondern kann das Alter als Übung in der Demut und im Glauben sehen. Er muss sich eingestehen, dass sein gesamter Reichtum aus Leihgaben bestand, die ihm der Herr des Lebens nach und nach wieder entzieht. Und während ihn das Alter von den irdischen Genüssen entwöhnt, richtet sich sein Blick zunehmend auf die Ewigkeit. Er baut nicht mehr auf sich selbst, sondern auf Gottes Hilfe. Und wenn‘s gut läuft, entspricht seinem Nicht-mehr-können auch ein Nicht-mehr-müssen. 

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Beleidigungen

Eine Beleidigung kann nur in dem Maße verletzen, wie sie wahr ist. Ist sie aber nicht wahr, warum regen wir uns auf? Die Beweislast liegt bei dem, der böse von uns redet. Und unsere innere Integrität kann er mit seinem Vorwurf nicht verletzen – das können nur wir selbst. Haben wir vor Gott aber sehr viele Fehler, warum tun wir vor anderen Menschen, als hätten wir keine? Genügt es nicht, dass Gott uns die unverdiente Ehre angedeihen lässt, dass er uns erlösen will? Nur der alte Mensch sucht noch Ehre vor den Menschen. Der neue Mensch rühmt sich keines Dings, außer, dass Gott ihm gnädig ist – und kann dadurch seinen inneren Frieden gelassen bewahren.

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Neid

Neid ist der Hass auf das Gute, das mir ein anderer voraus hat. Denn der Neider denkt stets in Kategorien der Konkurrenz und empfindet darum den Vorteil eines anderen als Nachteil für sich selbst. Nur im Überbieten findet er Bestätigung. Doch warum sollte es uns freuen, im Wettkampf weniger begabte Menschen in den Schatten zu stellen? Die Liebe ist die beste Antwort auf allen Neid, weil sie nicht vergleicht – und statt dem anderen sein Gutes zu nehmen, dem, der nichts hat, Gutes schenken will. Gottes Liebe enthebt uns der Konkurrenz: Denn nicht Christen setzen ihre Geltung durch (mit Hilfe eigener Leistungen), sondern Christus setzt unsere Geltung durch (mit dem, was er am Kreuz für uns geleistet hat). 

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Krankheit

Warum mutet Gott uns Krankheiten zu? Dienen sie zur Verwerfung, Demütigung, Prüfung oder Erziehung, als Mahnung oder Weckruf? Es gibt viele Möglichkeiten. Und wenn einer „mit Gott nichts am Hut hat“, kann‘s auch Strafe sein. Doch bei einem Christen ist das ausgeschlossen. Denn Gott ist niemals sein Feind. Und was Christus stellvertretend für ihn getragen hat, wird gewiss kein zweites Mal gestraft. So müssen alle Krankheiten, die Gott einem Christen zumutet, einem positiven Zweck dienen. Jede hat einen Grund – auch wenn wir den nicht kennen. Und sollte er uns vor unsrem Tod nicht mehr heilen, dann eben danach.

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Christliches Denken

Christen „ticken“ anders, insofern ihr Denken nicht darauf zielt, das vergängliche Glück dieser Erde zu gewinnen, sondern im Konsens mit Gott seinem Willen zu dienen und (zeitlich wie ewig) mit ihm Gemeinschaft zu haben. Das „erkenntnisleitende Interesse“ besteht darin, nicht bloß der Wirklichkeit dieser Welt, sondern vor allem der Wirklichkeit Gottes denkend und handelnd gerecht zu werden. Seine Wirklichkeit ist nicht Endpunkt, sondern Ausgangspunkt des christlichen Denkens – und führt zu Folgerungen und Gewissheiten, zu denen atheistisches Denken nicht gelangen kann. Kein Ding ist wirklich erkannt und durchdacht, das wir nicht auf Gott bezogen und gemäß dieser Beziehung bewertet haben! 

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Mut

Es ist keine Tugend, die eigene Kraft für groß zu halten, wenn sie klein ist. Und es ist auch keine Tugend, Risiken für klein zu halten, wenn sie groß sind. Was ist dann aber „Mut“? Eine heftige Motivation, die ihre Ziele kompromisslos verfolgt „koste es, was es wolle“, kann es nicht sein, denn die findet sich auch bei Wirrköpfen und krankhaft Ehrgeizigen. Mut aber erfordert würdige Ziele. Der Mutige kennt etwas, das ihm wichtiger ist als seine eigene Unversehrtheit. Er liebt etwas mehr, als er sich selbst liebt. Und so können wir wahren Mut definieren als die Fähigkeit, das, was man ist und hat, um eines als höher erkannten Zweckes willen aufs Spiel zu setzen. 

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Lebensbilanz

An welchem Maßstab kann man das Gelingen eines Lebens bemessen? Da es Gott ist, der allem Leben Sinn und Ziel vorgibt, zählt letztlich nur sein Urteil. Gott aber fragt nicht, ob wir glücklich oder unglücklich sind, sondern er fragt allein danach, ob wir ihm vertrauen und damit die Hütte unseres Lebens auf den Fels des Glaubens bauen. Stimmt das Fundament, so muss unser Lebensgebäude kein Prachtbau sein – und wird den Sturm des Todes doch überstehen. Stimmt es aber nicht, ist auch das schönste Lebensgebäude auf Sand gebaut – und dem Untergang geweiht.

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Die Gegenwart des Kommenden

Christen erwarten das Heil von Gottes kommendem Reich. Doch ist dasselbe Heil auch schon hier und heute gegenwärtig und kann durchaus erfahren werden, weil das, was den kommenden Himmel ausmacht, die innig-versöhnte Übereinstimmung mit Gott ist. Und die beginnt nicht irgendwann „später“, sondern heute: wer im Glauben Christus „hat“, hat in und mit ihm auch schon das Heil, die Seligkeit und das Ewige Leben. Alles Wesentliche ist ihm mit dem Brot des Abendmahls in die Hand gedrückt – und er steht mit einem Bein bereits im Himmel.

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Vom Kommen und Gehen des menschlichen Glanzes

Wir sind mit unseren Kräften und Qualitäten nicht so dauerhaft verbunden, wie wir meinen, sondern sind mit ihnen nur vorübergehend beliehen und geziert, wie eine Schaufensterpuppe mit prächtigen Kleidern. Eigentlich gehören alle Qualitäten Gott. Ihm gefällt es aber, Funken davon in diesem oder jenem Geschöpf aufblitzen zu lassen, das dann für gewisse Zeit daran Anteil hat. Und das ist ehrenvoll. Denn etwas vom Allerhöchsten will an uns erscheinen und durch uns eine Zeit lang vor der Welt sichtbar werden!

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Glaubensfortschritt

Der Weg des Glaubens stellt hohe Anforderungen. Und niemand kann sagen, er sei bereits am Ziel angekommen. Doch für Gott zählt nicht, ob einer vorne läuft oder hinten. Entscheidend ist nicht, wie nah der Mensch der Vollkommenheit ist. Sondern für Gott zählt nur, ob er im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Bestes gibt. So kann „schwacher“ Glaube „genug“ sein, wenn der Mensch nur unterwegs bleibt, kämpft, strebt und läuft. Und „starker“ Glaube kann „zu wenig“ sein, wenn der Mensch sich ins Gras setzt und sich auf dem Erreichten ausruht.

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Widerstand

Im Allgemeinen erscheint es „vernünftig“, wenn der Mensch sein Verhalten den Gegebenheiten der Welt anpasst. Doch wenn die Welt durch den Einbruch des Bösen eine „verkehrte“ und „verdrehte“ Welt geworden ist, kann man sich ihr nicht anpassen, ohne dabei selbst „verkehrt“ und „verdreht“ zu werden. Der Glaube fordert darum, diese Anpassung zu verweigern, die „Normalität“ des Schlechten niemals „normal“ zu finden und ein widerständiges Leben zu führen nach den Regeln (nicht der gegebenen, sondern) der kommenden Welt.

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Hoffnung

Hoffnung ist nicht gleich Hoffnung – und die falsche ist der Feind der wahren. Darum ist christliche Hoffnung klar zu unterscheiden 1. von der Hoffnung der Naiven (die sich bloß ihrer Unkenntnis verdankt), 2. von der Hoffnung der Stolzen (die auf der Überschätzung ihrer Kräfte beruht) und 3. von der Hoffnung der Trotzigen (die „blind“ und nur aus Prinzip hoffen). Christliche Hoffnung hat ihren Spender, ihren Grund und ihr Ziel in Jesus Christus – und hat darum mit Zweckoptimismus, Fortschrittsglaube oder positivem Denken nichts zu tun.

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Die menschliche Seele

Die menschliche Seele verdankt ihre Unsterblichkeit nicht einem eigenen Beharrungsvermögen, durch das sie „unzerstörbar“ wäre, sondern verdankt sie allein der Treue und Beharrlichkeit Gottes, der die Toten nicht vergisst und aus der Beziehung zu ihm nicht entlässt. Es irren darum auch jene, die meinen, mit ihrem Tod sei „alles aus“. Gott hat nicht vor, sie aus ihrer Verantwortung ins Dunkel des Nicht-Seins entwischen zu lassen. Mancher wird sich wünschen, er könnte sich die Bettdecke des Todes über beide Ohren ziehen. Aber es wird keinem gelingen.

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Tod und Vergänglichkeit

Der Tod hat mehr als ein Gesicht: Er ist für alle Geschöpfe die natürliche, vom Schöpfer gesetzte Grenze ihres Daseins. Für Sünder ist er zugleich ein Gerichtsakt, durch den Gott das ihn Verneinende verneint und das Nicht-sein-sollende ins Nicht-Sein befördert. Für begnadigte Sünder aber ist er außerdem auch noch das Tor in den Himmel, die Durchgangsstation in die ungetrübte Gemeinschaft mit Gott. Christen müssen den Tod darum nicht fürchten: Für sie ist das Sterben nicht Vernichtung, sondern Vollendung.

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Des Lebens Ziel

Der Tod ist nicht das Ziel unseres Lebens (er wäre ein absurdes Ziel!), sondern das eigentliche Ziel unseres Lebens ist der Bund mit Gott, den wir hier im Glauben schließen und der uns auch dort, jenseits der Todesgrenze, noch mit Gott vereint. Das Erdendasein gibt uns also Gelegenheit, rechtzeitig mit Gott ins Reine zu kommen: Wer sein Leben nicht genutzt hat, um Gott zu finden, dem ist sein Leben misslungen, auch wenn es lang und voller Freude war. Wer aber zu Gott gefunden hat, dem ist das Leben geglückt, selbst wenn‘s kurz und mühselig gewesen wäre.

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Überkleidet werden

Es ist natürlich, dass wir dem Tod widerstreben, weil er uns aller Kraft entkleidet. Doch verkennen wir dabei, dass der Verfall des alten Menschen den Aufbau des neuen Menschen vorbereitet. Bevor ich ein neues Kleid anziehen kann, muss ich das alte ausziehen. Wer den Wandel scheut, kann nicht erneuert werden. Und wer nicht stirbt, kann nicht auferstehen. Das Irdische an uns muss untergehen, damit das Himmlische zum Zuge kommt. Und insofern liegt im Tod auch eine Verheißung: Näher am Tod ist für den Christen immer auch näher am Ziel.

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Ein "Zwischenzustand" der Toten?

 

Wo sind die Verstorbenen zwischen dem Tag ihres Todes und dem Tag der Auferstehung und des Jüngsten Gerichts? Schlafen, wachen oder warten sie? Man darf annehmen, dass sie unmittelbar der ewigen Seligkeit oder der ewigen Verdammnis zugeordnet werden. Denn ihre Seelen werden nicht anders „bewahrt“ als in und bei Gott. Ihm, dem Ewigen, sind alle Punkte der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleich „aktuell“. Und für die Versterbenden gilt vermutlich das gleiche. Gott entnimmt sie dem Fluss der Zeit und versetzt sie in die Ewigkeit, wo der Jüngste Tag schon „heute“ ist. So gibt es für sie keinen Zwischenzustand, sondern sie sind bereits ohne zeitlichen Verzug im Himmel oder in der Hölle angekommen.

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Gottes Gericht am Ende der Zeit

Gott verbündet sich nicht mit den Tätern, die es gerne sähen, wenn ihre Opfer vergessen würden. Sondern er sorgt dafür, dass die, die der irdischen Gerechtigkeit entgehen, spätestens im Jüngsten Gericht von der himmlischen Gerechtigkeit eingeholt werden. Er wird uns die Konfrontation mit unserer Schuld nicht ersparen. Und das ist gut so. Denn Vergebung ohne Reue und ohne Rehabilitation der Opfer wäre zynisch. Vergebung ohne Gericht beruhte bloß auf Verharmlosung der angerichteten Not.

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Allversöhnung oder Hölle?

Die Lehre von der „Allversöhnung“ ist heute verbreitet, obwohl sie im Neuen Testament keine Grundlage hat. Jesus rechnet damit, dass Sünder, die nicht im Glauben das Heil ergreifen, auf ewig vom Heil ausgeschlossen bleiben und verloren gehen. In der bewussten Trennung von Gott liegt ihre Schuld – und zugleich ihre angemessene Strafe. Wer aber will sich anmaßen, darüber mehr zu wissen als Gottes Sohn? Die Hölle, von der er spricht, verschwindet nicht, bloß weil wir uns weigern, an sie zu glauben. Trösten wir uns also nicht mit Ausflüchten wie der Allversöhnungslehre, sondern ergreifen wir die konkrete Hilfe, die Christus bietet.

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Der Weltuntergang

Die Offenbarung des Johannes gilt als düstere Schrift. Dabei ist ihre Botschaft sehr tröstlich: Die Bedrängnisse der Endzeit sind zwar unvermeidlich, doch wer darin seinem Glauben treu bleibt, kann ebensowenig überwunden werden wie Christus selbst. Die kommenden Katastrophen stellen nicht etwa Gottes Plan in Frage, sondern führen nur dazu, dass er aufgeht. Und am Ende siegen mit Christus alle, die ihm treu geblieben sind. Wie die Welt einen Anfang hatte, wird sie auch ein Ende haben. Doch ist ihr Untergang nur der Übergang zum Reich Gottes. Und dem stetig näher zu kommen, kann ein Christ unmöglich bedauern. 

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Wiederkunft Christi

Jesus Christus wird am Jüngsten Tag unser Richter sein. Und damit ist das Amt auf die denkbar beste Weise besetzt. Denn wer könnte unser Dasein gerechter beurteilen als der, der Not und Versuchung mit uns teilte? Wer könnte ein kompetenterer Richter sein als der, der den Willen Gottes nicht nur verkündet, sondern auch vorgelebt und ohne Sünde erfüllt hat? Welcher Richter könnte uns lieber sein als der, der sich selbst opferte, um unseren Freispruch zu erwirken? Wenn er als Richter zugleich unser Verteidiger sein will, kann uns kein Ankläger verdammen!

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Auferstehung der Toten

Die Auferstehung ist keine geisterhafte Angelegenheit. Das neue Leben wird genauso eine leiblich-handfeste Seite haben, wie das alte. Und doch ist das neue kein zweiter Aufguss des alten, sondern beinhaltet einen qualitativen Sprung. Der aus dem Grab hervorgeht wird durchaus noch derselbe sein, den man hineingelegt hat – doch wie wir jetzt Adam gleichen, und in dieser Gleichheit das Unglück unseres Todes begründet liegt, so werden wir in der Auferstehung Jesus Christus gleichen, und in dieser Ähnlichkeit wird sich unsere neues Leben dokumentieren.

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Neuschöpfung von Himmel und Erde

Den Himmel zu ersehnen bedeutet keineswegs, in fromme Luftschlösser zu fliehen, aufs „Jenseits“ zu vertrösten und der alten Erde die Treue aufzukündigen. Denn der Himmel ist nichts anderes als die durch Gottes Gegenwart gesundete Erde. Er ist keine Alternative zur Schöpfung, sondern die herrliche Zukunft, die sie haben wird: Wenn Gott sein Werk gegen den Widerstand des Bösen vollenden will und es in seiner Allmacht auch vollenden kann, so folgt zwingend, dass er es vollenden wird.

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Hölle und Verdammnis 

Das Quälende an der Hölle ist der innere Widerspruch, dass in der Liebe Gottes alles liegt, was man ersehnt, und man sie doch nicht erträgt. Der Mensch ist dort ein Irrender, der sehenden Auges durch falsches Beharren eben jenes Unglück verschuldet, das nun seine Identität ausmacht. Er will selbst nicht von dem lassen, was ihn foltert. Er kann Gott ebensowenig akzeptieren wie loswerden. Und er tut sich damit selbst das Schlimmste an. Denn in der Hölle brennt nichts anderes als sein verkehrter Eigenwille. Der wird ihm zugestanden. Aber die Strafe für die Trennung vom Guten ist dann eben, von allem Guten getrennt zu sein. 

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Ewiges Leben und Reich Gottes

Mit dem Tod endet nur unseres Lebens erster Teil, denn nach der Auferstehung und dem Jüngsten Gericht werden die Gläubigen gereinigt, runderneuert und vollendet in Gottes Reich eingehen. „Herrlichkeit“ wird dafür ein viel zu kleines Wort sein! Doch sollte man sich den Himmel nicht zu sehr in Kategorien des Konsums vorstellen. Unsere Seligkeit wird nicht darin bestehen, dies und jenes zu genießen (im Sinne eines Schlaraffenlandes), sondern dass wir Gott schauen und Gott genießen. Seine Nähe wird uns beglücken und wir werden Gottes voll sein.

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Bekenntnis

Gottes ist die alles bestimmende Wirklichkeit. Er übersteigt bei weitem, was ein Mensch zu denken vermag. Und obwohl er immer ein und derselbe ist, begegnet er uns doch dreifach, als Vater, als Sohn und als Heiliger Geist. Gemessen an seiner Lebendigkeit sind alle tot. Gemessen an seiner Weisheit ist jeder töricht. Gemessen an seiner Unendlichkeit ist es überall eng. Gott ist nirgends nicht. Was er will, das kann er. Und zu allem hat er das Recht. Für die, die zu ihm flüchten, ist er ein Fels und eine feste Burg. Für seine Feinde aber Abgrund und verzehrendes Feuer.

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Über „moderne“ Theologie

Ein Theologe ist ein Wissenschaftler, den seine Materie beherrscht. Er hat sein Wissen nicht, ohne dass es ihn hat. Und er begreift nicht, ohne in das Begriffene mit Haut und Haar inbegriffen zu sein. Denn das Objekt seiner Studien ist das Subjekt seines Lebens. Nicht er hat sich des Themas, das Thema hat sich seiner bemächtigt – und während er urteilt, weiß er sich beurteilt. Anders können Theologen der tatsächlichen Rollenverteilung zwischen Gott und Mensch nicht entsprechen. Nutzt einer aber die reflexive Distanz, um den christlichen Standpunkt (unter ständigem Beschreiben, Erwägen, Würdigen, Umkreisen) niemals einzunehmen, so mag der sein, was er will – ein Theologe ist er nicht.   

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Advent

Der Glaube ist ganzjährig voller Erwartung, er sitzt sozusagen „auf gepackten Koffern“ und freut sich auf den Tag, da der gottlose Zustand dieser Welt überwunden wird, weil entweder der Herr zu uns kommt – oder wir zu ihm. Auch der Herr will das. Denn der Wartende ist es dem Kommenden wert, dass er kommt. Und der Kommende ist es dem Wartenden wert, dass er wartet. Einer ist des andern Ziel. Und in der gedanklichen Vorwegnahme der noch nicht vollendeten Gemeinschaft bilden sie doch schon eine Gemeinschaft: Der Kommende ist dem Wartenden in seiner Erwartung gegenwärtig, wie auch der Wartende dem Kommenden als Ziel seines Laufes vor Augen steht. 

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Weihnachten

Selten wird der Maler zum Bild und der Töpfer zum Topf. Doch Gott wird Mensch. Der Schöpfer wird das, was er gemacht hat, damit, was er gemacht hat, nicht zugrunde geht. Er gibt der Menschheit nicht, was sie verdient, sondern gibt ihr – sich selbst. Er teilt sich der Menschheit mit, indem er ihr Leben mit ihr teilt. Er eignet sich ihr Elend an, um es zu überwinden. Er stellt sich zu den Verlorenen – und macht sie damit zu Gefundenen. Das Gewicht seiner Liebe zog Gott auf die Erde hinab! Er schlüpfte in unser Leben und durchlief all seine Stationen, um wieder herzustellen, was kaputt war und wiederzufinden, was verloren war.

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Silvester

Ein Mensch befindet sich auf der Zeitleiste immer nur an einem Punkt. Doch wie ein Adler aus großer Höhe überschaut Gott den gesamten Weg, den der irdische Wanderer nur abschnittsweise zu sehen bekommt. Für Gott ist jeder Moment gleich präsent, weil er den gesamten Zeitenlauf vor aller Zeit selbst gefügt und geordnet hat. Und so resultiert unser „Morgen“ nicht aus dem „Gestern“, sondern beides aus Gottes Vorsehung. Unsere Zukunft ist stets das, was uns von Gott her „zu-kommt“. Denn die wahre Herkunft der Zukunft ist Gott selbst. Er ist nicht in der Zeit beschlossen. Aber alle Zeit in ihm. Und das ist überaus tröstlich. 

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Gründonnerstag

In dem Brot, das Jesus mit seinen Jüngern teilt, ist er selbst enthalten. Die Jünger aber, die damit Christus aufnehmen in die eigene Person, verwandeln sich ihrerseits in Glieder seines Leibes. Indem sie seinen Leib aufnehmen in sich, werden sie aufgenommen in ihn. Durch das Abendmahl existiert Christus als Gemeinde – während die Gemeinde von dem und für den lebt, an dem sie teilhat. Nichts davon ist „metaphorisch“ oder „bildlich“ gemeint. Denn Brot und Wein sind nicht verweisende Zeichen für eine Wirklichkeit, die man sich erst noch „hinzudenken“ müsste, sondern in und mit den Gaben wird leiblich-konkret gegeben, was ohne diese leiblichen Mittel nicht in derselben Weise gegeben werden kann. 

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Karfreitag

Das Kreuz Christi ist der Ort, an dem der gerechte Zorn Gottes und die stumpfe Verstocktheit der Menschen aufeinanderprallen. Dort trägt Christus unsere Krankheit und lädt auf sich unsere Schmerzen. Er tut’s aber nicht, um hinterher bedauert zu werden, sondern trägt unsere Last, damit wir es nicht müssen. Er blutet, um unsere Wunden zu heilen. Er geht durch die Hölle, um sie uns zu ersparen. Er stirbt, damit wir leben. Er wird gering, um uns zu erhöhen. Er zieht uns weiße Kleider der Unschuld an und lässt uns teilhaben an seiner eigenen Reinheit. So hat der Fluch, der uns galt, das Kreuz nicht überlebt. Da es aber zu unserem Trost geschah, wär’s Christus ein schlechter Lohn, wenn wir uns dessen nicht freuten.

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Ostern

Man hat Christus nach allen Regeln der Kunst beseitigt. Doch der Tod wurde seiner nicht Herr. Gott bekannte sich zu seinem Sohn, indem er ihn auferweckte. Und aus der scheinbaren Niederlage des Kreuzes wurde so ein großer Sieg. Denn die Macht des Todes beruhte einzig und allein auf der Schuld des Menschen. Hat Christus aber stellvertretend für die Sünder ihre Strafe getragen, so ist damit ihre Rechnung beglichen, die Rechtsgrundlage des Todes entfallen – und infolgedessen wird Auferstehung nicht nur für Jesus möglich, sondern für alle, die zu ihm gehören. Das ist wunderbarer, großer Trost. Denn unter österlichem Vorzeichen stirbt nun nicht mehr der Christ, sondern, wenn’s zu Ende geht, stirbt nur noch sein Elend. 

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Himmelfahrt

Durch seine Himmelfahrt wird Christus weit über Freund und Feind erhoben und steigt hoch hinauf, um zur Rechten Gottes zu sitzen und künftig über alles zu herrschen. Antiautoritäre Affekte sind dabei aber ganz fehl am Platz. Denn – in wessen Händen wäre die Macht besser aufgehoben? Ein Verurteilter richtet nun über die Richter! Ein Knecht herrscht über die Herren! Ein Opfer entscheidet über die Täter! Christi Herrschaft raubt nur dem Satan seine Freiheit – den Christen ist sie aber ein inneres Fest. Denn wenn wir Christus gehören, gehören wir keinem anderen mehr. Und was an Karfreitag geschah, kehrt sich damit um: Die Welt wollte Gottes Sohn los werden – und befindet sich nun ganz in seiner Hand. 

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Pfingsten

Was der Heilige Geist im Menschen bewirkt, ist verwirrend vielfältig – es geht aber alles auf einen großen Perspektivwechsel zurück: Das organisierende Zentrum des normalen Menschen liegt in seinem Bedürfnis, sich wunschgemäß in der Welt einzurichten. Das organisierende Zentrum des Christen liegt hingegen jenseits der eigenen Person in Gott. Unter dem Einfluss des Heiligen Geistes will er Gott-gemäß in der Welt sein. Und das verändert all sein Wahrnehmen, Bewerten und Handeln. Statt „autonom“ von und für sich selbst zu leben, möchte er „theonom“ von Gott und auf Gott hin leben. Durch Gottes Geist findet er seine Mitte – findet sie aber nicht in sich selbst, sondern in Gott.

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Erntedank

Gottes schöne Erde ist so reich an Gütern, dass jeder satt werden könnte. Doch ist ein rücksichtsloser Streit entbrannt, weil jeder rafft und hortet, so viel er kann. Die Cleveren machen sich die Taschen voll, die weniger Geschickten kommen unter die Räder. Doch gibt es zum großen Verteilungskampf einen christlichen Gegenentwurf, weil ein Christ im Streben nach den Gaben nie den Geber vergisst. So sehr er der Güter bedarf, wird er sie doch nie anders als im Sinne des Spenders gebrauchen. Der hat sie nicht geschaffen, um einzelne reich, sondern um alle satt zu machen. Und dementsprechend gilt es zu handeln. Denn Gott selbst ist des Christen Glück und Ziel – die Güter der Erde sind es nicht.

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Reformationstag

Gute Werke sind nicht weniger gefährlich als schlechte. Denn wenn der Mensch sich auch nur halbwegs „gut“ vorkommt, beginnt er unweigerlich, sich selbst zu gefallen. Und je besser er sich fühlt, desto weniger fragt er nach Gottes Gnade. Er baut lieber auf das, was er selbst leistet, als auf das, was Christus für ihn tut. Und die Folgen sind fatal. Denn wer sich für gut hält, sucht nicht nach der Gnade, die schlechte Menschen retten kann. Christus gerät ihm aus dem Blick. Und weil er die Gnade nicht hat, nach der er nicht greift, geht er dann verloren: Bevor man seine Sünde loswerden kann, muss man sie als Last empfinden! Und wenn einen vermeintlich gute Werke daran hindern, sind sie eben darum schädlich. 

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Buß- und Bettag

Wir halten uns gern für „gute“ Menschen, die nichts Schlimmes tun. Doch die Frage ist nicht, was wir tun, sondern warum. Und da zeigt sich leider, dass wir alles zu dem Zweck tun, einen Vorteil zu erlangen oder einen Nachteil zu vermeiden. Unsere Umwelt verstärkt das erwünschte Verhalten und sanktioniert das unerwünschte. Für unsere Einbindung zahlen wir den Preis, dass wir uns anständig benehmen. Doch ist das nur eigennützig. Und wenn es der Preis für soziale Akzeptanz wäre, täten wir auch das Böse. Wir sind zwar gut darin, Moral zu simulieren. Doch wenn Lohn und Strafe entfallen, ist uns die Moral bald egal: Wir scheuen nicht das Böse, sondern scheuen uns nur, erwischt zu werden – sind also keineswegs „gut“.

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Ewigkeitssonntag

 

Für einen Christen ist der Tod der ultimative Ruhestand, den er bei Gott verbringen darf. Und das irdische Getümmel zu verlassen, in dem sich alle von Gier und Angst getrieben um ein bisschen Glück raufen, muss ihn nicht sehr betrüben. Denn er macht einen guten Tausch. Man nennt ihn „entschlafen“, aber in Wahrheit ist er aufgewacht. Man meint, er hätte alles verloren, dabei hat er alles gewonnen. Man weint um ihn, er aber hat gut lachen: Gott hat ihn aus der irdischen Bedrängnis herausgeholt und in die himmlische Freiheit entlassen. Und deshalb muss man ihn wahrlich nicht bedauern. Oder beweint man jemand, der das Ziel seines Weges glücklich erreicht hat? Gratuliert man ihm nicht eher?

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